Protokoll der Sitzung vom 10.05.2006

In Bremen haben das kulturelle Engagement und die vielfältige Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern für die Kultur eine lange Tradition. Darauf hat Frau Spieß hingewiesen. Die großen Bremer Kultureinrichtungen wie das Übersee-Museum, die Kunsthalle oder die Philharmonische Gesellschaft sind historisch aus bürgerschaftlichem Engagement hervorgegangen, und ohne freiwilliges Engagement wäre die Arbeit der soziokulturellen Zentren oder kulturellen Stadteilarbeit, zum Beispiel der Bürgerhäuser, überhaupt nicht zu leisten.

Über zwei Millionen Menschen in Deutschland sind ehrenamtlich im Kulturbereich aktiv. Die durchschnittlich aufgewandte Zeit pro ehrenamtlicher Tätigkeit liegt bei 14,5 Stunden pro Monat. Allein in den Bürgerhäusern lag der Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeit für die Stadtteilquartiere im Jahr 2005 bei 34 000 Stunden. Das kann man nicht hoch genug achten. Das zeigt, welche große Bedeutung ehrenamtliche Tätigkeit hat.

Gerade die zahlreichen kleineren Kultureinrichtungen in den Stadtteilen tragen durch die ehrenamtliche Tätigkeit wesentlich zur Lebensqualität, sozialen Stabilität, aber auch zur Integration in den Stadtquartieren bei. Das gilt für den Kulturladen in Huchting, für Kultur vor Ort in Gröpelingen und genauso für das Lagerhaus im Viertel. Es ist sehr wichtig, dass wir gerade vor den gesellschaftlichen Problemen uns nach wie vor dieser Ehrenamtlichkeit versichern und

dieses Ehrenamt weiterhin politisch engagiert unterstützen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was machen Ehrenamtliche alles? Ganz unterschiedliche Tätigkeiten, von der selbstverantworteten Programmgestaltung über Veranstaltungsorganisation, Kassendienste, Spendensammeln, Museumsshopverkauf, Betreuung von Kindern und Jugendlichen bei Museumsführungen, Künstlerbetreuungen und vieles andere mehr! Diese Aufzählung macht deutlich: Das kulturelle Leben und erst recht die kulturelle Vielfalt sind nur möglich, weil es in Bremen so viele Menschen gibt, die sich für die Kultur engagieren.

Was sind die Motive, sich bürgerschaftlich zu engagieren? Mit Sicherheit ist es Spaß an der Arbeit, aber vor allem auch die Identifikation mit einer Kulturinstitution oder einem Kulturprojekt. Es ist auch die Erwartung, dass ehrenamtliche Tätigkeit für die eigenen beruflichen Möglichkeiten genutzt werden kann. Wenn der Senat das Ehrenamt im Kulturbereich weiter fördern will, dann darf er es nicht überstrapazieren.

Ich war etwas irritiert über die Frage nach der Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für kulturelle Grundversorgung. Ich wusste nicht genau, ob Sie darauf hinauswollen, dass angesichts enger finanzieller Spielräume die ehrenamtliche Tätigkeit ausgedehnt werden soll, um gegebenenfalls bezahlte Kräfte einsparen zu können. Ich hoffe, dass dies nicht gemeint ist. Die Antwort des Senats macht mich aber auch nicht schlauer. Es wird davon gesprochen, dass die Ehrenamtlichen einen sich bereits abzeichnenden, zunehmend gewichtigeren Anteil übernehmen können. Was der Senat mit diesem Satz meint, dass bitte ich ihn hier noch einmal genauer zu erklären. Für uns war der Satz sehr nebulös.

Wir Grünen sind der Auffassung, dass zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements eine verlässliche Finanzierung der Kultureinrichtungen gehört, auch und gerade des professionellen Personals. Im engagierten Einsatz von Ehrenamtlichen mit einem erheblichen Zeitbudget sind Verlässlichkeit und Kontinuität gerade in der finanziellen Absicherung der Kultureinrichtungen, für die sich die Menschen ja engagieren, ein wichtiges Signal, dass der Staat das Ehrenamt auch tatsächlich ernst nimmt.

