Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

zum Leben brauchen. Trotzdem gibt es Sanktionen nach dem SGB II. Die Regelungen dazu sind sogar im Jahr 2007 noch einmal verschärft worden. Insgesamt, das kann man in Bundesstatistiken nachlesen, steigt die Anzahl der Sanktionen. Für Bremen gibt es keine statistischen Auswertungen, so sagt es die Antwort auf die Große Anfrage, vor dem Jahr 2007. Monatliche Angaben sind ebenfalls nicht verfügbar, genauso wenig wie die Darstellung kleinerer Werte möglich erscheint.

Warum aber, das ist die Frage an dieser Stelle auch an den Staatsrat, ist eine Darstellung auf Bundesebene möglich, und zwar mit Kleinzahlen und aufgeschlüsselt sogar nach Sanktionstatbeständen? Sanktionen sind auch hier in Bremen keine Seltenheit. Die Sanktionsquote beträgt in Bremen 2 Prozent, für Bremerhaven sind es sogar 2,6 Prozent. Das erscheint erst einmal nur eine kleine Zahl zu sein, aber wenn ich Ihnen noch einmal eine andere Relation verdeutlichen kann, dann werden Sie sehen, dass diese Zahl von 2 Prozent und 2,6 Prozent doch nicht so klein ist, wie sie scheint. In Bremen ist demnach mindestens einer von 50 Arbeitslosengeld-II-Empfängern von Leistungskürzungen betroffen, und in Bremerhaven ist es eine Person von 40. Der Skandal dabei ist, dass die Sanktionen häufig unberechtigt ausgesprochen werden. Das sehen wir anhand der Fragestellung, der Antwort zu den Widersprüchen und Klagen.

30 Prozent der Widersprüche und 20 Prozent der Klagen gegen Sanktionen in Bremen sind erfolgreich. In Bremerhaven sind es unglaubliche 52 Prozent der Widersprüche, die erfolgreich eingelegt werden. Ich erinnere an dieser Stelle gleich noch einmal daran, wir sprechen hier nicht über Bagatellen, es geht nicht um Strafzettel, es geht nicht um Bußgelder für Menschen, die es sich leisten können, sondern es geht um Menschen, die Leistungen am Existenzminimum erhalten und denen diese Leistungen beschnitten werden! Darüber hinaus können wir auch noch annehmen, dass auf jede Person, die erfolgreich Widerspruch eingelegt hat, eine erhebliche Anzahl von Menschen kommt, die sich nicht trauen oder die auch einfach nicht in der Lage sind, Widerspruch einzulegen, obwohl ihre Sanktionen ebenfalls unberechtigt sind.

Schauen wir auf die Gründe, die zur Leistungskürzung führen, dann fällt auf, dass mindestens die Hälfte auf Meldeversäumnisse zurückzuführen ist. Mit der Arbeitslosigkeit geht aber in vielen Fällen auch die Perspektivlosigkeit einher. Meldevergehen sprechen also für Zweierlei: Erstens, die Menschen haben noch weniger das Gefühl, dass von Terminen, die sie zugeschickt bekommen, für sie ein positives Signal hinsichtlich Arbeitsplatzangeboten ausgeht, und zweitens Sanktionen auch noch einmal dazu benutzt werden, um Druck auszuüben, obwohl gar keine adäquaten Angebote dahinter stecken.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist falsch!)

Nicht selten erfolgt entgegen der Antwort des Senats nach der ersten, spätestens jedoch nach der zweiten fehlenden Vorsprache trotz schriftlicher Einladung eine Leistungseinstellung. Dieses Vorgehen wird ebenfalls als Druckmittel genutzt, weil die Betroffenen spätestens zum nächsten Monatsbeginn wegen fehlender Gelder in der BAgIS auflaufen. Einen Einstellungsbescheid gibt es, sofern man mit den Betroffenen spricht, nur selten.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Auch falsch!)

