Protokoll der Sitzung vom 21.01.2009

Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 20. Januar 2009

III. Eingabe gemäß § 70 der Geschäftsordnung

Schreiben von Herrn Gerd Coburg zu dem Farbanschlag auf das Ehrenmal für die bremischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf der Altmannshöhe.

Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionell Absprachen getroffen, und zwar zur Aussetzung des Tagesordnungspunktes 3, es handelt sich hierbei um Umsetzung des Handlungskonzepts „Stopp der Jugendgewalt“, sowie der miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte 8 und 9, Erleichterung der Volksgesetzgebung, des Weiteren der miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte 19 und 20, hier handelt es sich um das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, und des Tagesordnungspunktes 23, Studierende mit Migrationshintergrund.

Des Weiteren wurden Absprachen getroffen zur Verbindung der Tagesordnungspunkte 8 und 9, der Tagesordnungspunkte 12 bis 14, der Tagesordnungspunkte 19 und 20, der Tagesordnungspunkte 26 und 27 und der Tagesordnungspunkte außerhalb der Tagesordnung, die sich mit der Chancengleichheit von Jungen und Mädchen befassen.

Als Letztes wurden Vereinbarungen getroffen zur Vereinbarung von Redezeiten bei einigen Tagesordnungspunkten.

Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Abwicklung der Tagesordnung der Bürgerschaft (Landtag) wurde vereinbart, dass heute zu Beginn der Sitzung die Regierungserklärung des Präsidenten des Senats zum Thema „Konjunkturpaket II“ aufgerufen wird. Für die Aussprache über die Regierungserklärung ist für den ersten Redner je Fraktion eine Redezeit von bis zu 15 Minuten vereinbart worden. Im Übrigen wird nach Geschäftsordnung verfahren. In dieser Aussprache erhält als erster Redner nach dem Präsidenten des Senats der Vertreter der Fraktion der CDU das Wort, danach der Vertreter der SPD, vom Bündnis 90/ Die Grünen, von der LINKEN und der FDP. Im Übrigen wird nach der Reihenfolge der Wortmeldungen das Wort erteilt. Danach werden die Tagesordnungspunkte 1 und 2 behandelt.

Zu Beginn der Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) morgen Nachmittag werden der Tagesordnungspunkt 11, es handelt sich hierbei um „Freiberufliche Lehrtätigkeit nicht länger diskriminieren“, und im Anschluss daran die miteinander verbundenen Tagesordnungspunkte 12 bis 14 aufgerufen.

Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, wir treten in die in die Tagesordnung ein.

Regierungserklärung des Präsidenten des Senats zum Thema „Konjunkturpaket II“

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bedanken, dass wir in dieser neuen Form Gelegenheit haben, über ein wichtiges Thema für Deutschland und für Bremen zu debattieren. Einer der meist gesagten Sätze am Anfang dieses Jahres lautet, und ich halte ihn für richtig: Keiner kann seriös vorhersagen, wie schwer die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise Deutschland und seine Länder treffen wird! Es steht aber zu befürchten, dass wir die schärfste Rezession seit Gründung der Bundesrepublik erleben. Die heute in Berlin diskutierten Zahlen über den prognostizierten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland stützen die These, und wer den Bundesbankpräsidenten am Sonnabend bei der Eiswette gehört hat, der ebenfalls davon gesprochen hat, dass alle Indikatoren in diese Richtung weisen, der weiß, dass wir nicht ein Schreckenszenario malen, sondern dass wir von einer realistischen Annahme ausgehen müssen.

Uns ist auf drastische Weise vor Augen geführt worden, dass die Globalisierung nicht nur wirtschaftlich vorteilhaft ist, sondern dass sie zugleich auch bedeuten kann, dass die weltweiten freien Märkte und Warenströme dazu führen können, dass wir nicht nur regionale, sondern im Gegenteil regional nicht beherrschbare Krisen erleben und sogar ganze Volks

wirtschaften ins Wanken geraten, wenn Sie nach Ungarn, nach Island oder in die Staaten Südosteuropas schauen.

