Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Seniorinnen und Senioren aus Hemelingen. Herzlich willkommen in unserem Hause!
Ich würde den Bürgermeister gern fragen, ob er die Antwort mündlich wiederholen will. Das ist nicht möglich. Ich gehe aber davon aus, dass er es nicht möchte.
Aus dem Grunde glaube ich aber, dass wir trotzdem in eine Debatte eintreten möchten. Wenn das dann der Fall ist, dann erteile ich zuerst dem Abgeordneten Dr. Güldner das Wort.
legen! Ich denke, wir fangen trotzdem an, auch wenn der Senat noch nicht präsent ist. Es ist ja vielleicht ganz interessant, einmal zu hören, ob die Replik auf die Rede der Opposition schon vorher feststand und dann doch vorgetragen wird oder ob sie spontan kommt.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Heiterkeit – Abg. B ö d e k e r [CDU]: Um- gekehrt ist es genauso!)
Wir reden heute über die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Grünen zur Bilanz des Zuwanderungsgesetzes. Sie erinnern sich vielleicht, dass die Frage des Zuwanderungsgesetzes für die Grünen seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Politik war, dass wir sehr viele Vorstöße in diese Richtung unternommen haben, dass aber am Ende – und ich sage es jetzt einmal so, damit wir auch in der Debatte vielleicht den richtigen Ton treffen – ein Gesetz herausgekommen ist, bei dem sehr viele Köche einen Brei gekocht haben, den wir heute zu bewerten haben, wie er uns schmeckt. Es verbietet sich dann von selbst, auf einen der vielen Köche zu zeigen und zu sagen, nur der ist schuld an diesem Brei, wenn es denn an diesem Gesetz etwas zu kritisieren gibt, sondern da haben sehr viele mitgewirkt.
Sie wissen, dass die rotgrüne Bundesregierung dieses Zuwanderungsgesetz auf den Weg gebracht hat, dass aber durch die Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat der Bundesrat mit befasst war. Sie wissen, dass im Vermittlungsausschuss viele Jahre, viele Sitzungen lang gerungen wurde und dass wir dann heute ein Ergebnis zu bewerten haben, wie es dann seit dem 1. Januar 2005 umgesetzt worden ist.
Für uns Grüne waren im Wesentlichen drei Punkte wichtig. Sie wissen, dass wir uns in diesen Fragen eben wegen der Konstellation, die ich gerade erwähnt hatte, dort nicht vollständig durchsetzen konnten. Das Erste war, wir brauchen in gewissen Bereichen und unter gewissen Konditionen weitere Zuwanderungen. Wir wollen ein weltoffenes Land sein. Wir sehen, dass andere Länder vor allen Dingen wirtschaftlich, aber auch in verschiedenen anderen Punkten, kulturell, sozial, sehr profitieren, wenn sie ihre Grenzen unter bestimmten Bedingungen offen gestalten.
Wir haben einen demografischen Wandel. Das Wort ist sehr strapaziert. Viele Prognosen gehen aber natürlich in Richtung Fachkräftemangel und Mangel an qualifizierten Kräften in vielen Branchen und Bereichen. Deswegen wollten wir Grünen ein Zuwanderungsgesetz, das auch tatsächlich diese Zuwanderung nicht im riesigen Stil, wie es manchmal behauptet worden ist, sondern sinnvoll gesteuert ermöglicht und gesetzlich regelt. Das war unser erster Schwerpunkt.
Der zweite Schwerpunkt war, das Ausländerrecht ist in den vergangenen Jahren sehr kompliziert geworden. Es beinhaltet sehr viele Probleme bei der Umsetzung des Ausländerrechts. Es sollte, so die Intention, zu einer Vereinfachung des Ausländerrechts kommen, und es sollten ein paar Nachbesserungen in einigen Bereichen des Ausländerrechts gemacht werden. Ich komme im Einzelnen noch einmal darauf zurück.
