Protokoll der Sitzung vom 19.02.2008

Ich komme zum Schluss! Im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik muss der Erhalt vorhandener und die Schaffung neuer Arbeitsplätze stehen. Arbeit schafft für die Menschen nicht nur eine Lebensgrundlage und gibt ihnen Perspektiven. Die Unternehmer erwarten von der Politik Stetigkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Diese Bedürfnisse sollten wir wahrnehmen. Rot-Grün vernachlässigt die Wirtschaft! Dies, meine Damen und Herren, gefährdet unser Wachs

tum und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das hätte es mit der CDU nicht gegeben.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Die Gelegen- heit zur Entschuldigung bei der Kammer! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich lache mich tot!)

Ich bin seit 13 Jahren Abgeordneter in diesem Hause, und da, muss ich sagen, hat man viel erlebt,

(Zuruf von der CDU: Eigentlich ein bisschen lange! Du bist doch Zwölfender!)

aber dass die Opposition eine Aktuelle Stunde beantragt, in der sie darum bittet, ernst genommen zu werden, das ist einmal etwas Neues, das muss ich an der Stelle schon sagen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bevor Sie den nächsten Schritt machen und im April hier in das Parlament einen richtigen Antrag einbringen und vielleicht selbiges beantragen, bitte ich Sie doch darum, Ihre Hausaufgaben zu machen und sich endlich einmal daranzusetzen, eine ordentliche Wirtschaftspolitik zu konzipieren und selbst Vorschläge zu unterbreiten und hier nicht alte Parolen herabzusingen, meine Damen und Herren! Der Rest kommt dann von allein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eines muss ich auch sagen: In dem Titel erwähnen Sie sich nicht nur selbst, sondern Sie machen gleich eine Erklärung für die Handelskammer mit! Ob die Kammer darüber wirklich so glücklich ist, dass sie hier parteipolitisch von Ihnen instrumentalisiert wird, da habe ich meine Zweifel. Herr Dr. Fonger, der Hauptgeschäftsführer, hat mir jedenfalls in den vielen Gesprächen, die wir in der letzten Woche natürlich hatten, deutlich gemacht und versichert, dass er die Handelskammer nicht als eine Einrichtung sehen möchte, die einseitig parteipolitisch verortet wird, dass er die Kammer nicht als eine Einrichtung sieht und sehen möchte, die sich gegen die Regierung stellt, die den Schüt

ting gegen das Rathaus fährt, sondern sie möchte parteipolitisch neutral werden.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Bleiben!)

Ich halte das für angemessen, habe es sehr begrüßt und unterstütze es voll und ganz, und ich finde auch vor dem Hintergrund: Da liegen Sie falsch, meine Damen und Herren von der CDU!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Jetzt vielleicht gleich zur Sache und zu der Debatte, zu der Herr Dr. Schrörs hier einige Punkte beigetragen hat, die mich doch sehr überrascht haben! Ich will darauf gleich eingehen, aber vorweg noch einmal sagen, dass wir gemeinsam in der Großen Koalition in der Sanierungspolitik der letzten zwölf Jahre viel Geld ausgegeben haben. Das ist gar keine Frage! Wir haben aber auch in der letzten Legislaturperiode – und das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt – gemeinsam festgestellt, dass diese Etappe der Sanierungspolitik vorbei ist, meine Damen und Herren! Es gibt keine Zeit der Kanzlerbriefe mehr. Das geht nicht mehr, das funktioniert nicht mehr! Wir brauchen eine neue Politik an der Stelle, und damit will diese Koalition anfangen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Diese Neujustierung von Wirtschaftspolitik, um die es hier geht, und auch von Investitionspolitik, die wir begonnen haben, daran muss ich erinnern, da gibt es gemeinsame Wurzeln. Ich habe eben mit Erstaunen vernommen, dass Sie, Herr Dr. Schrörs, hier kritisieren, dass wir eine Investitionsquote von zwölf Prozent haben, dass wir dies auch in der Debatte verteidigen. Das ist ein Ergebnis, das wir gemeinsam erzielt haben,

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

Herr Röwekamp als damaliger Bürgermeister und Innensenator gemeinsam mit dem Bürgermeister Böhrnsen in einem Papier, und das ist die Grundlage der Klage in Karlsruhe. Ich darf Ihre Rede doch wohl hoffentlich nicht so verstehen, dass Sie sich von unserer Strategie zur Sicherung der Selbstständigkeit hier verabschieden wollen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist ein Punkt, an dem ich sehr empfindlich bin, und deshalb habe ich auch zugegebenermaßen vielleicht etwas scharf auf eine Äußerung von Herrn Fonger in dem Interview reagiert. Sie haben das

