Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Denn auch Gesundheit hat in den Ländern viel mit Vertrauen zu tun.

Präsentationen auf Messen! Natürlich, Firmen kommen dahin, schauen sich das an, aber zukünftige Patienten gehen selten auf Messen und schauen sich neue Hüftgelenke und neue OP-Methoden an. Das ist eigentlich nicht der Ort, an dem sich zukünftige Patienten und Patientinnen tummeln.

Ich habe jetzt gerade gelesen: In Bangkok hat ein deutscher Krankenhausmanager ein Hospital mit 600 Betten und fünf Sternen aufgemacht. In den ersten Jahren hat es sich auf Operationen konzentriert, bei denen Körperteile größer, kleiner oder glatter gemacht oder aufgespritzt wurden, das war die Sache. Inzwischen aber – sie haben sich umgestellt – bieten sie auch Hüftoperationen an. 10 000

Euro kostet eine, zahlbar in 100 Raten zu je 99,95 Euro.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist das ein Leasing-Modell?)

Ja, das ist ein Leasing-Modell! Aber auch sie schauen auf die arabischen Patienten und haben in den letzten Jahren auch schon viele davon operiert.

Von daher, denke ich, sollten wir Bremer einen Bremer Weg gehen! Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir jetzt den Schwerpunkt „Zuhause als Gesundheitsstandort“ haben. Wir haben ja auch an dem Wettbewerb des Bundesministeriums hierzu teilgenommen. Ich denke, unter dieser Überschrift können wir die Sachen hier auch alle verwirklichen, in deren Bereich wir stark sind.

Ich habe schon einige Sachen gesagt, bei denen wir in den medizinischen Bereichen tätig sind. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln kann zum Beispiel genutzt werden, wenn ältere Menschen länger Zuhause wohnen sollen, wollen und auch können, zum Beispiel unter dem Stichwort Home-Monitoring. Damit können dann, wenn etwas eingepflanzt ist, Herztöne oder so etwas übertragen werden. Das erleichtert vieles.

Was ich auch wichtig finde in dem Bereich – um das nicht zu vergessen –, sind unsere Institute, die wir hier haben: Public Health, Gesundheitsforschung, Rehabilitationsforschung. Die werden immer unterschätzt, und dieser ganze Bereich Gesundheitswirtschaft wird oft nur technisch gesehen. Ich denke, das ist nicht richtig, es muss sich beides ergänzen. Das sollte auch unser Weg hier in Bremen sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke bei der Überschrift „Zu Hause als Gesundheitsstandort“, es gibt diese Möglichkeiten. Zum Beispiel gehört auch Wohnen in den Stadtteilen für ältere Menschen dazu. Es kommt uns auch zugute, wenn wir wieder durch dieses Projekt Menschen in Bremerhaven und Bremen als Einwohner gewinnen können. Das rechnet sich dann auch finanziell. Von daher, denke ich, sollten wir unsere Alleinstellungsmerkmale hier weiter ausbauen und auf dem Weg auch weitermachen. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Erfolg der Gesundheitswirtschaft wächst natürlich auch das Interesse der Politik an dieser Branche. Es stellt sich heraus, dass inzwischen

jeder Mensch 25 Euro im Monat für Gesundheitsdienstleistungen in Deutschland ausgibt.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen will sich auch kaum ein Bundesland seinen Anteil an diesem Kuchen entgehen lassen.

Allerdings muss ich sagen, Herr Möllenstädt: Wenige haben da wirklich konkrete Projekte. Das steckt überall noch in den Kinderschuhen. Man geht in drei Schritten vor: Zunächst wird einmal für dieses Thema geworben, dann gibt es ein Logo und ein Marketingprofil, und anschließend sollen konkrete Projekte folgen. Aber in der Regel kann man feststellen, dass die Regionen bundesweit noch in Stufe eins bis zwei stecken. Es gibt ein paar Regionen, in denen es schon Masterpläne gibt, beispielsweise in Berlin, dort will man etwas zusammen mit der Wissenschaft machen, dann in Schleswig-Holstein TourismusWellness, in Erlangen Medizintechnik und im Frankfurter Raum eben die Pharmabranche.

Die Gesundheitswirtschaft im weiteren Sinne sichert in Bremen inzwischen 50 000 Arbeitsplätze, davon im Krankenhausbereich 27 000, der Rest geht in Pflege und andere Dienstleistungen. Das ist so groß wie die Nahrungs- und Genussmittelbranche. Was wir hier in Bremen besonders vorhalten, ist die Bedeutung im Versorgungssektor.

Was die internationale Präsenz angeht, haben wir große Player. Meine Vorrednerin Frau Hoch hat schon gesagt, MeVis mit seiner Software für die Diagnostik von Leberkrankheiten, dann Mammografie oder eben auch die Firmen Bruker Daltonik oder Thermo Electron sind wirklich internationale Player, die hier ihren Standort in Bremen haben, und das ist gut so!