Der dritte Schwerpunkt, und ich denke, dass wir hier große Einigkeit im Parlament haben, sollte sein, dass – vielleicht ein bisschen spät für die Bundesrepublik Deutschland, wenn man bedenkt, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften 1955 mit der Zuwanderung italienischer Landwirtschaftsgehilfen nach Baden-Württemberg und Bayern begonnen hat – die Integration der zugewanderten Menschen in unsere Gesellschaft gesetzlich geregelt und endlich bundeseinheitlich gefasst und nun noch verstärkt nach vorn gebracht werden sollte.
Dieser Dreischritt, finde ich – und jetzt werden wir auch schauen, was dann tatsächlich bei diesem Gesetzeswerk vor Ort herausgekommen ist –, signalisiert nach wie vor die richtige Konzeption in Bezug auf Zuwanderung, Ausländerrecht und Integration. Ich glaube, dass die heutige Situation mehr denn je zeigt, meine Damen und Herren, dass wir da auf einem richtigen Weg waren.
Es ist durch die vielen Verhandlungen, durch die Widersprüche auch zwischen den unterschiedlichen Parteien und Gremien, die befasst waren, ein sehr gemischtes Gesetzeswerk dann dabei herausgekommen, was teilweise auch mit der heißen Nadel gestrickt war, obwohl man relativ lange darüber beraten hat. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von positiven Ergebnissen. Das zeigt nicht nur die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Grünen, das zeigt auch die sehr intensiv laufende Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes, die auf Bundesebene läuft.
Ich hatte gerade letzten Freitag Gelegenheit, mit Herrn Dr. Albert Schmidt, dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, über diese Fragen zu sprechen. Ich fand es noch einmal sehr interessant, wie er betont hat, dass dies das erste Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland ist, das bereits evaluiert wurde, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist, das heißt eine Evaluierung, eine wissenschaftliche Begleitung von Anfang an. Von daher haben wir heute ja auch die Möglichkeit, weil einige Zwischenberichte der Evaluierung schon vorliegen, wenn wir heute Bilanz des Zuwanderungsgesetzes sagen, nicht nur über gefühlte Bilanzen, sondern über tatsächliche Fakten und eine Reihe von Ergebnissen dieser Evaluierung zu sprechen.
steuert und begrenzt, aber eben doch mit Offenheit für Menschen, die zu uns kommen sollten, war intendiert. Es ist in diesem Punkt, was tatsächliche Zuwanderung angeht, nicht viel dabei herausgekommen. Selbst, und das ist jetzt ein bisschen die Ironie dieses Gesetzes, in den Punkten, in denen sich CDU, SPD, die Grünen und FDP einig waren, dass wir in diesen Feldern Zuwanderung wollen, dass sie alle wollten, und die auch mit Zustimmung dieser Parteien in das Gesetz hineingeschrieben wurden, müssen wir sehen, dass bei diesem Gesetz nicht sehr viel herausgekommen ist.
Nehmen wir uns einmal die verschiedenen Punkte vor! Es sollte ein Punktesystem geben, ähnlich der amerikanischen Greencard, wo besonders Menschen durch verschiedene Kriterien wie berufliche Fähigkeiten, da ging es auch um ökonomische Fähigkeiten, um andere, Bildungsabschluss und so weiter, Punkte sammeln konnten, um nach Deutschland zuzuwandern. Dieses Punktesystem ist erst gar nicht in die Endfassung des Gesetzes aufgenommen worden, es ist leider gekippt worden. Letzte Woche haben gerade noch einmal wieder die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft eingefordert, dass Deutschland ein solches Punktezuwanderungssystem dringend braucht. Ich kann heute nur noch einmal sagen, es ist sehr schade, dass damals, praktisch in letzter Minute, dieses Punktesystem gekippt worden ist. Wir werden es mit Sicherheit alle noch erleben, dass wir gemeinsam ein solches Punktesystem in Deutschland haben werden, weil wir diese Zuwanderung, gerade in diesem Bereich der Menschen, die ich genannt habe, dringend brauchen, meine Damen und Herren.
