Horst Frehe
Sitzungen
17/5
17/6
17/8
17/9
17/11
17/13
17/14
17/16
17/17
17/19
17/23
17/24
17/26
17/30
17/31
17/33
17/34
17/35
17/36
17/38
17/40
17/45
17/46
17/48
17/49
17/51
17/53
17/56
17/57
17/58
17/60
17/61
17/62
17/63
17/66
17/67
17/69
17/71
17/72
17/74
17/75
17/76
17/77
17/78
17/79
17/80
17/81
17/82
17/83
17/84
17/85
17/86
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben einen sehr vernünftigen Bericht des Senats über die Befristung und die Evaluation des bremischen Rechts vorliegen. Der Senat empfiehlt in diesem Bericht nicht pauschal, Befristungen vorzunehmen und Evaluierungen zu machen, sondern im Einzelfall, wo sich das anbietet. Er orientiert sich damit auch an den Ergebnissen des nationalen Normenkontrollrates. Der hat Befristungen nämlich nach folgenden Kriterien vorgeschlagen: einmal dort, wo sich eine zeitlich begrenzte Regelungsnotwendigkeit ergibt, vorsorglich Regelungen getroffen werden, unsichere Wirkungen zu erwarten sind, ein rascher technologischer Wandel stattfindet, Reaktionen auf Krisen und Katastrophen sein sollen und dort, wo sich einfach Evaluierungsnotwendigkeiten aus dem Inhalt der Normen ergeben. Das sind die Kriterien. Das heißt also, in diesem Gutachten zur besseren Rechtssetzung durch Befristung und Evaluation, das Bund und Länder in Auftrag gegeben ha
ben, wird davon abgeraten, eine generelle Befristung und eine generelle Evaluation zu machen. Das soweit zu Ihren Vorschlägen!
Der Senat hat ferner ein Gesetz vorgelegt, in dem er genau das umsetzt, wo er im Grunde genommen noch einmal prüft, welche Normen befristet werden sollen und welche tatsächlich entfristet werden können. Er kommt überein, vier Gesetze zu verlängern und die Befristung von fünf Gesetzen aufzuheben. Das ist sachlich geboten. Er richtet sich dabei nach den Überlegungen, dann zu befristen, wenn ein Außerkrafttreten ohne eine weitere Prüfung möglich ist, eine Entscheidung über die Verlängerung zu treffen, wenn eine Evaluation erfolgt ist und auch bei bestimmten Gesetzen, die unbefristet in Kraft treten, eine weitere Evaluation vorzunehmen. Das erscheint mir sinnvoll, also nehmen wir einmal das Beispiel, das wir hier in diesem Gesetzentwurf haben. Da geht es unter anderem um die Frage des Grundbetrags beim Fahrdienst für Behinderte. Diese Erhöhung soll noch einmal evaluiert werden, deswegen ist das befristet worden. Entfristet wird zum Beispiel eine Regelung über die Zuständigkeit von örtlichen und überörtlichen Trägern. Da macht es einfach nur zusätzliche Bürokratie, wenn wir da weiter generell auf eine Befristung bestehen. Das ist unsinnig!
Zu Ihren Anträgen! Zum CDU-Antrag: Ich finde, es ist schon eine Aktion der Bürger von Schilda, dass man fordert, eine bürokratische Stelle einzurichten, um zu entbürokratisieren. Diesen Vorschlag finde ich pikant.
Als Zweites, Sie bleiben, wie gesagt, bei der generellen Befristung und bei der Genehmigungsfiktion von acht Wochen. Sie schlagen das insbesondere bei gewerblichen Baugenehmigungen nach acht Wochen vor. Stellen Sie sich die Diskussionen und die Schwierigkeiten vor, zum Beispiel bei Genehmigung von Windrädern oder bei den Bauten am Bahnhofsvorplatz, wenn wir hier eine solche generelle Genehmigungsfiktion hätten. Ich meine, gerade bei gewerblichen Baugenehmigungen muss man noch einmal darüber nachdenken, ob das sinnvoll ist.
Zum FDP-Antrag: Teilweise ist Ihr Antrag ja das Recycling der letzten Debatte. In den ersten Teilen, in denen wir gesagt haben, wir müssen – das war ja durchaus gemeinsam – gemeinsam schauen, ob Normen überhaupt erforderlich sind und welchen Regelungsgegenstand diese Norm umfassen soll. Das findet statt, und das brauchen wir nicht noch einmal beschließen. Sie bleiben auch bei der generellen Befristung. Schließlich fordern Sie die anzeigepflichtigen Verfahren statt Genehmigungsverfahren. Das haben wir im
Baurecht, und wir haben da gerade festgestellt, dass viele Bauvorhaben nicht nach der Landesbauordnung gebaut worden sind und dort Verletzungen durch Architekten stattgefunden haben, insbesondere was die Barrierefreiheit angeht. Schließlich zu unserem Koalitionsantrag: Ich finde es richtig, dass wir prüfen, inwieweit tatsächlich eine solche Genehmigungsfiktion sinnvoll ist, und zwar nicht nur bezogen auf Bauverfahren, sondern das generell auf Verwaltungsverfahren auszudehnen und zu prüfen. Deswegen bitte ich Sie, dass Sie unserem Antrag zustimmen! Dem CDU- und FDP-Antrag können wir nicht zustimmen, weil sie in die falsche Richtung gehen und keine Bürokratie abbauen, sondern eher mehr schaffen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Keine Privilegien für Zeugen Jehovas“, so titelte die „Nordwest-Zeitung“ am 13. April 2011. Das ist in der Tat das Er
Diese Anhörung hat ergeben, dass es Zweifel an der Rechtstreue der Zeugen Jehovas gibt. Ich will nur zwei Punkte herausgreifen, und zwar die, die für mich am gravierendsten sind, zum einen die Bluttransfusionen. Wir haben von Herrn Prof. Huppertz gehört, dass er Fälle aus seiner Praxis kennt und es vorgekommen ist, dass Zeugen Jehovas Bluttransfusionen bei Kindern verweigert haben und er das gerichtliche Verfahren wählen mussten, sodass den Eltern für diesen Fall das Sorgerecht entzogen wurde und das Gericht dann diese Entscheidung ersetzt hat.
Es wurde uns von Herrn Dr. Hoffmann vom RotesKreuz-Krankenhaus berichtet, dass es Verbindungskomitees gibt, die sich dann einschalten, wenn Erwachsene die Frage der Bluttransfusionen zu entscheiden haben, und dass sie erheblich auf diese Erwachsenen einwirken, sodass von einer freien Willensentscheidung nicht die Rede sein kann, dass man zumindest Zweifel daran haben kann, dass die freie Willensentscheidung gegen Bluttransfusionen auch wirklich gegeben ist.
Ich möchte, um den Vorwurf zu entkräften, der ja immer wieder von den Zeugen Jehovas gemacht worden ist, aus den Urteilen zum Sorgerechtsentzug oder Nicht-Sorgerechtsentzug, die uns die Zeugen Jehovas zugeschickt haben, kurz zitieren! Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zum Beispiel entschieden, dass Bluttransfusionen an bestimmten Feiertagen nicht allein der elterlichen Sorge entgegenstehen. Ferner gab es eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, ich zitiere aus dem Tenor: „Allein aufgrund des Umstands, dass ein Elternteil aktives Mitglied der Zeugen Jehovas ist, kann nicht festgestellt werden, dass die Eltern zur Erziehung ungeeignet sind.“ Das ist völlig richtig. Das heißt, die Gerichte haben nur festgestellt, dass man auch weitere Elemente betrachten muss, das heißt, dass man das konkrete Erziehungsverhalten der Eltern anschauen muss. Allein die Tatsache, dass sie Zeugen Jehovas sind, rechtfertigt das nicht.
Das ist auch der Unterschied zwischen der Entscheidung, die die Zeugen Jehovas uns unterstellen, nämlich dass wir ein Verbot der Vereinigung wollen oder dass wir die Mitglieder ihrer Kirche diskriminieren. Nein, die Gerichte entscheiden im Einzelfall, schauen sich die Eltern genau an und entscheiden daraufhin,
ob sie einen Sorgerechtsentzug vornehmen müssen oder nicht. Das ist eben die Differenz zwischen dem Recht auf Glaubensfreiheit nach Artikel 4 unserer Landesverfassung und dem Kirchen- und Religionsrecht nach Artikel 61 Landesverfassung.
Ich möchte aus einem Brief der Zeugen Jehovas zitieren. Alle Kolleginnen und Kollegen haben, glaube ich, den Brief von Jehovas Zeugen bekommen. Da dort ein sehr schwerer Vorwurf gemacht wird, möchte ich kurz aus diesem Brief zitieren, um auch dem zu entgehen, dass wir uns nicht mit ihren Argumenten auseinandergesetzt haben. Sie schreiben: „Das Vorstehende macht deutlich, dass es bei der Abstimmung am 11. Mai 2011“ – nun es ist der 12. Mai! – „nicht mehr allein um die Abstimmung über die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Zeugen Jehovas geht, sondern es aufgrund der oben dargestellten Mängel in dem Verfahren des Rechtsausschusses mittlerweile um die Frage geht, ob im Land Bremen eine religiöse Minderheit noch darauf zählen kann, in staatlicher Neutralität unter Achtung rechtsstaatlicher Grundsätze leben zu können.“
Sie bezweifeln also, dass man hier als Zeuge Jehovas ohne Beeinträchtigung leben kann. Da verwechseln sie deutlich die Rechte aus der Religionsfreiheit, die hier für jeden Zeugen Jehovas sichergestellt sind, und die besonderen Organisationsrechte, die mit einer Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verbunden sind.
Ich möchte noch einmal unsere Landesverfassung – die mag den Zeugen Jehovas hier in Bremen nicht sehr präsent sein – diesem Haus in Erinnerung rufen! Artikel 59 der Landesverfassung schreibt strikt die Trennung zwischen Staat und Kirche vor. Nach Artikel 60 Absatz 2 Landesverfassung darf niemand zu religiösen Handlungen gezwungen werden. Das heißt also, wenn quasi versucht wird, jemanden bei den Zeugen Jehovas festzuhalten, wird dagegen verstoßen. Der entscheidende Punkt ist: Artikel 61 Landesverfassung sieht die Möglichkeit vor –
ich komme sofort zum Schluss! –, die Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu verleihen.
Deswegen entscheiden wir hier überhaupt nicht über die Religion – sowieso nicht! –, auch nicht über Verbote von Religionen und Religionsausübung oder die Einschränkung der Religionsfreiheit. Wir entscheiden ausschließlich darüber, ob der Kirche besondere Rechte verliehen werden dürfen und ob sie dafür die Grundrechte ausreichend achtet. Wir sind nach den Anhörungen zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht der Fall ist. Deswegen – und das kommt auch nicht so häufig vor – lehnen wir sowohl den Gesetz
entwurf des Senats ab als auch den Antrag der FDP, die dieses Verfahren zu einem Verwaltungsverfahren abändern will. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! Auch ich möchte Frau Winther für die faire und hervorragende Zusammenarbeit danken. Es war eine sehr angenehme und sehr gute Zusammenarbeit in dem Rechtsausschuss. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Beantwortung unserer Großen Anfrage durch den Senat möchte ich mich herzlich bedanken. Bei dieser Anfrage geht es um Menschen, die ihr Recht im Alltag nicht mehr selbst wahrnehmen können. Sie haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Wahrnehmung dieser Rechte. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, von der hier in diesem Parlament schon öfter die Rede war, garantiert, dass alle Vertragsstaaten sicherstellen müssen, dass Menschen mit Behinderungen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um ohne Einschränkungen ihre Rechte wahrnehmen zu können. Betreuungsrecht ist ein Menschenrecht. Grund für diese Anfrage war die Sorge, ob die Behindertenrechtskonvention im Land Bremen auch in diesem Bereich umgesetzt wird. Zunächst zum Verhältnis Ehrenamtliche und Berufsbetreuungen! Aus der Antwort des Senats ergibt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sich, dass es in Bremerhaven drei Mal so viel ehrenamtliche wie beruflich ausgeübte Betreuungen gibt, in der Stadt Bremen dagegen die Zahl der Ehrenamtlichen unter der Zahl der Berufsbetreuungen liegt. Das geht so nicht, denn das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt vor, dass Betreuung vorrangig ehrenamtlich ausgeübt werden soll, und das ist auch aus einem bestimmten Grund so, den ich kurz erläutern möchte: Betreuung unterstützt zwar Menschen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, sie schränkt aber auch die Handlungsfähigkeit der betreuten Menschen ein, insbesondere, wenn sie einen Genehmigungsvorbehalt für Rechtsgeschäfte umfasst. Deshalb müssen Betreuungen auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden.
Immer, wenn es möglich ist, sollten Entscheidungen möglichst mit beiden Personen, also der Betreuerin oder dem Betreuer mit der Betreuten oder dem Betreuten zusammen, ausgeübt werden. Daher ist die ehrenamtliche Betreuung immer zu bevorzugen, weil sie ein persönliches Recht ermöglicht und das auch persönlich wahrgenommen wird. Immer dann, wenn eine Betreuerin oder ein Betreuer nicht überfordert wird, sollte die Betreuung ehrenamtlich ausgeübt werden. Deshalb gibt das Gesetz den Ehrenamtlichen auch den absoluten Vorrang.
Um ausreichend ehrenamtliche Betreuungspersonen zu finden, muss man ein umfangreiches Unterstützungsnetz aufbauen, das vor allem durch Betreuungsvereine sichergestellt werden kann. Diese Vereine haben die Aufgabe, interessierte und für diese Tätigkeit geeignete Personen zu finden, sie für diese Aufgabe zu qualifizieren, sie regelmäßig zu beraten und zu unterstützen, sie weiterzubilden und auch betreute Personen, zum Beispiel, wenn sie einen Betreuerwechsel möchten, zu unterstützen und zu beraten.