Was der Senat hinsichtlich größerer Ansiedlungen richtig analysiert, wird es in naher Zukunft wohl kaum Großansiedlungen in Bremen geben. Deswegen ist die Netzwerkstruktur und die Kleinheit Bremens von Vorteil, wenn man diese nutzt. Die Hauptthemen dabei sind Demografie und eine lebenswerte Stadt. Das Projekt ist schon genannt worden, „Zu Hause als Gesundheitsstandort“. Es gibt Möglichkeiten der Telemedizin, Entlastungsmanagement, altersgerechte Dienstleistungen. Das ist ein wichtiges Projekt, bei dem auch die Wohnungswirtschaft mit im Boot sitzt.

Allerdings müssen wir mit berücksichtigen, was zukünftig gefordert ist. Es sind nicht allein somatischmedizinische Anforderungen, sondern es sind auch solidarische Anforderungen im Bereich der ambulanten Pflege notwendig. Wenn man diese Projekte macht, muss im Quartier eine gewisse solidarische Herangehensweise vorhanden sein, denn zukünftig werden wir das nicht allein über die Pflegeversicherung finanzieren können. Deswegen muss in diese

Projekte aus unserer Sicht Solidarität gleich integriert werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was wir als Fraktion von der Gesundheitswirtschaftsstrategie erwarten, ist eine noch stärkere Schwerpunkt- und Prioritätensetzung. Es muss genauso ein Zeitmaßnahmenplan her und in Zukunft eine durchgängige Linie und eine Vernetzung der Leitidee stattfinden. Darauf werden wir in Zukunft auf jeden Fall noch stärker unseren Blick richten müssen.

Was die Förderung anbetrifft, unterstützen wir sie über EFRE-Mittel, und mit dem Programm Innovation sind wir ebenfalls dabei. Allerdings muss es bei diesen Projekten immer eine gewisse Planungssicherheit geben. Ich glaube, hier ist die Richtung vorgegeben. Hier sind wir auf einem guten Weg.

Bei einem Teil der Anfrage kommt natürlich die FDP wieder auf das Thema Patientenmarketing aus dem Ausland. Das ist ein altes Thema, das immer wieder auftaucht. Sie kritisieren, dass Bremen bei der Messe in Dubai nicht dabei ist. Ich kann nur sagen, ich habe in meinen Unterlagen einen Prospekt aus dem Jahre 2004 gefunden, das Klinikum Links der Weser war auf der Messe. Anscheinend hat sich das nicht gerechnet. Man muss es sich also auch immer genauer ansehen. Ich halte mehr davon, dass man die Menschen hier ausbildet oder eben dort vor Ort eine Ausbildung stattfinden lässt und damit die Menschen an unsere medizinischen Leistungen bindet, denn Patiententourismus hat immer einen hohen Anteil an Vorhaltekosten: Sie müssen eine ordentliche Betreuung haben, Dolmetscher, Kulturprogramme, es gibt Sprachbarrieren, teilweise, habe ich schon gehört, in München, wird nur noch gegen Vorkasse operiert, weil der Forderungseinzug inzwischen schwierig ist.

Ich sage, wo es möglich ist, sollte man dieses Sahnehäubchen nutzen. Ich weiß, im KBM werden norwegische Patienten versorgt. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten. Wenn die EU im Bereich Gesetze zur Kostenerstattung bei Behandlung im Ausland tätig wird, dann sollte man das auch nutzen. Ich finde, das kann immer nur ein Sahnehäubchen sein und nicht eine Unternehmensstrategie, die wir verfolgen sollten!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bei allen wirtschaftlichen Interessen müssen wir natürlich den Menschen im Fokus sehen, und wir müssen uns immer fragen, was dem Einzelnen dient, ohne die Gesellschaft zu überfordern. Wir sagen auch, die Gesundheitswirtschaft muss eine Vertrauenswirtschaft sein. Ich glaube, dann können wir eine Akzep

tanz erzielen und uns die Marke Bremen auch in diesem Bereich sichern. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächsten Redner rufe ich Herrn Tittmann auf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zur vorliegenden Anfrage und zur Antwort des Senats einige grundsätzliche Feststellungen ausführen!

Tatsache ist doch, dass hier einige entscheidende Probleme der sogenannten Gesundheitsreform unerwähnt geblieben sind. Das Herzstück der sogenannten Gesundheitsreform soll mit Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten. Dabei geht es um das Konstrukt Gesundheitsfonds. Schon jetzt wächst die Zahl der Kritiker von Monat zu Monat. So ist zum Beispiel von einem völlig überflüssigen Finanzverteilungsmonstrum die Rede. Sehr viele Fachleute würden diese unausgewogene, mit der heißen Nadel gestrickte Gesundheitsreform lieber heute als morgen wieder einstampfen lassen!

