Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Die 86. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist eröffnet.

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich die Klasse 9s der Wilhelm-Kaisen-Oberschule, Auszubildende Konstruktionsmechaniker der Berufsschule Metalltechnik und Gäste der Abgeordneten Frau Marlies Marken. Seien Sie alle recht herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Zuordnung von Grundschulen in freier Trägerschaft ermöglichen

Antrag der Fraktion der CDU vom 15. Februar 2011 (Drucksache 17/1646)

Wir verbinden hiermit:

Gymnasiale Oberstufe in freier Trägerschaft jetzt genehmigen

Antrag der Fraktion der CDU vom 25. März 2011 (Drucksache 17/1707)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Senatorin für Bildung und die Schulen in freier Trägerschaft, das ist in dieser Legislaturperiode eine lange sowie zähe Geschichte und nicht immer eine schöne Geschichte. Frau Senatorin, über Ihre sogenannte Privatschulallergie haben wir hier schon mehrfach reden müssen.

Uns geht es heute in zwei verbundenen Anträgen um ganz konkrete Probleme. Das eine behandelt die Grundschülerinnen und Grundschüler an den Grundschulen in freier Trägerschaft. Wir möchten, dass diese Grundschulen den staatlichen Oberschulen zugeordnet sein können. Beim zweiten Antrag, es ist eigentlich eine Absurdität, verweigert die Behörde seit Langem der seit vielen Jahren – seit hundert Jahren, glaube ich sogar – in Bremerhaven tätigen Edith-SteinSchule die Anerkennung der gymnasialen Oberstufe. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus, wie Ihre Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

hörde mit den Schulen in freier Trägerschaft umgeht, Frau Senatorin!

(Beifall bei der CDU)

In Bremerhaven haben wir die Edith-Stein-Schule, die als integrierte Haupt- und Realschule und als Gymnasium arbeitet, und das kann sie auch weiterhin, weil die Schulen in freier Trägerschaft nicht eins zu eins das staatliche Schulsystem abbilden müssen. Das ist etwas, das Sie den Schulen in freier Trägerschaft versuchen aufzuerlegen. Schauen Sie doch einfach einmal in das Grundgesetz und in die Kommentierung, Frau Senatorin, dann sehen Sie, dass Sie die Schule nicht zwingen können, was Sie offensichtlich wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen, dass sich die Schule entweder zur Oberschule oder zum Gymnasium umwandelt. Die Schule möchte aber alle Bildungsgänge weiterhin anbieten, und Sie können der Schule nicht verwehren, dass auf die gymnasiale Mittelstufe, die seit vielen Jahren extrem erfolgreich in Bremerhaven arbeitet, auch wie seit dem März 2009 beantragt, eine gymnasiale Oberstufe aufgesetzt wird. Das ist einfach wieder die ideologische Politik, die wir aus Ihrem Hause leider kennen, wenn es um die Schulen in freier Trägerschaft geht. (Beifall bei der CDU)

Bei den Grundschulen geht es darum, dass Sie alle Grundschulen in freier Trägerschaft gleich behandeln. Die Grundschulen in freier Trägerschaft, im Wesentlichen konfessionell gebundene Grundschulen, sind aber in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich. Einige sind sehr stark in ihrer Region verhaftet, haben regionale Schüler, und die Schülerinnen und Schüler gehen nach der Grundschule auf regionale staatliche Schulen. Andere Grundschulen in freier Trägerschaft werden stadtweit angewählt und führen ihre Schülerinnen und Schüler auf weiterführende Schulen in freier Trägerschaft. Sie tun so, als ob alle diese Schulen gleich sind und verweigern die Wünsche der Schulen und der Eltern, dass die Schulen, die das möchten, es sind nicht alle, dann auch regionalen Oberschulen in der Region zugeordnet werden können. Wir wollen eine flexible Lösung. Wir wollen, dass Sie auf die Schulen zugehen. Ihre Behörde, das habe ich jetzt in 16 Jahren immer wieder gemerkt, versteht sich bis heute nicht als Dienstleister für die Schülerinnen und Schüler und für die Eltern in dieser Stadt, sondern Sie verwalten im Prinzip eine Ideologie, die auch an dieser Stelle wieder durchdringt, Frau Senatorin. (Beifall bei der CDU)

Herr Röwekamp hat es gestern gesagt. Viele dieser Probleme, über die wir auch heute sprechen, hän

gen damit zusammen, dass Sie es in dieser Legislaturperiode nicht geschafft haben, böswilliger ausgedrückt, dass Sie verschleppt haben, dass die Novelle des Privatschulgesetzes, also das Gesetz über die Schule in freier Trägerschaft auf den Weg gebracht wird. Die Gespräche stocken, die Gespräche hätten unserer Auffassung nach längst zum Abschluss gebracht werden können, und wir hätten schon mit der Novelle des Gesetzes über die Schulen in freier Trägerschaft beginnen können.