Die hier vom Senat vorgelegten Zahlen erwecken den Anschein, also ob es in der Stadt Bremen keine ausreichende Anwerbung von ehrenamtlichen Betreuungspersonen und eine unzureichende Unterstützung der Betreuungsvereine gäbe. Allerdings führt die Stadt Bremerhaven auf der anderen Seite eine im Verhältnis zu hohe Zahl von Betreuungen durch die Behörde selbst durch. Diese widerspricht ebenso der gesetzlichen Zielsetzung. Die Führung der Betreuung durch die Behörde selbst ist lediglich eine nachrangige Aufgabe. Die Zahl der Betreuungen durch Vereinsbetreuer ist in Bremerhaven erstaunlicherweise doppelt so hoch wie in Bremen, obwohl die Gesamtzahl der Betreuungen hier nur halb so groß ist wie in Bremen. Allerdings führt Bremerhaven auch, bezogen auf die gesamte Bevölkerung, deutlich mehr Betreuungen als Bremen durch.
Wir wollen, dass behinderte Menschen mit der notwendigen Unterstützung möglichst selbstbestimmt, und zwar außerhalb von Einrichtungen, leben können. Deshalb muss die Förderung der Kombination von Vereinsbetreuungen und die Übergabe an eh
renamtliche Betreuungspersonen stärker gefördert werden. Dazu bedarf es einerseits einer besseren Förderung der Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine, andererseits kann auch die Aufteilung der Zuständigkeit hier in der Stadt Bremen dafür verantwortlich sein. Einmal ist nämlich das Amt für Soziale Dienste als Betreuungsbehörde und für die Förderung der Betreuungsvereine und die Behördenbetreuung zuständig, die sind dort angesiedelt. Dagegen gehören zum Justizressort die Betreuungsgerichte und die Finanzierung – –.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident! Andererseits ist dieses Justizressort für die Betreuungsgerichte und Finanzierung der Berufsbetreuung zuständig. Diese Aufteilung scheint mir disfunktional, weil es in dieser Weise für das Justizressort sehr ungünstig ist, wenn Berufsbetreuungen durchgeführt werden, das aber gar nicht in ihrer Hand liegt. Ich denke, wir müssen darüber nachdenken, dass das in Zukunft anders wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem zweiten Bericht nach dem Behindertengleichstellungsgesetz und dem zweiten Bericht des Landesbehinderten––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
beauftragten wird eine eindrucksvolle Bilanz der Behindertenpolitik in Bremen durch diese rot-grüne Koalition vorgelegt.
Allein fünf zentrale Gesetzesvorhaben haben die Situation behinderter Menschen nachhaltig verbessert. Mit dem Schulgesetz – und Herr Dr. Steinbrück hat es ja schon ausführlich dargestellt – wurde die Inklusion behinderter Schülerinnen und Schüler eingeführt. Förderschulen sind nunmehr nur noch ein Auslaufmodell. Gemeinsamer Unterricht, die Zentren für unterstützende Pädagogik an den Regelschulen, der Rechtsanspruch auf sonderpädagogische Förderung, die Einrichtung von regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren für schwierige Schülerinnen und Schüler, die aber grundsätzlich an der Regelschule verbleiben, und die Aufnahme sogenannter geistig behinderter Schülerinnen und Schüler an Oberschulen sind Meilensteine in der Bildungspolitik, mit denen wir die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen.
Mit dem Wohn- und Betreuungsgesetz haben wir nicht mehr die Institution Heim, sondern das Ausmaß der Abhängigkeit als Auslöser des Schutzbedarfs in den Mittelpunkt gestellt, erstmalig neue Wohnformen wie betreute Wohngemeinschaften und die Kontrolle durch die Heimaufsicht einbezogen, die Heimträger verpflichtet, den Kontakt der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem gesellschaftlichen Umfeld zu verbessern, die Rechte der Heimbeiräte und Heimfürsprecher gestärkt, den Verbraucherschutz der Bewohnerinnen und Bewohner in den Mittelpunkt gestellt und für transparente Entscheidungen der Heimträger gesorgt.
Ferner haben wir mit der rechtlichen Verankerung des Behindertenbeauftragten im Behindertengleichstellungsgesetz seine Rolle festgeschrieben, seine Beteiligungsrechte gestärkt und die Zusammenarbeit mit Senat, den Behörden, Behindertenverbänden und gesellschaftlichen Gruppen erweitert. Mit der Ausweitung des Verbandsklagerechts auf die Barrierefreiheitsbestimmung in der Bremischen Landesbauordnung haben wir die Chancen zu deren Durchsetzung über die Verbände erhöht und die Barrierefreiheit, zum Beispiel von neuen Gaststätten, verankert.
Unterhalb dieser gesetzlichen Regelung haben wir die faktische Abschaffung des Sonderfahrdienstes für behinderte Menschen durch die Große Koalition rückgängig gemacht und die Richtlinien so verändert, dass jetzt mit einer Geldkarte im Taxi bezahlt, ein bedarfsgerechtes, individuelles, persönliches Budget eingerichtet werden kann und die Leistungen bei geringem Einkommen nicht wegfallen. Den Stadtführer behinderter Menschen haben wir weiterentwickelt, ein Seniorenmodul eingeführt, mit dem alte
behinderte Menschen ihre soziale Teilhabe selbst gestalten können. Ein Internetportal für barrierefreie Wohnungen wurde initiiert, die Frühförderung mit den Krankenkassen als Komplexleistung geregelt, die Einrichtung von interdisziplinären Frühförderzentren und zwei sozialpädiatrischen Zentren im Land Bremen vereinbart, die Richtlinie zur barrierefreien Gestaltung baulicher Anlagen geschaffen, erste Ansätze zur Beseitigung von Barrieren im öffentlichen Raum, hier am Domshof, in Angriff genommen und die Voraussetzung – und das möchte ich noch einmal besonders betonen, weil es leicht unter den Tisch fällt – für eine barrierefreie gynäkologische Ambulanz im Klinikum Mitte geschaffen. Hier ist mir bedeutsam, dass nicht nur behinderte Frauen jetzt eine bessere Möglichkeit haben, auch barrierefrei einen Frauenarzt aufzusuchen, sondern dass in das ganze Verfahren auch die Ärztinnen und Ärzte und die Betroffenen einbezogen wurden. Auch hier ist das Verfahren der Einbeziehung vorbildlich gewesen.
Es hat sicher keine Legislaturperiode gegeben, in der mehr und gravierendere Entscheidungen und Maßnahmen zur Umsetzung der Gleichstellung und gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen getroffen wurden. Dennoch sind wir keineswegs an einem befriedigenden Ende, an dem menschliche Abwertung, soziale Ausgrenzung, Benachteiligung behinderter Menschen der Vergangenheit angehören. Bei allen Maßnahmen, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen zu stärken wie das persönliche Budget, die persönliche Assistenz, Budget für Arbeit, Ambulantisierung der Wohnform und so weiter, gibt es sowohl bei der Verwaltung als auch bei den Angebotsträgern deutlichen Nachholbedarf.
Wir müssen verstärkt zu einem Beratungsprozess kommen, der auf gleicher Augenhöhe stattfindet. Es nützt nichts, wenn die Behindertenverbände bei der Planung eines Regio-S-Bahn-Systems zwar rechtzeitig beteiligt, ihre Vorschläge aber weggewischt werden. Es ist ärgerlich, wenn der Umzug eines Sozialamts in ein nicht barrierefreies Gebäude zwar als rechtswidrig erkannt wird, aber die erforderliche Erweiterung eines Aufzugs fast drei Jahre dauert. Es verwundert, wenn der Landesbehindertenbeauftragte bei wichtigen Bauvorhaben vergessen wird oder seine vorgeschriebene Beteiligung erst auf sein Drängen erfolgt.
Leider ist in dieser Legislaturperiode auch ein Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht zustande gekommen. Dies und die Überprüfung der Gesetze und der Regelungen und auch die Überprüfung der Verwaltungspraxis auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention werden wichtige Aufgaben der zukünftigen Legislaturperiode sein.
Wir haben ein furioses Tempo in der Behindertenpolitik, insbesondere in der Bildungspolitik bei der Einführung der Inklusion vorgelegt. Der Landesbehindertenbeauftragte hat die Diskussion in vielen Bereichen mit den Behindertenverbänden zusammen vorangetrieben. Ich danke ihm ausdrücklich für seine Arbeit im Namen meiner Fraktion!
Ich denke aber auch im Namen aller hier im Parlament, ich glaube, da gibt es Konsens.
Wir werden dieses Tempo auch in der nächsten Legislaturperiode beibehalten, ich hoffe, dass der fraktionsübergreifende Konsens auch weiterhin die gemeinsame Arbeit gegen Diskriminierung und gegen Barrieren und für eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen möglich machen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deutschen gelten gemeinhin als Streithansl. Beleidigungen, Nachbarschaftsstreitigkeiten, Bauprozesse, Ordnungswidrigkeiten oder Familienkonflikte führen zu streitigen Gerichtsverfahren, in denen sich beispielsweise bei Nachbarschaftsstreitigkeiten drei Berufsrichter mit der Belästigung durch einen Grill im Garten beschäftigen und Lösungen für die Häufigkeit der zu akzeptierenden Nutzung suchen.
Mehr zivilgesellschaftliche Konfliktlösungen zu suchen und auch jenseits des formalen Rechts die Befriedigung von Streitigkeiten zu erreichen, erscheint uns Grünen ein wichtiges Ziel in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei geht es nicht nur um Großkonflikte wie Stuttgart 21 oder eine weitere Landebahn am Frankfurter Flughafen. Gerade Alltagskonflikte nicht streitig zu entscheiden, sondern Lösungen zu finden, die eine weitere und langfristige Zusammenarbeit der Streitparteien ermöglichen, erscheint uns besser als ein abschließendes Urteil, das häufig nur eine Partei – und manchmal nicht einmal diese – zufriedenstellt.
Mit unserer Großen Anfrage haben wir die Position des Senats zu zwei Themen, erstens der gerichtlichen, gerichtsnahen und außergerichtlichen Mediation und zweitens der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung, erfragt. Ich möchte mich für die ausführliche Antwort des Senats bedanken.
Mediationsverfahren erlangen in der gerichtlichen und außergerichtlichen Praxis eine immer größere Bedeutung. Die Europäische Union hat für die grenzüberschreitende Mediation in Handelssachen eine Richtlinie erlassen, und der Bundestag hat sich mit einem Mediationsgesetz beschäftigt, das den Rahmen hierfür festlegt und die Ergebnisse der Mediationsverfahren in das Gerichtsverfahren einführt. In Bremen steht der Senat der gerichtlichen und
gerichtsnahen Mediation positiv gegenüber. Bereits 24 Richterinnen und Richter sind als Mediatoren ausgebildet, übrigens arbeiten doppelt so viele Mediatorinnen und Mediatoren an Fachgerichten wie an der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Allein am Landgericht wurden rund 100 Mediationen durchgeführt.
Wenn man weiß, dass in den arbeitsgerichtlichen Verfahren, zum Beispiel bei Kündigungsschutzprozessen, trotz obligatorischer Güteverhandlung häufig mit dem Arbeitsplatzverlust bei Zahlung einer Abfindung das Verfahren beendet wird, muss man fragen, ob nicht durch gerichtliche oder gerichtsnahe Mediation die weitere Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht werden kann. Aus der Antwort des Senats geht deutlich hervor, dass dieser Weg, nämlich die Ausweitung der Mediation auf die Fachgerichtsbarkeit, weitergegangen werden soll.
Die gerichtliche Mediation durch Richterinnen und Richter im gerichtlichen Verfahren soll verstärkt dazu genutzt werden, noch mehr einvernehmliche Konfliktlösungen zu ermöglichen. Aber auch die gerichtsnahe Mediation mit Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens zur Suche einer außergerichtlichen Konfliktlösung hat sich bewährt. Diese Verfahren üben zudem einen starken Einfluss darauf aus, ohne Gerichtsverfahren eine Konfliktlösung zu suchen, die außergerichtliche Mediation weiterzuentwickeln und mehr anzufordern. Die erfolgreiche gerichtliche Mediation fördert also die Bereitschaft zur außergerichtlichen Mediation.
Neben den Mediationsverfahren, deren stärkere Förderung sich auch der Senat auf die Fahnen geschrieben hat, ist uns als Grünen auch wichtig, die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, wie sie in Nordrhein-Westfalen mit Schiedsstellen und Schiedsleuten durchgeführt wird, hier zu fördern. Ich habe dort die Schiedspraxis in Nachbarschaftsangelegenheiten kennengelernt, zum Beispiel wurden über Grillaktivitäten streitende Nachbarn dazu verpflichtet, einmal jährlich ein Straßenfest durchzuführen. Dadurch sind sie Freunde geworden, und die Streitigkeiten sind beseitigt. Eine solche Lösung können Richterinnen und Richter, die an das Gesetz gebunden sind, überhaupt nicht finden. Mit solchen Konflikten, wie zum Beispiel Grillen und ähnlichen Nachbarschaftsstreitigkeiten, Gerichte zu beschäftigen, erscheint nicht zweckmäßig und eine Vergeudung knapper Ressourcen. Das Argument des Senats, dass sich diese außergerichtliche Streitschlichtung nur in wenigen Bereichen bewährt hat und die wenigen Nachbarschaftsstreitigkeiten ein solches System in einem Stadtstaat nicht lohnen würde – –.
Die gerichtlichen und außergerichtlichen Mediationsverfahren und die obligatorische Streitschlichtung stärker in der Gesellschaft zu verankern, das wäre unser Ziel, und ich denke, da müssen wir auch schauen, ob wir nicht in der nächsten Legislaturperiode dies weiter forcieren können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Winther, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in Nordrhein-Westfalen die Erfahrungen mit Schiedsämtern dahin gehen, dass es gerade eben keine kostenträchtige Lösung ist, sowohl für die Streitparteien eine sehr kostengünstige Lösung ist, zu Lösungen zu kommen, und außerdem auch diese Infrastruktur keine weiteren Kosten erzeugt, sondern die Gerichte entlastet und damit Kosten spart?
