Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Dann lassen Sie sich einmal von den Mitgliedern des Aufsichtsrats erklären, was nach der Übernahme von Herrn Rüttgers in den Gremien von WestLB diskutiert worden ist, wie die Politik der WestLB sich verändert hat! Aber das will ich nicht hier vertiefen, Herr Röwekamp, weil wir hier in der Bremischen Bürgerschaft sind und darüber reden müssen, wie wir

diesen notwendigen Mentalitäts- und Politikwechsel angehen! Es braucht deutlich einen Politikwechsel, der natürlich den Punkt aufgreifen muss, dass das einzelne Verhalten von Banken dies nicht allein ausgelöst hat. Dass es eine politische Verantwortung gibt, würde ich immer unterstreichen!

Es gab diesen politischen Mentalitätswechsel in den Achtzigerjahren. Wer erinnert sich noch an Frau Thatcher in England und Herrn Reagan in den USA? Damals setzte dieser politische Wechsel zu Liberalisierung und Deregulierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ein. Das ist die Ursache dessen, was wir jetzt am Ende des Tages einzusammeln haben. Dazu gehört die Herausbildung – ich finde, auch das muss man als Ursache mit benennen – exorbitant hoher Vermögen, die dazu geführt haben, dass diese Finanzblase entstanden ist, diese Verselbstständigung des Geldmarktsektors gegenüber der realen Wirtschaft, die heute dazu führt, dass die reale Wirtschaft, in der produziert wird und Dienstleistungen für die Menschen erbracht werden, unter Finanzierungsdruck kommt. Das sind die Zusammenhänge, denen man sich zuwenden muss. Deshalb werden wir, wie Frau Bürgermeisterin Linnert es hier bereits gesagt hat, konkrete Forderungen nicht allein auf der nationalen Ebene anfassen können, sondern wir werden sie im europäischen Maßstab angehen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich halte das für den richtigen Bezugspunkt, meine Damen und Herren! Es wird darum gehen, dass man nicht mehr zulässt, dass die Banken Eigenkapital nicht einsetzen müssen, um Verbriefungen zu machen, und dass Handel mit Kreditpaketen laufen kann. Ich bin auch der Auffassung, dass die Hedgefonds, die wichtige Firmen wie Grohe auch in Deutschland zerstört haben, in ihrer Aktion zu verbieten sind!

(Beifall bei der SPD)

So weit muss man am Ende gehen, und man wird, wenn man über die europäische Ebene spricht, auch die Basel-II-Regulierungen angehen müssen, die nämlich erst vor wenigen Jahren große Freiheiten geschaffen haben. Wir brauchen so etwas wie Basel III, aber wieder mit einer Stärkung öffentlicher Einrichtungen, und eine europäische Ratingagentur. Das, Frau Bürgermeisterin Linnert hat es richtig angesprochen, ist eine richtige Forderung und muss genau angegangen werden!

(Beifall bei der SPD)

Soweit zu der großen Richtung, die ich hier extra anspreche, weil wir sie in unserem Antrag, den wir Ihnen gestern gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt haben, auch ansprechen! Als Landes

parlament kommen wir ja nicht nur in die Verantwortung, das alles mitzutragen, sondern wir stehen auch auf allen Ebenen in der Verantwortung, diese Punkte mit voranzutreiben und mit anzugehen.

Auch aus aktuellen Gründen möchte ich als zweiten Punkt das Konjunkturprogramm ansprechen, das die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, und zwar deshalb, weil dort insgesamt klar ist, dass wir Wachstumseinbußen zu zeitigen haben werden, das muss man wohl heutzutage leider so sagen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch deutlich machen, dass das Programm, das dort vorliegt, noch nicht das letzte Wort sein darf!

(Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr froh, dass die SPD-Bundestagsfraktion gestern das Thema der Steuerbefreiung im KfzBereich angefasst und reduziert hat.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist notwendig! Ich teile die Aussage des rheinland-pfälzischen Finanzministers Deubel, der gesagt hat, mit einer solchen Politik mache die Bundesregierung die Menschen verrückt. Man kann nicht jetzt CO2-emittierende Autos steuerlich reduzieren, denn irgendwann muss und will man sie aus ökologischen Gründen wieder stärker besteuern, was die richtige Politik ist. Deshalb war dies die falsche Maßnahme, und es ist gut, dass es korrigiert wurde!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die richtige Antwort – dies bringen wir in unserem Antrag zum Ausdruck – lautet, dass man die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen verbessert. Das ist ein Teilpaket dessen, was die Bundesregierung auf den Weg bringt. Was aber, glaube ich, auch nicht hilft und nur zu Mitnahmeeffekten führen wird, ist die Wiederverbesserung von Abschreibungsbedingungen, die nur das wiederherstellt, was man gerade gestrichen hat. Das ist ein Hü und Hott in der Steuerpolitik, und das geht nicht! Ich bin dafür, dass wir öffentliche Investitionen stärken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich darf hier auch sagen: Natürlich ist es richtig – ich bin froh, dass solche ökonomischen Erkenntnisse wieder Raum greifen und man nicht nur auf Angebotsorientierung setzt –, die Kaufkraft der Menschen wieder zu stärken. In den letzten Jahren zwischen 2000 und 2007 sind die Einnahmen aus Gewinnen und Vermögen in Deutschland siebenmal so stark gestiegen wie aus Löhnen und Gehältern. Das darf thematisiert werden. Wenn man Löhne und Gehäl