Das Scheitern an der Politik des Förderns und Forderns führt nicht zu einer Korrektur dieser falschen Politik, sondern zu Sanktionen oder im schlimmsten Fall zur Kriminalisierung derjenigen, die Opfer dieser falschen Politik sind. Einstiegsvermeidung ist nach Ansicht des Senats eine Thematik von grundsätzlicher Bedeutung. Aber Arbeitsgruppen mit dem Ziel der Einstiegsvermeidung gäbe es, laut Antwort des Senats, deshalb nicht. An dieser Stelle muss ich einfach nur feststellen: Entweder weiß der Senat nicht, was in den Geschäftsstellen hier vor sich geht, oder er beantwortet die Frage offensichtlich falsch.

Prinzipiell müssen diese Regelungen auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Die stufenweise Absenkung der Leistungen bei geringstem Fehlverhalten bis hin zur Arbeitserzwingung oder auch der totalen Absenkung auf null widersprechen dem Menschenwürdegrundsatz und dem Sozialstaatsgebot. Natürlich, und das können wir in der Antwort auch nachlesen, besteht seitens des Senats kein Zweifel an der Verfassungskonformität, wurde dieses Gesetz ja auch von Rot-Grün auf Bundesebene gemacht. Meine Frage ist also nun: Was tut der Senat dagegen? Es kann doch nicht sein, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht, in dem erheblich oft Repressionsmaßnahmen ausgesprochen werden, die keine rechtliche Grundlage haben. Bremen ist ebenfalls zur Hälfte an der BAgIS beteiligt, auf den eigentlich vorgesehenen alternierenden Wechsel der Geschäftsführung zwischen Bundesagentur und Kommune hat Bremen großzügig verzichtet, die Kontakte seien zwar eng und regelmäßig, aber warum wird hier kein stärkerer Einfluss genommen? Auf diese Frage hätte ich hier und jetzt gern eine Antwort! Was tut also der Senat, um diesen unhaltbaren Zustand zu beenden?

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein ganz sensibles Thema! Damit einmal deutlich wird, worum es hier geht, will ich es kurz erklären: Beim Arbeitslosengeld II können Sanktionen ausgesprochen werden, wenn sich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

die Arbeitsuchenden nicht an Vereinbarungen halten, das Ganze vor dem Hintergrund, dass es die Pflicht gibt, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Arbeitsangebot nicht angenommen oder die Anbahnung eines solchen durch sein Verhalten verhindert wird oder der Arbeitslose der Aufforderung der Agentur, sich zu melden, nicht nachkommt oder zu einem Untersuchungstermin nicht erscheint, auch, wenn er sich weigert, an einer zumutbaren Trainingsmaßnahme teilzunehmen, sie ablehnt oder abbricht.

Wenn eine Sanktion ausgesprochen wird, heißt das genaugenommen, dass eine Absenkung der Regelleistung vorgenommen wird. Im ersten Schritt sind es 30 Prozent, im zweiten 60 und im dritten dann 100 Prozent. Im Extremfall gibt es nur noch Sachleistungen. Das ist auch nicht neu, sondern Leistungskürzungen hat es schon immer gegeben. Arbeitslose haben die Pflicht zur Mitwirkung. Man braucht auch ein Instrument, damit Menschen, die keine Bereitschaft zeigen, sich um sich selbst bemühen. Auch klar ist, dass Sanktionen für Leistungsbezieher existenziell bedrohlich sind. Besonders schwierig ist es, wenn Kinder betroffen sind und dann die ganze Familie vom Sozialgeld der Kinder lebt.

Das eigentliche Problem ist, dass es sowieso schon schwierig ist, von 351 Euro zu leben. Wenn es hier noch eine Kürzung gibt, um Sanktionen durchzuführen, kann der notwendige Lebensunterhalt kaum noch angemessen realisiert werden. Die Regelsätze sichern den Lebensunterhalt auf unterstem Niveau, und es ist umstritten, ob sie dies heutzutage auch angesichts unserer Inflationsrate überhaupt noch sicherstellen. Deshalb treffen Sanktionen sehr hart.