Herr Staatsrat, sind Ihnen die Bedenken bei der Berechnung des Regelsatzes der Verbände gegenüber der Verfassungsmäßigkeit bekannt?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der hier zur Abstimmung gestellte Antrag der LINKEN ist in seinem zweiten Teil, auf einen armutsfesten und bedarfsgerechten Regelsatz hinzuwirken, überflüssig. Die Bürgerschaft hat bereits auf Initiative der Grünen hin im Dezember des letzen Jahres Entsprechendes gefordert, und der Senat ist, wie Sie sicher auch den Zeitungen entnehmen konnten, stets in diese Richtung aktiv geworden und hat hier darauf gedrängt, dass ein bedarfsgerechter Regelsatz auch erreicht wird. Unsere Finanzsenatorin hat, anders als es üblicherweise von Finanzministern üblich ist, wie eine Löwin dafür gekämpft, dass in den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses ein bedarfsgerechter Regelsatz erreicht wird. Es ist also überflüssig, hier noch einmal den Senat dazu aufzufordern.
Nun zum ersten Teil Ihres Antrags: Der in der Nacht zum Sonntag gefundene und gestern festgeklopfte Kompromiss zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung, den Regelsatz rückwirkend ab 1. Januar um fünf Euro und um drei Euro im nächsten Jahr zu erhöhen, ist nach Auffassung der Grünen, wie Sie auch der heutigen Meldung im „WeserKurier“ entnehmen können, völlig unzureichend. Die Regelsatzberechnung der Bundesregierung und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
damit ihre Berechnungstricks halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Grünen sind daher am Sonntagabend aus den Verhandlungen ausgestiegen, weil sie nicht noch einmal für einen offensichtlich verfassungswidrigen Regelsatz verantwortlich sein wollen.
Sonst hätte das Bundesverfassungsgericht ja nicht diese Vorgaben gemacht!
An dieser Haltung wird sich auch nichts ändern, bis das Bundesverfassungsgericht erneut die Berechnung überprüft, und davon gehen wir aus. Weil wir das Ergebnis der Verhandlungen in der Koalition an diesem Punkt allerdings etwas unterschiedlich beurteilen, werden wir uns als Bundesland Bremen im Bundesrat der Stimme enthalten. Im Übrigen, auch Herr Bürgermeister Böhrnsen und Herr Gabriel, aber auch Frau Schwesig als Verhandlungsführerin haben Zweifel an der Berechnung des Regelsatzes geäußert. Dem CDU-Antrag, mit dem der Senat zur Zustimmung verpflichtet werden soll, also jetzt dem Änderungsantrag, können wir daher nicht zustimmen.
Der von der LINKEN geforderte Regelsatz von 420 Euro für alle Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherungsleistungen für alte und erwerbsgeminderte Menschen kommt in seiner Höhe dem nahe, was sich ergibt, wenn man die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts für die Berechnung berücksichtigt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat das ja modellhaft dargelegt, wir haben dies daher auch als Forderung in unser Wahlprogramm geschrieben. Wir Grüne haben diese Forderung auf Bundesebene in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss aber nicht durchsetzen können, das ist nun einmal die klare Wahrheit.
Als klar wurde, dass CDU und FDP absolut nicht bereit sind, eine verfassungskonforme Regelung anzustreben, und weil sie weitgehend an ihrer vorliegenden Berechnung festhalten, die weder transparent, noch nachvollziehbar und schon gar nicht bedarfsgerecht ist, sind wir Grüne aus den Verhandlungen ausgestiegen. Auf Bundesebene ist also das Ziel verfehlt worden. Nun schlagen Sie vor, dass wir auf Landesebene einen solchen Regelsatz verankern.
Sie haben mich richtig verstanden, dass der Regelsatz, wie er von der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten ausgehandelt worden ist, nach unserer Auffassung verfassungswidrig ist. Das haben Sie richtig verstanden. Der Kompromiss umfasst ja mehrere Teile, und in Abwägung der verschiedenen Anteile dieses Kompromisses ist die SPD zu einem anderen Ergebnis gekommen als wir als Koalitionspartner. Solche Fälle haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sich das Land Bremen enthält.
Ich bin der Auffassung, dass die Bundesregierung, die durchaus von Juristen durchsetzt ist, einer verfassungswidrigen Lösung zugestimmt und uns aufgenötigt hat. Das ist das Problem!
Nein! Die Situation ist doch folgende: Die Bundesregierung war nicht in der Lage, eine saubere Berechnung des Regelsatzes vorzulegen. Das ist doch das Problem! Dann hat es im Vermittlungsausschuss wirklich alle Bemühungen gegeben, die Bundesregierung von dieser Position abzubringen, aber es ist nicht erfolgreich gewesen, das muss man so schlicht
sagen, und dann muss man auch den Misserfolg anerkennen. Ich glaube in der Tat, dass dieser Regelsatz beim Bundesverfassungsgericht landen wird. Das Landessozialgericht Hessen hat bereits Anstalten vorbereitet, einen Vorlagebeschluss beim Bundesverfassungsgericht zu machen, und ich sehe dem Ergebnis mit Spannung entgegen. Also, noch einmal zurück!
DIE LINKE erwartet von uns, dass wir hier in Bremen für das Land Bremen und ausschließlich für die Alten und Erwerbsgeminderten einen Regelsatz von 420 Euro festlegen. Das Recht haben wir. Es wäre richtig, diesen Regelsatz zu nehmen, aber es macht keinen Sinn, diesen ausgewählten Personenkreis, der nicht einmal 10 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherungsleistung umfasst, hier um 50 Euro besserzustellen als die Übrigen. Das geht schlicht nicht. Das ist politisch naiv, oder es ist populistisch. Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP-Anträge zur Streichung von Altersgrenzen in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen sollen einerseits Altersdiskriminierung vermeiden, andererseits den Zugang zu beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten erleichtern. Diese Ziele erfüllen der Gesetzentwurf und der Antrag der FDP gerade nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat hat aufgrund des Beschlusses der Bremischen Bürger––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
schaft vom 17. Dezember 2009 geprüft, welche Möglichkeiten bestehen, noch mehr behinderte Menschen durch Maßnahmen über das Budget für arbeitsunterstützende Beschäftigung oder das Jobbudget in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Ergebnis dieser Prüfung liegt jetzt als Mitteilung des Senats vor. Noch einmal zum Hintergrund: Bundesweit arbeiten über 260 000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen, im Land Bremen sind es über 2 000 behinderte Menschen, weil man der Auffassung ist, dass sie nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in der Lage sind, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Anforderungen zu erfüllen. In diesen Werkstätten sollen sie gefördert und unterstützt werden, ihre Arbeitsfähigkeit zu entwickeln und sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Leider liegen die Übergangsquoten von Werkstätten für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich unter einem Prozent, sodass die Rehabilitationsfunktion der Werkstätten für behinderte Menschen infrage steht. Faktisch sind die Werkstätten für behinderte Menschen zu einem dritten Arbeitsmarkt geworden, und das meine ich sehr wohl auch als analytische Kategorie, weil eben viele Rechte, die in dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt noch zur Verfügung stehen, hier nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel eine angemessene Entlohnung. Insofern ist es ein dritter Arbeitsmarkt. Faktisch ist die Werkstatt für behinderte Menschen zu diesem dritten Arbeitsmarkt geworden, der keine den Lebensunterhalt deckende Entlohnung ermöglicht und auch keine arbeitsrechtlichen Sicherungen beinhaltet. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die Staaten auf, behinderten Menschen einen besseren Zugang zu dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Angesichts dieser Situation wurden von Behindertenverbänden, Elternorganisationen, Ländern und dem Bund zahlreiche Konzepte entwickelt, neben der Werkstatt für behinderte Menschen, der ich die Existenzberechtigung in keiner Weise absprechen möchte, auch einen besseren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen. Im Sozialgesetzbuch IX wurde nach langen Diskussionen die Vorschrift über unterstützte Beschäftigung aufgenommen, ein Kapital über Integrationsprojekte eingefügt und das Modellprojekt Jobbudget von der Bundesregierung initiiert, mit dem Module entwickelt werden sollen, die Unterstützung behinderter Menschen beim Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt leisten. Dieses Modellprojekt ist in Bremen von dem Integrationsfachdienst und der Werkstatt Bremen aufgegriffen worden, und sie beteiligen sich daran. Neun Personen werden so regelmäßig dabei unterstützt, diesen Sprung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Beim Budget für Arbeit war Rheinland-Pfalz Vorreiter und hat einfach die Sozialleistungen für diese Menschen in einem Arbeitgeberzuschuss gebündelt,
sodass dann solche Arbeitgeber auch bei leistungsgeminderten Beschäftigten einen normalen tarifvertraglichen Lohn zahlen konnten. Circa 2 000 Menschen sind dort in den Genuss dieser Leistung gekommen. Niedersachsen ist dann diesem Beispiel gefolgt, da sind es noch ganz wenige, mit einem etwas veränderten Modell, aber auch Niedersachsen geht diesen Weg. Der Senat kann sich aus rechtlichen Gründen nicht entschließen, diesem Beispiel zu folgen, wie wir der Mitteilung des Senats entnehmen können.
Entscheidend ist aber die Frage der Höhe der Erwerbsfähigkeit. Leuten in der Werkstatt wird grundsätzlich unterstellt, dass sie nicht erwerbsfähig seien, sondern voll erwerbsgemindert, obwohl sie als Beschäftigte sechs Stunden arbeiten, häufig mehr als sechs Stunden arbeiten, es wird aber gesagt, nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Das könnte man hier gerade mit dem Jobbudget ausgleichen. Allerdings will der Senat das Modellprojekt Jobbudget weiterführen und ausweiten. Bei der unterstützenden Beschäftigung sieht er die vorrangige Verantwortung bei der Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträger und möchte dort mit einem eigenen Programm nicht tätig werden.
Allerdings zeigt sich der Senat offen für Überlegungen, noch schulpflichtige behinderte Menschen auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in Integrationsbetrieben vorzubereiten. Wir werden mit ihm und möglichen Trägern eines solchen Modellvorhabens überlegen, wie ein solches Programm ausgestaltet werden kann und welchen Beitrag dies für die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt leisten kann. Aus der Diskussion hat sich eine große Übereinstimmung mit dem Senat ergeben, künftig Integrationsbetriebe und Integrationsabteilungen auch in enger Kooperation mit und innerhalb der Werkstatt Bremen zu initiieren. Solche Betriebe bieten sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für maximal ein Viertel der Belegschaft, also für Betriebe, von denen ein Viertel der Belegschaft behindert sein kann oder soll. Dafür werden sie öffentlich gefördert. Diese Möglichkeit wäre ein wirklich gutes Bindeglied zwischen der Werkstatt für behinderte Menschen und dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Daneben müssen behinderte Menschen auch in die allgemeinen Arbeitsmarktprogramme einbezogen werden, was insbesondere auch auf Initiative meiner Fraktionskollegin Frau Schön programmatisch hier in Bremen umgesetzt wird. Alternativen der Beschäftigung behinderter Menschen neben der Werkstatt für behinderte Menschen zu entwickeln, ist die Anforderung nicht nur der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch unseres auf berufliche Teilhabe und Inklusion ausgerichteten Sozialgesetzbuchs IX, das die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben als einen der Schwerpunkte hat. Ich bin sicher, dass wir mit unserem Antrag einen
wichtigen Aufschlag gemacht haben, den wir in der nächsten Legislaturperiode noch weiterentwickeln und verstärken werden. Daher bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aus dieser sehr interessanten Antwort des Senats zu unserer Großen Anfrage, für die ich mich sehr bedanke, geht hervor, dass die verschiedenen Formen und Facetten von Gewalt in der Pflege eine große und wachsende Bedeutung haben, aber sich bisher wenig davon im Hellfeld der Gesellschaft befindet, sondern ganz viel im Dunkelfeld liegt, und wenig über den Umfang und die Bedeutung der Gewalt in der Pflege bekannt ist.
Wichtig ist, dass nicht nur die direkte körperliche Misshandlung, sondern auch die Vernachlässigung, die Freiheitseinschränkung, der Psychoterror und die Herabwürdigung gewaltsame Formen des Umgangs mit pflegebedürftigen Menschen sind. Hierzu hat die Antwort des Senats ja einiges ausgeführt, und ich fand das sehr erhellend. Daneben darf auch die Gewalt durch pflegebedürftige, psychisch veränderte und demente Menschen und die wechselseitige Spirale von Helfenden und Pflegebetroffenen nicht vergessen werden. Dass dies ein Problem ist, haben viele erkannt und Fragen der Überforderung und Überbelastung thematisiert.
Auch wenn die Zahl der bekannt gewordenen Misshandlungen in der Pflege nicht getrennt erfasst wird und nur die Zahlen zu Straftaten gegen Schutzbefohlene vorhanden sind, wird deutlich, dass es insbesondere in der Familie eine recht hohe Dunkelziffer geben muss, die nur selten, weil sie im Dun
kelfeld liegt, strafrechtlich thematisiert wird. Auch bei der Heimaufsicht sollte erwogen werden, diese Fälle eigenständig zu erfassen und zu dokumentieren, sodass besser präventiv auf entstehende Probleme eingegangen werden kann.