ter wieder stärker steigen lässt, wird es dazu führen, dass wir eine Konjunkturstabilisierung erzielen. Deshalb drücke ich der IG-Metall die Daumen, dass wir einen vernünftigen Abschluss bekommen und damit Pilotcharakter bewirken.

Ich darf zu den Investitionen an der Stelle sagen – Herr Röwekamp hat das angesprochen –: Uns als Koalition ist sehr klar, dass wir uns gemeinsam an das Letzte halten wollen, was Sie angesprochen haben, Herr Röwekamp, nämlich dass wir den Rahmen für die Föderalismusreform und auch unsere eigenen Anstrengungen einhalten wollen, dass wir in Bremen aufgrund unserer Sondereffekte der letzten 15 Jahre die Investitionen reduzieren wollen. Wir als Koalition stellen uns trotzdem die Aufgabe, selbst die geringen Mittel – wir wissen, dass es sich um geringe Mittel handelt – zu sammeln und zu versuchen, Investitionen für die nächsten Monate und Jahre vorzuziehen, denn wir als Bundesland haben hier auch eine Handlungsverpflichtung!

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte einen letzten Aspekt ansprechen! Wir reden alle über die große Wirtschaft, Bürgermeisterin Linnert hat es in der Debatte aber bisher als Einzige angesprochen: Wir müssen uns auch um die Anliegen der Menschen mit kleinem Geld kümmern, die ihr Geld angelegt haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen zumindest dafür sorgen, dass sie gut beraten werden, wenn sie sich auf den Weg machen, sich von den Banken, von denen sie ganz offensichtlich nicht hinreichend gut beraten worden sind, ihren Schaden minimieren zu lassen, indem sie ihre berechtigten Forderungen einklagen können. Das ist der Hintergrund, vor dem wir uns dafür aussprechen, die Verbraucherberatung zu stärken. Wir tun dies in einer längerfristigen Perspektive in unserem Antrag, den wir Ihnen mit der Überschrift „Konsequenzen aus der Finanzkrise ziehen, politische Handlungsfähigkeit stärken“ vorlegen. In diesem Antrag sagen wir, dass dies nachhaltiger und länger geschehen muss. Wir haben Ihnen schon vor einigen Tagen einen Antrag zur konkreten Verbesserung der Verbraucherberatung in Bremen vorgelegt, und zwar für dieses und das nächste Haushaltsjahr, also eine Sofortmaßnahme. Ich will dies hier deutlich sagen: Ich freue mich, dass Frau Bürgermeisterin Linnert klargemacht hat, dass wir die Bundesförderung sichern und die Verbraucherzentralen stärken wollen, damit die Beratung verbessert wird, denn das brauchen die kleinen Leute, meine Damen und Herren, und dafür stehen wir hier!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

Mir bleibt nur noch, dafür zu werben – die Glocke höre ich wohl –, den beiden Anträgen, die die Koalition Ihnen hier vorlegt, zuzustimmen und sie zu beschließen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, da ich bereits weitere fünf Wortmeldungen vorliegen habe, ist Konsens, dass wir an dieser Stelle die Debatte unterbrechen und nach der Mittagspause fortsetzen.

Ich unterbreche die Landtagssitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.58 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Schüler und Studenten einer Arbeitsgemeinschaft Politik und Gäste und Mitarbeiter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft des Landesverbandes Bremen. Herzlich willkommen in unserem Hause!

(Beifall)

Bevor wir die Tagesordnung fortsetzen, möchte ich mitteilen, dass die Fraktion der FDP ihren Antrag unter Tagesordnungspunkt 10, Energiewirtschaftsbericht vorlegen, inzwischen zurückgezogen hat.

Wir setzen die Aussprache zu den miteinander verbundenen Tagesordnungspunkten zum Thema „Finanzkrise“ fort.