Wir können augenblicklich bei der Diskussion über die neuen Strukturen in Bremen-Nord sehr deutlich sehen, wie groß die Sorge der dort engagierten Menschen in den Fördervereinen ist, zum Beispiel beim Kito, dass dessen Profil durch die Neuorganisation in Bremen-Nord unter die Räder geraten könnte. Wenn die Identifikation mit einer Einrichtung wegfällt, wird das Ehrenamt beschädigt. Ich hoffe sehr, dass eine Neuorganisation in Bremen-Nord, gegebenenfalls unter einem so genannten Kulturmana

ger, nicht dazu führt, dass ehrenamtliches Engagement zurückgedrängt wird und dass die Menschen sich zurückziehen, weil sie glauben, unter einem Kulturmanager hätten sie dann zukünftig nichts mehr zu sagen. Das fände ich für Bremen-Nord fatal.

Meine Damen und Herren, Ehrenamt ist nicht zu verwechseln mit Mäzenatentum, aber Mäzenatentum hat sehr wohl auch etwas mit bürgerschaftlichem Engagement zu tun. Der Kunstverein bezeichnet sich gern als größte Bürgerinitiative Bremens, vielleicht mit Recht. Er hat, ich weiß es gar nicht so genau, über 3000 Mitglieder.

(Glocke)

Ich würde mir wünschen, dass von denjenigen Mitgliedern, die über eine dickere Brieftasche als andere verfügen, eine namhafte Summe für den Anbau der Kunsthalle gesammelt wird, um die Realisierungschancen zu erhöhen und weiterhin Ausstellungen mit überregionaler Anziehungskraft wie die FelderAusstellung von van Gogh oder die Camille-Ausstellung –

(Glocke)

ich komme zu Schluss, Herr Präsident – ermöglichen zu können, und das macht aus unserer Sicht einen Anbau der Kunsthalle nötig.

Wir fordern bürgerschaftliches Engagement von denen, die finanziell mehr als andere schultern können. Sie sollten das tun, und dann ist es auch ein gutes Signal für das bürgerschaftliche Engagement in unseren beiden Städten. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat deutlich gemacht, welche Bandbreite und Vielfalt an bürgerschaftlichem Engagement insbesondere im Kulturbereich hier in Bremen vorhanden ist. Deswegen möchte ich nicht alles wiederholen, was schon gesagt worden ist, aber vielleicht in ein, zwei grundsätzlichen Bemerkungen von meiner Seite aus deutlich machen, welche hohe Bedeutung das bürgerschaftliche oder bürgerliche Engagement für die Kultur und die Künste im Land Bremen hat und welche Rolle es spielt.

Meiner Auffassung nach ist das bürgerliche Engagement, egal in welchem Bereich, Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Dies trifft natürlich insbesondere für die Kunst und Kultur hier in Bremen zu. Ohne die Vielfalt, meine Damen und Herren, wäre das kulturelle Leben hier in Bremen und Bremerhaven um einiges ärmer. Deswegen möchte ich mich auch von

dieser Stelle aus dem Dank für das ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagement in allen Bereichen anschließen, ob es Vereine sind, ob es Stiftungen sind, ob es die Breitenkultur oder die Spitzenkultur ist! Von meiner Seite aus herzlichen Dank! Ohne dieses Engagement wären wir, wie gesagt, um einiges ärmer.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Fragen, die sich hinter solchen allgemeinen Positionen dann für die Zukunft stellen, sind natürlich Fragen, wie sie auch Frau Emigholz gestellt hat: Wie geht es weiter mit dem ehrenamtlichen Engagement? Es ist hier in der einen oder anderen Bemerkung auch angeklungen, dass es natürlich angesichts der finanziell engen Situation, auch im Kulturbereich, für die einzelnen Einrichtungen in der Zukunft immer schwieriger wird, ihr Angebot in der Breite aufrechtzuerhalten, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