Der Senat hat mitgeteilt, dass dieses Thema Gegenstand der Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2009 war und dort erwogen wurde und man sich dazu auch entschieden hat, den Schutz pflegebedürftiger Menschen zu verbessern und effektiver auszugestalten. Wir wünschen uns vom Senat, dass eine bessere und differenzierte Erfassung und Berichterstattung die Dimension der Gewalt in der Pflege besser beleuchten kann und dadurch effektivere Maßnahmen zum Schutz entwickelt werden können. Insbesondere in der häuslichen Umgebung mit einer Pflege durch Angehörige muss abgewogen werden, ob eine Ausweitung von Kontrollbefugnissen nicht zu weit in die Privatsphäre eingreift. Hier das richtige Maß zu finden, bedarf einer besseren Kenntnis von Dimension und Formen alltäglicher Gewalt.
Mit dem neuen Wohn- und Betreuungsgesetz haben wir für die stationären und auch verwandte Wohnmöglichkeiten, zum Beispiel die vom Träger gestützte Wohngemeinschaft, ein Instrument entwickelt, mit dem wir künftig noch genauer auf eine menschenwürdige Pflege achten können. Wichtig ist, dass dies auch in den Bereich ambulante und selbstorganisierte Pflegeverhältnisse mit dem nötigen Fingerspitzengefühl hineingetragen wird.
In diesem Sinne ist für uns die Große Anfrage ein erster Aufschlag, mit dem wir dem Problem zu Leibe rücken wollen. Für die Zukunft müssen wir noch an Konzepten arbeiten, um die Transparenz in diesem Bereich zu erhöhen und, wenn nötig, dann auch eingreifen zu können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich für die Beiträge von Herrn Bensch und Herrn Erlanson bedanken. Zu dem Beitrag von Herrn Dr. Möllenstädt, aber auch von Frau Arnold-Cramer habe ich einen gewissen Dissens, und zwar ist es so, dass auch in stationären Einrichtungen einfach durch die Struktur der Einrichtungen, durch den Dienstplan Gewalt erzeugt werden kann. Die Verabschiedung von dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ kann ich mir so nicht vorstellen. Ich kann es mir nur im Rahmen eines umfassenden Wahlrechts vorstellen. Um da bei Herrn Erlanson noch einmal anzuknüp
fen: Wenn Menschen möglichst viel Selbstbestimmung haben, ist das der beste Schutz vor Gewalt in der Pflege. Das heißt, Gewalt in der Pflege wird immer auch aus Abhängigkeitssituationen erzeugt.
Wenn wir es schaffen, Menschen, die auf Hilfeleistung angewiesen sind, so zu stellen und so den Prozess zu organisieren, dass sie ihre Hilfen möglichst weitgehend selbst bestimmen können und darüber verfügen können, haben wir die beste Prävention für Gewalt in der Pflege. Daher gibt es schon einen strukturellen Unterschied zwischen stationären Einrichtungen und ambulanter Pflege. Deswegen haben wir auch das Wohn- und Betreuungsgesetz geschaffen, das genau diesen Aspekt aufnimmt und dort auch verstärkt schauen will. Ich glaube, dass man die Situation in Einrichtungen verkennt, wenn man sagt, dass da schon alles enttabuisiert ist. Ich kenne viele Einrichtungen, in denen sehr wohl auch noch Gewalt passiert, trotz guter Heimaufsicht und trotz des Versuchs, dort mehr Licht und auch mehr Transparenz zu schaffen. – Danke schön!
Frau Bürgermeisterin, wir haben beim Fachgerichtszentrum auch das Problem von Brandschutztüren gehabt, und da ist die Lösung gewählt worden, dass sie grundsätzlich offen stehen und im Brandfall dann automatisch zugehen. Handelt es sich um solche Probleme?
Würde es sich bei den Türen, die nur mit einer Identifikation geöffnet werden können, anbieten, das elektrisch zu machen?
Herr Senator, wie mir die Behindertenverbände berichtet haben, ist auch gegen die Nichtvorlage eines Programms zur Herstellung der Barrierefreiheit Widerspruch beim Eisenbahnbundesamt eingelegt worden. Wie beurteilen Sie das? Sie haben die Rechtsnorm vorhin vorgelesen, da gibt es keine Dispensmöglichkeit in der Rechtsnorm. Wie beurteilen Sie, dass das Eisenbahnbundesamt dennoch solche Dispense erteilt?
Bei der Einführung dieser Vorschrift mit dem Behindertengleichstellungsgesetz 2001 war gerade das Zusammenspiel von Infrastruktur, Betriebsprogramm und den Fahrzeugen in den Blick genommen worden. Dadurch sollte insgesamt Barrierefreiheit hergestellt werden. Wie beurteilen Sie die Aussage, wenn die NordWestBahn sagt, sie ist für die Infrastruktur nicht zuständig, dass sie dann einen Dispens haben will? Damit wäre doch der Sinn dieser Vorschrift ad absurdum geführt!
Herr Senator, war Teil der vertraglichen Regelung mit der NordWestBahn auch die Herstellung von barrierefreien Haltepunkten und Bahnhöfen?
Herr Senator, sind Sie mit mir einer Meinung, dass es für die Nutzerinnen und Nutzer ganz wichtig ist zu wissen, welche Bahnhöfe barrierefrei sind? In dieser Vorschrift, die Sie zitiert haben, soll mit dem Betriebsprogramm auch deutlich gemacht werden, welche Bahnhöfe unter welchen Bedingungen zugänglich sind. Allein deswegen würde sich die Vorlage dieser Information zumindest an die Behindertenverbände und die Absprache mit diesen, wie es das Gesetz vorsieht, als notwendig ergeben.
Herr Senator, Sie haben vorhin geschildert, wie intensiv diese Bahn genutzt wird und wie attraktiv sie damit auch ist. Halten Sie es für angemessen, dass behinderte Menschen, um zu dem Platz, der für sie vorgesehen ist, zu kommen, neun Leute bitten müssen, aufzustehen und den Platz zu räumen, damit sie den Gang benutzen können?
Herr Senator, für den Bereich der Haltestange gibt es in den technischen Spezifikationen die Vorschrift, dass vor den Plätzen genügend Drehmöglichkeiten – es wird von 1,70 Metern gesprochen, 1,50 Meter plus 20 Zentimeter – sein müssen. Das ist wegen der Haltestangen nicht mehr gegeben. Wir haben also einen objektiven Widerspruch in den Normen, die zugrunde gelegt worden sind. Können Sie sich vorstellen, dass Lösungen angestrebt werden, wie sie auch in Bussen existieren, dass man an der Decke und an der Seite Haltemöglichkeiten schafft, um auch für die stehenden Passagiere eine entsprechende Sicherung zu schaffen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte aus der Sicht unserer Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, gern noch einmal den Gesetzentwurf und unsere Zustimmung begründen. Wenn ein kleines Kind stirbt, ist das für die Eltern ein traumatisches Erlebnis, das sie in einen Ausnahmezustand versetzt, in dem sie nur schwer wichtige Entscheidungen treffen können. Ist die Ursache des Kindstods ungeklärt, wird heute von ihnen erwartet, dass sie ihre Einwilligung in eine Obduktion geben, um der Ursache auf den Grund gehen zu können. Noch dramatischer ist die Situation der Eltern, wenn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, bei dem der Verdacht im Raum steht, die Eltern hätten den Tod des Kindes vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt.
Neben der Trauer müssen sich die Eltern dann einerseits mit dem Verdacht auseinandersetzen, Schuld an dem Tod ihres Kindes zu sein. Andererseits kann zum Beispiel ein Schütteltrauma, das zu einer Hirnblutung führt, nur durch eine Obduktion erkannt werden. Auch zur Feststellung ärztlicher Behandlungsfehler ist eine Leichenöffnung häufig erforderlich. Von den Eltern in dieser Ausnahmesituation eine Einwilligung in die Obduktion abzufordern, ist eine nahezu unmenschliche Überforderung.
Im Übrigen berichtete der Rechtsmediziner Dr. Sperhake in der Anhörung des Rechtsausschusses von einer Untersuchung, die Eltern befragte, deren
Kinder wegen eines ungeklärten Kindstods obduziert wurden, dass die durch die Obduktion erfolgte Klärung der Todesursache im Nachhinein von diesen als Trauerhilfe, also positiv von den Eltern erfahren wurde. Damit wurde in der Anhörung deutlich, dass die große Mehrheit der professionell und mit dem plötzlichen Tod von Kindern befassten Mediziner, Seelsorger und Kriminologen aus ihrer Erfahrung eine verpflichtende, verdachtsunabhängige Obduktion als Entlastung der Eltern, aber auch als Entlastung der Ärzte, die vor Ort den Todesschein ausfüllen müssen, begreifen. Wie Prof. Huppertz von der Bremer Kinderklinik in der Anhörung überzeugend darlegte, dient die Obduktion auch zur Überprüfung der vorher angewandten Therapie und könnte wichtige Ergebnisse auch über Veranlagungen der Geschwisterkinder erbringen und so ihrem gesundheitlichen Schutz dienen.
Zudem sei es schwierig, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient mit dem impliziten Verdacht gegen die Eltern durch die Angabe „ungeklärter Kindstod“ zu bescheinigen, obwohl die Ursachen des Todes nicht wirklich geklärt seien. Dadurch werden nach Aussage des Kriminologen Dr. Egg viele Tötungsdelikte nicht aufgedeckt. Kinder sind doppelt so häufig wie ältere Personen von Tötungsdelikten betroffen, wie Frau Winther schon angeführt hat. Mit der nun im Leichengesetz zu verankernden verdachtsunabhängigen Obduktionspflicht werden die Eltern von der notwendigen Einwilligung entlastet und das Aufklärungsinteresse gleichermaßen befriedigt. Es bedarf nicht mehr eines hinreichenden Tatverdachts für das Einschreiten der Staatsanwaltschaft, um die Leichenöffnung vorzunehmen, ohne Eltern mit einem solchen Verdacht zu überziehen. Durch das Einschalten der Staatsanwaltschaft kann nun quasi als Regelfall der Tod des Kindes geklärt werden.
Die Eltern können innerhalb von 24 Stunden gegen eine solche Entscheidung Widerspruch einlegen, sodass auch ihre Rechte angemessen gewahrt sind. Die Bedenken des Vereins Verwaiste Eltern und Geschwister bezogen sich neben einer grundsätzlichen Ablehnung der verdachtsunabhängigen Obduktionspflicht vor allem auf das Verfahren der Beschlagnahmung der Leiche, den Umgang mit dem toten Kind und der Trauer der Eltern. Der Rechtsausschuss schlägt daher eine Richtlinie für solche Situationen vor, es wurde soeben auch von Frau Winther dargestellt, das ist auch Teil der Empfehlung des Rechtsausschusses.
Andere Kinderschutzorganisationen wie die Kinderhilfe befürworten das Gesetzgebungsvorhaben. Der Kinderschutzbund hielt dagegen die jetzige Rechtslage für ausreichend. Die Anhörung hat nach Auffassung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine wichtige Klärung erbracht. Die eindrucksvollen Beiträge der Sachverständigen in der Anhörung haben die Bedenken gegen die Neuregelung ausgeräumt
und seine Vorteile deutlich gemacht. Zusammen mit der geforderten Richtlinie kann mit der verdachtsunabhängigen Obduktionspflicht bei ungeklärtem Kindstod sowohl dem Aufklärungsbedürfnis als auch den Interessen der Eltern angemessen Rechnung getragen werden. Auch verfassungsrechtliche Bedenken wurden vollständig ausgeräumt. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und dem Antrag des Rechtsausschusses, den Senat aufzufordern, eine solche Richtlinie auszuarbeiten. Ich denke, dass wir mit diesem Änderungsgesetz hier einen wichtigen Schritt vorangekommen sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Staatsrat, ist denn mittlerweile klar, dass die Gesetzgebungskompetenz für diese Frage beim Bund liegt, oder könnte es auch sein, dass es sich um eine unterbringungsrechtliche Frage handelt, die auch nach dem Landesgesetz geregelt werden könnte?
Herr Staatsrat, gibt es Überlegungen, für die weiteren Fälle auch
eine weitere gesetzliche Regelung zu schaffen, und unterläge diese dann weiterhin der Bundeskompetenz, oder würden sich da die Zweifel noch stärker stellen, dass das eine Bundesangelegenheit ist?
Frau Senatorin, sind Sie mit mir der Auffassung, dass eine bestimmte quantitative Vorgabe für Sanktionen gegen die Pflicht zur Einzelfallprüfung verstoßen würde und damit rechtlich unzulässig wäre?
Können Sie sich vorstellen, dass ein solches rechtswidriges Verhalten Gegenstand der Geschäftspolitik sein kann?
Gehen Sie davon aus, dass die recht zahlreiche Rechtsprechung zu den Sanktionen sowohl des Bundessozialgerichts als auch der Untergerichte bei einer möglichen Neugestaltung auf Veranlassung der Länder berücksichtigt wird? Sind Sie der Auffassung, dass die Rechtsprechung bei einer Neugestaltung berücksichtigt werden sollte? Vielleicht kann ich es so einfacher sagen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag mit einem Zitat beginnen: „Zur Ermittlung des Anspruchsumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.“ So das Bundesverfassungsgericht im Tenor seines Urteil vom 9. Februar 2010! Das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe erfüllt keine dieser Anforderungen. Die Berechnung ist weder transparent noch sachgerecht. Sie ist erst recht nicht realitätsgerecht und kann auf der Grundlage verlässlicher Zahlen nicht nachvollzogen werden. Die Berechnung ist schon gar nicht schlüssig.
Konkret: Es ist bei den Kinderregelsätzen nicht erkennbar, wie und in welcher Höhe die einzelnen Bedarfe für Verbrauchsausgaben, die bei der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von weniger als 25 Haushalten ermittelt wurden, eingerechnet wurden. Es ist nicht sachgerecht, dass bei der Einkommensund Verbrauchsstichprobe nicht mehr von 20 Prozent der unteren Einkommen, sondern nur noch von 15 Prozent ausgegangen wird. Es ist nicht realitätsgerecht, wenn Wein, Bier und Zigaretten aber auch Restaurantbesuche, Schnittblumen, Fahrzeugkosten und so weiter aus den Regelsätzen herausgerechnet werden. Es sind keine verlässlichen Zahlen, wenn die Ausgaben von weniger als 100 Haushalten und teilweise sogar von weniger als 25 Haushalten für die Berechnung zugrunde gelegt werden.
