Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Meine Damen und Herren, das Konjunkturpaket II ist bei allen Interpretationsversuchen, die hier stattgefunden haben, eben kein Sozialprogramm. Die soziale Schlagader dieser beiden Städte unseres Landes ist in den eineinhalb Jahren der Regierungszeit dieser Regierung hinreichend betont worden. Jetzt geht es wirklich einmal darum, die Leistungsträger anzureizen, sie zu Leistungen und zu Investitionen aufzufordern und zur konjunkturellen Nachfrage anzureizen. Das ist Aufgabe dieses Pakets. Es geht nicht um die Umverteilung, wie viele es wissen wollen, sondern es geht darum, Anreize für die Belebung der Binnennachfrage zu setzen, und da setzen wir auf die Leistungsträger.

(Beifall bei der CDU)

Das sind übrigens die Leistungsträger, Herr Frehe, die das ganze Geld verdienen, das Sie in Ihren Bereichen ausgeben. Hätten wir nicht die Bereitschaft

zur Solidarität von Leistungsträgern, über solidarisch finanzierte Sozialversicherungssysteme und über Steu-ern zur Umverteilung beizutragen, dann sähe es in unserem Land viel schlechter aus, und deswegen müs-sen wir auch die Leistungsträger im Blick haben, wenn wir über solche Maßnahmen reden.

(Beifall bei der CDU)

Das sind nicht nur Spitzenverdiener, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir reden nicht über die oberen Zehntausend. Wir reden über den Facharbeiter, der im Zulieferbetrieb für DaimlerChrysler jeden Tag für sein Geld arbeiten muss und der es vielleicht nach Jahren des Verzichts geschafft hat, endlich eine fünfprozentige Lohnerhöhung zu bekommen. Meine Damen und Herren, er muss von diesen fünf Prozent auch etwas haben, sonst strengt er sich in Zukunft nicht mehr an und finanziert die Systeme nicht mehr, über deren Geld Sie hier beliebig häufig reden.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen bin ich mir mit der FDP einig, dass wir nicht eine Senkung des Spitzensteuersatzes brauchen, dass wir nicht möglichst weiträumig bemessene Steuerfreibeträge für Reiche brauchen. Was wir aber brauchen, ist, dass die Menschen von den geringfügigen Gehaltsteigerungen, die sie jetzt gerade einmal wieder brutto haben, endlich einmal mehr in der Tasche haben. Das ist das, was wir brauchen, um in unserer Binnennachfrage endlich Konjunkturbelebung zu erzeugen. Nicht umverteilen, sondern Leistung belohnen, das ist das Motto der CDU-Bürgerschaftsfraktion!

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen zeigt sich bei den Beratungen um das jetzige Konjunkturprogramm auch, diese Regierung hat sich in den letzten Jahren auf eine Umverteilungsdebatte in den beiden Städten unseres Landes eingelassen. Man kann über die Große Koalition ja vieles sagen – einige haben ja diese Amnesie, dass sie nie dabei waren, andere waren schon immer dagegen –, aber eines hat diese Regierung der Großen Koalition in den vergangenen Jahren immer geschafft: Sie hatte immer mehr Projekte als Geld, und das hat diese Regierung umgekehrt.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Sie hat in dieser Situation tatsächlich und definitiv mehr Geld als sinnvolle, Herr Dr. Kuhn, und realisierbare Projekte. Meine Damen und Herren, es herrscht ein Mangel an Infrastrukturprojekten in den beiden Städten unseres Landes, weil diese Regierung

eineinhalb Jahre kein einziges Investitionsvorhaben gedacht, geschweige denn geplant hat.

Es wird schwer, das umzusetzen, was der Präsident des Senats gesagt hat: Es wird schwer, nicht ein Programm in Bremen und Bremerhaven aufzulegen nach dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden, jede Heizung wird repariert“. Es wird schwer, Kriterien zu finden, die tatsächlich dafür sorgen, dass wir nicht nur kurzfristig eine Beschäftigung erzeugen, sondern dass wir eben auch langfristig dafür sorgen, dass in die Stärken unseres Landes und seiner beiden Städte tatsächlich auch investiert wird. Deswegen habe ich gesagt – und die Reaktionen schon vorhergesehen –, am ehesten brauchen wir unverändert, auch in diesen Umbruchzeiten, in den beiden Städten unseres Landes Investitionen, Nebeninvestitionen in die Bildung und Investitionen in die Leistungsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts.