Fest steht, diese Krise ist kein Naturgesetz. Sie ist von Menschen gemacht worden, und ich sage einmal, wenn man mit Spekulationen mehr Geld machen kann als mit ordentlicher Produktion von Waren und Dienstleistungen, oder – um mit den Worten des Bundespräsidenten zu sprechen – wenn es mehr Banker als Bankiers gibt, dann sind wir dem Casino näher als der sozialen Marktwirtschaft! Das muss man als Ursache dieser Krise immer wieder benennen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Deshalb darf man nach meiner festen Überzeugung nicht allein über Rettungsschirme für Banken und Maßnahmenbündel zur Stützung der Konjunktur reden, sondern ich bin fest davon überzeugt, wir brauchen eine neue Orientierung auf die Prinzipien, nach denen wir wirtschaften und arbeiten, und dann lohnt es sich immer wieder, an die soziale Marktwirtschaft zu erinnern. Irgendjemand hat einmal gesagt: ein Kampf der Ideologie. Ich glaube es nicht, sondern wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft, aber mit den Prinzipien, die sie ausmachen und das sind zwei, das sind der freie Markt und gleichzeitig der soziale Ausgleich. Das ist die soziale Marktwirtschaft, und sich daran zu erinnern, dass beides zusammen gehört, das gehört auch nach meiner Überzeugung in diese Zeit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Auf den Finanzmärkten darf es nach Behebung von aktuellen Verwerfungen nicht heißen „Neues Spiel, neues Glück“, sondern auch dort brauchen wir weltweite Regeln, damit dies, was wir erlebt haben, nicht wieder geschehen kann. Ich will an dieser Stelle auch gern sagen, wir können in Bremen dankbar sein, dass wir mit der Bremer Landesbank ein Institut haben, das nicht in der Weise wie andere entsprechende Institute sich weltweit verhoben hat, sondern wirklich regional, auf unsere Region bezogen, eine gute, eine vernünftige Geschäftspolitik macht, und dafür will ich herzlich danken an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Staat hat in dieser Krise eine wahre Renaissance erlebt, auch und gerade bei denen, die bis vor Kurzem noch das Wort Deregulierung in jedem zweiten Satz erwähnt oder staatliche Eingriffe als Teufelszeug bezeichnet haben. Sie sind häufig die Ersten gewesen, die nach dem Staat gerufen haben. Ich glaube, der Staat hat sich entschlossen und handlungsfähig gezeigt. Ich erinnere an den Rettungsschirm für

die Banken und das Finanzsystem und das daraus folgende Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das im Oktober in einer historisch einmalig kurzen Zeit, nämlich innerhalb einer Woche und immerhin mit einem Volumen von etwa 500 Milliarden Euro – man vergisst die Dimensionen fast in dieser Zeit – über Bundestag, Bundesrat bis zur Unterzeichnung des Bundespräsidenten, in Kraft getreten ist.

Ich glaube, man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise durch nationale, durch regionale staatliche Maßnahmen und andere Maßnahmen wirklich beherrschbar ist, aber wir müssen alles tun, um die Folgen der Krise zu mildern. Wir müssen alles tun, um die Wirtschaft in der Krise zu stabilisieren, um Arbeitsplätze zu erhalten, um Perspektiven für neue Arbeitsplätze zu schaffen und, das scheint mir das Wichtigste zu sein, um Vertrauen und Zuversicht bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder zurückzugewinnen. Das ist nicht allein eine staatliche Aufgabe, dazu brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Arbeitnehmern.

Die Krise wird um Bremen sicherlich keinen Bogen machen, gerade weil wir ein exportorientierter Wirtschaftsstandort sind. Ich denke, auch wir in Bremen stehen vor bislang unbekannten Herausforderungen. Wir – Senat, Kammern, Unternehmensverbände, Gewerkschaften – haben in der vergangenen Woche in einem ersten Gespräch eine gemeinsame Einschätzung zur Lage in Bremen gefunden. Wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass die bremische Wirtschaft robust und gut aufgestellt ist. Handelskammer und IHK Bremerhaven haben vorgestern gemeinsam erklärt, dass Bremen für den zu erwartenden Konjunkturabschwung besser gerüstet sei als viele andere Standorte. Dennoch ist klar, dass die Auswirkungen der Krise auch im Lande Bremen deutliche Spuren hinterlassen. Ich habe mir heute Morgen noch einmal die vorläufigen Zahlen geben lassen, wie viele Menschen im Lande Bremen in Kurzarbeit sind. Das ist aktuell in etwa eine Größenordnung von 20 000 Menschen, und das zeigt, wie diese Krise auch uns erreicht hat.

Wir haben als Freie Hansestadt Bremen Verantwortung übernommen im Föderalismus in Deutschland. Wir haben beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz unseren Beitrag geleistet. Wir haben hier in der Bürgerschaft darüber debattiert. Das ist uns nicht leicht gefallen angesichts auch von uns zu übernehmenden Risiken. Wir haben die Verantwortung beim Konjunkturprogramm I übernommen, und wir wollen diese Verantwortung in Bremen und als eines von 16 Bundesländern auch beim zweiten Konjunkturprogramm zeigen. Dieses zweite Konjunkturprogramm, es ist ja noch nicht beschlossen im Bundestag und im Bundesrat, soweit es jetzt vorgeschlagen ist, wird das größte Stabilisierungsprogramm der Nachkriegszeit sein, und ich sage vorweg in einer Bewertung, ich halte die Gesamtrichtung und Orientierung dieses

zweiten Konjunkturprogramms für richtig, für notwendig, und ich halte es auch für sozial ausgewogen. Die Ziele dieses Programms sind klar. Es geht darum, Wirtschaft und Beschäftigung zu sichern. Es geht darum, öffentliche Infrastruktur zu verbessern. Es geht darum, den Menschen Perspektiven durch Bildung und Qualifizierung zu eröffnen. Es geht darum, Zukunftsmärkte zu erschließen, und, das ist die Klammer des Ganzen, es geht darum, den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken.