Gerade in Bremen und Bremerhaven ist unter Ärzten und auch unter Patienten eine große, deutliche Ablehnung spürbar. Tatsache ist auch, dass das von der Kanzlerin Merkel so gelobtes Jahrhundertwerk unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht die geringste finanzielle Entlastung bringen wird. Ganz im Gegenteil: Vielmehr wird Gesundheit in allen Bereichen unverantwortlich und noch unsozialer auf Kosten und zulasten der sogenannten kleinen Leute noch teurer gemacht! Einige Experten sagen massive Beitragssteigerungen bei den gesetzlichen Krankenkassen auf durchschnittlich sage und schreibe 15,5 Prozent voraus.

Als Grund wird das Strukturprinzip dieser neuen Gesundheitsreform angegeben, das die Kassen zu Beitragserhöhungen geradezu animiert, denn es liegt doch selbstverständlich im Interesse der Kassen, dass sie im laufenden Jahr höhere Ausgaben haben, vielleicht sogar haben müssen, denn der Gesundheitsfonds wird für 2009 meines Wissens nach nämlich in seinen Mittelzuweisungen vom Ausgabenniveau 2008 gestartet. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Kassen für das nächste Jahr gut rüsten wollen, wenn der Bundestag einen einheitlichen Beitragssatz festlegt. Je höher dieser Beitragssatz ist, umso besser ist die Chance für die Kassen, keine Zusatzprämien erheben zu müssen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Es geht hier um Gesundheitswirtschaft!)

Nur einmal zur Erinnerung: Während die SPD für eine Bürgerversicherung für alle eintrat, machte sich

die Fraktion der CDU/CSU für einen Beitrag in Form einer einheitlichen Kopfpauschale stark. Der Kompromiss sieht nun einerseits eine Krankenversicherungspflicht für alle Bürger und andererseits einen vom Bundesgesundheitsministerium festgelegten Beitragssatz vor.

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Kommen Sie einmal zum Thema! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist jetzt nachweislich falsch!)

Das können Sie ja gleich korrigieren! Kommen Sie nach vorn, korrigieren Sie das, wenn Sie dazu in der Lage sind, wir sind sehr darauf gespannt!

Meine Damen und Herren, die von den Arbeitnehmerinnen und -nehmern und Arbeitgeberinnen und -gebern hier zur Hälfte aufgebrachten Beiträge fließen nicht mehr direkt den Kassen zu, sondern in den Gesundheitsfonds. Die Arbeitnehmer zahlen also zusätzlich einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent. Die Krankenkassen erhalten vom Gesundheitsfonds für jeden Versicherten einen monatlichen Pauschalbetrag. Kommen die Kassen mit diesem Pauschalbetrag nicht aus, dürfen sie von den Versicherten zudem eine Kopfpauschale erheben. Alternativ gibt es selbstverständlich noch weitere Möglichkeiten, Zusatzzahlungen zu fordern.

Darüber hinaus muss für diesen Gesundheitsfonds ein gewaltiger Verwaltungsapparat mit natürlich unzähligen teuren unnötigen Wasserköpfen mit schwerwiegenden finanziellen Folgen für die Versicherten geschaffen werden. Ebenso müssen auch die Krankenkassen Personal und Technik ausrüsten und aufrüsten, um die Festlegung und Einziehung der Zusatzprämien von Millionen Versicherten bewältigen zu können. Die Kosten für diesen Irrsinn müssen auch wieder die Versicherten mit ihren Beiträgen finanzieren. Dass die dafür eingesetzten Gelder in der Gesundheitsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger fehlt, dürfte sogar Ihnen klar sein!

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist brutal am Thema vorbei!)

Nun sollten Sie einmal genau zuhören! Ein weiterer Skandal ist die Tatsache – das kann ich gar nicht oft genug erwähnen, und wenn das nicht stimmt, kommen Sie nach vorn und widerlegen mir das! –,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie merken gar nicht, wovon wir reden! – Zurufe)

dass durch ein Sozialversicherungsabkommen aus den Sechzigerjahren –

(Zurufe)

wenn Sie über den Skandal lachen können, dann ist das Ihr Problem, aber nicht meines – zum Beispiel in der Türkei oder auf dem Balkan lebende Eltern von hierzulande beschäftigten Ausländern in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei, ich wiederhole beitragsfrei, mitversichert sind. Das heißt, unsere Krankenkassen zahlen also schon seit den Sechzigerjahren Milliardenbeiträge, wenn diese Ausländer daheim ärztlich versorgt werden. So etwas Unsoziales, Ungerechtes gibt es meines Wissens nirgendwo auf der ganzen Welt! Die deutschen Versicherten aber, deren Eltern natürlich selbstverständlich nicht mitversichert sind,

(Abg. K o t t i s c h [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)