Dann gab es auch einen Konsens, dass wir eine unbefriedigende Situation bei den Studierenden mit Abschluss haben. Wir bilden die Menschen hier in Deutschland aus, sie machen einen Universitätsabschluss. Alle hatten gemeinsam beschlossen, dass Studierende dann auch die Möglichkeit haben sollten, bei uns einen Arbeitsplatz anzutreten. Hier sind die Hürden so hoch gehängt worden, indem man die Arbeitsaufnahme nur in dem sehr eng gefassten Bereich gestattet hat, in dem die jeweiligen Absolventen studiert haben. Da praktisch von den Zahlen her kaum nennenswerte Erfolge in diesem Bereich erzielt wurden, auch bundesweit, nicht nur in Bremen, das ist keine bremische Besonderheit, hat diese Regelung sehr wenig gebracht.
Dann, auch im Konsens, das ging auch von Parteien aus, die der Wirtschaft etwas näher stehen wie CDU und FDP, aber auch SPD und die Grünen waren damit völlig einverstanden, sollten Selbständige, die ein Unternehmen in Deutschland gründen wollen, die selbständig, die mit eigenem Kapital wirtschaften wollen, unter diesen Bedingungen zugelassen wer
den, nach Deutschland zuzuwandern. Nur, und das ist ein bisschen das Problem dieses Gesetzes, fast an allen Stellen hat man dann Bedingungen hineingeschrieben, bei denen sich heute noch jeder, der sich das anschaut, an den Kopf fasst. Man hat gesagt, das geht nur, wenn sie mindestens eine Million Euro investieren oder zehn Arbeitsplätze von Beginn an schaffen und garantieren können.
Natürlich hat auch ein System, das sich mit einer solchen Bedingung quasi in sich wieder unmöglich macht, keine Erfolge erzielt. Es sind praktisch fast keine oder nur sehr wenige Selbständige und Unternehmer nach Deutschland gekommen, um hier zu investieren oder eben diese Arbeitsplätze zu schaffen, weil man diese unsinnigen Regelungen in dieses Gesetz hineingeschrieben hat. Ich finde es jetzt noch sehr traurig und sehr schade, dass das damals durchgesetzt worden ist, einen solchen Unsinn in ein solches Gesetz hineinzuschreiben, meine Damen und Herren.
Das Gleiche gilt für die Frage der sogenannten Hochqualifizierten. Auch da war man sich einig, auch da gab es einen Konsens, die können wir gebrauchen, die ziehen vor allen Dingen in die USA, die ziehen nach Großbritannien, nach Australien, nach Neuseeland, Deutschland braucht sie. Sie kennen diese eine Zahl, die so bemerkenswert ist: Die Hälfte aller amerikanischen Nobelpreisträger ist aus dem Ausland eingekauft, wenn Sie so wollen, ist aus dem Ausland geholt. Das ist nämlich die Frage der Hochqualifizierten. Auch hier haben wir es nicht geschafft, praktikable Anforderungen in diesem Gesetz zu schaffen, dass wir bei den Hochqualifizierten tatsächlich eine stärkere Anwahl von Deutschland als Zielland herbeigeführt haben. Das ist sehr schade, weil wir in all diesen Gruppen einen politischen Konsens hatten, dass wir es wollen. Die Zahlen, die heute dabei herausgekommen sind, sind so ernüchternd, dass man sagen kann, in diesem großen Feld haben wir durch das Zuwanderungsgesetz kaum Fortschritte gemacht, jedenfalls wenn, dann nur sehr gering.
Der zweite Bereich, den ich angesprochen hatte, war das Ausländerrecht und das Arbeitserlaubnisrecht. Hier kann man auf der Habenseite verbuchen, dass es bei den vielen Aufenthaltstiteln, die es vorher gab, eine ganz klare Vereinfachung und Zusammenfassung der unterschiedlichen Aufenthaltstitel gegeben hat. Das erleichtert allen, den Behörden aller Art, den Betroffenen selbst, natürlich die Arbeit, wenn man nicht mehr wie vorher mit so vielen verschiedenen Titeln wie Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltserlaubnis und so weiter herumjongliert.
