Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst die Entschuldigung, und dann hätte ich auch in der privaten Schule und auch in der öffentlichen nicht nachsitzen müssen: Ich war einem menschlichen Bedürfnis nachgehend.
ich mich etwas in der Zeit vertan und bitte, das zu entschuldigen, und bedanke mich bei dem Kollegen Beilken, dass er die Redezeit schon genutzt hat!
Jetzt aber zum Antrag! Worum geht es uns? Uns geht es darum, dass Privatschulen ihr Recht bekommen und Privatschulen in dieser Gesellschaft weiterhin die Anerkennung bekommen, die sie verdient haben. Privatschulen sind ein Angebot, das wir uns als FDP gar nicht wegdenken möchten, denn Privatschulen sind ein Angebot, das die staatlichen Angebote sinnvoll ergänzt. Das ist die Sache, die wir festhalten müssen. Ohne die Schulen in freier Trägerschaft im Lande Bremen hätten wir doch die Situation, dass wir teilweise gar nicht im eigenen Land die Vergleichsmöglichkeiten hätten, die wir brauchen.
Wir müssen uns doch dem Wettbewerb und den Entscheidungen der Kinder und Eltern stellen. Sie haben einen Anspruch darauf, die bestmögliche Schule für sich zu finden. Da gibt es verschiedenste Angebote, unter denen sie wählen wollen, und da gilt es nicht, sie in die Geiselhaft des öffentlichen Systems zu nehmen, sondern zu schauen, dass sie eine Auswahl haben. Bei dieser Auswahl müssen wir doch schauen: Gibt es da Beschränkungen? Und es gibt Beschränkungen hinsichtlich der Qualität, und die sind richtig; sie sind in Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes festgelegt. Dort ist festgelegt, dass eine Qualität zu sichern und eben dafür zu sorgen ist, dass es keine Entmischung der Gesellschaft gibt, aber in Artikel 7 Absatz 5 Grundgesetz gibt es eine Einschränkung, die wir nicht verstehen und die wir nicht verstehen können, nämlich die Privilegierung von Weltanschauungsgemeinschaften und die Privilegierung von Religionsgemeinschaften, und diese sehen wir nicht ein.
Denn warum soll es denen erlaubt sein, private Volksschulen – das sind heute nur noch Grundschulen – zu gründen, was anderen aber verwehrt bleibt, außer sie sind pädagogisch so innovativ, dass es so etwas nicht schon einmal an anderer Stelle gibt. Warum sollen Eltern, die aus vielerlei Gründen sagen, wir wollen eine Privatschule für unser Kind, wir wollen uns da engagieren, wir wollen eigenständig eine Schule machen – Privatschulen sind unserer Auffassung nach, nach Auffassung der FDP, nichts anderes als eigenständige Schulen –, nicht eine Privatschule gründen können, die ein pädagogisches Konzept verfolgt, das in anderen Schulen auch verfolgt wird? Warum müssen sie nachweisen, dass sie so etwas Besonderes, anderes machen? Nein, wenn sie das Gleiche machen, nur besser vielleicht, dann sollen sie doch auch schon eine Privatschule gründen können! Wenn sie nur den Anspruch haben, es besser zu machen
Es gibt dieses Grundgesetz. Es gibt damit die Möglichkeit zu schauen: Gibt es ein anspruchsvolles pädagogisches neues Konzept oder nicht? Wir wollen, dass diese Möglichkeit entfällt und dass Privatschulen von Eltern, die sich nicht auf weltanschauliche oder religiöse Gründe berufen, eröffnet werden können, wenn die entsprechende Qualität, die in Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes geregelt wird, erreicht wird und natürlich die Anforderungen der Landesverfassung, die diese Anforderungen an Erziehungsqualität, an die Einrichtung von Schulen eben auch stellt, auch erfüllt sind.
Wenn das erfüllt ist, reicht uns das. Es muss nicht extra diese Privilegierung der Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften geben, denn das ist Ungleichbehandlung von Religionsgemeinschaften und Kirchen gegenüber Eltern, die ganz normal nichts anderes wollen, als sich für ihre Kinder und deren bestmögliche Bildung zu engagieren, und dies müssen wir anerkennen.