wiederholt, und darum muss ich es hier noch einmal aufnehmen. Wenn wir hier – und Sie haben diese Behauptung wiederholt, Herr Fonger hat das mir gegenüber sehr ins richtige Licht gerückt, und ich spreche es hier an, weil Sie es wiederholt haben – beigehen und anfangen zu behaupten, Bremen würde nicht mehr investieren, dann ist das der erste Fehler. Wenn wir aber hingehen und behaupten, wenn Bremen weniger investiert, nicht mehr so kräftig investiert, dann sei die Selbstständigkeit nicht mehr sinnvoll und erstrebenswert, dann nenne ich das Fahnenflucht, Herr Dr. Schrörs!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben das hier auch gemacht, und ich habe diese Aussage, die man im Interview findet, von Herrn Fonger aufgenommen und sie natürlich so politisch zugespitzt, weil ich finde, wir dürfen die Selbstständigkeit nicht konditionieren. Das geht nicht, das lasse ich nicht zu, und das dürfen wir hier gemeinsam nicht zulassen, und ich fände es gut, wenn Sie das in einem zweiten Beitrag noch einmal gerade rücken würden, Herr Dr. Schrörs!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir fahren da also genau den Kurs, der verabredet war, der die Grundlage ist. Daran müssen wir festhalten, und es geht nicht an, dass wir hier alte Lieder wieder neu singen. Zu den alten Liedern gehört natürlich auch die zweite Thematik, dass wir uns nicht erlauben können, die Wirtschaftspolitik alten Stils fortzuführen. Wir müssen einen Neuanfang machen, der übrigens auch schon in der Großen Koalition verabredet wurde. Senator Nagel hat der Wirtschaftsdeputation vorgelegt, dass wir die Umstellung vornehmen von Zuschussförderungen, von verlorenen Zuschüssen, von Subventionen hin zu einer kapitalmarktorientierten, einer darlehensbezogenen Wirtschaftsförderung.

(Zurufe von der CDU)

Das ist ein Weg, über den wir in der Großen Koalition gemeinsam gesprochen haben. Ich sage wieder – ich habe es in der Haushaltsberatung schon gesagt, Herr Kastendiek sieht mich berechtigterweise schon an –: Herr Kastendiek hat als Fraktionsvorsitzender Ihrer Fraktion dabei gesessen, als wir dies noch im Koalitionsausschuss der Großen Koalition verabredet haben,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Prüfauftrag!)

und er hat diesen Prüfauftrag liegen lassen, nicht bearbeitet. Das ist der Zettelkasten, den Senator Nagel

meint, den er vorgefunden hat. Da ist nicht gehandelt worden,

(Zuruf: Schwachsinn! Das ist unver- schämt!)

da ist nichts Neues gemacht worden unter Ihrer Regie. Sie haben die Wirtschaftspolitik hier verkommen lassen in diesem Lande. Das muss man einmal in der Deutlichkeit sagen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Lachen bei der CDU – Abg. F o c k e [CDU]: Grauenvoll! – Abg. R ö - w e k a m p [CDU]: Gemeinsam mit dem Rathaus! Herr Dr. Heseler, wehren Sie sich einmal!)

Ihre Erregung ist der beste Beleg für die Richtigkeit meiner Argumente und der Tatsache, dass ich genau richtig liege, und das wissen Sie auch. Sie wissen auch, dass wir uns auf andere, neue Punkte konzentrieren und diese aufnehmen müssen. Ich will sagen, auch deshalb war ich etwas enttäuscht von der Argumentation, die mir seitens der Handelskammer auch entgegenkam und die Sie jetzt sozusagen als schlechte Kopie hier versuchen zu wiederholen.

Ich finde, wir müssen uns noch einmal vergegenwärtigen, wir haben diese lange Zeit von ausführlichen Investitionen, wichtigen Investitionen hinter uns, und wir haben jetzt die Gelegenheit, dass diese Infrastrukturen, die geschaffen worden sind in diesem Lande, auch mit Leben ausgefüllt werden können. Darum geht es in dieser Etappe der Wirtschaftspolitik. Wir müssen dazu kommen, dass wir die Erfolge – die neuen Infrastrukturen in der Hafenpolitik, in der Raumfahrt, in der Wissenschaft, an der Universität und an der Jacobs University in Bremen-Nord mit den Verkehrswegen – mit Leben, und das heißt mit Arbeitsplätzen erfüllen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Und zwar ohne Geld!)

Da ist für mich ebenfalls ein Kernpunkt: Ich erwarte auch von der Handelskammer – und auch das habe ich letzte Woche deutlich gemacht –, dass sie da Konkretes beisteuert und nicht nur über Konzepte spricht,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

sondern das Handeln ist das Gebot der Stunde, um das es hier geht!

Wenn wir darüber sprechen – natürlich führen wir die Diskussion über die Zukunft –, dann muss man sich aber eben auch verabschieden von den alten

Bildern und von den falschen Bildern der Vergangenheit. Es gibt da zwei, die in dieser Debatte transportiert worden sind, wo ich finde, dass wir die Sachauseinandersetzung gut führen können. So haben zumindest Herr Fonger und ich das in der vergangenen Woche auch praktiziert, und so werden wir es auch fortsetzen. In dem Sinne sind doch Bürgermeister Böhrnsen, Wirtschafssenator Nagel und viele andere des Senats, ist der gesamte Senat im Gespräch mit der Handelskammer, auch um für den richtigen Weg zu werben. Für diesen richtigen Weg ist es aber eben notwendig, dass wir einmal damit aufhören, die harte, investive Wirtschaftspolitik gegen die sogenannten weichen, konsumtiven Themen zu setzen. Das ist falsch heutzutage.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. P e r s c h a u [CDU])

Herr Perschau, für eine kluge Wirtschaftspolitik brauchen Sie kluge Köpfe! Dafür brauchen Sie die Investition in Bildung, in soziale Stabilität.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das wird man mit Herrn Perschau nicht mehr klären können!)

Darum geht es im Kern, und da haben wir offensichtlich auch noch weiteren Diskussionsbedarf.

Das Zweite, was ich überhaupt nicht akzeptieren kann, ist, wenn man heutzutage vor dem Hintergrund der sozialen Spaltung unserer beiden Städte, aber auch so mancher Vorkommnisse im Umgang mit Reichtum, vorgeht und Wirtschaftspolitik gegen Sozialpolitik setzt, über soziale Wohltaten schwadroniert und uns als Regierung unterstellt,

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])