Es gab und gibt die Möglichkeit, gegen eine Sanktion Widerspruch einzulegen. Bemerkenswert ist, dass circa einem Drittel der Widersprüche stattgegeben wird. Das wiederum lässt darauf schließen, dass vieles noch nicht rund läuft und der Verdacht von nicht angemessener Bearbeitung zumindest im Raum steht, denn sicher ist auch: Nicht alle Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen, gehen den Widerspruchsweg. An dieser Stelle ist eine stetige Qualifizierung und Fortbildung eine wichtige Maßnahme für die Mitarbeiter der ARGE und BAgIS. Auch die Besetzung freier Stellen ist dringend erforderlich. Die Frage eines Vieraugenprinzips wäre zu prüfen, obwohl das sicher auch schwierig, weil personalintensiv, ist.

Es gibt eine Initiative der CDU des Landes BadenWürttemberg, Sozialgerichtsgebühren einzuführen. Die Antwort des Senats zeigt, wie wichtig der Klageweg für die Betroffenen ist. Eines ist jedenfalls klar: Wir Sozialdemokraten werden auf keinen Fall eine Gesetzesänderung zur Einführung von Sozialgerichtsgebühren mitmachen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau N i t z [DIE LIN- KE.]: Das steht so nicht darin!)

auch, weil die Beteiligten ja sowieso einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben. Es kann ja wohl nicht sein, dass Menschen, die sowieso bereits am Minimum leben, auch noch Gerichtskosten bezahlen müssen!

(Beifall bei der SPD)

Der Weg zur Klage muss barrierefrei sein, hier befinden wir uns an der Seite des Senats. Der Weg zu Gerichten darf nicht durch finanzielle Hürden unzumutbar erschwert werden. Hier müssen wir genau beobachten, was sich auf Bundesebene bewegt, und darauf entschlossen reagieren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundidee von Hartz IV ist, die Eigenverantwortung der Hilfebedürftigen zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln heraus bestreiten können, so heißt es in Paragraf 1 des Sozialgesetzbuchs II. Ziel dieses Grundsatzes des Förderns und Forderns ist die Reintegration in den regulären Arbeitsmarkt. Neben den vielfältigen Förderungsmöglichkeiten und dem vom Gesetzgeber beabsichtigten intensiven Betreuen der Hilfebedürftigen durch ihren Fallmanager soll vor allem die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bewirkt werden. In der bisherigen Praxis allerdings zeigt sich, dass das nur unzureichend funktioniert. Die Hartz-IV-Gesetzgebung ist eben keine Einstiegsförderung in die Hilfebedürftigkeit, sondern eine Ausstiegsförderung in Beschäftigung.

Wir halten die Verhängung von Sanktionen für absolut notwendig, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der CDU)

denn selbstverständlich sind gegenüber denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten, spürbare Sanktionen notwendig. Das liegt im Interesse der Menschen, die täglich frühmorgens aufstehen, zur Arbeit gehen, mit ihren Steuern und Sozialabgaben die Leistung finanzieren, die diejenigen bekommen sollen, die in diesem Land der Hilfe bedürfen. Das Leistungsrecht muss daraufhin überprüft werden, wo, ohne die notwendigen Unterstützungen bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu beschneiden, weitere Effizienzsteigerungen möglich sind. Diese Debatte hatten wir gerade erst vorgestern in der Stadtbürgerschaft zum Thema Baustelle BAgIS. Dort gibt es viele Effizienz––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

steigerungen. Da es in Bremen zu einem Rückgang der Sanktionen um über 20 Prozent binnen Jahresfrist entgegen dem Bundestrend gekommen ist, ist es kein Erfolg, was der Senat hier vorzuweisen hat: 20 Prozent weniger Sanktionen in der Stadtgemeinde Bremen, wo wir einen bundesweiten Anstieg von über 50 Prozent haben, 56,8 Prozent im vergangenen Jahr, in Bremerhaven haben wir sogar ein Anstieg von 58 Prozent.

Meine Damen und Herren, ein Vieraugenprinzip in der BAgIS gibt es nicht, wo der Sachbearbeiter den anderen in der Entscheidung absichert, das ist doch auch eine Frage von Qualität! Das hat sicherlich mit der Fluktuation in der BAgIS zu tun, mit der unzureichenden Personalsituation und mit der Personalentwicklung in der Arbeitsgemeinschaft. Dass gegen Sanktionen in Bremen 30 Prozent der Widersprüche durchsetzbar sind und in Bremerhaven jede zweite Sanktion durch stattgegebenen Widerspruch als falsch einzustufen ist, ist doch völlig unmöglich. Um das Leistungsrecht stärker auf die Integration in den Arbeitsmarkt auszurichten, muss sich alles stärker als bisher an dem Grundsatz des Förderns und Forderns orientieren.