Es ist auch positiv, dass die EU-Bürger, die ja inzwischen als Unionsbürger zu uns gehören, die auch das kommunale Wahlrecht genießen, aus dem Ausländerbereich herausgenommen sind und nun wie
und sich wie normale Bürger dieses Landes hier bewegen können, ohne beim Aufenthaltsrecht hier besonders behandelt zu werden.
Lassen Sie mich als letzten Punkt noch sagen, Herr Präsident, dann können wir vielleicht auf eine zweite Runde verzichten, ich möchte es nur noch einmal ansprechen: Bei der Integration waren wir uns auch politisch einig, dass hier sehr viel stärker nach vorn gegangen werden soll. Hier hat sich das Verfahren dann teilweise in der Praxis doch als zu bürokratisch erwiesen. Auch die Frage der Stunden für die Sprachkurse ist umstritten. Hier sehen viele den Punkt, dass noch einmal nachgelegt werden muss, was die Finanzierung und die Anzahl der Stunden angeht. Ansonsten hat Bremen dort, wie ich finde, sehr gute Zahlen vorzuweisen, was die Frequenz bei diesen Sprachund Integrationskursen angeht.
Im abschließenden Satz lassen Sie mich noch einmal sagen, was mir an der Antwort des Senats nicht gefallen hat: Man verweist ganz oft auf die Zuständigkeit des Bundes. Das ist zunächst natürlich richtig, weil der Bund federführend ist. Gleichwohl gibt es die Auslegung der Ermessensmöglichkeiten, die wir im Lande haben, die oberste Landesbehörde kann ja das Ermessen in vielen Fragen auslegen, und auch bei der Umsetzung des Gesetzes, die durch unsere bremischen Ausländerbehörden dann letztendlich erfolgt, gibt es doch sehr viele Defizite, die wir in Bremen aufarbeiten können.
Über die Ausländerbehörde werden wir aufgrund einer Anfrage der SPD das nächste Mal eingehender sprechen. Auf das Bleiberecht werden wir morgen noch einmal näher eingehen. Deswegen spare ich das hier aus. Nur der generelle Verweis auf den Bund in der Verantwortung scheint mir nicht gerechtfertigt. Bremen hat so viele Hausaufgaben, die aus diesen Fragen hervorgehen in der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, dass es auch für uns in Bremen noch sehr viel zu tun gibt. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mitteilung des Senats auf die Große Anfrage bestätigt uns, was der Osnabrücker Migrationsexperte Klaus Bade in einem Beitrag für „Die Zeit“ so beschrieben hat, ich zitiere mit Erlaubnis: „Bislang geht das Ringen der Großen Koalition in ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Berlin um eine Verbesserung des Zuwanderungsgesetzes auf dem in aller Regel durch Schlachtenlärm gekennzeichneten Feld vergleichsweise geräuschlos ab.“ Ich glaube, jedem ist der Schlachtenlärm noch gut in Erinnerung, den wir um die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes, des Aufenthaltsgesetzes gehabt haben. Bade schließt daraus, dass mit grundlegend neuen Erkenntnissen nicht zu rechnen ist, und er bedauert das.
Die Große Anfrage kommt ebenfalls gewissermaßen unaufgeregt und auf leisen Sohlen daher. 15 Monate nach dem Inkrafttreten, so heißt es, sei es Zeit, eine erste Bilanz der Auswirkungen zu ziehen und gegebenenfalls Nachbesserungen vorzuschlagen. So einfach ist das nicht, weil, wie in der Antwort zu Frage 22 aufgezeigt wird, es dringenden Handlungsbedarf aus EU-Recht gibt. Nicht weniger als elf EU-Richtlinien sind umzusetzen, darunter klingende Namen wie die Richtlinie „Familiennachzug“ oder „Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Aufnahmebedingungen“, die Freizügigkeitsrichtlinie, die Studentenrichtlinie, die Opferschutzrichtlinie oder andere. Manche Umsetzungsfristen dieser Richtlinien drängen, andere sind bereits überfällig. Bei dem zugrunde liegenden Problem sieht es nicht anders aus, einige Probleme drängen sehr nach Lösungen, andere sind längst überfällig. Am deutlichsten wird das, glaube ich, in der Frage nach dem Bleiberecht.