Meine Damen und Herren, gerade die Bildungspolitik gehörte zu den Bereichen, wo die Parteien der Großen Koalition nicht auf Anhieb zueinander gefunden haben, aber das, was in den letzten Jahren in Bremen im Schulbereich passiert ist, kann sich sehen lassen. Darum haben wir – auch, um zu zeigen, einerseits, was geleistet wurde, aber auch, welche Bedarfe daraus für die Zukunft entstanden sind, wie es weitergehen soll – eine Große Anfrage als CDU und SPD eingereicht. Ich möchte mich bei Herrn Senator Lemke für die sehr umfangreiche Beantwortung auf 50 Seiten ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
bedanken, eine Vorlage, die wirklich bemerkenswert ist, was den Umfang der bildungspolitischen Aktivitäten dieser Großen Koalition angeht. Vielen Dank, Herr Senator Lemke!
Wir haben, meine Damen und Herren, begonnen und standen uns eigentlich gegenüber mit unterschiedlichen Vorstellungen. Die Parteien der Großen Koalition mussten sich bildungspolitisch erst zusammenraufen. Die ersten Jahre waren ein vorsichtiges Abtasten, will ich das einmal nennen. Man hat die TIMSS-Studie seinerzeit zur Kenntnis genommen, dann kam die Pisa-Studie, und nach der Pisa-Studie kam das, was Henning Scherf gesagt hat, ich habe das noch einmal herausgesucht. Der Präsident des Senats und damalige SPD-Bürgermeister hat 2002 gesagt, als die Länderergebnisse vorgestellt wurden: „Die SPD ist seit 1947 verantwortlich für die Bildungspolitik, Pisa ist die Quittung dafür. Nun muss die Partei die Kraft haben, aus ihren Fehlern zu lernen.“
Meine Damen und Herren, ich kann konstatieren, dass der Bildungssenator aus den Fehlern der SPDBildungspolitik gelernt hat und dass wir uns gemeinsam zusammengerauft haben und dass die CDU auch einen gewissen sanften Druck entfaltet hat und dass wir daraus etwas Gutes gemacht haben, und dafür möchte ich mich auch bei den reformbereiten Kräften beim Koalitionspartner, bei der SPD, namentlich auch bei Frau Kollegin Hövelmann, herzlich bedanken!
Wir haben 2003 einen Bildungswahlkampf geführt, und wir haben daraus die notwendigen Reformen abgeleitet. Wir haben 2004 und 2005 große Schulgesetznovellen auf den Weg gebracht. Wir haben die äußere Struktur der neuen Bremer Schule verändert. Wir haben aber – und das ist das Entscheidende einer guten Schulpolitik – die inhaltlichen Reformen einer modernen, einer zukunftsgerichteten Bildungspolitik auf den Weg gebracht. Diese neue Bremer Schule wächst jetzt hoch, meine Damen und Herren, und wir brauchen die Ruhe und die Kraft in Bremen, um diese neue Bremer Schule hochwachsen zu lassen.
Wir haben ausgehend von Studien wie Pisa, von Iglu, das ist die internationale Grundschulleseuntersuchung, TIMSS, der naturwissenschaftlich-mathematischen Untersuchung, inhaltliche Reformen auf den Weg gebracht. Wir haben einen runden Tisch seinerzeit in Bremen gehabt, der Empfehlungen gegeben hat. Diese ganzen Reformen münden in wesentliche Aussagen, nämlich, dass wir die innere Qualität von Schule voranbringen müssen, dass wir die Ver
antwortlichkeiten von Schule klären müssen, dass wir Normen und Standards setzen müssen. Alle diese Punkte hat die Große Koalition begonnen, hat einiges schon beschlossen, einiges auf den Weg gebracht. Einiges muss erst in den nächsten Jahren noch weiter umgesetzt werden, wo momentan nur die Fundamente gelegt wurden.