(Beifall bei der CDU)

Fordern bedeutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige aktiv beiträgt; Anreize zur Arbeitsaufnahme müssen gegeben werden. Diese gesetzliche Maxime muss beachtet werden, dass die Träger die Hilfebedürftigen umfassend mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit unterstützen und auch Sanktionsvorschriften korrekt, aber konsequent anwenden. Wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion wollen nicht, dass sich Starke als Schwache verkleiden, sondern diejenigen Hilfe von der Gesellschaft erhalten, die sich nicht um ihren eigenen Lebensunterhalt kümmern können.

(Beifall bei der CDU)

Zwischen der Anzahl der Sanktionen und der Lage auf dem Arbeitsmarkt gibt es einen engen Zusammenhang. Wo keine Stelle angeboten werden kann, können wir auch nicht die Arbeitswilligkeit überprüfen und Sanktionen verhängen, das ist doch klar! So gibt es auch immer noch zu wenig offene Stellen in Bremen und Bremerhaven, und hier ist der Senat gefordert, der Wirtschaft zu ermöglichen, Beschäftigungsangebote zu unterbreiten. Man muss aber auch klar sagen, wir haben nun bundesweit einen großen Schritt in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit getan, und ich will Ihnen ganz klar sagen: Wenn auch bei diesen Arbeitsmarktzahlen, wie sie diese Woche veröffentlicht wurden – die uns noch nicht zufriedenstellen –, die zumutbaren Arbeitsangebote auch immer noch ein Problem sind, dann muss man sagen, wenn solche Zahlen früher veröffentlicht worden wären, ich sage Ihnen, der damalige Bundeskanzler Gerhard

Schröder hätte hier nationale Festwochen veranstaltet und sich feiern lassen.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die CDU- Wirtschaftssenatoren in Bremen auch! Das kennen wir ja alles, das ist gemacht worden!)

Ich will noch einmal auf den Begriff der zumutbaren Arbeit eingehen! Nicht zumutbar sind Angebote, die sittenwidrig sind. Als sittenwidrig gilt zum Beispiel ein Lohn, der 30 Prozent unter dem jeweilig ortsüblichen Lohn liegt, zum Beispiel darf der Job auch nicht die Rückkehr in den eigentlichen Beruf des Arbeitssuchenden erschweren. Es gibt noch weitere Ausnahmen: Arbeit ist nicht zumutbar, wenn Sie ein Kind erziehen, das jünger als drei Jahre ist, oder einen Angehörigen pflegen.

Meine Damen und Herren, man muss sensibel mit diesen Sanktionen umgehen, das ist keine Frage, aber wir brauchen diese konsequente Anwendung. Die Große Anfrage der Linksfraktion bringt uns im Grunde genommen nicht weiter. Es gibt keinen neuen Erkenntnisgewinn, vielmehr bringt sie mit ihren Fragen ihre alten Positionen herüber, die von der Alimentation der Arbeitssuchenden getragen sind. Das ist keine zukunftsgerichtete Politik! Die Antwort für den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit lautet Fördern und Fordern. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Dieser Politik fühlen wir uns verpflichtet! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE will mit Ihrer Großen Anfrage die Auswirkungen von Sanktionen nach dem Sozialgesetzbuch II beleuchten, um damit zu zeigen, dass sie allesamt unangemessen und ungerecht sind. Sperrzeiten im Sozialgesetzbuch III und die Absenkung der Grundsicherung im Sozialgesetzbuch II sind Einschnitte, die zum System der Arbeitslosenversicherung auf der einen Seite und zu der Grundsicherung für Arbeitslose auf der anderen Seite gehören. Man kann nicht vollständig auf sie verzichten. Insofern stimme ich dem Kollegen Bartels zu!