Die Berechnung ist das Gegenteil von schlüssig, wenn das Ergebnis – nämlich die Fünf-Euro-Erhöhung – vorgegeben und die Berechnung danach getrickst worden ist. Es ist ein Skandal, wenn mit dem Gesetz gleichzeitig die Höhe des Regelsatzes für alte und behinderte Menschen, die im Haushalt anderer leben, die sogenannte Regelsatzstufe drei, auf 80 Prozent abgesenkt wird. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 19. Mai 2009 festgestellt, dass eine solche Absenkung rechtswidrig ist, weil nicht erkennbar sei, worin das Haushaltsersparnis liegen soll, und hierfür keinerlei empirische Grundlage existiert. Es hat daher die Kürzung als rechtswidrig aufgehoben.
Die Bundesregierung führt sie nun per Gesetz ein. Das Bundesverfassungsgericht hat aber für die Bedarfsgemeinschaften einen empirischen Nachweis gefordert. Der kann zum Beispiel bei der Einkommensund Verbrauchsstichprobe durch den Vergleich von
Ein- und Mehrpersonenhaushalten erbracht werden. Ein solcher Vergleich wurde hier weder angestellt, noch ist er möglich. Außerdem wird selbst bei den Bedarfsgemeinschaften die Regelleistung nur um zehn Prozent, nicht aber um 20 Prozent, abgesenkt. Mit dieser verfassungswidrigen Regelung und der offensichtlich verfassungswidrigen Bemessung der Regelleistung ignoriert die Bundesregierung kaltschnäuzig alle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Sie nimmt in Kauf, dass zum Beginn dieses Jahres, also in gut drei Wochen, keine gesetzliche Grundlage für die Leistungen existiert. Davon sind circa 100 000 Bremerinnen und Bremer betroffen. Ein solches Verhalten ist verantwortungslos.
Wenn nur zehn Prozent der Berechtigten klagen, denn ihre Erfolgschancen schätze ich auf 100 Prozent ein, und die Hälfte per einstweiligem Rechtsschutz ihren Anspruch durchsetzt, sind das 20 000 Gerichtsverfahren, also das Fünffache des heutigen Klageeingangs bei den Sozialgerichten. Wenn jedes Verfahren mit mindestens 500 Euro beziffert wird, entstehen – noch knapp geschätzt – Bremen Gerichtskosten von zehn Millionen Euro. Damit könnten allen Berechtigten 100 Euro ausgezahlt werden, die diese besser gebrauchen könnten als die Rechtsanwälte, die bereits Massenklagen vorbereiten.
Es ist unverantwortlich, dass eine Bundesregierung unser Grundgesetz und die Auslegung unseres höchsten Gerichts so eindeutig verletzt.
Die Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen haben zusammen mit Bremen einen gemeinsamen Antrag in den Bundesrat eingebracht, um dieses unverantwortliche Vorgehen zu stoppen. Eine Entscheidung im Vermittlungsausschuss ist aber nicht mehr vor Jahresende zu erwarten. Damit hat die Bundesregierung ein Chaos angerichtet, dass ohne Vorläufer ist. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat ausgerechnet, dass bei einer Berücksichtigung der unteren 20 Prozent der Einkommensbeziehenden statt 15 Prozent ein Regelsatz von über 380 Euro und bei einer Einbeziehung der willkürlich herausgerechneten Verbrauchsausgaben ein Regelsatz von über 420 Euro herauskommt.
Wir wollen, dass der Senat mit diesen Verhandlungspositionen in den Bundesrat geht und versucht, die Bundesregierung wenigstens teilweise zum Einlenken zu bewegen. Dabei soll sie auch versuchen, die Streichung der Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld auf die Grundsicherung für Arbeitslose, also Arbeitslosengeld II, zu verhindern. Wenn die Bundesregierung die Kosten für ein Auto oder ein Motorrad aus dem Regelsatz herausrechnet, müss
ten wenigstens die Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr in tatsächlicher Höhe berücksichtigt werden. Für Bremen würde das bedeuten, dass die Kosten für das Stadtticket als einmalige Leistung in der tatsächlichen Höhe getragen werden müssten. Auch diese Position soll wie ein transparentes und unbürokratisches Bildungspaket und die Verankerung eines gesetzlichen Mindestlohns in die Verhandlungen eingehen.
Mit unserem Antrag wollen wir dem Senat für die Verhandlungen im Bundesrat Schützenhilfe geben und deutlich machen, dass das Parlament hinter diesen Forderungen steht. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag möglichst geschlossen zuzustimmen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bensch, ich finde das ja spannend, dass Sie, indem Sie mich der Lüge bezichtigen, auch Ihre eigene Ministerin der Lüge bezichtigen. Das, was ich vorgetragen habe, steht auf der Internetseite des Bundesarbeitsministeriums, dass die Kinderregelsätze vorläufig nicht abgesenkt werden. Sie können es nachlesen, wenn Sie ein bisschen googlen. Ich finde das ganz spannend, dass Sie dann sagen, Frau von der Leyen lügt auch, oder ich lüge, weil ich das wiederhole, was Frau von der Leyen sagt. Das finde ich beachtlich.
Das Zweite, was ich von Ihnen gelernt habe, ist, dass es nicht darauf ankommt, eine Mindestsicherung zu schaffen, das heißt also, die Menschrechte zu wahren und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, sondern Sie richten sich nach irgendwelchen dubiosen Umfragen. Sie meinen also, wenn 75 Prozent der Bevölkerung sich gegen eine solche Reform aussprechen, dann müssten Sie das auch machen, und das Bundesverfassungsgericht, das einen Mindeststandard setzt, hat überhaupt keine Bedeutung! Ich kann Ihnen nur sagen, wir sind dafür, dass anständig mit den Leuten umgegangen wird, und das machen Sie gerade nicht. Sie machen es nicht, Sie verletzen die Verfassung.
Dann mit Schonvermögen zu kommen! Die meisten Hartz-IV-Empfänger haben überhaupt kein Vermögen, das sie dann als Schonvermögen einsetzen könnten. Das ist doch absurd, was Sie da erzählen!
Sie haben sich ferner darauf bezogen, dass Men
schen in der zweiten und dritten Generation von Sozialhilfeleistungen abhängig sind.
Ja, das ist schwierig! Aber wie kann man das aufbrechen? Das kann man doch nur dadurch aufbrechen, dass man eine Infrastruktur schafft, die gleiche Chancen eröffnet, Bildungsmöglichkeiten schafft und den Leuten auch Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Nur so kann man das durchbrechen. Genau das tun wir hier in Bremen!
Zu Ihnen, Herr Dr. Buhlert! Sie haben gesagt, es gibt eine Gerechtigkeitsdebatte, und was gerecht ist, das ist so ein bisschen beliebig. Ich weiß nicht, ob sie John Rawls kennen, der sich sehr intensiv als Philosoph mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit auseinandergesetzt hat. Es gibt aber auch noch einen anderen Philosophen, nämlich den Avishai Margalit, ein israelischer Philosoph, und der hat gesagt: Unterhalb der Gerechtigkeit muss es noch eine Grenze geben, wo man jemanden nicht demütigt. Das ist das Minimum, was man von einer Gesellschaft verlangen kann.
Das ist das, was er als Anständigkeit bezeichnet. In diesem Sinne ist dieser Gesetzentwurf unanständig!
Ein Letztes noch zu der Frage, wie sich Rot-Grün im Bundesrat verhält! Es ist nicht wahr, Herr Erlanson, dass die saarländischen Grünen, die dort an der Regierung beteiligt sind, bereit wären, irgendwelche Kompromisse einzugehen und das Gesetzespaket so passieren zu lassen. Die saarländischen Grünen werden, wie überall da, wo Grüne sich an der Regierung beteiligen, dieses Gesetzespaket im Bundesrat ablehnen. Das wissen wir definitiv, und alles andere ist unwahr.
Außerdem haben Sie noch gesagt – das betrifft Herrn Dr. Buhlert –, dass wir mit diesem Antrag von den Bremer Problemen ablenken. Das habe ich mir aufgeschrieben. Das finde ich spannend. Die Tatsache, dass der Regelsatz so niedrig festgesetzt wird,
hat unmittelbare Auswirkungen auf Bremer Probleme. Wir bezahlen für einen großen Teil von Leuten, die mit ihrem Geld, das sie verdienen, aber nicht leben können, die Aufstockung, weil die Regelsätze zu niedrig sind. Wenn die Regelsätze wesentlich höher wären, bräuchten wir für einen erheblichen Teil nicht zusätzliche Leistungen aus dem Bremer Haushalt zu erbringen. Deswegen sind wir massiv von dieser Regelsatzerhöhung betroffen.
Zu guter Letzt: Ich denke, wer dieses Gesetzespaket durchsetzen will und so im Bundesrat durchzieht, der erfüllt im Grunde genommen nicht mehr den Anspruch, eine anständige Politik zu machen! – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozialhaushalt ist wesentlich geprägt durch die steigenden Sozialleistungen, die unter anderem auch durch die Kürzungen des Bundes beim Wohngeld verursacht sind. Nachdem bereits beim Nachtragshaushalt mehr als 50 Millionen Euro zusätzlich für die gestiegenen Sozialleistungen eingestellt werden mussten, ergibt sich für 2011 ein Basiseffekt von fast 57 Millionen Euro. Dahinter stehen weiter wachsende Ausgaben der Jugendhilfe, weiterhin hohe Ausgaben für Regelleistungen für Erwerbslose, Geringverdienende und vollerwerbsgeminderte Grundsicherungsbeziehende an.
Der Bund trägt zwar die Kosten für die Regelsätze im Bereich des SGB II, allerdings müssen bei denjenigen, die weniger als die Grundsicherung verdienen und von ihrem Arbeitseinkommen nicht leben können, die Aufstockungsleistungen nur von Bremen erbracht werden, eine rechtliche Konstruktion, die zutiefst unfair ist und gegen die der Senat bereits aktiv geworden ist.
Auch trägt die Bundesregierung weniger als ein Viertel der Kosten der Unterkunft. Durch diese Kosten der Wirtschaftskrise wird der Bremer Haushalt
weiter geprägt. Die Bundesregierung hat in dieser Situation die Arbeitsmarktförderung um 24 Prozent der Mittel für die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt gekürzt – die Kollegin vor mir hat es schon gesagt –, und das in einer Zeit, in der die Chancen, durch Qualifizierung die Beschäftigung zu verbessern und viele Langzeitarbeitslose beruflich einzugliedern, recht gut stehen. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für die Kürzung, da können wir sie auch nicht herauslassen. Wir können eine solche Kürzung im Haushaltsnotlageland Bremen nicht kompensieren, auch nicht, wie Sie es sich vorstellen, durch einen solchen Antrag wie den der Fraktion der LINKEN.
Meine Fraktion hat sich daher direkt an die Bundesregierung gewandt, um sie auf die Folgen dieser Sanierungspolitik zulasten der Armen und Erwerbslosen hinzuweisen. Wir werden weiter auf allen Ebenen versuchen, diese Politik zu ändern. Für eine solche Strategie ist aber der Antrag der LINKEN wenig hilfreich.
Unsere Schwerpunkte liegen weiterhin auf der Förderung der Kinder durch den Ausbau der Kindergärten, der Kindertageserziehung für die unter Dreijährigen und zur Deckung der gestiegenen Nachfrage bei den über Dreijährigen. Der von der Bundesregierung vorangetriebenen Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche können wir auf kommunaler Ebene und Landesebene nur durch eine verbesserte soziale Infrastruktur begegnen, die den Kindern wenigstens im Kindergarten und in der Schule annähernd gleiche Chancen öffnet, und das tun wir auch, das haben wir mit dieser Schwerpunktsetzung in dieser Koalition auch erreicht.
Ein Problem, das sich in der Zukunft noch stärker auswirken wird, aber jetzt schon den Haushalt belastet, ist die Altersarmut. Die Zahl der Beziehenden von Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung ist von 2005 bis 2008 um fast ein Viertel angestiegen. Altersarmut als Folge einer von Arbeitslosigkeit und Erziehungszeiten unterbrochenen Erwerbsbiografie wird uns in Zukunft noch mehr beschäftigen. Sie belastet aber schon den Haushalt 2011 durch gestiegene Grundsicherungsausgaben.
Im Bereich der Migrantinnen und Migranten haben wir die seltene Möglichkeit, durch den Abbau von Wohnheimplätzen für Asylsuchende und die schnelle Unterbringung in normalen Wohnungen mit Einsparungen eine Qualitätsverbesserung zu erreichen. Dies wollen wir vornehmen, dies ist im Haushalt sichergestellt, und eine intensive Unterstützung und schnellere und konsequentere Eingliederung schafft hier eine günstige und finanziell einsparende Politik.