Deswegen, Frau Krusche, hat das ehrenamtliche Engagement natürlich eine hohe Bedeutung, auch in diesen Bereichen. Wir wollen aber von unserer Seite aus versuchen, durch professionelle Unterstützung das Ehrenamt zu stützen und die Qualifizierung der Ehrenamtlichen weiter voranzubringen, um insgesamt die Arbeit noch besser und noch breiter abzustützen. Ich will das nicht so interpretieren, wie Sie es versucht haben anzudeuten, also das Ehrenamt für die Reduzierung staatlicher Mittel zu substituieren, das kann es natürlich nicht sein. Ich glaube, da würde man dem Ehrenamt auch nicht gerecht werden. Es gibt eine große Bereitschaft der Menschen, die ja viele Stunden in den einzelnen Einrichtungen tätig sind. Es sind Beispiele genannt worden wie Museumsshops und auch Stiftungen in Bremen, die ehrenamtlich geführt werden und sich in einem sehr großen Maß im Kulturbereich engagieren, und zwar auch mit der Geldbörse.

Wenn man dort einmal hinter die Kulissen schaut und sieht, wie viele Stiftungen wie viel Geld hier in die Einrichtungen in Bremen hineingeben, würden einem die Augen aufgehen, wenn das in einem größeren Maße bekannt werden würde! Ich finde es auch sehr sympathisch, dass diese Stiftungen selbst kein großes Aufsehen davon machen, sondern hanseatisch sagen: Schön ruhig, wir wollen, dass das Geld dorthin kommt, wo es hinkommen soll, aber bitte erzählt es nicht, von welcher Stiftung oder von welcher Privatperson dieses Geld kommt! Wir wollen es so natürlich nicht verstehen, denn es hätte, wie gesagt, zur Konsequenz, dass das Ehrenamt dabei insgesamt abnehmen würde.

Ich glaube aber, Frau Krusche, dass der Hinweis auf das Kito hier nicht passt. Ich habe das auch auf der Beiratssitzung in Vegesack gesagt, und man hat es ja auch im Verlauf der Beiratssitzung erleben können, das sind wirklich primär vereinsinterne Angelegenheiten. Ich mache das so wie auf der Beiratssitzung in Vegesack: Ich werde mich zu diesen ver

einsinternen Angelegenheiten nicht äußern, denn genauso wie das Kito hat natürlich auch das Junge Theater hier Vertrauensschutz. Dort gibt es Bereiche, die, ich will nicht sagen, abenteuerlich sind, aber wo einfach nicht so weiter zugeschaut werden kann und wo wir auch als Behörde natürlich eine Verantwortung haben, entsprechend Einfluss zu nehmen, allein schon, weil wir aufgrund der Landeshaushaltsordnung dazu gezwungen werden, wann und wie wir Mittel auszahlen. Das hat aber nicht originär mit dem Kulturkonzept in Bremen-Nord zu tun. Das will ich an dieser Stelle auch deutlich machen. Von daher glaube ich, dass dieses Beispiel sich nicht besonders eignet, an dieser Stelle deutlich zu machen, ob sich das ehrenamtliche Engagement durch das Handeln des Kultursenators und der Kulturpolitiker insgesamt hier an dieser Stelle nun authentisch oder weniger authentisch darstellt.