Meine Damen und Herren, wir haben – ich will das nur in einigen Schlagworten sagen – die Orientierungsstufe abgeschafft. Wir haben die Sekundarschule geschaffen. Die Sekundarschule ist deshalb wichtig, weil wir zurzeit 500 Schülerinnen und Schüler jedes Jahr in Bremen haben, die ohne einen Schulabschluss die Schule verlassen, und viele Schülerinnen und Schüler, die einen Schulabschluss haben, bekommen damit keinen Ausbildungsplatz. Wir müssen eine Berufsausbildungsreife vermitteln. Das ist ein Ergebnis dieser Bildungsuntersuchungen, die wir hier in Bremen leider zur Kenntnis nehmen mussten. Diese Berufsausbildungsreife wollen wir in einer modernen Form in einer engen Kooperation mit Berufsschulen und Betrieben in der neuen Sekundarschule hier verwirklichen.
Der Senat geht in seiner Antwort auch dankenswerterweise darauf ein, dass dies noch Zeit braucht, und die Zeit müssen wir den Schulen auch lassen, meine Damen und Herren. Die Schulen brauchen Zeit, dies zu entwickeln, und sie brauchen auch Zeit, Kooperationspartner dafür zu finden, und da bin ich sehr dankbar, dass Herr Senator Lemke dies in seiner Antwort auch so entsprechend darstellt.
Wir haben ein wesentliches qualitatives Element eingeführt, meine Damen und Herren, früher lief das unter dem Motto Zentralabitur. Ich weiß noch, große Debatten hier seinerzeit mit Frau Jansen, aber auch mit der damaligen Senatorin Frau Kahrs, das Zentralabitur wurde strikt abgelehnt. Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur das Zentralabitur eingeführt, wir haben auch die zentralen Abschlussprüfungen in den Schularten Sekundarschule, also Hauptund Realschule, und den integrativen Schulen, also Gesamtschule, integrierte Stadtteilschule, eingeführt, weil wir hier einen gesetzten Standard haben müssen, damit die Schülerinnen und Schüler einen Abschluss haben, mit dem sie auch hinterher etwas anfangen können, meine Damen und Herren!
Davor geschaltet haben wir auch Vergleichsarbeiten, weil man nicht erst am Ende sehen kann, wenn da eine Fehlentwicklung ist. Wir haben das gemeinsam auf den Weg gebracht. Dies ist ein großer Erfolg, weil wir hier eine Zukunftsorientierung in der Bremer Schulpolitik, die jahrelang leider nicht möglich war, hinbekommen haben.
Meine Damen und Herren, wir haben Maßnahmen durchgeführt, die heute eigentlich selbstverständlich sind, aber sie waren höchst umstritten, als wir sie eingeführt haben. Die verlässliche Grundschule, dass Eltern die Gewähr haben, dass die Kinder von 8 bis 13 Uhr in der Schule sind und nicht irgendwann nach Hause kommen, weil der Unterricht ausfällt, auch das ist einer der großen Erfolge dieser Großen Koalition, weil wir hier einerseits den Unterricht haben, aber auch Betreuung, die notwendig ist, damit auch soziale und andere Kompetenzen an den Schulen außerhalb der Unterrichtszeit den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden können.
Diese verlässliche Grundschule haben wir gegen erbitterten Widerstand der Opposition in ganz Bremen flächendeckend eingeführt, meine Damen und Herren. Danach haben wir aber auch – und da weiß ich, dass gleich Zwischenrufe kommen werden – einen richtig guten Schritt in die Ganztagsschulentwicklung getan. Sie werden jetzt sagen, dass die damalige Bundesregierung Ihnen Geld dafür zur Verfügung gestellt hat.
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Die Ganztags-Millionen des Bundes waren Geld, das der Bundesfinanzminister Eichel den Ländern aus den UMTS-Einnahmen gestohlen und ein bisschen davon zurückgegeben hat, meine Damen und Herren. Wir hätten die Ganztagsschulentwicklung auch allein auf den Weg gebracht.
Die Ganztagsschulentwicklung in Bremen, da sind wir uns eigentlich inhaltlich einig, nur, die Mär der Finanzierung ist immer so schön bei Ihnen, dass das ein Geschenk war. Das war kein Geschenk, das war gestohlenes Geld, wovon wir ein bisschen zurückbekommen haben.