Ich möchte zum Schluss kommen! Auch die Kosten der Eingliederungshilfe sind stark gestiegen, dort wollen wir durch stärkere Ambulantisierung umsteuern. Schließlich haben wir mit diesem Haushalt deutlich gemacht, dass der Umsteuerungsprozess zu mehr sozialer Infrastruktur und zur Gegensteuerung einer von sozialer Kälte geprägten Bundespolitik hier erfolgreich gelingt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass
Schwierig wird es aber besonders bei dem Beweis, dass die Krankheit wegen der besonderen Gefährdung am Arbeitsplatz ausgebrochen ist. War der berufliche Kontakt mit Asbest Auslöser der Erkrankung? Dazu müssen umfangreiche Unterlagen des technischen Aufsichtsdiensts der Berufsgenossenschaften, der Sicherheitsbeauftragten in den Unternehmen und der Arbeitsmediziner ausgewertet werden. Häufig liegen diese Unterlagen aber nicht mehr vor, weil die Unternehmen diese Unterlagen nicht erhoben oder vernichtet haben. Häufig sind diese aber auch nicht mehr verfügbar, weil die Unternehmen insolvent geworden sind. Das ist beim Bremer Vulkan der Fall, hier sind die Unterlagen zum Glück in Privatinitiative gerettet worden, aber diesen Nachweis bei fehlenden Unterlagen zu bringen, ist besonders schwierig. In diesen Fällen müssen der Anschein der Erkrankung und die Aussagen der Betroffenen und ihrer Kollegen für die Annahme einer besonderen Gefährdungssituation ausreichen. Deswegen brauchen wir die rechtliche Änderung! Herr Dr. Möllenstädt, wenn Sie Ihre Zeitungslektüre beendet haben, können Sie dies vielleicht einmal als Hinweis nehmen, dass wir hier eine rechtliche Änderung brauchen und es nicht mit Ihren allgemeinen unverbindlichen Forderungen getan ist.
Der Betroffene trägt im Augenblick nämlich die Beweislast dafür, dass die behauptete Gefährdung am Arbeitsplatz bestanden hat, und wir wollen genau dies hier umdrehen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass eine solche Gefährdung grundsätzlich bestanden hat.
Die zweite Schwierigkeit für Kranke besteht darin nachzuweisen, dass die feststellbaren Beschwerden auf die Berufskrankheit zurückgeführt werden müssen. Menschen, bei denen eine schwere Lungenerkrankung festgestellt wurde, werden damit vertröstet, dass diese nicht berufsbedingt sei, sondern sogenannte schicksalhafte Ursachen habe. Selbst wenn eine Berufskrankheit anerkannt wurde, werden die meisten Beschwerden als nicht berufsbedingt bezeichnet und beispielsweise nur eine geringe Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 oder 20 Prozent anerkannt, obwohl der Geschädigte kaum noch Luft bekommt. Wenn eine berufliche Gefährdung nachgewiesen wurde und die Erkrankung feststellbar ist, muss davon ausgegangen werden, dass diese auch beruflich verursacht wurde. Der Unternehmer beziehungsweise die Berufsgenossenschaft muss dann den Beweis antreten, dass diese Erkrankung nicht beruflich verursacht wurde. So wollen wir es gesetzlich ändern. Das Gleiche gilt, wenn eine Berufskrankheit anerkannt wurde, aber das Ausmaß der Erkrankung im Wesentlichen auf andere Ursachen zurückgeführt wird. Dazu muss das Gesetz im Paragraf 9 Absatz 3 SGB VII, Unfallversicherung, mit einer Umkehr der Beweislast versehen werden. Der Zusatz „und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden“ muss auch wegfallen. Dies ist immer die Ausrede der Berufsgenossenschaften, die Erkrankungen auf andere Ursachen, nämlich außerhalb der beruflichen und versicherten Tätigkeit, zu schieben. Sie muss den Vollbeweis aber als Berufsgenossenschaft nach unserer Auffassung dafür antreten, dass diese anderen Ursachen auch vorliegen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass man einfach behauptet, dort hat ja jemand geraucht, dann ist das Rauchen an der Lungenerkrankung schuld, und damit wird im Grunde genommen eine asbestbedingte Verursachung ausgeschlossen. Der Senat soll daher im Bundesrat eine solche zentrale Änderung des Berufskrankheitensrechts initiieren. Damit könnten Tausende von Asbestopfern endlich Gerechtigkeit erfahren, aber nicht nur sie. Diese Änderung würde dazu führen, dass nicht mehr für 90 Prozent der Verletzten Verletztenrente abgelehnt würden, sondern mehr Geschädigte zu ihrem Recht kommen. Das wird eine schwierige, das wissen wir, aber wichtige Aufgabe des Senats sein, hierfür Verbündete im Bundesrat zu finden. Dennoch ist das der Mühen wert. Schließlich geht es doch darum, dass diejenigen, die ihre Gesundheit für unseren Wohlstand geopfert haben, eine ausreichende und angemessene Versorgung erhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Krankenkassen haben, ohne das Gesetz zu ändern, durch eine andere Interpretation des bestehenden Rechts einen Anspruch von Versicherten gekippt. Im Gesetz steht nämlich, dass Versicherte in jedem Haushalt neben der ärztlichen Behandlung auch bis zu vier Wochen häusliche Krankenpflege erhalten können. Es geht um häusliche Krankenpflege und nicht um Haushaltshilfe, wenn dadurch eine Krankenhausbehandlung ersetzt und verkürzt wird.
Diese häusliche Krankenpflege umfasst sowohl die Behandlungspflege, wie Wunden verbinden, Spritzen verabreichen und so weiter, als auch die Grundpflege, wie Betten, Waschen, Füttern, und die hauswirtschaftlichen Leistungen wie Einkaufen, Betten beziehen, Essen zubereiten und die Wohnung in Ordnung halten. Es handelt sich auch dort nicht um eine Kannregelung. Herr Brumma, das muss ich Ihnen einfach noch einmal sagen: Es ist ein Rechtsanspruch, der von den Krankenkassen widerrechtlich gekippt worden ist. Diesen Anspruch enthalten die Krankenkassen den Versicherten seit einigen Jahren vor, indem sie einen Trick anwenden. Sie definieren die Krankenhausbehandlung als abgeschlossen, auch wenn die Entlassenen zum Beispiel nach einer Hüftoperation weder gehen noch sich selbst versorgen können. Durch diese Einschränkung der Leistungen entsteht eine Versorgungslücke, die weder durch Pflegeleistungen der Pflegeversicherung noch durch die Sozialhilfe oder die Haushaltshilfe der Krankenkassen ersetzt werden kann wie zurzeit ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
in einem Modellversuch, der noch einmal vorbereitet und erprobt werden soll. Diese Versorgungslücke muss daher durch eine gesetzliche Klarstellung wieder geschlossen werden.
Dazu soll der Senat einen Vorstoß im Bundesrat unternehmen, um dieses unverantwortliche Vorgehen der Krankenkassen zu korrigieren. Es müssen grundsätzlich in jedem Fall im Anschluss an eine stationäre Krankenhausbehandlung oder nach einer ambulanten Operation, die gerade in der Gegenwart immer größere Bedeutung bekommt, Möglichkeiten der häuslichen Krankenpflege bestehen und solche Leistungen gewährt werden. Gerade wegen der Zunahme der ambulanten Operationen muss sichergestellt werden, dass der frisch Operierte nicht hilflos in seinem Bett liegt, und wenn er keine Angehörigen hat, dann muss die Versorgung übernommen werden.
Der Anspruch darf daher nicht, wie es bisher im Gesetz steht, von der Verkürzung der Krankenhausbehandlung abhängig gemacht werden, weil das den Krankenkassen die Möglichkeit gibt, hier einen Leistungsanspruch zu verweigern. Gleichzeitig soll der Senat bei den Krankenkassen vorstellig werden, damit dieser Anspruch bis zu einer gesetzlichen Regelung im Satzungsrecht der Krankenkassen verankert wird. Die Krankenkassen können nämlich nach Paragraf 37 Absatz 2 SGB V freiwillig einen solchen Anspruch im Satzungsrecht vorsehen. Bei der Haushaltshilfe haben das die AOK und die Handelskrankenkasse bereits getan – warum nicht auch bei dem wesentlich gravierenderen Problem, über das wir hier diskutieren, der häuslichen Krankenpflege? Ich meine, es wäre auch eine Werbung für die Krankenkassen, hier ihre Mitglieder nicht unversorgt zu Hause allein liegen zu lassen, sondern Pflegediensten die Möglichkeit zu geben, diese Versorgung zu übernehmen. Hier sind Pflegedienste gefordert und nicht Haushaltshilfen!
Diese Forderung steht auch nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu dem anvisierten Modellversuch. Die Haushaltshilfe ist in vielen Fällen von frühzeitig aus dem Krankenhaus Entlassenen das geringere Problem; erst in Verbindung von medizinischer Krankenpflege, Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung ist den Menschen wirklich geholfen. Die Möglichkeit, in einer eigenen Wohnung völlig gesund zu werden, sollte zur Entlastung der teuren Krankenhausbehandlung, aber auch im Sinn einer schnelleren Genesung sichergestellt werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Dr. Möllenstädt, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im SGB V ausdrücklich in Paragraf 37 Absatz 2 vorgesehen ist, dass eine solche häusliche Krankenpflege neben der Behandlungspflege gewährt werden kann, wenn das in der Satzung vorgesehen ist? Das heißt, der Gesetzgeber hat eine solche Möglichkeit bereits vorgesehen. Deswegen wollen wir die Krankenkassen dazu anregen, das zu tun. Es geht also nicht darum, hier irgendwelche Leistungen auszuweiten, die es noch nicht gegeben hat. Im Übrigen geht es auch bei dem Gesetzestext darum, den Rechtszustand wiederherzustellen, der eigentlich bestanden hat, nämlich die Verkürzungspflege herauszunehmen. Das war früher ganz normal und ist bewilligt worden. Heute verweigert man das, weil man gesagt hat, die Krankenhauspflege wird dadurch nicht verkürzt. Das ist das Problem! Das wollen wir gern beseitigen. Der zweite gesetzgeberische Teil kann jetzt schon durch Satzungsrecht umgesetzt werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat hat auf unseren Koalitionsantrag vom 29. September 2009 im Juni dieses Jahres einen Bericht vorgelegt, in dem er über Strategien berichtet, wie die Probleme von Armut und Ausgrenzung ressortübergreifend angegangen werden sollen. Meine Kollegin Frau Garling hat aus unserer Koalitionssicht das Wesentliche schon vorgetragen, ich möchte noch ein paar Ergänzungen machen.
Wir hatten zunächst den Senat aufgefordert, bei der Bundesregierung darauf zu drängen, dass sich die Regelleistungen stärker am Bedarf orientieren, flexibler angepasst und genauer berechnet werden. Außerdem sollte er sich dafür einsetzen, dass das System der einmaligen Leistungen überprüft wird und zum Beispiel bei langfristigen Konsumgütern wie Waschmaschine, Kühlschrank, Fernseher und so weiter statt Pauschalen im Regelsatz direkte Kostenübernahmen bei Bedarf erfolgen sollen. Nach dem Antrag erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, das eine völlige Neuberechnung der Regelsätze forderte, und am letzten Sonntag hat uns nun die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf beglückt. In diesem gibt es nicht nur einen peinlichen Zahlenfehler auf Seite 31 – ich gehöre nämlich, glaube ich, zu den Wenigen, die das gelesen haben – mit der Angabe der anzuerkennenden Ausgaben für Freizeit und Kultur von 39,96 Euro und auf der Folgeseite von 31,96 Euro, sondern auf Seite 59 – und das fand ich besonders lustig – werden auch die Verbrauchsangaben für Jugendliche im Alter von 14 bis unter 184 Jahren definiert.
184 Jahre steht dort! Daran merkt man, wie der Entwurf mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Er enthält auch zahlreiche massive Fehler und bewusste Tricksereien, um die vorher ausgehandelte Erhöhung um nur fünf Euro zu rechtfertigen. Man macht nun genau das, was das Bundesverfassungsgericht gerügt hat. Die Bundesregierung legt eine intranspa––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
rente, widersprüchliche und vom gewünschten Ergebnis bestimmte Berechnung vor, die mit den tatsächlichen Bedarfen armer Menschen nichts zu tun hat.
Herr Dr. Möllenstädt ist jetzt nicht da, ich möchte mich noch einmal auf die Diskussion von heute Vormittag beziehen, aber Herr Bensch ist da. Es darf im Übrigen bei den Regelsätzen nicht nach Kassenlage gehen, so wie Sie das heute Vormittag dargestellt haben, sondern es muss den Leistungsempfangenden ein Leben in Menschenwürde ermöglicht werden. Lohnabstandsgebote, wie es heute Morgen formuliert wurde, dürfen daher nicht zur Reduzierung der Leistung herangezogen werden, sondern nur den Abstand für die Beschäftigung zu den Mindestlöhnen herstellen. Es geht also darum, durch Mindestlöhne sicherzustellen, dass auch Geringverdiener nicht auf das Sozialhilfeniveau herunterfallen, das ist die richtige Strategie. Auf die unzureichende Bestimmung der Regelleistung, die jede wirksame Politik gegen Armut verhindert, werde ich dann in meinem zweiten Redebeitrag noch einmal genauer eingehen.
Für unsere Vorschläge gab es bei der Bundesregierung, wie zum Beispiel die Kostenübernahme für Konsumgüter anders zu regeln, kein offenes Ohr. In dem Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, ist davon nichts enthalten.
Der Senat hat sich verpflichtet, auf die Verbesserung der rechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsmarktförderung und auf eine bessere finanzielle Ausstattung dieser Instrumente bei der Bundesregierung zu drängen. Die Bundesregierung hat aber dagegen mit ihren Sparbeschlüssen die Mittel der Arbeitsmarktpolitik für Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfänger drastisch um 20 Prozent gekürzt und die Mittel der Bundesagentur für Arbeit für diesen Bereich sogar um 40 Prozent zusammengestrichen. Das bedeutet, dass nächstes Jahr 1,5 Milliarden Euro, 2012 2,5 Milliarden Euro und 2013 3,0 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen.
Für Bremen heißt das, dass weniger Qualifizierung für Langzeitarbeitslose möglich ist. Es ist geradezu widersinnig, einerseits die Grundsicherung für Arbeitssuchende zusammenzustreichen, weil sie sich gefälligst um eine Erwerbsarbeit bemühen sollen, und ihnen andererseits den Weg in eine Beschäftigung zu verbauen, indem man ihnen die Qualifizierungsmöglichkeiten nimmt.
