Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat sich in den letzten Jahren, seit in Bremen der Modellversuch Islamkunde am Schulzentrum Koblenzer Straße eingerichtet worden ist, mehrfach mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt. Im März dieses Jahres hat dann die dritte Plenarsitzung der deutschen Islamkonferenz unter Leitung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble getagt und empfohlen, dass in den Bundesländern ein Islamunterricht als ordentliches Lehrfach etabliert werden soll.
In Bremen und Bremerhaven, im Land Bremen, haben wir eine besondere Situation, die uns von den anderen deutschen Bundesländern unterscheidet. In Bremen gibt es keinen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, sondern die Landesverfassung sieht vor, dass auf allgemein christlicher Grundlage das Fach Biblische Geschichte erteilt wird. Weil dies dann auch in der Folge der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes ein freiwilliges Fach ist, gibt es das von der Senatorin für Bildung und Wissenschaft benannte Alternativ- oder Ersatzfach Philosophie.
Meine Damen und Herren, wir haben in Bremen eine Situation, dass im kommenden Schuljahr, also nach den Sommerferien, über 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler der ersten Klassen einen Migrationshintergrund haben werden, wovon ein hoher Anteil muslimischen Glaubens sein wird. Wir müssen also auch einer Realität Rechnung tragen, dass wir viele Schülerinnen und Schüler haben, die mit dem verfassungsmäßig verankerten Fach, durch ihren eigenen Glauben, sehr wenig anfangen können. Darum ist auch schon seinerzeit der Modellversuch „Islamkunde an Bremer Schulen“ am Schulzentrum Koblenzer Straße gestartet worden.
Die CDU spricht sich dafür aus, fordert in diesem Antrag, dass wir den Modellversuch als Modellversuch beenden, dass wir einen Bericht darüber bekommen, den letzten Bericht gab es im Übrigen im Jahr 2005 in der Bildungsdeputation, dass die Senatorin ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
für Bildung und Wissenschaft den Schulversuch umwandelt in ein dann benanntes Alternativfach Islamkunde und dass an weiteren Schulstandorten dieses Fach angeboten werden kann. Bereits im Jahr 2005 mit der Vorlage G 113 der städtischen Bildungsdeputation hat die Bildungsdeputation zugestimmt, dass an weiteren Schulstandorten Islamkunde als zweites Alternativfach angeboten wird. In den letzten drei Jahren ist dort vonseiten der Behörde nichts passiert. Auch das ist einer der Gründe für unseren heutigen Antrag hier. Wir betrachten dies als einen kleinen, aber sehr wichtigen Baustein für mehr Integration von Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens in unseren Schulen, in unserer Gesellschaft. Wir wollen mit dem dann benannten Alternativfach Islamkunde Schülerinnen und Schülern ein Angebot machen, das über den Islam in der Schule informiert. Es ist kein Religionsunterricht, es ist ein Islamkundeunterricht, das ist ein wesentlicher Unterschied, der dadurch dieses Fach im Übrigen auch von Biblischer Geschichte elementar unterscheidet. Ein weiterer Grund, der auch in der Zeitung so zitiert wurde und auch von uns überhaupt nicht verschwiegen werden soll, ist, dass wir hier auch denen etwas entgegensetzen müssen, die ihre Kinder in Koranschulen schicken, für die Prediger aus dem Ausland nach Deutschland eingeflogen werden und wo, vielleicht, ein nicht ganz so aufgeklärtes und weltliches Bild des Islam vermittelt wird.
Wir wollen auch Hasspredigern eine deutliche Antwort erteilen, dass sie in Bremen keine Chance haben. Wir als CDU sagen ganz deutlich, wir brauchen diesen Fächerkanon hier mit dem Fach Biblische Geschichte und seinen beiden Alternativfächern. Diese Fächer müssen entsprechend ausgestattet sein und auch einen Wert in der Schule haben. Das Fach findet in der Stundentafel seinen Niederschlag, wir werden uns noch darüber unterhalten müssen – das haben wir in der Vergangenheit getan, und ich kündige für uns an, wir werden das auch in Zukunft wieder tun –, wie das Fach dann tatsächlich in den Schulen ausgestaltet wird. Es gibt Schulstandorte, dort findet es nicht statt. Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass an Schulen Werte vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler haben die Wahl in Bremen, ob sie in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage unterrichtet werden, ob sie das überkonfessionelle Alternativfach Philosophie wählen oder ob sie dann das Fach Islamkunde wählen. Wichtig ist, dass in allen drei Fächern alle Weltreligionen vorkommen, dass in allen drei Fächern über Toleranz, über Werte, über das Miteinander gesprochen wird, und wichtig ist, dass diese drei Fächer überall akzeptiert werden.