Der Senat begrüßt die Maßnahmen zur Stärkung des Einkommens und zur Unterstützung der Familien, die in diesem Konjunkturprogramm vorgesehen sind. Sie kommen unmittelbar der Binnenkonjunktur zugute, und sie wirken unmittelbar bei den Familien, bei den Menschen und bringen ihnen mehr Geld ins Portemonnaie. Die Senkung der Einkommensteuer durch Anhebung des Grundfreibetrags, die Senkung des Eingangssteuersatzes, das sind wichtige Punkte, die genau die erreichen, die wir erreichen wollen, nämlich untere und mittlere Einkommensgruppen.

Ich begrüße auch sehr, dass es eine Einmalzahlung, einen Kinderbonus von 100 Euro je Kind gibt, wobei ich für besonders wichtig halte, dass dieser Kinderbonus nicht mit den Bedarfssätzen bei den Beziehern von Sozialleistungen verrechnet wird, damit nämlich auch dort das Geld wirklich ankommt.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich begrüße sehr, dass die Regelsätze für Kinder im SGB-II- und im SGB-XII-Bezug erhöht werden. Es wird ja so sein, dass die 6- bis 13-Jährigen nicht wie bisher 60 Prozent, sondern in Zukunft 70 Prozent des Eckregelsatzes erhalten werden. Das ist eine wichtige sozialpolitische Maßnahme, und sie steht in der Tendenz, die wir als Freie Hansestadt Bremen durch Initiativen im Bundesrat auch befördert haben, wir begrüßen das deshalb.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße sehr die beschäftigungspolitischen Maßnahmen dieses Konjunkturprogramms. Da geht es um zwei wichtige Prinzipien: Vorrang von Kurzarbeit vor Entlassung und Qualifizieren statt Entlassen. Ich habe Ihnen soeben die vorläufigen Zahlen der Kurzarbeit in Bremen genannt. Da ist es ungemein wichtig, dass nach dem, was vorgeschlagen wird, allen in Kurzarbeit befindlichen Beschäftigten nach diesem Programm Qualifizierungsangebote unterbreitet werden können. Wir müssen alles in dieser Krise daransetzen, dass es nicht zu Entlassungswellen kommt, dass die Belegschaften der Unternehmen zusammenbleiben, denn sie sind das Potenzial, sie sind das Kapital der Unternehmen. Wir brauchen gut aufgestellte Unternehmen, und dazu gehören in aller

erster Linie die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer dieser Unternehmen, wenn es darum geht, aus der Krise heraus zu starten in einen Aufschwung.

Wir haben uns in dem erwähnten Gespräch am vergangenen Mittwoch mit den Kammern, den Verbänden und den Gewerkschaften gerade an diesem Punkt vorgenommen, dass wir hier in Bremen, gerade hier in Bremen, in der Zusammenarbeit wichtige Programme, wichtige Angebote, und zwar maßgeschneidert, anbieten wollen. Ich danke bei dieser Gelegenheit gerade für die Anregungen, die in diesem Zusammenhang von der Handwerkskammer gekommen sind, wir werden diese Anregungen aufnehmen und mit den genannten gemeinsam zu einem Programm zusammenfügen.

Meine Damen und Herren, das zweite Konjunkturpaket enthält den Vorschlag für die Einbeziehung weiterer fünf Branchen in den Mindestlohn, nämlich in das Entsendegesetz. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn darüber haben wir mehrfach diskutiert: Der Mindestlohn ist nicht nur eine Frage der Würde, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit und hilft gerade in diesem Zusammenhang sehr.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ob die Unterstützung des Automobilsektors durch eine Umweltprämie von 2500 Euro bei Verschrottung eines mindestens neun Jahre alten Fahrzeuges in jeder Hinsicht, so wie jetzt angedacht, eine vernünftige Maßnahme ist, darüber kann man in der Tat streiten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wünsche mir, dass die ökologische Lenkungswirkung dieser Umwelt- oder Abwrackprämie noch verbessert wird, dass sie nämlich nicht nur den Anreiz zum Kauf eines neuen Autos, sondern vor allem den Anreiz zum Kauf eines kraftstoffsparenden und mehr klimafreundlichen Autos bietet.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage Ihnen, auch nach der gestrigen Beschlussfassung der beiden Senate in Hamburg und Bremen: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir im weiteren Beratungsgang in Berlin hier noch Verbesserungen erreichen werden, und wir wollen uns, von Bremen jedenfalls, auch mit dafür einsetzen.

Meine Damen und Herren, auf jeden Fall positiv, uneingeschränkt positiv ist, dass möglichst, so wie das Konjunkturprogramm es vorsieht, zum 1. Juli 2009 eine Umstellung auf eine emissionsbezogene CO2basierte Kfz-Steuer kommen kann. Auch das ent

spricht den bremischen Vorstellungen, die wir im Bundesrat vorgetragen haben, eine gute, eine richtige, eine wichtige Maßnahme, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)