Sie möchten offensichtlich, dass die Schulen in freier Trägerschaft eins zu eins das Spiegelbild des staatlichen Schulsystems sind. Wir stehen zum staatlichen Schulsystem, zum Zwei-Säulen-Modell. Das haben wir gestern sehr deutlich gemacht. Nur die Schulen in freier Trägerschaft sind eine gesetzlich vom Verfassungsgesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland erhobene Alternative zum staatlichen Schulsystem, und dieses Schulsystem muss eben nicht eins zu eins das staatliche Schulsystem in Bremen abbilden. Sie werden auch nicht auf die Idee kommen, dass die Waldorf-Schulen eins zu eins dieses System abbilden.

Frau Senatorin, geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung gegen die Schulen in freier Trägerschaft auf. Stimmen Sie unseren Anträgen zu! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren zwei Punkte, die damit zu tun haben, wie hier in der Stadtgemeinde Bremen, in der Stadtgemeinde Bremerhaven und im Land Bremen mit Schulen in freier Trägerschaft umgegangen wird. Ich habe auch einmal das Wort Privatschulallergie dafür genannt. Ich glaube, es wird inzwischen besser beschrieben, wenn man Privatschulphobie sagt. Die Koalition hat Angst vor Schulen in freier Trägerschaft und vor dem Wettbewerb und versucht, durch Steine, die man in den Weg legt, und Schwierigkeiten, die man den Schulen in freier Trägerschaft macht, und durch Verzögern und Verschleppen von Anträgen dafür zu sorgen, dass Eltern die Lust an diesen Schulen für ihre Kinder verlieren. Das ist der falsche Ansatz!

Wir wollen, dass diese Schulen gleichberechtigt und gleich anerkannt neben den staatlichen, besser gesagt, städtischen Schulen stehen. Insofern ist für uns ziemlich klar, dass es eine Gleichbehandlung geben muss, eine Gleichbehandlung mit der Frage, wie man bei Wahlen von Schulen nach der Grundschule umgeht. Anders als die CDU sind wir mit dem bisherigen System der Zuordnung nicht zufrieden. Wenn man solch ein System haben will, dann kann man solche Zuordnungen fordern. Wir als FDP in der Bremischen Bürgerschaft wollen nichts anderes als eine freie

Schulwahl von Grundschulen und weiterführenden Schulen. Das heißt dann aber auch, dass wir gar keine Zuordnung wollen, sprich, auf jegliche Zuordnung verzichten wollen. Da wir auf jegliche Zuordnung verzichten wollen, nicht weil wir gegen die Gleichbehandlung der Schulen in freier Trägerschaft sind, da sind wir sehr dafür, aber weil wir gar keine Zuordnung wollen, lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP)

Die andere Frage ist die Frage der Genehmigung der Oberstufe an der Edith-Stein-Schule in Bremerhaven. Dort muss man schlichtweg feststellen, dass sich hier einmal wieder die Frage stellt, warum es dafür keine geregelten Verfahren gibt. Warum ist es versäumt worden oder, ich würde sagen, gewollt worden, kein Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft neu zu schreiben, das genau diese Verfahrensfragen, die für diese Schulen essenziell sind, regelt? Ein Grund mag sein, dass man Finanzierungsfragen streitig stellt. Da sind wir natürlich dabei zu sagen, auch da muss es eine Gleichbehandlung der Schulen in freier Trägerschaft geben. Hier ist Bremen auch noch meilenweit von den Notwendigkeiten entfernt.

Es gibt neueste Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die sagen, ähnlich wie schon die Steinbeis-Gutachten, wir hinken hier weit hinterher. Es gibt aber auch noch einen anderen Punkt, den man schlichtweg sehen muss. Es wird hier versucht, und das ist meiner Meinung nach nicht mit dem Recht vereinbar, das Schulmodell aus Oberschulen und Gymnasien den Schulen in freier Trägerschaft aufzuzwingen, und das ist, so glaube ich, nicht zulässig. Meine Rechtsauffassung, die von anderen auch geteilt wird – ich weiß, dass die Behörde da eine andere hat und das auch schon bei anderen Schulen versucht oder durchgesetzt hat –, ist, dass diese Schulen auch unter ihrem Dach verschiedene Modelle anbieten können, die sich natürlich an dem staatlichen Schulwesen orientieren, aber dieses nicht eins zu eins übernehmen müssen. Wir haben doch auch Schulen, die in ihren Grundschulen parallel klassenund jahrgangsübergreifenden Unterricht anbieten.

Auch zwei verschiedene Formen sind möglich, also soll man doch nicht versuchen, an diesem Punkt festzumachen, dass man hier die Genehmigung der Oberstufe verschleppt. Ich bin aber auch der Auffassung, dass man eine Behörde nicht auffordern kann, jetzt etwas zu tun, das auch im nächsten oder übernächsten Monat getan werden kann. Das muss man in der Tat auch ehrlicherweise sagen. Insofern wünsche ich mir, und wir als FDP in der Bremischen Bürgerschaft wünschen uns, dass diese Genehmigung bald erteilt wird. Aus unserer Sicht spricht auch bisher nichts dagegen. Wir haben keine Kenntnisse, die dagegen sprechen würden. Aufgrund der Privatschulfreiheit können die Schulen in freier Trägerschaft unserer Auffassung nach nicht gezwungen werden, die

ses Schulmodell zu übernehmen, und deswegen besitzen sie auch die Möglichkeiten, anders darauf eine Oberstufe aufzusetzen.

