Protokoll der Sitzung vom 19.02.2008

Kinder, die möglichst früh in einer Betreuungseinrichtung sind, erwerben die Sprachkompetenz, die sie brauchen, um in der Schule überhaupt erfolgreich sein zu können. Wir wollen, dass die Kinder möglichst früh in die Betreuungseinrichtungen kommen, damit sie früh die notwendigen individuellen Kompetenzen entwickeln können, die sie brauchen.

Also, meine Damen und Herren: Gut, dass es dieses Programm gibt! Ohne dieses Programm könnten wir nicht dieses Tempo zur Verbesserung der Kindestagesbetreuung vorlegen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Cakici.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meine Rede mit einer Zahl beginnen! Ende des letzten Jahres betrug die Versorgungsquote für Kinder unter 3 Jahren ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

im Land Bremen keine 10 Prozent. Das entspricht der Nachfrage in keinerlei Weise. Vor diesem Hintergrund soll es bis zum Jahr 2013 mindestens für jedes Kind unter 3 Jahren ein ganztägiges Betreuungsangebot geben.

Ab Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 soll bundesweit ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr gelten. Darauf haben sich im letzten Jahr Bund, Länder und Kommunen geeinigt. Ob diese Vereinbarung entsprechend umgesetzt wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen. Gleichwohl ist die Fraktion Die Linke erfreut über diese Übereinkunft wie auch über die von der CDU-Fraktion vorgelegte Große Anfrage, denn diese signalisiert uns hier im Parlament wie auch den Menschen in Bremen, und ich meine damit alle Menschen, dass die Kleinkinderbetreuung die Messlatte dafür ist, wie kinder- und familienfreundlich das Land Bremen tatsächlich ist.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Wir alle kennen die vielen wissbegierigen Fragen von Kindern vor dem Schuleintritt, die große Neugier, mit der sie ihre Umwelt erkunden. Kinder fragen, warum etwas so und nicht anders ist und wie es funktioniert. Von Geburt an beginnen Kinder, sich aktiv ein Bild von der Welt zu machen. Neben dem Elternhaus und der Familie haben auch Kindertageseinrichtungen eine große Bedeutung. Dort machen die Kinder neue und vielfältige Erfahrungen, erleben sich in neuen, sozialen Beziehungen, und sie lernen dort auch andere Regeln und andere Kulturen kennen. In dieser Lebensphase sind sie besonders aufnahmebereit und wissbegierig.

Diese Phase der kindlichen Entwicklung geriet in den letzten Jahren schon vor den Ergebnissen der Pisa-Studie verstärkt in den Blick der Fachleute. Sie bekommt auch zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit.

Leider müssen wir aber heute feststellen: Noch ist das Land Bremen weit entfernt von einem flächendeckenden, bedarfsgerechten Betreuungsangebot für Kinder unter 3 Jahren. Was sich zum kommenden Kindergartenjahr im August 2008 tatsächlich und konkret ändern wird, ist derzeit weitgehend unklar.

Dennoch: Wir haben einige Punkte in den vorliegenden Mitteilungen des Senats positiv zur Kenntnis nehmen können wie beispielsweise, dass ab August 2008 eine Ausweitung des Platzangebots vorrangig in Stadtteilen mit sozial benachteiligten Ortsteilen geplant ist, dass bis Ende 2008 rund 580 Plätze insgesamt in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung geschaffen werden, dass auch vereinzelt Neubauten und nicht nur Sanierungsmaßnahmen geplant sind.

Diese Neubauten dürfen aber nicht nur an bestehende Einrichtungen angekoppelt werden, sondern erforderlich erscheinen auch neue Standorte, insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen. Schließlich ist es zu begrüßen, dass durch eine von der Universität Bremen durchgeführte Untersuchung der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen erhoben worden ist und in dieser Studie auch die Faktoren für das differenzierte Nachfrageverhalten dargelegt wurden. Dies sind durchaus alles positive Politikansätze.

Allerdings sehen wir als Die Linke auch unterschiedliche, weitergehende Handlungsbedarfe, die ich Ihnen an dieser Stelle darlegen möchte. Grundsätzlich hat für uns alle zu gelten: Familienpolitik muss die unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen von Eltern hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie respektieren.

(Beifall bei der Linken)

Sie bietet aber nur dann die Voraussetzung für eine wirkliche Wahlfreiheit, wenn sie nicht ausschließlich die längere Berufsunterbrechung, sondern auch die parallele Vereinbarkeit fördert und lebbar macht.

