Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat, dass Sie von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch machen möchten, sodass wir dann gleich in die Beratung eintreten können.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Konzept der Regierung zur Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik vom Juli 2008 stellt der Wirtschaftssenator wörtlich fest, das Land Bremen müsse seine Position als erste Gründungsadresse im Nordwesten Deutschlands weiter ausbauen. Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage besagt aber leider das Gegenteil. Das ehemals bundesweit als Leuchtturm ausgezeichnete Gründungsnetzwerk B.E.G.IN hatte schon unter der Haushaltssperre 2007 massiv gelitten, und nun wurde es weiter drastisch zusammengekürzt. Die Folge bleibt nicht aus: Die Gründungszahlen sind rückläufig, und das in einer Zeit, in der wir mehr denn je jede Gründung und jeden Arbeitsplatz dringend brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Regierung gefährdet ein Projekt, das in zehn Jahren über 15 000 Gründungen begleitet hat und das maßgeblich dazu beigetragen hat, dass 23 000 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert werden konnten. Für dieses Engagement hat das Land bisher jährlich rund 950 000 Euro bereitgestellt. In zehn Jahren sind also pro Gründung 630 Euro und pro Arbeitsplatz 413 Euro eingesetzt worden. Ich glaube, günstiger und effektiver kann man eine Wirtschafts- und Arbeitsplatzförderung wohl kaum machen!

(Beifall bei der CDU)

Nun werden jährlich 200 000 Euro gestrichen. Im Einzelnen sieht das so aus: Es sind bereits eineinhalb Stellen abgebaut worden, die Sachmittel werden gekürzt, das Marketing ebenso, und Bremen-Nord, ein besonderer Brennpunkt der Arbeitslosigkeit, hat kein Büro mit einem dauerhaft anwesenden Ansprechpartner mehr. Trotzdem erklärt der Senat, man gehe davon aus, dass gleichbleibende Arbeit geleistet werden kann. Ich denke, das ist völlig unrealistisch.

(Beifall bei der CDU)

Eineinhalb Sachbearbeiter weniger bedeuten, dass es längere Wartezeiten bei B.E.G.IN gibt, dass die Intensität der Beratung geringer wird, dass die Work

shops mit weniger Mitarbeitern durchgeführt werden müssen, und darunter wird natürlich die Quantität der Gründungen leiden. Weniger Marketing wird weniger Gründungsinteressierte ansprechen und motivieren. Schon heute wird keine Beratungsförderung mehr von der BIG ausgezahlt, und Unternehmen in Schwierigkeiten, das wissen Sie auch, werden nicht mehr gefördert, das ist gestrichen worden. Auch das Angebot in Bremen-Nord, anders als in der Antwort dargestellt, wird reduziert. Heute sind dort täglich Mitarbeiter von B.E.G.IN ansprechbar, in Zukunft können nur noch im Einzelfall in den Räumen der BIG Gespräche organisiert werden.

Insgesamt, sehr geehrter Herr Staatsrat, werden Sie mit den reduzierten Mitteln das heutige Niveau von Gründungen weder qualitativ noch quantitativ halten können. Das, was Sie uns hier verkaufen wollen, ist nur das Prinzip Hoffnung. Damit vernebeln Sie, dass es Ihnen eben gerade nicht gelingt, erfolgreiche Strukturen zu erhalten. Dabei hätten wir das bitter nötig, denn wir haben uns in der Gründerszene heute mit Mühen an den Bundesdurchschnitt herangearbeitet und dürfen nicht wieder zurückfallen, sondern müssen mehr tun.

(Beifall bei der CDU)

Das Argument, das Sie in der Vorlage erwähnen, die Arbeitslosenzahlen gingen zurück und damit auch der Bedarf an Gründungen, kann angesichts der aktuellen Situation nun wirklich nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall bei der CDU)

Wir haben immer noch eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote, die uns keinesfalls zufriedenstellen kann, sondern uns fordert, ganz besondere Anstrengungen zu unternehmen, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauszubekommen.