Als Nächsten rufe ich auf Herrn Kollegen Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Zwei Vorbemerkungen: Die Bankenaufsicht prüft meiner Meinung nach im Wesentlichen, ob das, was in den Banken passiert, rechtmäßig ist und nach gesetzlichen Bestimmungen abläuft, und nicht Risiken und Geschäftsmodell. Ich glaube, es ist eines der Probleme, mit denen wir zu tun haben, dass das, was da passiert ist, eben nicht verboten war. Es war erlaubt, es war gesetzmäßig und wurde wahrscheinlich deswegen auch nicht von den entsprechenden Aufsichtsbehörden kritisiert. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Für die Geschäftspolitik einer Bank ist meines Erachtens eher der Aufsichtsrat oder der Verwaltungsrat zuständig. Da liegt die Verantwortung für Risiken und die Zukunft eines Unternehmens, und ich meine, Herr Abgeordneter Röwekamp, als Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Bremerhaven sollten Sie das wissen. Sie haben auch wiederholt gesagt, dass wir die Bank einfach verstaatlichen wollen und dass man schon an der Bayerischen Landesbank und an der Sächsischen Landesbank sehe, dass das auch nicht hilft.

Sie können mir glauben, ich bin ziemlich sicher, das habe ich hier auch schon vertreten, dass die Eigentumsform zunächst überhaupt keine Garantie dafür bietet, dass sich innerhalb dieser Strukturen nicht wieder sich selbst bereichernde mafiose Beziehungsstrukturen herausbilden. Trotzdem muss man über eine bestimmte Form von Verstaatlichung der Banken nachdenken, damit nicht nur das Risiko verstaatlicht wird, sondern möglicherweise auch einmal der Gewinn. Solche mafiosen Strukturen bekommt man nur in den Griff, wenn man Transparenz und Partizipation, unanhängig von der Eigentumsform, einziehen lässt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es wurde schon gesagt, die Krise der Finanzmärkte kommt weder überraschend, noch ist es irgendeine Form von Naturereignis. Es ist eine gesetzmäßige Folge eines explodierenden Finanzmarktkapitalismus und wurde so von vielen kritischen Ökonomen, von Globalisierungskritikerinnen und Globalisierungskritikern und auch von Politikern, die dem Marktradikalismus nicht verfallen sind, lange vorhergesagt. Es wurden lange vorher Maßnahmen eingefordert, an ihrer Verhinderung zu arbeiten; das alles ist nicht passiert.

Sie ist letztendlich ausgelöst durch die geplatzten Immobilienkredite, verstärkt durch den dann zum Erliegen gekommenen Bankenhandel, und den Wertverfall der hochspekulativen Finanztitel. Die viel beschworene Gier der Bankmanager ist in diesem Zusammenhang tatsächlich nicht die wesentliche Ursache, sie ist eine ärgerliche Begleiterscheinung, die man nichtsdestoweniger bekämpfen muss. Sie sind natürlich in ihrem Agieren in ihrem Geschäftsbereich auch persönlich verantwortlich für das Versagen und für die persönliche Bereicherung, aber sie sind nicht die einzigen Verantwortlichen.

Die wesentliche Ursache, und Herr Dr. Sieling hat es gesagt, ist der weltweite Überschuss an Kapital. Die Frage ist: Woher kommt eigentlich dieses Geld? Auch diese Frage muss man beantworten, und man kann sie damit beantworten, dass weltweit und auch in der Bundesrepublik ein wesentlicher Anteil dieser Form von überschüssigem Kapital durch die Privatisierung der Rentensysteme organisiert worden ist

und natürlich auch durch eine Steuerpolitik, die auch in der Bundesrepublik gilt, die privates Vermögen und Unternehmensgewinne begünstigt. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, privater Reichtum ist ein ökonomisches Problem.

(Heiterkeit bei der CDU)

Privater Reichtum ist ein ökonomisches Problem! Wer das noch nicht begriffen hat, wer diese Beweise nicht sieht, dem ist nicht zu helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man darüber hinaus jedwede Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte, der weltweiten Finanzströme vernachlässigt und selbst abstruseste Finanztitel genehmigt, dann gibt es eben kein Halten mehr. Da sind wir bei dem zweiten Bereich von Verantwortlichen. Wenn man einmal die Statistiken anschaut, wird man bemerken, dass der von Herrn Dr. Sieling festgestellte überproportionale Anstieg von Unternehmensgewinnen im privaten Reichtum ein paar Jahre nach dem Regierungsantritt von Rot-Grün begonnen hat. Ich sage ganz deutlich: Da hat die rotgrüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder eine genauso große Verantwortung für diese Form von Krise, und sie hat genauso an ihrem Entstehen mitgewirkt durch ihre Politik wie die vielen Bankmanager, die jetzt zu Recht gescholten werden.

(Beifall bei der LINKEN)