Anstatt dass Bund und Länder – was erforderlich ist – bei der Armutsbekämpfung zusammenarbeiten, unterläuft die Bundesregierung alle Bemühungen, die
Eingliederung in Erwerbsarbeit durch aktive Arbeitsmarktpolitik zu fördern, und bekämpft nicht die Armut, sondern die Armen.
Ja, ich rede zum Thema, zu dem Bericht hier! Der Senat hat mit dem Management-DiversityProgramm und dem Programm zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung einen ersten vielversprechenden Ansatz zum Abbau von Diskriminierung für Einstellungen – –.
Nun hören Sie einmal auf, Frau Ahrens!
Wir reden hier über das Senatsprogramm, und Armutspolitik, das müssen Sie begreifen, das ist keine Sache, die man ausschließlich auf Landesebene machen kann! Zusätzlich ist auch erforderlich, dass die Grundsicherungsleistungen auch da sind, damit die Leute nicht arm werden.
Ich komme zum Schluss! Mit den Quartiersbildungszentren und der sozialräumlichen Sozialarbeit, diese durch die Unterstützung der Beratungsstellen und zielgruppenspezifisch auch die sozialen Angebote zu fördern, hat die Landesregierung ihren Part erledigt. Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung ähnlich agieren würde, wie die Landesregierung es getan hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ahrens, bei Ihrem Beitrag hatte ich das Gefühl, ja, Sie haben wesentliche Strukturen der Armutsbekämpfung verstanden. Das heißt, es kommt sowohl darauf an, dass man die Einkommensarmut angeht, es kommt aber auch darauf an, dass man gegen Ausgrenzung, Aussonderung, Diskriminierung und Benachteiligung etwas tut, um Menschen den Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe zu eröffnen. Das ist in der Tat die Position von Herrn Dr. Güldner und auch die Position der Grünen, aber auch der SPD. Das ist völlig richtig.
Nur, wenn Sie damit anfangen, dann müssen Sie auch sagen, Sie können jede Armutsbekämpfung vergessen, wenn Sie es allein schon an den materiellen Grundlagen fehlen lassen. Insofern ist jede Diskussion um Armutspolitik, die dann Regelsätze vorsieht, die eine gesellschaftliche Teilhabe unmöglich machen, zum Scheitern verurteilt. Deswegen müssen wir hier sowohl über den Anteil des Bundes – das sind nämlich die Regelsätze, das ist Bundesangelegenheit – als auch über die Anteile an sozialer Integration, die wir hier in Bremen bewerkstelligen können und die wir auch gemacht haben, reden. Wir müssen über beides reden.
Jetzt reden wir auch noch einmal über den Teil der sozialen Integration, der auch Bundespolitik ist. Es ist doch zynisch, wenn ich jetzt sage, du bekommst so wenig Geld, damit du alle Anstrengungen unternimmst, dich in eine Erwerbsarbeit zu integrieren und eine Erwerbsarbeit zu suchen, und gleichzeitig die Qualifizierungsprogramme zusammenstreiche, mit denen jemand das machen kann. Sie haben zum Schluss Arbeitsplätze gefordert. Wir haben zum Beispiel neue Arbeitsplätze in der Windkraftindustrie geschaffen, dort werden Facharbeiterinnen und Facharbeiter gebraucht, dazu bedarf es der Qualifizierung. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wenn man jetzt die Programme zur Qualifizierung zusammenstreicht, dann nimmt man den Leuten die Chance, eine Erwerbsarbeit zu erlangen.
Das stimmt nicht! Sie haben auf Bundesebene Milliarden Euro in den nächsten Jahren gestrichen!
Nein, auf Bundesebene! In Bremen wirkt sich das so aus, dass gerade die Qualifizierungsprogramme nicht mehr durchgeführt werden können.
Frau Ahrens, ich rede jetzt gerade!
Ich will aber noch einmal auf die andere Seite der Einkommensleistungen gehen, und zwar finde ich, ist das ein Skandal, dass Sie bei der Regelsatzbestimmung nicht nur die Leute betrügen, sondern auch im Grunde genommen eine Verfassungskrise herbeiführen. Im Grunde gehen Sie nach dem Prinzip vor, es geht uns überhaupt am Hintern vorbei, was das Bundesverfassungsgericht sagt.
Sie müssen natürlich den Entwurf auch einmal lesen! Darin steht zum Beispiel erstens, dass Sie von 15 Prozent der Armen ausgehen, 20 Prozent waren es vorher, das heißt, Sie messen das, was sie später bestimmen. Zweitens: Herr Bensch hat es heute Morgen gesagt, fünf Euro mehr, das ist doch toll! Das ist nicht einmal die Preisentwicklung, die in diesem Entwurf unzureichend berücksichtigt ist.
Drittens: Was Sie alles aus dem Regelsatz nehmen, ist – –.
Sie reden nur von Tabak! Ich rede von den Schnittblumen, ich rede von dem Tierfutter für das Tier, das sich viele einsame Arbeitslose halten, ich rede davon, dass gesagt wird, die Leute sollen kein Auto mehr fahren, sie sollen lieber mit einem Fahrrad fahren.
Aber die Investition für ein Fahrrad, die hat man aus dem Regelsatz herausgenommen.
Sie müssen doch einmal schauen, Sie haben eine willkürliche Reduzierung des Regelsatzes vorgenommen. Damit haben Sie materielle Armut herbeigeführt, und dann können wir mit unseren Infrastrukturmaßnahmen nur am Rande etwas machen. Ich finde, es ist ein Skandal, dass Sie dies auch noch rechtfertigen. Ich kann es überhaupt nicht verstehen, dass man solch einen Gesetzentwurf, der so schlampig gemacht wird und der das Bundesverfassungsgericht demütigt, überhaupt einbringen kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat legt heute ein Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz vor, das die bundesrechtlichen Regelungen zum Heimgesetz ablöst. Dieses Gesetz nimmt die gesellschaftlichen Veränderungen auf, die sich seit der Verabschiedung des Heimgesetzes 1974 – ein ganz langer Zeitraum – ergeben haben, und setzt die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder für diesen Bereich um. Es ist ein Reformwerk, mit dem sich Bremen – und das muss man hier einmal deutlich betonen – an die Spitze der Länder in der Reformbewegung zum Heimrecht setzt.
Ich will die wichtigsten zehn Neuerungen kurz benennen. Das Erste ist der Ausgangspunkt: Wir setzen nicht mehr an der Institution Heim an, sondern an dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis von Wohnen und Unterstützung aus einer Hand. Das Zweite ist die Einbeziehung neuer Wohnformen. Das Dritte ist die Einbeziehung von Serviceangeboten, die mit diesen Wohnformen verbunden sind. Dann die Verpflichtung der Leistungserbringer und der Behörde zur Einhaltung grundlegender Rechte der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, weiter die höhere Transparenz von Leistungen und Qualität, und sechstens die Verbesserung des Beratungsanspruchs der Bewohnerinnen und Bewohner!
Schließlich haben wir eine wesentlich bessere Mitwirkung in dem Gesetz vorgesehen, ferner eine Verpflichtung zur Unterstützung zur Teilhabe, etwas das in den alten Heimgesetzen überhaupt nicht vorkam, da hat man an behinderte Menschen offensichtlich gar nicht gedacht. Neuntens die stärkere Einbindung in das soziale Umfeld, und zehntens die Intensivierung der Kooperation aller Beteiligten! Sie sehen also zehn Kernpunkte, mit denen wir das Heimrecht weiterentwickeln.
Ein wichtiger Ausgangspunkt des Gesetzes ist, dass man nicht mehr an der Institution ansetzt, sondern wie beim Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz das Wechselverhältnis von Wohnen und Unterstützen zum Ausgangspunkt macht. Damit wird die Abhängigkeitssituation als Grund für den besonderen Schutzbedarf von Bewohnerinnen und Bewohnern berücksichtigt. Immer dann, wenn der Bewohner oder die Bewohnerin im Falle einer schlechten Hilfe nicht einfach den Anbieter wechseln kann, weil das miteinander verknüpft ist, und ohne seine Wohnung und sein Wohnumfeld zu verlassen, gibt es eine Abhängigkeit, auf die der Staat mit Kontrolle reagieren muss. Um dieser Kontrolle zu entgehen, sind zahlreiche Heimträger zu neuen Organisationsformen übergegangen, die sie als Seniorenresidenzen, Wohnen mit Service oder betreutes Wohnen bezeichnen, die aber auch Elemente dieses Abhängigkeitsverhältnisses beinhalten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Diese vom Träger gesteuerten Wohnformen einzubeziehen ist ein wichtiges Anliegen des Gesetzes. Auch die Konstruktion des Heimgesetzes zu umgehen, indem man die Apartments und die pflegerische Infrastruktur von unterschiedlichen Trägern machen und verwalten lässt und so zum Beispiel mit einem ambulanten Pflegedienst kooperiert, aber quasi ein Heim betreibt, wird künftig nicht mehr möglich sein. Es wird nicht mehr möglich sein, sich dem Heimgesetz auf diese Art und Weise zu entziehen. Dazu gehört auch, die unterschiedlichen Serviceangebote, die mit Mietverträgen gekoppelt werden und die einen beträchtlichen Zuschlag zu den üblichen Mietpreisen ausmachen, in ihrer Qualität und Nutzbarkeit zu überprüfen. Was ist, wenn der Anbieter des Services zum Beispiel Beratung anbietet, die für die Bewohnerinnen und Bewohner aber gar nicht erreichbar ist, oder ein Rufsystem installiert, auf das keiner reagiert, oder die gerufenen Hilfen erst wesentlich später eintreffen, weil sie im benachbarten Heim engagiert sind und dort arbeiten müssen? Ich glaube, dass kein anderes Heimnachfolgegesetz die Verpflichtung der Leistungsanbieter und Behörden so klar definiert wie das unsere. Wahrung der Würde und körperlichen wie seelischen Unversehrtheit der Bewohnerinnen und Bewohner, Selbstbestimmung, Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Wunsch- und Wahlrecht, Wahrung der kulturellen und sexuellen Identität, Privatsphäre und Verbraucherschutz, das sind im Grunde genommen Ansprüche, die die einzelne Heimbewohnerin, der einzelne Heimbewohner direkt gegen den Betreiber, aber auch gegen die Behörde hat. Das heißt, dass ganz praktisch die Bewohnerinnen und Bewohner nicht einfach gewindelt werden dürfen, weil das Personal für ausreichend viele Toilettengänge fehlt. Das heißt auch, ihnen darf nicht das Essen in den Mund gestopft werden, weil es schneller geht als beim selbstständigen Essen. Das heißt auch, ihnen muss die Wahl zwischen verschieden Essensangeboten verbleiben und nicht von der wohlmeinenden Pflegerin oder dem wohlmeinenden Pfleger entschieden werden, was jemand zu essen hat, zum Beispiel den schnell zu verabreichenden Haferbrei. Die religiösen wie kulturellen Bedürfnisse von allen Migrantinnen und Migranten müssen berücksichtigt werden, und auch schwule Lebenspartner müssen akzeptiert werden. Die Zimmertür darf nicht einfach ohne Klopfen und Hereinsignal geöffnet und das Zimmer betreten werden; das ist immer noch Praxis. Diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten in ein Gesetz zu schreiben, scheint überflüssig, aber es ist keinesfalls überflüssig, wie ich selbst von vielen Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern weiß, wie ich von vielen Kollegen weiß, aber wie ich auch selbst in der medizinischen Rehabilitation noch in diesem Sommer festgestellt habe.
Auf die anderen Punkte werde ich in einer zweiten Runde eingehen, auch um noch einmal deutlich zu machen, wie sich unser Heimgesetz vom Heimgesetzentwurf der FDP unterscheidet, der eher ein Rückgriff auf vergangene Zeiten ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Garling ist hier eben schon auf den Entwurf der FDP eingegangen. Ich möchte auch zunächst mit einer Würdigung Ihres Entwurfs beginnen,
der uns zwar spät zugegangen ist, aber die Zeit reichte völlig, um die Qualität des Entwurfs zu beurteilen. Es fängt schon bei dem Namen an. Es nennt sich „Bremisches Heimbewohnerschutzgesetz“, richtig wäre aber der Name „Bremisches Heimbetreiberschutzgesetz“.
Ich habe Ihr Gesetz mit dem Heimgesetz von 1976 verglichen. Es fällt in wesentlichen Passagen auch hinter dieses Gesetz zurück.
Kommen wir zu einzelnen Fragen, die in diesem Gesetz angesprochen sind! Heimbewohnerinnen und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Heimbewohner tauchen in der Tat nur in der Form des Heimbeirats und in der Regelung zur Heimmitwirkung auf. Rechte als einzelne Heimbewohner gegen den Leistungserbringer oder auch gegen die Behörde tauchen überhaupt nicht auf. Einen Paragrafen, der das festlegt und da Klarheit schafft, den wir in unserem Heimgesetz vorangestellt haben, um zu orientieren, wie im Grunde genommen hier die Struktur gestaltet werden muss, was hier kontrolliert werden muss, eine solche Orientierung gibt es in Ihrem Gesetz nicht.
Das Nächste ist, in Ihrem Gesetz haben Sie dann bei den Transparenzvorschriften, Sie haben eben ja noch einmal, Herr Dr. Möllenstädt, auf Transparenz abgehoben, verwiesen auf das Sozialgesetzbuch XI. Das ist eine sehr pauschale Verweisung. Ich habe mir die Mühe gemacht, das gesamte SGB XI, also die gesamten Vorschriften zur Pflegeversicherung, auf irgendwelche Paragrafen durchzusehen, ob da irgendetwas über Transparenz steht. Ich habe nichts gefunden. Das heißt, wenn in Ihrem Gesetz eine Verweisung steht, dann, denke ich, sollte da, wohin verwiesen wird, auch tatsächlich etwas vorhanden sein, auf das Sie verweisen können. Ich gehe davon aus, dass Sie also gar keine Transparenz wollen.