Sehr geehrte Regierungskoalition, Sie werden – das haben Sie schon mehrfach getan – nun gleich wieder sagen, alles wäre dem Sparzwang geschuldet. Das Zurückfahren der Wirtschafts- und speziell der Gründungsförderung ist aber eine Folge Ihrer politischen Schwerpunktsetzung, denn die Wirtschaftspolitik steht in Ihrem Regierungsprogramm eben leider nicht an erster Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Der Bürgermeister hat zwar gerade in der Presse noch einmal erklärt, dass Wirtschaftspolitik ein wichtiger Schwerpunkt seiner Arbeit sei, aber zu sehen ist davon leider nichts.

Im Übrigen könnte man ja auch an anderer Stelle sparen. Sie bauen Doppelstrukturen im Gründungsbereich auf, einmal im Arbeitsressort und einmal bei B.E.G.IN. Wenn Sie zum Beispiel das Projekt „Grün

dungsfabrik“ in das B.E.G.IN-Netzwerk integrieren würden, könnten Sie hier erheblich Geld sparen, was Sie der Gründungszene insgesamt wieder zur Verfügung stellen könnten.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Staatsrat, Ihr Senator hat auf seiner Sommertour – man kann das in der Presse vom 1. August 2008 nachlesen – erklärt, er wolle die Förderinstrumente bei der Gründung stärken, er wolle mehr machen und mehr helfen. Der Bürgermeister spricht sich für mehr Wirtschaftsförderung aus. Vielleicht kann der Senator den Bürgermeister um Hilfe und um Unterstützung im Gründergeschehen insgesamt bitten.

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme, an denen sicherlich auch Bremen nicht ganz folgenlos vorbeikommen wird, brauchen wir verlässliche Strukturen, und zwar für alle Bereiche: Für Hightech-Gründungen, für Frauenbetriebe genauso wie für die Selbstständigkeit von Migranten. Wir erwarten daher, dass der Senat seine Entscheidung, die er zur Gründungspolitik getroffen hat, korrigiert. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Liess.

(Abg. F o c k e [CDU]: Tja, Herr Liess, was haben Sie dazu zu sagen?)

Ich werde mich gleich zum Orakel äußern! Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir war ursprünglich eigentlich gar nicht klar, worauf die CDU jetzt hinaus will, jetzt wissen wir es ja wieder. Ich will einmal mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen anfangen! Ich glaube, es ist ein Irrtum, wenn man denkt, dass, wenn man eine Struktur hat, sie allein schon den Erfolg von Handeln und von Beratung garantiert. Sie haben in der Antwort des Senats gelesen, dass der Bereich der Startmesse einer ist, der der Umorganisation bedarf. Insofern ist es richtig, dass man auch die Strukturen, die man hat, jeweils den Bedarfen anzupassen hat. Von daher greift in dem Fall, finde ich, der kausale Zusammenhang, dass wir eine gute Struktur haben und sich eine gute Leistung daraus ableitet, zu kurz.

Im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen, dass in der Senatsantwort beschrieben worden ist, dass die Angebote, die insgesamt zur Verfügung gestellt werden, auch weiterhin aufrechterhalten werden. Jetzt sind wir bei dem Punkt: Was glauben wir denn ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

jeweils? Das ist das, was wir, glaube ich, in der vorletzten Bürgerschaftsdebatte schon einmal hatten, als der Kollege Dr. Schrörs hinsichtlich der Gewerbeflächen gesagt hat, er glaube ja, dass es in Bremen nun zu Abwanderungen komme. Sie, Frau Winther, glauben ja, dass wir uns nun insgesamt verschlechtern.

(Abg. Frau W i n t h e r [CDU]: Es ist doch schon so!)

Ich glaube demgegenüber, dass wir uns die Situation zunächst einmal ansehen müssen.