Wir werden auch diese Krise am ehesten schaffen und bewältigen können, wenn es uns gelingt, möglichst viele Menschen in Beschäftigungsverhältnissen zu halten. Aber wir müssen auch den Menschen, die noch keine Beschäftigungsverhältnisse in den beiden Städten unseres Landes haben, die nicht von ihrer eigener Hände Arbeit leben können, eine Perspektive schaffen, und deswegen ist jeder Euro, der in Gewerbefläche und Infrastruktur investiert wird, ein doppelter Euro. Er schafft kurzfristig Beschäftigung und langfristig arbeitsmarktpolitische Perspektiven für viele Menschen, die zwingend darauf angewiesen sind. Deswegen setzen wir die Priorität für wirtschaftliches Wachstum in den beiden Städten unseres Landes.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es fast fahrlässig – das will ich an dieser Stelle auch sagen, nicht aufgrund von politischem Lagerdenken –, wie diese Koalition mit der FDP umgeht. Ich bin jetzt nicht der Schutzengel der FDP und auch nicht der Bremer FDP,

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Um Gottes willen!)

aber jeder, der sich ein bisschen mehr mit dem Thema beschäftigt als Herr Dr. Sieling, muss wissen, dass das Neuverschuldungsverbot natürlich schnell miteinander politisch verabredet ist. Dass wir aber nach dem Regierungswechsel auch in Hessen, wo eben nicht diese Ypsilantis und Sielings gewonnen haben, sondern jemand, der mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der Lage ist, ein Land zu regieren, meine Damen und Herren.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn wir wissen, dass es auf dem Weg zur Umsetzung gerade der Maßnahmen, die uns in Bremen in die Lage versetzen sollen, perspektivisch an ein Neuverschuldungsverbot zu denken, eine Hilfe des Bundes und der Länder geben muss und dass wir den Konsolidierungspfad auf dem Weg dorthin nur in Solidarität mit dem Bund und den anderen Ländern schaffen können, meine Damen und Herren, müssen wir doch auch anschauen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat geändert haben.

Ich finde es zwingend erforderlich, dass wir in der Föderalismusreformkommission auch eine Übereinstimmung mit der FDP erzielen. Wir haben ohne sie keine verfassungsändernde Mehrheit mehr. Ohne die FDP wird es von daher auch keine Konsolidierungshilfen des Bundes für unser Bundesland geben. Deswegen braucht man sie nicht polemisch zu verteufeln, man kann sich mit ihren Argumenten auseinandersetzen. Es ist nur nervig, in welcher billigen Weise hier teilweise mit dieser Partei umgegangen wird. Ich finde das unverantwortlich, auch im Sinne unseres Landes, sehr geehrter Herr Dr. Sieling.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Ich schließe ab, indem ich sage, in Bremen müssen wir nicht nur das umsetzen, was in Berlin verabredet ist. In Bremen müssen wir auch eine ganze Menge eigene Hausaufgaben machen.

(Glocke)

Ich bin dafür, dass wir – –.

Herr Kollege Röwekamp, Sie haben den ersten Teil schon sehr ausgedehnt, und jetzt sind Sie schon wieder zwei Minuten über der verabredeten Redezeit. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen!

Ich komme zum Schluss, indem ich sage, auch Bremen braucht eigene Anstrengungen bei der Bewältigung der Konjunkturkrise. Ich bin dafür, dass wir unsere mittelständische Wirtschaft auch durch die Bremer Aufbaubank und Bürgschaftsbank eng begleiten, dass wir dort, wo es eng wird, auch lokal und kommunal über Kreditfinanzierungshilfen nachdenken. Ich bin dafür, dass wir die Vergabekriterien lockern, um Bremer Unternehmern und Unternehmerinnen möglichst schnell die Möglichkeit zu geben, auch an Auftragsvergaben heranzukommen, und ich bin dafür, meine Damen und Herren, dass wir das Geld tatsächlich für Investitionen nutzen und nicht für Umverteilung. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte

ich auf der Besuchertribühne recht herzlich Auszubildende der Zahnmedizinischen Fachangestellten des Schulzentrums Walle begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich fand, dass die letzte Diskussion, die jetzt angefangen hat, den heutigen Vormittag doch ein bisschen gerettet hat, weil es mit den Redezeitüberziehungen, die dann gekommen sind, es doch nicht so eine belebte Debatte wurde, wie wir sie uns gewünscht hatten, aber vielleicht tritt das jetzt ein.

Ich verstehe nicht ganz, was auf einmal für eine Diskussion hier in diesem Hohen Haus über den Staat geführt wird, weil es doch eigentlich sehr auf der Hand liegt, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren aus ideologischen Gründen Steuern immer weiter gesenkt wurden, dass damit der Staat in seiner Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt wurde, und es ist trotzdem Tatsache – –.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Wie haben sich die Steuereinnahmen des Staates denn entwickelt in den letzten Jahren? Mehr oder weniger?)

Ich sage noch einmal, ich finde es relativ klar, dass diese Tendenzen stattgefunden haben, und ich finde, es ist auch relativ klar, Herr Röwekamp: Wenn es in den letzten Wochen und Monaten nicht wenigstens noch Restbestände eines Staatsgebildes gegeben hätte, das handlungsfähig gewesen wäre, wäre Ihr gesamtes Finanzsystem und auch Ihr gesamtes System insgesamt abgeschmiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn das nicht so ist, Herr Dr. Buhlert, wenn Sie sagen, ja, ja, eigentlich ist es gar nicht so, dann ist das ein gelungener Coup der gesamten Finanzwelt weltweit, denn dann haben sie mit ihren Kreditvergaben nur den Staat und die Steuerzahler abgezockt, wenn dem so wäre, also vorsichtig mit diesen Argumenten!