Wenn Sie im Gunde genommen beklagen, dass unser Gesetz zu viele detaillierte Regelungen enthält, kann ich nur sagen, genaue Regelungen, präzise Regelungen, die einer Heimaufsicht die Instrumente in die Hand geben, genau in der Einrichtung zu schauen, ob es alles ordnungsgemäß läuft, sind wesentlich besser und unbürokratischer als allgemeine Normen, die keine konkreten Zugriffsrechte eröffnen und wo dann ein Rechtsstreit darüber entsteht, ob jetzt die Heimaufsicht dieses oder jenes kontrollieren darf, ob sie sich das geben lassen darf. Das ist bei uns klar geregelt, und daran sieht man auch, dass dieses Gesetz von Praktikern gemacht worden ist.
Ein weiterer Punkt, und da möchte ich jetzt zu unserem Gesetz noch einmal überleiten und auch Ihre Kritik noch einmal aufnehmen, ist, dass wir in das Gesetz in der Tat Leistungsstandards, Leistungselemente und Leistungsanforderungen an Leistungserbringer hineingeschrieben haben. Das ist richtig, das muss auch so sein. Das bisherige Heimrecht hat sich ausschließlich auf Altenheime und Altenpflegeheime konzentriert. Dieses Gesetz nimmt den Förderanspruch nach dem Sozialgesetzbuch IX auf und berücksichtigt, dass ein Großteil von Einrichtungen eben auch Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind, künftig vielleicht sogar der sozialen Teilhabe.
Ganz bescheiden möchte ich darauf hinweisen, dass unser Heimgesetz nebenbei noch die Anforderungen der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen mit umsetzt. Wenn Sie auf der Folie, was in der Behindertenrechtskonvention steht, Ihr Heimgesetz einmal überprüfen würden, dann würden Sie sehen, dass Sie hier einen eklatanten Verstoß gegen die Behindertenrechtskonvention organisieren wollen.
Fazit: Ihr Heimgesetz – ich schlucke herunter, wie ich es qualifizieren wollte, ich möchte es vorsichtiger formulieren – ist ein Weg ins 19. Jahrhundert zurück, während unser Heimgesetz uns auf die neuen Formen und Lebensformen einstellt und die Rechte vor allem der Bewohnerinnen und Bewohner deutlich stärkt. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP hat einen Antrag vorgelegt, mit dem sie die Kritik an der Praxis der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe mit fachlichen Anforderungen zur Individualisierung der Leistung verbindet. Grundsätzlich muss es keineswegs ein Widerspruch sein. Es kommt aber auf die Akzentsetzung an. Kommt es mir primär darauf an, ob eine kostengünstige Leistungserbringung unter Wahrung fachlicher Standards erreicht wird? Oder umgekehrt: Geht es mir primär um eine fachlich begründete Leistung, die aber auch wirtschaftlich erbracht werden soll? Die FDP folgt der ersten Variante und stützt sich dabei auf den Rechnungshofsbericht, der die unterschiedliche Finanzierung von Leistungserbringern als nicht ausreichend transparent und nachvollziehbar qualifizierte. Sicherlich gibt es historisch gewachsene Vergütungsstrukturen, die die Leistungserbringer unterschiedlich und nicht immer nachvollziehbar mit finanziellen Mitteln ausstatten, die durch die Leistungserbringung selbst nicht gedeckt sind. Dies zu überprüfen, ist ein eigenes berechtigtes Anliegen. Wir brauchen Transparenz und nachvollziehbare Vergütungssysteme, die vor allem die richtigen Anreize set––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zen, eine an den Interessen und dem Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer orientierte Leistung zu erbringen. Die Frage ist nur: Kann die Fachkraftquote differenziert nach Hilfebedarfsgruppen das richtige Steuerungsinstrument sein, um eine wirtschaftliche und bedarfsgerechte Leistung zu erzeugen? Welche Rolle spielen hier marktorientierte Preise in einem System von Einrichtungen, das weitgehend anbieterorientiert ist und dessen Qualität sich nicht auf einen schlichten Preisvergleich reduzieren lässt? Der Antrag beinhaltet auch einige Forderungen, die man stellen kann, aber die nicht wirklich weiterhelfen, zum Beispiel zum Landesplan Wohnen. Wichtige Forderungen sind, dass man versucht, rechtzeitig dem Fachkräftemangel vorzubeugen, das persönliche Budget weiter voranzutreiben und auf Bundesebene die rechtlichen Grundlagen zur stärkeren Individualisierung der Hilfen zu schaffen. Das erkennen wir an und haben wir auch teilweise in unseren Antrag übernommen. Dennoch wird der Antrag weitgehend von Wirtschaftlichkeitserwägungen und nicht von Fachlichkeit bestimmt. Dieser Dominanz des Wirtschaftlichkeitsaspekts mit einer Mischung aus Übernahme der Kritik des Landesrechnungshofsberichts und problematischen Lösungsansätzen sowie richtigen Forderungen haben wir als rot-grüne Koalition einen eigenen und – wie ich meine – besseren Antrag entgegengesetzt. In unserem Antrag fordern wir zunächst eine Weiterentwicklung der Leistung zu einer größeren Nachfrageorientierung durch Stärkung des Wunsch- und Wahlrechts und transparente Leistungsentgelte. Ein erster Schritt hierzu muss eine stärkere Ambulantisierung des Wohnens sein, sodass behinderte Menschen in ihrer eigenen Wohnung selbst entscheiden können, von wem sie Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Sie müssen dann nicht mehr ihren Lebensort wechseln, wenn sie die Unterstützung von einem anderen Anbieter, einer anderen Organisation in Anspruch nehmen wollen. Die Konkurrenz läuft hier zunächst über die Qualität. Die Transparenz der Vergütung wird quasi automatisch über den Vergleich der zu erbringenden Leistungsmodule oder vielleicht auch Fachleistungsstunden hergestellt. Ein zweiter Bereich der Leistungsverbesserung, mit dem wir gleichzeitig Geld sparen können, ist der Ausbau der Unterstützung von Beschäftigungsmöglichkeiten behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Beratung, Assessment, bessere Akquise, unterstützte Beschäftigung, Jobcoaching und Budget für Arbeit sind nur einige Stichworte dazu. Ich will das hier jetzt nicht weiter ausführen. Mit der Aufspaltung des Rundum-sorglos-Pakets in einzelne wählbare Leistungen oder Leistungskomplexe wäre ein erster Schritt zu einer bedarfsgerechteren und damit auch zielgenaueren Unterstützung getan. Zu prüfen wäre auch, ob man nicht gleich den Weg anderer Bundesländer hin zur Vergütung von Fachleistungsstunden macht. Am Beispiel der Pflegeversicherung wird deutlich, dass die Vergütung nach
Leistungskomplexen zwar der alten Pauschalvergütung nach Pflegestufen überlegen, aber einer Vergütung nach Stundensätzen deutlich unterlegen ist. Ein ambulanter Pflegedienst kommt in der Regel nur dann auf eine angemessene Vergütung, wenn er möglichst viele abrechenbare Leistungskomplexe in möglichst kurzer Zeit erbringt. Bei der persönlichen Assistenz dagegen gibt es diese Fehlanreize nicht, und jede Assistenznehmerin oder jeder Assistenznehmer kann direkt kontrollieren, ob die Leistung auch im bezahlten Umfang erbracht wurde. Eine Kontrolle durch die Nutzerinnen und Nutzer ist allemal besser, als einmal im Jahr die Leistungsentgelte zu kontrollieren, so wie die FDP es vorschlägt.
In den Forderungen zu einer besseren Umsetzung des persönlichen Budgets und zur personenbezogenen Leistung durch Bundesrecht sind wir uns dagegen mit der FDP einig. Aus den dargestellten Gründen, also der Mischung des FDP-Antrags aus falschen und richtigen Ansätzen, lehnen wir den Antrag der FDP ab und bitten um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Fraktion der CDU und bei der Fraktion der LINKEN bedanken. Ich freue mich, dass wir auch in Ihren Fraktionen Unterstützung für unseren Antrag gefunden haben. Ich möchte dann noch einmal auf das eingehen, was Sie, Herr Dr. Möllenstädt, dargelegt haben, und unsere Bedenken weiter ausführen. Sie fordern in Ihrem ersten Punkt unter a), dass eine einheitliche Fachkraftquote differenziert nach Hilfebedarfsgruppen für alle Träger gelten soll. Dies halte ich, mit Verlaub, für Unsinn, da im Grunde genommen in den verschiedenen Einrichtungen so unterschiedliche Angebote gemacht werden, dass sie auch unterschiedliche Fachkräfte dort einsetzen müssen. Eine Eingliederungshilfeeinrichtung der Psychiatrie ist ein völlig anderes Angebot als eine Einrichtung für Körperbehinderte oder für geistig Behinderte. Alle sind Eingliederungshilfeeinrichtungen, da brauchen wir auch unterschiedliche Arten von Fachkräften: Wir müssten dann eine lange Diskussion darüber führen, welche Fachkräfte dort eingesetzt werden sollen. Wir brauchen insbesondere, wenn wir die Individualisierung der Hilfen wollen, die Sie hier vorhin oder auch in Ihrem Antrag mit gefordert haben, eine Vielfalt von beruflichen Kenntnissen und beruflichen Qualifikationen, die an dem Geschehen in den einzelnen Einrichtungen mitwirken. Das lässt sich nicht in eine einheitliche Fachkraftquote hineininterpretieren, und das kann dann auch kein Maßstab für Vergütung sein. Das Zweite ist, Sie fordern eine Marktanalyse! Das klingt natürlich für Ihre Partei erst einmal sehr nahe liegend – Sie sind doch Ökonom, so wie ich, und wir haben uns beide mit Preistheorie beschäftigt –, zum Markt gehört die Vergleichbarkeit von Angeboten. Wir haben aber gerade hier ein so ausdifferenziertes System von unterschiedlichen Angeboten, dass es schwierig sein wird, einheitliche Preise festzulegen beziehungsweise zu vergleichen.
Wir können im Grunde genommen nur bei jedem Einzelfall schauen, ob für bestimmte Leistungsmodule, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Leistungskomplexe die Preise angemessen sind in dieser Einrichtung oder nicht. Sowohl was die bauliche Ausstattung als auch die einzelnen personellen Förderangebote angeht, sind die Einrichtungen so unterschiedlich, dass sich eine solche Markanalyse verbietet oder zumindest keine sinnvolle Maßnahme wäre.
Schließlich auch zum dritten Punkt, Fachkräftemangel! Ja, ich sehe, dass wir – gerade wenn wir weiter differenzieren – auch bei bestimmten Angeboten mehr Fachkräfte brauchen. Es ist aber nicht so einfach für die Zukunft zu beantworten, welche Fachkräfte wir da haben wollen, weil wir zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung viel mehr Logopäden gebrauchen könnten. Wir werden sicherlich künftig Leute haben, die mit sozialpädagogischen Qualifikationen ausgestattet sind. Im Augenblick wird da ausreichend ausgebildet, aber es differenziert sich. Wir werden auch Hilfskräfte brauchen, die keine besondere Qualifikation haben, da wir – wenn wir das so weiter entwickeln, wie wir es uns vorstellen – das Assistenzmodell auch stärker realisieren. Da gibt es viele Hilfestellungen, die heute von einer ausgebildeten Kraft ausgeführt werden, die auch eine nicht ausgebildete Kraft verrichten kann. Wir brauchen einerseits sehr wohl Fachkräfte, um bestimmte Förderleistungen zu erbringen, wir können aber andererseits sehr wohl auch mit Laienhelfern in diesem Bereich arbeiten, vielleicht mehr, als wir es bisher tun. Daher wäre ein Anheben der Fachkraftquote nicht unbedingt eine Qualitätssteigerung. Herr Erlanson, ich kann verstehen, dass Sie eine getrennte Abstimmung wollen, weil Sie dem Punkt fünf nicht zustimmen können, aber sehen Sie, wir haben steigende Kosten im Bereich der Eingliederungshilfe, und diese steigenden Kosten sind nicht unbedingt einer steigenden Qualität geschuldet. Wenn wir sagen, wir stellen uns die Aufgabe zu versuchen, etwas kostenneutral und gleichzeitig aber auch mit gesteigerten Standards zu verrichten, dann ist das ein Anliegen, das wir uns durchaus setzen sollten, um im Grunde genommen zu verhindern – wenn wir nämlich nichts tun, würde das passieren –, dass in den Einrichtungen die Standards abgesenkt werden. Um die Qualität nicht nur zu halten, sondern weiterzuentwickeln und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu verbessern, brauchen wir diesen Umgestaltungsprozess, und ich meine, das geht auch kostenneutral. – Danke schön!
Herr Senator, halten Sie die elektronische Fußfessel für eine geeignete Maßnahme, um präventiv Straftaten zu verhindern?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Vierten Rechtsbereinigungsgesetz verlängern wir circa 120 Rechtsnormen um weitere fünf Jahre. Die Idee aus den Zeiten der Großen Koalition, Bürokratieabbau über die Befristung betreiben zu können, sollte anlässlich dieses Gesetzes noch einmal überprüft werden. Der Befristung lag die Vorstellung zugrunde, dass nach fünf Jahren eine inhaltliche Bewertung der Notwendigkeit und Angemessenheit von Rechtsnormen erfolgt und ein möglicher Anpassungsbedarf leichter erkannt wird. Faktisch erfolgte eine inhaltliche Evaluation aus fachlicher Perspektive nicht, sodass befürchtet werden muss, dass mit der Notwendigkeit der Fortschreibung der Geltungsdauer der Gesetze eher mehr Bürokratie erzeugt als abgebaut wird.