Ich sage Ihnen deutlich, B.E.G.IN ist für uns ein Erfolg. Es ist eine große Leistung, die zu einem relativ geringen Preis erbracht worden ist. Es ist für uns auch so, dass wir bei dieser Kürzung von 200 000 Euro sehr genau darauf schauen, die für 2009 vorgesehen ist. Für mich ist das bei der Finanzzuweisung für den Bereich B.E.G.IN nicht das Ende, weil ich Ihnen deutlich sage: Wenn wir die Tendenz erkennen sollten, dass die Beratungsangebote nicht mehr zu der Gründungsintensität führen, dass die Gründer insgesamt mehr Schwierigkeiten haben, bin ich sehr dafür und dann werden wir es auch tun und im nächsten Haushalt mehr Mittel einsetzen müssen. Das wird gar nicht anders gehen.

Wir wissen alle gemeinsam, dass mit den Gründern auch ein Stück weit Strukturwandel in unserem Land betrieben wird. Von daher ist es notwendig, diesen Bereich ganz besonders zu fördern. Ich bin aber noch nicht so weit zu sagen: Ich trete hier der CDU bei, die sagt, dass diese Kürzung, wie sie im Augenblick vorgesehen ist und von der der Senat sagt, dass sie auch so vertretbar ist, nicht vertretbar ist. Im Übrigen sagen Gespräche, die man mit einigen Verantwortlichen im Bereich B.E.G.IN führt, ähnliches. Jetzt gleich die Flinte ins Korn zu werfen und den Versuch hier nicht zu machen, diese Mittel auch einzusparen – –.

Von daher, meine Damen und Herren, bewegen wir uns wieder auf die Frage des Glaubens zu, was denn die Zukunft so bringen wird. Ich möchte mir erst einmal ansehen, was die Zukunft so bringen wird, sage aber auch deutlich: Wenn es hier negative Veränderungen gibt, müssen und werden wir gegensteuern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Auch ich halte die BremerExistenzGründungsinitiative für ein Erfolgsmodell. Ich glaube, an der Stelle sind wir uns hier im Haus schlichtweg auch einig. Ich finde, um das vor allem auch noch einmal hervorzuheben, den Netzwerkcharakter von B.E.G.IN außerordentlich erfolgreich. Sie ist ja nicht nur mit der Handwerks- und der Handelskammer und mit belladonna verbunden, sondern auch mit ganz vielen anderen Institutionen netzwerkartig verbunden, ge-rade um Existenzgründung zu erleichtern, zu ermöglichen, manchmal aber auch, um davon abzuraten, weil das wirtschaftliche Risiko deutlich erkennbar ist. In beide Richtungen macht B.E.G.IN eine außerordentlich gute Arbeit.

Ich bin selbst sehr stark und auch schon sehr lange wirtschaftspolitisch unterwegs, um sagen zu können, man muss sehr deutlich auf die Existenzgründung schauen, man muss sehr deutlich auf Kleinstund Kleinunternehmen schauen, weil auch das ein eigentlich sehr bedeutender Anteil beim Strukturwandel ist. Große Industrien sind schwere Tanker, kleine Betriebe flexibel, schnell zu gründen. Sich mit einer guten Idee am Markt zu behaupten, ist durchaus eine ganz wichtige Funktion, auch im Strukturwandel, auch in der wirtschaftspolitischen Aufstellung hier im Bundesland Bremen. Das lassen Sie mich vorweg sagen!

Frau Winther, allerdings zu sagen, das Projekt sei gefährdet, schießt meiner Meinung nach weit über das Ziel hinaus. Ich hätte aus meiner Sicht auch darauf verzichtet, die Kürzungen zu machen, um das ganz deutlich zu sagen, mir tut das in der Seele weh, einfach auch aus meinem ökonomischen Verständnis heraus. Aber – und an dieser Stelle sage ich wirklich noch einmal aber – wenn wir uns den Bremer Haushalt anschauen, dann können Sie, Frau Winther, nicht einfach nur sagen, Wirtschaft gibt zu wenig Geld aus. Nein, die Wirtschaft muss genau wie alle anderen Ressorts einen Beitrag zur Haushaltssanierung leisten

(Abg. F o c k e [CDU]: Einen Schwer- punkt!)