Lassen Sie mich zusammenfassen, weil ich die zahlreichen richtigen Aussagen aller drei Rednerinnen hier nicht noch einmal wiederholen will! Ich glaube, es lohnt sich, dieses ehrenamtliche und bürgerschaftliche Engagement weiter zu unterstützen und auch durch solch eine Debatte deutlich zu machen, dass es eine hohe Anerkennung besitzt. Deswegen kann ich meinem Kollegen Röwekamp im Hinblick auf die vorherige Aussprache nur zustimmen, dass es mich manchmal verwundert, welche Bedeutung in der Presse der einen oder anderen Debatte beigemessen wird. Zugegebenermaßen ist diese heutige Debatte nicht besonders spektakulär, aber was mit herüberkommt, was die Grundpfeiler unserer Gesellschaft sind, das sind doch die entscheidenden Punkte, nämlich dass man sich auch etwas vertiefter mit den Themenstellungen auseinander setzt! Auch das ist eine Forderung, die man in diesem Zusammenhang erheben kann, und das insbesondere für dieses Thema, die Förderung dieses Engagements, die, glaube ich, auch eingefordert werden kann.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal hervorheben, dass es einen breiten Konsens gibt, dass alle Kräfte – dafür stehen ja die Kulturpolitiker insgesamt, ob nun als Abgeordnete oder in der Verwaltung – an diesen Stellen sehr eng an einem Strang ziehen und auch in eine Richtung und dass dies insgesamt dem Engagement zugute kommt und es klug ist, in diese Richtung weiterzugehen. An dieser Stelle will ich natürlich auch die Anregungen gern aufnehmen, die wir im Zusammenhang mit dem Kulturentwicklungsplan auf der einen Seite, aber natürlich auch durch die grundsätzliche Förderung und Forderung des bürgerschaftlichen Engagements auf der anderen Seite weiter vorangebracht haben, so wie wir das im vergangenen Jahr hier in der Bürgerschaft gemeinschaftlich beschlossen haben. Ich freue mich auf die entsprechenden Diskussionen, auch in der Kulturdeputation. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats mit der Drucksachen-Nummer 16/990 auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Bildung in Deutschland auf dem Prüfstand – Vorläufige Ergebnisse des Besuchs des UNSonderbeauftragten in Deutschland

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22. Februar 2006 (Drucksache 16/937)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 18. April 2006

(Drucksache 16/982)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, so dass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Ich sehe, das ist der Fall.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Senat hätte heute ruhig die Antwort auf unsere Große Anfrage vorlesen können, die er aufgeschrieben hat, denn sie ist nicht besonders umfangreich,

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

aber vielleicht ist sie ja gehaltvoll, Herr Rohmeyer. Vielleicht hören Sie erst einmal zu!

Vor wenigen Wochen bekam die Bundesrepublik einen bislang ungewöhnlichen Besuch, einen Besuch, der eigentlich nicht eingeladen worden war, jedenfalls nicht so direkt. Der UN-Sonderbeauftragte für Bildung, Professor Vernor Muñoz, besuchte im Auftrag der UN die Bundesrepublik Deutschland und nahm das Bildungssystem unter die Lupe.

Mit dem weltweiten Pisa-Test waren Deutschland schwere Versäumnisse bei der Chancengleichheit in der Bildung und der Förderung von Migrantenkindern bescheinigt worden. Nun sollte geprüft werden, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ob die Chancengleichheit im deutschen Schulsystem gewährt ist, denn 2004 schockierte auch die zweite Pisa-Studie mit dem Ergebnis, dass in keinem anderen Land die Nachteile für Kinder aus zugewanderten Familien so groß sind wie in Deutschland. In der Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien, so die internationale Presse, verdiene Deutschland die Note „Sechs“, ein Armutszeugnis für das Land und auch ein Problem für die deutsche Volkswirtschaft.

All diese Aussagen lassen sich haargenau auch auf Bremen übertragen und sind hier sichtbar. Deswegen bin ich auch froh, dass die UN, wenn auch ungebeten, den Sonderbeauftragten Muñoz nach Deutschland geschickt hat, denn bei den Bildungsergebnissen, die die Bundesrepublik erzielt hat, und den Chancen, die Kindern hier im Land gegeben werden, bei der Starrsinnigkeit, wie hier über dreigliedrige Schulsysteme gestritten wird, und auch bei der Bockbeinigkeit, die ich auf dieser Seite des Hauses ausmache, finde ich es wichtig, dass noch einmal der Blick von außen auf die Bundesrepublik Deutschland gelenkt wird. Jemand, der internationalen Sachverstand hat, kann uns hier wichtige Hinweise geben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)