Die Zielsetzung, auch nach der Geburt von Kindern erwerbstätig sein und bleiben zu können und sich beruflich fortzuentwickeln, setzt zwingend voraus, für alle Altersgruppen der Kinder ein bedarfsgerechtes Angebot an Tageseinrichtungen mit arbeitszeitangepassten Öffnungszeiten bereitzustellen.

Insbesondere alleinerziehende Mütter, die ein eigenes Erwerbseinkommen erzielen wollen beziehungsweise auch müssen, um nicht langfristig auf den Grundsicherungsbezug verwiesen zu werden, sind zwingend auf entsprechende Angebote angewiesen.

(Beifall bei der Linken)

Inwiefern das bremische Tageseinrichtungs- und Tagespflegegesetz in der Lage ist, hier Abhilfe zu schaffen, bleibt abzuwarten. Es scheint sich nämlich überaus deutlich abzuzeichnen, dass die Nachfrage nach einer Kleinkinderbetreuung höher als das Angebot ist und dies auch in Zukunft weiterhin sein wird.

Auch die Zahl der beim Amt für Soziale Dienste vorliegenden 115 Interessensbekundungen von KiTa Bremen, freien Trägern und Elternvereinen scheint eine deutliche Sprache zu sprechen, dass das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage in diesem Segment noch immer eklatant ist und dass die angestrebte Ausweitung der Betreuungsplätze auf keinen Fall ausreichend sein dürfte.

Überdies möchte ich bezweifeln, dass eine Kompensation dieser Lücke, wie vom Senat in seiner Mitteilung avisiert, über eine Ausweitung der Tagespflege und über den Ausbau des Betreuungsange

bots in den betriebsnahen beziehungsweise betrieblichen Einrichtungen erfolgen kann. Es stellt sich nämlich die Frage, ob bei diesen beiden Betreuungsformen, die im Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich beschriebenen Grundsätze frühkindlicher Bildung und die zu erbringenden Bildungsund Erziehungsleistungen eingehalten werden können, sei es, weil sich der Qualifizierungsbedarf bei den Personen, die eine Tagespflege anbieten, nicht rechnet, sei es, weil die Betriebe eigene Vorstellungen über die zu erbringenden Bildungs- und Erziehungsleistungen haben und zu erwarten ist, dass die kirchlichen Träger wieder andere Vorstellungen haben.

Ganz grundsätzlich aber hat zu gelten: Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass allen Kindern die ihrem Entwicklungsstand angemessenen Bildungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Einrichtungen der institutionellen Betreuung von Kindern sind nämlich deutlich mehr als ein Entlastungsangebot für berufstätige Eltern. Sie sollten einen expliziten Erziehungs- und Bildungsauftrag haben und erfüllen.

(Beifall bei der Linken)

Sie sind angesichts des Wandels familiärer Lebensformen, geänderter Lebenswelten von Kindern und steigender Bildungsanforderung Ausdruck der gesellschaftlichen Verantwortung für die Gewährleistung angemessener Sozialisationsbedingungen für Kinder. Aus diesem Grund erachten wir auch eine reguläre Ausstattung der Kindertagesstätten und Kindergärten mit zwei festen Kräften pro Kindergruppe für unbedingt erforderlich. Dies ist ein fraktionsübergreifendes Anliegen, was sich auch daran zeigt, dass die Regierungskoalition Bestreben zeigt, entsprechende Mittel in den Haushalt einzustellen.

(Beifall bei der Linken)

Alles in allem bleibt festzustellen: Räume für Kinder stellen sich nicht automatisch her. Hierzu bedarf es einer ausreichenden finanziellen Grundversorgung aller Kindertageseinrichtungen wie auch motivierter und gut bezahlter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Kindertageseinrichtungen können und sollen den Kindern Lebenserfahrung ermöglichen, die sie früher außerhalb der Aufsicht von Erwachsenen mit Geschwistern in der Nachbarschaft und auf der Straße machen konnten.

Kinder brauchen nicht nur Erfahrungsräume über die Familie und den Lern- und Spielzeugzusammenhang mit anderen Kindern hinaus, sondern auch in familiären Krisensituationen, die in den angesprochenen sozial benachteiligten Stadtteilen mitunter zum Alltag gehören; schützende, verlässliche Gruppen. Insofern kommt den Tageseinrichtungen für Kinder und neben einem expliziten Bildungsauftrag auch die

Funktion zu, ein Instrument zur Herstellung von mehr Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit zu sein.