Wir haben Erfahrungen von der Koblenzer Straße, und ich finde es toll, das möchte ich zum Abschluss dieser ersten Runde sagen, dass es an der Koblenzer Straße erreicht wurde, dass junge Muslime mit ihrer Lehrerin in eine Moschee gehen, in eine Kirche gehen und in eine Synagoge gehen! Meine Damen und Herren, das ist ein richtig toller Unterricht, der dort gemacht wurde, und wir wollen diesen tollen Unterricht auf andere Standorte in Bremen, und zwar institutionalisiert, erweitern. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Allein die Tatsache, dass wir uns heute in der Bürgerschaft mit dem Thema Islamkunde beschäftigen, ist ein Zeichen des gesellschaftlichen Wandels. In Bremen gibt es mittlerweile mehr Muslime als Katholiken. Die Integration des Islam ist daher eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe, das haben wir oft gesagt, der wir uns annehmen müssen. Die Einführung der Islamkunde als Unterrichtsfach ist nur ein Aspekt davon. Wir stehen vor der Herausforderung, uns sachlich mit dem Thema auseinanderzusetzen, was nicht immer einfach ist.
Das Thema kann und muss aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden. Sehr geehrter Herr Kollege Rohmeyer, Sie diskutieren das Thema sehr stark aus sicherheitspolitischen Perspektiven,
Ziel unserer Debatte müsste es eigentlich sein, diesen veränderten Bedürfnissen unserer Gesellschaft im Sinne der Integration nachzukommen. Die Intention des CDU-Antrags, „den Hasspredigern Konkurrenz zu machen“, ich habe jetzt zitiert, ist uns dabei zu undifferenziert, pauschal und zu einseitig!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Wollen Sie die unterstützen oder was?)
Bei dem Thema der religiös-ethischen Bildung muslimischer Schülerinnen und Schüler haben wir es mit einer äußerst komplexen Fragestellung zu tun, die nicht leichtfertig und vorschnell entschieden werden ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
darf. Wir sehen hier noch Beratungsbedarf und wollen daher das Thema in Rahmen der derzeitigen Neuaufstellung des Bremer Schulwesens ausführlich beraten. Daher schlagen die Koalitionsfraktionen, die Grünen und die SPD, vor, den Antrag an die Bildungsdeputation zu überweisen.
Ich möchte das noch kurz begründen: Die Einführung von islamischem Religionsunterricht ist nicht nur in Bremen, sondern in mehreren Bundesländern Gegenstand von Schulversuchen. Ich werde nicht auf die Erfahrungen der einzelnen Bundesländer hier eingehen, das kann man nachlesen. Einige dieser Schulversuche laufen bereits seit vielen Jahren, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen seit 1999. Es liegt also bereits ein beträchtlicher Fundus an Erfahrungen vor.
Durchgängig wird in den Evaluationen betont, dass der Islamunterricht Schülerinnen und Schüler sozial und emotional sehr anspricht. Er hat für sie eine große Bedeutung, sodass sie mehrheitlich stark motiviert sind. Selbstvertrauen und Selbstsicherheit der Schülerinnen und Schüler steigen. Sie sprechen Probleme und Fragen an, die sie im „normalen“ Klassenunterricht nicht ansprechen würden. Sie fühlen sich ernst genommen. Gleichzeitig hat der Islamunterricht offenbar eine integrative Wirkung. Innerhalb der unterschiedlichen muslimischen Nationalitäten, wie berichtet wurde, nehmen viele muslimische Schülerinnen und Schüler durch den Islamunterricht erstmals wahr, dass es neben der eigenen auch andere muslimische Gemeinschaften gibt.
Da in den Schulversuchen durchweg Deutsch die Unterrichtssprache ist, hat sich ein überraschender Nebeneffekt gezeigt. Infolge seiner hohen Akzeptanz wirkt der Islamunterricht sprachfördernd und steigert die sprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler. Hier wird die deutsche Sprache anhand eines für die Kinder und Jugendlichen interessanten Themas ohne die sonst allgegenwärtige Konkurrenz mit den einheimischen Mitschülern ausprobiert.
Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen, auch aus Bremer Modellversuchen, dass die Interaktion von muslimischen und nicht muslimischen Kindern innerhalb der Islamkunde ein Gewinn für beide Seiten ist. Auch die Kinder der Mehrheitsgesellschaft profitieren von dem Austausch und der Verständigung über die Unterschiede der Religionen. Möglicherweise ist auch das eine zentrale Fragestellung, die weiter verfolgt und beraten werden muss.
Aus diesen Gesichtspunkten muss vertiefend auch über die Bremer Situation nachgedacht werden, um die positive Wirkung eines Islamunterrichts für die Bremer Integrationspolitik richtig bewerten zu können. Denn es scheint doch offensichtlich, dass die vorherrschende Annahme, die Muslime seien mehrheitlich eher an Segregation interessiert als an Integration, überhaupt nicht stimmt!
Wenn das also so stimmt, warum befürworten wir diesen Antrag nicht! Dieser Antrag stellt viele offene Fragen. Es ist die Frage, ob die Landesverfassung geändert werden soll oder nicht.
Sind wir wirklich auf dem richtigen Weg, Islamkunde als Ersatzfach neben Philosophie zu erteilen? Der CDU-Antrag ist widersprüchlich. Einerseits besagt er richtig, den Religionsunterricht gibt es im Land Bremen nicht als ordentliches Lehrfach, aber andererseits – ein letzter Satz, Frau Präsidentin! – fordert er als Konsequenz aus der Schäuble-Initiative, auch in Bremen über die Etablierung islamischer Religion als ordentliches Lehrfach zu beschließen. Gleichzeitig stellt er aber eine nicht ganz richtige Analogie auf: Der Biblischen Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage, wie sie die Landesverfassung vorschreibt, wird eine säkulare Islamkunde auf allgemein muslimischer Grundlage gegenübergestellt.
Wegen dieser offenen Fragen und Widersprüche brauchen wir Beratung, brauchen wir eine Anhörung. Deshalb überweisen wir diesen Antrag an die Bildungsdeputation. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Stahmann, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie gegen persönliche Herabsetzung in den Debatten sind, und sich dagegen ausgesprochen. Prima, da gebe ich Ihnen vollkommen recht! Dann fangen Sie einmal bei mir damit an, das auch in die Tat umzusetzen!
Meine Damen und Herren, es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass ich den Antrag der CDU mit der Überschrift „Islamkunde als Ersatzfach im Land Bremen“ selbstverständlich aus folgenden Gründen rigoros ablehnen werde:
Erstens, würde man speziell einen Islamunterricht als Ersatzfach an den Bremer Schulen einführen, so könnten dann auch unweigerlich andere Religionsgemeinschaften ebenso ein Ersatzfach ihrer Religion fordern, berechtigt einfordern. Das, meine Damen und Herren, würde jedes Schulwesen und jedes Bildungswesen nicht nur im Bundesland Bremen, sondern in Gesamtdeutschland bei Weitem überfordern. Hier sage ich klar und deutlich, hier ist es dringend erforderlich, dass alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam, egal welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, einen allgemeinen Unterricht und Überblick
über alle Glaubensrichtungen und Religionsgemeinschaften bekommen sollten, dass aber nicht extra ein Islamunterricht eingeführt werden sollte. Das wäre zu einseitig und zu ungerecht und einer effektiven Integration mit Sicherheit auch nicht gerade förderlich.
Zweitens habe ich hier den leisen, vagen Verdacht, dass die CDU mit diesem Antrag „Islamkunde als Ersatzfach im Land Bremen“ die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan auf seiner deutsch-türkischen Wahlkampfveranstaltung in Köln nach mehr türkischen Lehrern und Schulen und seine klare und deutliche Aussage zur Frage der Assimilation in Deutschland durch die Hintertür umsetzen und erfüllen möchte. Das aber, meine Damen und Herren, kann und werde ich niemals unterstützen!
Darum werde ich Ihren Antrag auch konsequent ablehnen. Auch wenn Sie das als Islamkundeunterricht bezeichnet haben, so wird es wahrscheinlich tatsächlich am Ende als Islamkunde-Ersatzfach eingeführt werden. Das werde ich nicht unterstützen. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Auftritt einer gewissen Person heute Vormittag erspare ich mir jegliche Kommentare dazu.