Die Versicherungsleistung nach dem SGB III, also das normale Arbeitslosengeld, setzt voraus, dass jemand bereit und in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine nicht nur geringfügige, das heißt mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung auszuüben. Der Arbeitslose muss also objektiv in der Lage und subjektiv bereit sein, sich

so dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Ist er dies nicht, weil er eine zumutbare Beschäftigung nicht annimmt, sich nicht bei einer vorgeschlagenen Firma vorstellt, nicht zum Vermittlungsgespräch erscheint und so weiter, kann eine Sperrzeit verhängt und die Zahlung des Arbeitslosengeldes befristet ausgesetzt werden. Mit der Aufhebung der Arbeitslosenhilfe und der Einführung der Grundsicherung für Arbeitslose im Sozialgesetzbuch II gelten diese Regeln, die für den Versicherungsanspruch galten, in ähnlicher Weise nun auch für den Grundsicherungsanspruch. Die Sanktionen bestehen nun in der Reduzierung der Grundsicherung. Arbeitslosengeld II ist eben kein bedingungsloses Grundeinkommen, wie manche vermuten. Auf diese Leistung hat man nur Anspruch, wenn man alles unternimmt, wieder in Arbeit zu kommen.

Das hat im Übrigen Tradition! Bereits Martin Luther sagte: „Es genügt nicht, dass einer auf des andern Arbeit müßig gehe.“ In allen bremischen Armenordnungen seit dem Jahr 1658, das war die erste bremische Armenordnung, ist das Arbeitsgebot enthalten.

(Zuruf des Abg. B e i l k e n [DIE LINKE.])

Nein, aber wir haben diese Tradition, eine sozialrechtliche Tradition! Man muss unterscheiden zwischen einer Grundsicherungstradition auf der einen Seite und einer Versicherungstradition auf der anderen Seite, und dies ist die Tradition, die dann auch im Jahr 1961 zum Beispiel in Paragraf 25 Bundessozialhilfegesetz vorgesehen hat, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt entzogen werden kann, wenn der oder die Berechtigte zumutbare Arbeit zu leisten nicht bereit ist. Diese Hilfe konnte zudem auf das für den Lebensunterhalt Unerlässliche reduziert werden, also genau die gleiche Konstruktion, die wir jetzt im Sozialgesetzbuch II wiederfinden! Mit dem alten Paragrafen 19 Bundessozialhilfegesetz wurden im Rahmen der Hilfe zur Arbeit einerseits eine Beschäftigung in einem ABM-ähnlichen Arbeitsvertrag zu tariflichen Bedingungen angeboten, andererseits gab es aber auch die Prämienarbeit, die von manchen stark Leistungsgeminderten oder hoch Verschuldeten gern angenommen wurde. Eine entsprechende Vorschrift gibt es nun auch für die nicht Erwerbsfähigen im SGB XII.

Leistungen nach dem SGB II, der Grundsicherung für Arbeitslose, von der Bereitschaft abhängig zu machen, eine Arbeit oder Arbeitsgelegenheit anzunehmen, ist mit Sicherheit, wie Sie vermuten, keine verbotene Zwangsarbeit im Sinne des Grundgesetzes. Ich halte es tatsächlich für zumutbar, dass derjenige, der zur Arbeitsleistung in der Lage ist, auch seinen Beitrag zum Sozialprodukt und damit auch zur Finanzierung der Sozialleistungen leistet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Alles andere bedeutet die Grundhaltung, dass das Geld vom Himmel fällt und es dann nur noch verteilt werden muss.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das passt dann wieder zur LIN- KEN! – Abg. B e i l k e n [DIE LINKE.]: Das ist eine Grundhaltung von Menschenrech- ten!)

Das hat mit Menschenrechten nichts zu tun! Menschenrechte haben damit zu tun, dass man grundsätzlich einen Anspruch auf Grundsicherung hat, das sind Menschenrechte!

(Abg. B e i l k e n [DIE LINKE.]: Verhun- gern ist Menschenrecht!)

Es ist aber sehr wohl möglich, dafür als Gegenleistung zu verlangen, dass jemand auch zum Beispiel für eine gemeinnützige Arbeit zur Verfügung steht oder sich in den Arbeitsmarkt vermitteln lässt.