Wie gesagt, die Behörde ist da Herrin des Verfahrens. Es ist nicht notwendig, dass die Entscheidung jetzt kommt, damit das zum nächsten Schuljahr angefangen werden kann. Die Schule hat sich das phasenweise gewünscht. Es soll dann zum Schuljahr 2012/ 2013 starten, so die Schule, und das ist dann auch so, dass man dann sagen kann, dann wartet man noch, bis die Klärungen herbeigeführt sind.

Deswegen, weil wir formal sagen, die Behörde kann hier nicht gezwungen werden, schnell etwas zu machen, enthalten wir uns. Inhaltlich sind wir aber sehr dafür zu sagen, diese Oberstufe muss genehmigt werden! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es geht auf der einen Seite um die Förderung von Privatschulen auf der Ebene von Grundschulen und auf der anderen Seite auf der Ebene einer Oberstufe. Wir haben bei der Grundschule die Situation, dass wir keine privilegierte Zuordnung der Schülerinnen und Schüler haben, wenn sie ab Klasse fünf in das öffentliche Bildungssystem wechseln wollen. Wenn sie wechseln wollen, begrüßen wir das selbstverständlich, und wir freuen uns, wenn die öffentlichen Schulen attraktiv für alle Eltern sind. Wir wollen die Grundschulen in privater Trägerschaft aber nicht fördern, da wir das gemeinsame Lernen in öffentlichen Schulen fördern wollen. Wir möchten öffentliche Schulen für alle attraktiver machen, und das gilt auch für die Situation von Oberstufen, und deswegen werden wir auch den anderen Antrag, der von der CDU eingereicht wurde, nicht befürworten.

Die öffentlichen Schulen attraktiver zu machen, ist nicht nur, aber auch eine Sache der finanziellen Mittel. Ich möchte bei der Gelegenheit noch einmal festhalten, dass dankenswerterweise seitens der CDU, der Fraktionsvorsitzende vor in etwa einer Woche Schülerinnen und Schülern des Alten Gymnasiums versicherte, dass sie nicht für Kürzungen in der nächsten Legislaturperiode eintreten werden, dass er zumindest der Meinung ist, die Bildungsrendite müsse voll der Bildung zugutekommen, und ich bin etwas erschüttert, dass ausgerechnet von den Grünen daran jetzt gekratzt wird. Ich hoffe, dass sie jetzt nicht auch noch die privaten Schulen fördern wollen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör. Abg. Güngör (SPD)*): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Rohmeyer, ich freue mich, dass Sie heute diese Debatte mit uns führen dürfen. Das Anwahlverfahren haben wir schon öfter gemeinsam diskutiert, und wir wissen, dass die staatlichen Grundschulen den weiterführenden Oberschulen zugeordnet sind. Jetzt fordern Sie hier, dass wir die privaten Grundschulen auch den regionalen Oberschulen zuordnen, andernfalls unterstellen Sie hier eine Benachteiligung.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Können!)

Genau, können! Darauf komme ich gleich.

Die Behauptung einiger Christdemokraten in den Beiräten – in einem Stadtteil, in dem Sie früher auch einmal aktiv waren –, dass die Schüler inzwischen auch mit dem neuen Aufnahmeverfahren geringere Chancen hätten, ist einfach nicht wahr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will Ihnen noch einmal ganz kurz, auch wenn wir es schon öfter getan haben, erläutern, wie wir eigentlich aufnehmen! Die regionale Zuordnung ist das dritte Zuordnungskriterium nach den Härtefällen und dem Leistungskriterium, das für eine gute soziale Durchmischung auch notwendig ist. Diese Kriterien sind ja auch nur für den Fall von Bedeutung, dass die Oberschulen überangewählt sind. Der Erhalt der pädagogischen und sozialen Bezüge, die sich durch den gemeinsamen Besuch der dem Elternhaus nächstgelegenen Schule bilden, sind Argumente, die für eine regionale Zuordnung von Grundschulen zu weiterführenden Schulen sprechen. Das trifft aber im Fall der Privatschüler weniger zu, denn sie sind ganz bewusst nicht Teil dieser Zusammenhänge, sondern ihre Eltern haben sich vielmehr auch ganz bewusst dem öffentlichen Bildungssystem entzogen und einem privaten Bildungsträger Vorrang gegeben.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das ist ideo- logische Ausgrenzung!)

Das hat nichts mit Ideologie zu tun. Wenn Sie zuhören, verstehen Sie das.

Aus meiner Sicht ist damit nicht zu rechtfertigen, warum gerade bei den besonders attraktiven und daher überangewählten Schulen Privatschülerinnen und Privatschüler gegenüber allen anderen Bewerberinnen und Bewerbern aus ebenfalls nicht zugeordneten Grundschulen bevorzugt werden sollten. Das ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ist unlogisch! Dazu sind private Grundschulen, lieber Herr Rohmeyer, stadtweit anwählbar.