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist sehr interessant, heute hier zu diskutieren, denn zufällig gestern – einige haben das vielleicht mitbekommen – wurde das Unwort des Jahres 2008 gekürt, und wie man sich vielleicht denken konnte, heißt das Unwort „notleidende Banken“. Die Jury – ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren – hat dazu gesagt: „Die Formulierung stellt das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise rundweg auf den Kopf. Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden die Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch die die Krise verursacht wurde, zu Opfern stilisiert“.

Das, meine Damen und Herren, finde ich, ist in der Tat der eigentliche politische Skandal, der hier abläuft, von mir aus auch ein ideologischer, aber auch ein ganz handfester Skandal, vor allem, wenn man dabei bedenkt – und ich finde, hin und wieder lohnt es sich auch einmal, den Kopf dafür frei zu machen –, dass diese sogenannten Opfer, diese „notleidenden Banken“ und deren Aktionäre, eigentlich die ganze Zeit vor der Krise durch ihre Dividenden und Boni bestens verdient haben. In der Krise erlaubten ihnen jetzt die Rettungspakete der Steuerzahler, dass sie finanziell zumindest keinen Schaden nehmen, und wie man auch gut bemerken kann, stehen viele schon wieder in den Startlöchern und sagen: Prima, jetzt geht es wieder richtig los, bald können wir mit dem Geldverdienen wieder durchstarten.

Sehr geehrte Damen und Herren, hier, sagt die LINKE, wird der Zynismus dieses kapitalistischen Systems in der Tat auf den Punkt gebracht, und das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einigen Einzelpunkten, Finanzkrise und Konjunkturprogramme, die wir jetzt auch wieder debattiert haben und die jetzt vorgelegt werden! Natürlich, das sagt auch die LINKE – das hat mein Vorredner ja schon deutlich gesagt –, gibt es Punkte, die wir in Ordnung finden, obwohl da vielleicht noch ein bisschen nachverhandelt werden muss, aber das sind Punkte, die grundsätzlich in Ordnung sind. Was mich aber doch sehr erstaunt und was jetzt irgendwie wieder auftaucht, ist – ich glaube, Herr Dr. Sieling hat noch einmal darauf hingewiesen –, dass wir eigentlich eine ganze Zeit hatten, in der selbst die Hohepriester des Neoliberalismus wie Herr Sinn auf einmal gesagt haben: Oh, da ist vielleicht ein bisschen über das Ziel hinaus geschossen worden, da muss man vorsichtiger sein.

Man sprach von der Gier der Menschen im Allgemeinen und der Banker im Besonderen, und man hat darüber nachgedacht, was man hier noch verändern könnte. Man hat gesagt, dass man vielleicht tatsächlich wieder ein bisschen die Finanzmärkte regulieren muss, und dann kam das Konjunkturpaket I, jetzt kommt das Konjunkturpaket II. Es gab eine ganze Reihe von begleitenden Maßnahmen, und man muss doch im Grunde genommen feststellen, dass es weder in Deutschland noch in Europa auch nur den kleinsten Ansatz der Überlegung gibt, dass Hedgefonds verboten werden, dass bestimmte schwierige Finanzpa

kete nicht mehr vorkommen sollen oder dass man überhaupt versucht, sich zu verständigen über eine Regulierung. Das ist doch unglaublich, das kann man doch nicht einfach so hinnehmen! Jeder weiß, wie die Krise entstanden ist und wie auch die Bundesregierung gerade Hedgefonds erst befördert hat, und dann produzieren sie die Finanzkrise, und das ist in der Tat auch in der Öffentlichkeit immer noch eine Verkehrung von Ursache und Wirkung, über die wir hier diskutieren.

Eine Steuersenkung – darüber haben wir vorhin auch schon einmal geredet, ja, ja! –, wurde Jahr für Jahr gemacht. Jetzt wurde wiederum die Einkommensteuer bei dem Konjunkturpaket II abgesenkt. Dazu muss man aber auch wissen, dass 50 Prozent der Haushalte und ein Viertel der Beschäftigten überhaupt keine Einkommensteuer zahlen. Durch dieses Regelwerk werden es vielleicht ein paar mehr werden, aber die große Mehrheit ist es im Grunde genommen nicht. Ich glaube, es war die „Süddeutsche Zeitung“, die dazu eine kleine Tabelle veröffentlicht hatte, mit der man sich einmal ausrechnen kann, was das bringt. Da kann man deutlich ablesen, dass jemand mit einem Jahresbrutto von 15 000 Euro mit zwei Kindern in der Steuerklasse II eine jährliche Entlastung von aufgerundet 27 Euro erhält.

Wenn man hingegen den gleichen Fall hat, also Steuerklasse III, zwei Kinder, allerdings das Jahresbrutto eines Bundestagsabgeordneten, also etwa 110 000 Euro, kommt man immerhin auf schon 380 Euro pro Jahr, um die man entlastet wird. Ob diese Entlastung überhaupt die Konjunktur ankurbelt, in dem geringen Bereich, ist auf der einen Seite fraglich, aber auf der anderen Seite ist völlig klar, das ist sozial unausgeglichen.

(Beifall bei der LINKEN)