(Beifall bei der Linken)

An dieser Entwicklung wollen wir, die Fraktion Die Linke, sehr gern konstruktiv mitarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der Linken)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU zur Verwendung von zusätzlichen Bundesmitteln für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung im Lande Bremen geht aus grüner Sicht der Frage nach, inwieweit der Ausbau des Angebots an Kinderbetreuung im Land Bremen umgesetzt wird und welche Maßnahmen wir als Koalition in den kommenden Jahren umsetzen werden. Diese Frage ist an dieser Stelle völlig berechtigt, denn es betrifft uns als Bundesland.

Lassen Sie mich zunächst aus aktuellem Anlass Folgendes sagen: Im Februar 2007 hatte die Bundesfamilienministerin ein aufstockendes Betreuungsangebot für unter Dreijährige auf bundesweit 750 000 Plätze angekündigt. Die Umsetzung dieses Planes geht leider nur schleppend voran.

(Beifall bei der CDU)

Wichtige Entscheidungen sind noch nicht gefällt. Das entscheidende gesetzliche Verfahren, das wir dringend benötigen, geht auch zu Lasten Bremens. Wir verlieren wertvolle Zeit, die für konkrete Planungen und Umsetzungen hier vor Ort benötigt wird.

Bei den zugesicherten Bundesmitteln für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung haben sich Bund und Länder über den bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter dreijährige Kinder in einigen Punkten geeinigt und entsprechend im August 2007 notwendige Kriterien vereinbart.

Ein wichtiges Kriterium ist, die bundesweite Versorgungsquote von 35 Prozent für Kinder unter drei Jahren bis zum Jahr 2013 zu realisieren.

Über die Versorgungsquote kann man sich immer noch streiten. Die Bundesregierung sieht vor, sich in der Ausgangsphase bis zum Jahr 2013 mit 2,15 Milliarden Euro, wie schon genannt, an den dringend benötigten Investitionen zu beteiligen.

Das ist erst einmal begrüßenswert. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam dafür sorgen, dass ein qualitativ hochwertiges und breites Ange

bot an Betreuungsplätzen geschaffen und erhalten wird.

Für Bremen und Bremerhaven bedeutet dies, dass dafür finanzielle Spielräume nötig sind, die gerade unter Berücksichtigung der aktuellen Haushaltsaufstellung unternommen werden müssen. Auch Bremen und Bremerhaven haben auf diesem Gebiet bis 2013 weiterhin einen dringenden Nachhol- und entsprechenden Ausbaubedarf.

Eine Betreuungsinfrastruktur macht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Mütter und Väter erst lebbar. Es ist ein zentrales Instrument, um Kinder, die von ihren Eltern frühzeitig Unterstützung erfahren, frühzeitig individuell zu fördern und damit alle negativen Zusammenhänge zwischen familiärem Hintergrund und Bildungserfolg zu durchbrechen.

Dieser Betreuungsausbau soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2013 realisiert werden.

Zusätzlich soll bis zum Herbst 2013 für Kinder zwischen dem vollendeten ersten und dem dritten Lebensjahr ein Rechtsanspruch bestehen. Ja klar, das ist erforderlich, aber der Zeitpunkt ist viel zu spät.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Der Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder unter drei Jahren ist leider nur vermeintlich beschlossene Sache, das muss ich hier an dieser Stelle erwähnen. In Teilen der Regierungskoalition in Berlin wird gerade diese enorm wichtige Verankerung des Rechtsanspruches gekoppelt mit einer weltfremden Entscheidung und Forderung der Bundesfamilienministerin zur Einführung eines sogenannten Betreuungsgeldes, einigen von Ihnen dürfte der Begriff der Herdprämie kein Fremdwort sein. Dies ist ein Pokerspiel, dass das gesamte Ausbauprojekt als Ganzes infrage stellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Wir als Grüne hätten von der Bundesregierung in diesem Punkt deutlichere Signale erwartet. An dieser Stelle möchte ich kurz ein Beispiel nennen: In den Verhandlungen mit dem Bund hat das Land Bremen, wie auch andere Bundesländer, auf eine besondere Notwendigkeit hingewiesen, nämlich auf die Beteiligung an den Betriebskosten.