und Schwerpunkte setzen, ja, richtig! Wir sparen jetzt im Bereich B.E.G.IN 200 000 Euro ein. Sie sagen, in Bremen-Nord gäbe es nunmehr keine Beratung. Ich lese dann an dieser Stelle doch mit Genehmigung des Präsidenten einmal kurz den Bericht vor: „Die B.E.G.INGründungsleitstelle betreibt in Bremen-Nord kein Büro. Gründerinnen und Gründer hatten in den letzten zwei Jahren jedoch die Möglichkeit, in den Räumen des Projekts ReSoStar Beraterinnen und Berater zu treffen.“ Im Weiteren steht dann, dass die Räumlichkeiten nunmehr bei der BIG sind und dass die Beratung in Bremen-Nord durchaus weiter aufrechterhalten wird. Sagen Sie also nicht, in Bremen-Nord würde gar nichts mehr passieren! Das finde ich nicht fair, denn die Antwort liegt ja nun öffentlich vor, die können

Sie nachlesen. Es ist eine zumindest nicht ganz so präzise Aussage Ihrerseits gewesen.

Wir haben lange darum gerungen, nicht nur Herr Liess, nicht nur ich und nicht nur das Wirtschaftsressort, wie wir damit umgehen sollen. Wir haben festgestellt: An ein paar Punkten kann man tatsächlich Einsparungen vornehmen, ohne dass es wehtut, denn erstens glauben wir, dass die Start-Messe sowieso neu aufgestellt und neu diskutiert werden muss.

Zweitens – und da bin ich auch wirtschaftspolitisch durchaus geneigt, dem zuzustimmen – ist diese Meisterprämie abzuschaffen, weil ich in diesem Haus schon öfter gesagt habe, dass ich für den Meisterzwang ohnehin nicht unbedingt zu haben bin, weil ich glaube, dass das ein Marktzugangshemmnis ist. Ich weiß nicht, ob ich das mit den Sozialdemokraten gleich sehe, es ist jedenfalls meine Position an der Stelle. Da kann man durchaus Gelder einsparen, ohne dass es deutlich wehtut.

Dann kommt der Punkt, den ich dazu noch erwähnen muss. Das Ressort hat durchaus in Absprache mit den B.E.G.IN-Mitarbeitern diese Maßnahmen beraten und auch einvernehmlich beraten. Tun Sie also nicht so, Frau Winther, als würde man den Stab über diese Initiative B.E.G.IN brechen!

(Abg. Frau W i n t h e r [CDU]: Das Personal ist weg!)

Ganz im Gegenteil, wir werden, und da teile ich die Auffassung von Herrn Liess, sehr sorgfältig darauf achten, wie sich das künftig entwickeln wird. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir im Zweifel schauen, dass wir an der Stellenschraube noch einmal nachjustieren müssen. Wie gesagt, wirtschaftspolitisch finde ich das bedauerlich, aus meinem Bedauern will ich an dieser Stelle auch überhaupt keinen Hehl machen. Ich sehe aber die Sachzwänge des Bremer Haushalts, und ich sehe vor allen Dingen auch, und ich finde das Argument auch immer extrem bedauerlich, dass gesagt wird, der Wirtschaft wird zu viel Geld weggenommen. Es gibt eine gesamtstaatliche Verantwortung in diesem Bundesland. Das heißt, wir müssen auch in anderen Bereichen schauen, dass wir mit wenig Geld vernünftige Sozialpolitik, vernünftige Bildungspolitik, vernünftige Politik im Gesundheitsweisen hinbekommen, und das ist schwer genug.

Ich sage Ihnen: Wenn man die gesamtstaatliche Verantwortung ernst nimmt, dann muss man auch in diesen Bereichen möglicherweise ein kleines bisschen kürzer treten. Das Projekt B.E.G.IN ist aus meiner Sicht jedenfalls in seiner Existenz überhaupt nicht bedroht oder gefährdet, sondern wir werden das erfolgreich weiterführen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Ella.