Die Ganztagsschulentwicklung ist eine richtige Entwicklung, und zwar nicht seinerzeit in der offenen Form, wie sie begonnen wurde, sondern jetzt in der gebundenen Form, dass auch pädagogisch sinnvoll gearbeitet werden kann, rhythmisiert, damit Schule in der Zukunft eben vormittags und nachmittags stattfindet, damit Schüler eigene Lernzeiten haben, damit Schule eben auch dazu beiträgt, dass hier eine soziale Kompetenz Einzug hält.
Ganztagsschule ist ein notwendiges Angebot. Sie sollte nicht die Regelschule sein, weil Eltern und Schüler sollten sich schon aussuchen können, ob sie vormittags und nachmittags oder nur vormittags zur
Schule gehen. Wie gesagt, sie darf auch keine soziale Brennpunktschule werden. Darum bin ich froh, dass wir zum Beispiel am Baumschulenweg und am Alten Gymnasium jetzt Ganztagsschulen haben gegen alle Klagen, die Einzelne noch antreiben. Das sage ich auch ganz deutlich, meine Damen und Herren, die Ganztagsschulentwicklung wird sich nach und nach durchsetzen, wir müssen sie nur behutsam entwickeln, und wir müssen sie solide finanzieren. Auch das ist eine Notwendigkeit, wenn man sich anschaut, dass eine Ganztagsschule ein Drittel mehr kostet als eine bisherige Halbtagsschule.
Wir haben, meine Damen und Herren, gerade im Grundschulbereich große Notwendigkeiten weiterer Reformen. Wir haben in der Vergangenheit schon nach Pisa zusätzliche Deutsch- und Mathematikstunden in den Grundschulen etabliert, der Englischunterricht wurde vorverlagert. Verlässliche Grundschule habe ich angesprochen.
Wir als CDU wollen, dass die Klassengröße in der Grundschule kleiner wird. Wir haben einen Durchschnitt über ganz Bremen, das sind 21,7 zurzeit, aber wir haben auch Klassengrößen in der Grundschule von bis zu 30 Schülern. Meine Damen und Herren, wir müssen diese Klassengröße senken. 22 Schülerinnen und Schüler maximal pro Klasse sind mehr als genug, aber das muss auch dann das Maximum sein.
Wir müssen dort den Schulen mehr Stunden, insbesondere für die Sprachförderung, zur Verfügung stellen. Deutsch und Sprachförderung ist ganz wichtig, damit Schülerinnen und Schüler teilhaben können am Unterricht, damit sie dem Unterricht in deutscher Sprache auch folgen können. Das ist eine wichtige Notwendigkeit, die wir hier auch für die Zukunft sehen, meine Damen und Herren!
Viele zusätzliche Fördermaßnahmen sind durch diese Koalition auf den Weg gebracht worden. Es gab den großen Streit: Was machen wir eigentlich mit den Sitzenbleibern? Da hatte unser Koalitionspartner den Vorschlag, das könnte man doch komplett abschaffen. Wir haben gesagt: Nein, wir brauchen zusätzliche Förderung, aber als Ultima Ratio muss ein Schüler, wenn es Defizite weiter gibt, auch die Möglichkeit haben –, oder es muss auch die Schule die Möglichkeit haben zu sagen: Hier muss ein Jahr wiederholt werden, weil sich sonst die Defizite jedes Jahr weiter auftürmen, und am Ende steht dann eine Prüfung, und der Schüler scheitert an der Prüfung. Darum, aus dieser Situation, weil sich dort die Koalitionsparteien nicht einigen konnten – und das ist eigentlich wieder so ein Punkt, wo die Opposition dann schreit und sagt, da passiert nichts –, ist eine richtig gute Idee geboren, nämlich die Ostercamps, meine Damen und Herren.
Diese Ostercamps haben wir konzipiert. Wir haben in einer Runde – –. Sie waren nicht dabei, aber ich kann Ihnen genau sagen – –!
(Abg. Frau W a n g e n h e i m [SPD]: War bestimmt Herrn Rohmeyers Idee! – Zuruf des Abg. D r. S i e l i n g [SPD])
Nein! Es war nicht meine Idee! Es war in einer Runde mit 7 Leuten beim Senator für Bildung. Herr Dr. Sieling, Sie waren auch nicht dabei, Ihr Vorgänger war dabei. Da hat er sich einmal bildungspolitisch eingebracht, aber Sie waren nicht dabei. Ich war dabei, Senator Kastendiek war dabei, Herr Lemke war dabei und Frau Hövelmann war dabei. Ich kann Ihnen genau sagen, wer dabei war. Sie können es leider nicht!