Dann gibt es ja immer die Fragen: Ist es denn nicht schlimm? Ist das nicht teurer? Nein, es ist nicht teurer! Wir zahlen pro Privatschüler in Bremen weniger als pro Schüler an öffentlichen Schulen. Dann ist die nächste Frage: Ja, wie ist es denn mit dem Schulgeld? Meinethalben können wir gern zu einer Situation kommen, in der wir darauf verzichten, dass Privatschulen Schulgeld erheben müssen. Da müssten wir uns über Finanzierung und so weiter Gedanken machen. Das wird sicherlich eine schwere Aufgabe angesichts unserer Haushaltslage werden, aber schauen wir doch einmal auf die Niederlande! Dort gibt es eben nicht diese Trennung, aber es gibt 70 Prozent Schulen in privater Trägerschaft, die keine Schulgelder erheben, und man muss sehen: Die Niederlande sind in der Situation, dass sie bei den PISA-Ländern mit im vorderen Bereich liegen.
Insofern ist das kein falscher Weg, sondern ein richtiger, der die Interessen der Schüler und der Eltern wahrt, und deswegen wollen wir, dass diese Sonderregelung hier abgeschafft wird, und bitten den Senat, sich entsprechend zu engagieren. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Buhlert, es erinnert so ein bisschen an ein Phänomen, das wir auch in der Grundschule verzeichnen können, wenn Grundschulkinder in der 5-Minuten-Pause etwas vergessen und ihnen dann plötzlich einfällt, dass sie noch ein menschliches Bedürfnis zu erledigen haben.
Meine Damen und Herren, seit dem PISA-Schock können wir beobachten, dass in Deutschland das Interesse an Privatschulen wächst und hier auch immer mehr Kinder unterrichtet werden. Laut Studie des Statistischen Bundesamtes vom 28. Dezember 2006 ist die Zahl der Privatschülerinnen und -schüler seit 1992 um mehr als die Hälfte, 52 Prozent, auf insgesamt 378 000 im Schuljahr 2005/2006 gestiegen. Von den 12,3 Millionen Schülern in Deutschland besuchen damit rund 7 Prozent eine nichtstaatliche Bildungsstätte. 1992/1993 waren es noch 5 Prozent.
Auch in Bremen liegen wir sowohl im Primarbereich mit 7,8 Prozent als auch in den Jahrgängen 1 bis 13 mit 8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. PISA bescheinigte ja dem deutschen Bildungssystem sowohl Schulleistungen unter Mittelmaß als auch einen besonders engen Zusammenhang zwischen materieller Armut und Bildungsarmut. Diese Koppelung zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg, den eigentlichen politischen Skandal der PISA-Befunde, aufzubrechen, ist uns ja ein zentrales politisches Anliegen, meine Damen und Herren.
Daran müssen wir arbeiten, daran wollen wir auch arbeiten, Sie auch, Herr Dr. Buhlert, davon gehe ich jedenfalls aus! Sie haben doch der Einrichtung eines Fachausschusses „Schulentwicklungsplan“ zugestimmt. Dessen Aufgabe ist es ja nicht nur, die Qualität und die Leistungsfähigkeit der einzelnen Schulen und des Schulsystems insgesamt weiter zu verbessern, sondern auch das Ziel, soziale Herkunft und Schulerfolg zu entkoppeln.
Wir alle betonen doch hier permanent die Integrationsfunktion der Bildung und deren besondere Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, aber auch die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Umsetzung Ihres Antrags würde nicht den Abbau sozialer Schranken und auch nicht die Herstellung von Chancengleichheit fördern. Die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
internationale Forschung belegt doch, dass bildungsbewusste Eltern aus der Mittel- und Oberschicht Wahlmöglichkeiten weitaus stärker nutzen als Mitglieder der bildungsfernen Schichten. Sie können sich das Schulgeld beziehungsweise die Fahrtkosten zu den meist weiter entfernt liegenden Schulen eben leisten, doch die Wahrnehmung der Wahlmöglichkeiten ist keinesfalls nur eine Frage der Ressourcen, sondern besonders auch der unterschiedlich entwickelten Bereitschaft und Fähigkeit von Eltern, solche Optionen zu nutzen.
Genau dies lassen Sie außer Acht, Herr Dr. Buhlert, wenn Sie in Ihrem letzten Wahlprogramm für mehr Privatschulen damit werben, dass diese leistungsfähiger seien, und fordern, dass sich die staatlichen auch an ihnen orientieren sollen.
Demgegenüber will eine Grundschule alle Gegensätze der gesellschaftlichen Schichten zumindest in der Schule überwinden und allen Kindern die gleiche Chance zum Lernen geben. Gescheitert ist diese Idee früher an den gehobenen Schichten, die sich mit Hauslehrern oder privaten Grundschulen für ihren Nachwuchs vom sogenannten Pöbel absetzen wollten.
Die Zulassung privater Grundschulen – Sie haben darauf hingewiesen – wird heute nach unserer Auffassung zu Recht durch Artikel 7 Absatz 5 Grundgesetz erschwert. Demnach sind private Grundschulen nur zuzulassen – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –, „wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.“
Meine Damen und Herren, ich bezweifle, dass heute einzig weltanschauliche, konfessionelle und religiöse Ziele als Motiv für die Gründung einer Privatschule im Vordergrund stehen, sondern vielmehr soll dem eigenen Nachwuchs die Poleposition für eine aussichtsreiche Karriere in einer von Wettbewerb und Konkurrenz dominierten Welt verschafft werden. Das können wir so nicht hinnehmen, meine Damen und Herren!
Die Grundregel kurze Beine, kurze Wege hat für uns weiterhin seine Richtigkeit. Danach sollen sämtliche Schulanfängerinnen und Schulanfänger die für sie nächstgelegene Schule besuchen, um sie vor langen Fahrtzeiten zu schützen, aber auch, um zu verhindern, dass sich Elitegrundschulen bilden. Für Grundschulkinder ist es wichtig, dass sich ihr schulischer und außerschulischer Lebensbereich für sie als Einheit darstellt, dass sie ihren Schulweg im besten Fall allein und möglichst zu Fuß zurücklegen, sich eigenständig mit Freunden verabreden und eben nicht auf die Transporthilfe von Erwachsenen angewiesen sind. Auch das vermittelt Kindern Sicherheit und Selbstvertrauen.
Ich komme zum Ende! Meine Damen und Herren, für uns sind Grundschulen nicht nur ein Ort des fachlichen Lernens, sondern auch des sozialen Lernens. Gerade hier sollen Kinder aus den verschiedenen Schichten und kulturellen Milieus lernen, konstruktiv miteinander umzugehen, und darüber hinaus ist Schule auch ein kultureller Bestandteil des Wohnbezirks und verbindet die Menschen im Stadtteil. Dieser positiven Entwicklung steht die Gründung von privaten Grundschulen entgegen.
Zudem, Herr Dr. Buhlert, behaupte ich einfach einmal, dass Ihr Antrag keinen Erfolg haben würde, da bei der Novellierung des Grundgesetzes im Jahr 2002 von Änderungen des Artikels 7 Grundgesetz ausdrücklich abgesehen wurde. Im Übrigen: Eine schleichende Privatisierung der Bildung werden wir nicht hinnehmen, schon gar nicht unterstützend! Private Grundschulen sollen eine Ausnahme bleiben. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren! Den Antrag der FDP werden wir heute ablehnen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bildung ist ein Grundrecht, Herr Dr. Buhlert, keine Geiselhaft!
Ich finde, Ihre Formulierung, ich habe es mir aufgeschrieben, Geiselhaft in öffentlichen Schulen, ist ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Sie können doch nicht allen Ernstes in dieser Debatte behaupten, dass wir eine Geiselhaft in öffentlichen Schulen vornehmen! Ich finde, das wird Ihrem Antrag nicht gerecht, über den man sich in der Sache streiten kann und auch muss. Wir werden den Antrag aber ablehnen, das hat Herr Güngör soeben schon gesagt. Ich möchte dies für die Grünen begründen.
Die Fraktion der FDP fordert eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes, und ich glaube, wenn Sie sich einmal mit den Kollegen der FDP in den anderen Bundesländern, ich glaube, auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg, unterhalten, dann wäre schon schnell Schluss. Herr Rohmeyer und ich haben uns vorhin kurz ausgetauscht.
Wir können uns überhaupt nicht vorstellen, dass Sie für diesen Antrag – Sie haben ja ausgeführt, dass Sie keine konfessionellen Schulen mehr haben wollen – eine Mehrheit in den südlichen Bundesländern finden. Das ist doch hanebüchen, was Sie an dieser Stelle vorgetragen haben!