In dieser Runde haben wir seinerzeit gesagt: Es muss etwas entwickelt werden, und wir haben den Auftrag an das Ressort gegeben, dass dort eine Fördermaßnahme entwickelt wird auf freiwilliger Basis, und da hat dann Senator Lemke einen Vorschlag daraus gemacht. Dieses Ostercamp ist eine richtig gute Idee, und da brauchen Sie nicht dazwischenzurufen, Herr Dr. Sieling! Das war wenig fachlich, was Sie hier eben beigetragen haben,
aber das zeichnet ja manche führende Sozialdemokraten in der Bildungspolitik momentan aus, dass Sie einfach einmal etwas erzählen und keine Ahnung von nichts haben!
Durch das Engagement der Jacobs-Stiftung ist dann nach den Ostercamps eine Maßnahme geboren worden, nämlich die Sommercamps. Wir haben uns dann immer auf die Camps in den Ferien konzentriert. Da hat man dann eine Maßnahme initiieren können, durch eine private Stiftung, wie gesagt, wo die Sprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund verbessert werden konnte. All das sind Maßnahmen, die wurden uns durch Pisa, durch den runden Tisch empfohlen, und wir haben uns hier in Bremen, wenn man sich auch die anderen 15 Bundesländer anschaut, sehr intelligente Maßnahmen einfallen lassen.
Wenn man sich anschaut, wenn diese Kinder und Jugendlichen dort mehrere Wochen in den Sommerferien geschult wurden, das ist ein Gemeinschaftsgefühl, das ist Teilhabe an der Schule, Teilhabe am Unterricht, etwas, das wir uns wünschen. Das hat nämlich etwas mit gelungener Integration zu tun, und die Kinder und Jugendlichen haben ein deutlich verbessertes Sprachverständnis danach und können vielfach stärker dem Unterricht folgen, als dies vorher der Fall war.
Das ist fast bedauerlich, aber, meine Damen und Herren, im Zweifelsfall will ich Ihnen mit einem Satz nur noch einmal eben sagen: Schulentwicklung braucht Zeit. Ich habe gesagt, 2004 haben wir diese Schulgesetznovelle auf den Weg gebracht, die die neue Bremer Schule inhaltlich und von der äußeren Struktur beschreibt. Es ist ganz wichtig, dass Schule Zeit hat.
Ich möchte später noch einmal eingehen auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte, auf die Belastung, die durch diese Reform an den Schulen entstanden ist, meine Damen und Herren. Wir brauchen, das sage ich schon einmal ganz deutlich, jetzt keine neue Schulstrukturdebatte. Wer die Einheitsschule will, der sorgt für große Verunsicherung an den Schulen. Wir brauchen hier Verlässlichkeit und Solidität, so, wie wir es in der Vergangenheit auch mit diesem Senator Lemke im Senat als CDU gut hatten, und wir hoffen, dass wir die Zusammenarbeit mit Ihnen auch entsprechend weiterführen können, meine Damen und Herren!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie werden und Sie können auch mit Recht bei meiner letzten Rede hier im Parlament eine offensive und klare Rede erwarten. Die umfangreiche Antwort, die Ihnen heute vorliegt, verleitet natürlich jeden dazu, den einen oder den anderen Schwerpunkt besonders hervorzuheben. Ich möchte mich mehr auf das Allgemeine und später auf das Spezifische konzentrieren.
Bildungspolitik, meine Damen und Herren, ist ganz wichtig, hat absolute Priorität. Ich habe es hier oft zitiert, und so steht es im Koalitionsvertrag, der für die laufende Legislaturperiode gilt. Die Bildungsdeputierten der SPD-Fraktion haben zielbewusst und mit, manche Leute schon nervender, Beharrlichkeit daran gearbeitet, diesem Ziel gerecht zu werden. Dafür möchte ich mich ausdrücklich an dieser Stelle bei meinen Kollegen und bei Rainer Nalazek bedanken.