Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Frau Motschmann, ich kann nichts dafür, wenn Ihre Fraktionsvorsitzenden bisher keine Vorschläge gemacht haben, die etwas taugen! Entschuldigung!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Glauben Sie wirklich, dass wir in der Situation, in der die Krankenhäuser sind, noch einmal die Pferde wechseln? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich darauf verlassen können, dass wir ihnen eine Bürgschaft versprochen haben. Eine Bürgschaft ist kein Geld aus dem Haushalt, und es wäre auch sehr nett, wenn das endlich einmal noch ein paar mehr Leute verstehen könnten!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Es gibt ja noch gar kein Konzept!)

Ein Konzept für das Krankenhaus? Es gibt einen Senatsbeschluss über das Krankenhaus, es gibt das

medizinische Konzept, das gerade diskutiert wird, und daran wird genau geschaut, wie der Krankenhausbau sein soll.

Ihr Konzept besteht darin, dass wir jetzt gar nichts machen,

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Nein, dass wir einmal ernsthaft darüber reden müssen!)

sondern Sie verkaufen, und das ist wohl ziemlich unsinnig, einen solchen Weg zu gehen!

Noch einmal zu Ihrem Angebot, mit uns zusammen zu sparen! Ich kann mich ziemlich gut an das Agieren der CDU-Fraktion erinnern, als der Senat zu Beginn der Legislaturperiode die Beamtenbesoldung verschoben hat, was zugegeben ein unangenehmer, unpopulärer, aber leider kurzfristig viel Geld bringender Vorschlag ist. Deshalb: Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Wir werden mit dem Bund zusammen Verabredungen treffen, die wir heute noch nicht kennen. Der Senat ist verpflichtet, Flexibilität in diese Verabredung einzubauen, aber Prognosen müssen als das betrachtet werden, was sie sind, sie sind nämlich fehlerbehaftet, und je länger sie in die Zukunft gehen desto mehr. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, wo man steif und fest der Auffassung war, dass Bremen sich in eine Eine-Million-Einwohner-Metropole entwickeln wird, und diverse Planungen, was Straßen und Flächen betrifft, waren daran orientiert. Ich finde, das kann allen eine Lehre sein, auch denjenigen, die glauben, weil das Schwarzmalen zum politischen Grundwerkzeug gehört, dass man jetzt weiß, dass wir 2020 ruiniert sind.

Das Fortschreiben von Excel-Tabellen ist meiner Meinung nach das absolute Gegenteil von Politik.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Der Senat ist nicht Sklave der Zahlen, sondern wir rechnen und gestalten und rechnen dann wieder neu. Wir wissen, dass wir Flexibilität im Sanierungsweg brauchen und dass er aber ernsthaft sein muss.

Bremen ist nicht in einer einmaligen Lage, das ist auch ein großer Vorteil, der Steuereinbruch trifft alle. Es sind ja vier Sanierungsländer, und wir werden uns zusammen auf einen Weg machen, den wir hier selbstverständlich der Stadt gegenüber rechtfertigen, transparent machen und darum werben, dass sich viele Leute mit dem Vertrauen auf die eigene Gestaltungskraft auf einen Sanierungsweg machen und ihn nicht zum Scheitern erklären, ehe er überhaupt nur begonnen hat. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich Freunde und Mitglieder der SPD Oslebshausen und des SPD-Ortsvereins Oslebshausen! Seien Sie herzlich willkommen! (Beifall)

Grundgesetzänderung zum Neuverschuldungsverbot nicht unterzeichnen!

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 20. Mai 2009 (Drucksache 17/792)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag eingebracht, dass Bremen seine Zustimmung zu dem Neuverschuldungsverbot ab 2020 nicht erteilen und auch das Gesetz dazu zurückziehen soll, weil wir der Meinung sind, dass das die folgerichtige Konsequenz aus der Tatsache und aus der Debatte ist, die wir eben geführt haben, dass erstens die Geschäftsgrundlage dieses Sanierungspfades, nämlich halbwegs auskömmliche Einnahmen, weggebrochen ist und dass es angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise eine fatale Konsequenz ist, genau jetzt darüber nachzudenken, den Bund und insbesondere die Länder handlungsunfähig zu machen.

Ich will aber noch einmal kurz darauf eingehen, ob wir heute überhaupt eine Ahnung davon haben können, wie es 2020 aussieht. Ich sage, das können wir! Wir wissen mittlerweile, 2008 war hinsichtlich der Einnahmen ein ausgesprochen besonderes Jahr. Das war im Wesentlichen das letzte Strohfeuer des kreditfinanzierten Wirtschaftsaufschwungs in den USA. Wir wissen jetzt, dass die Einnahmen wegbrechen, wir wissen, dass ein Großteil der Einnahmeverluste nicht übernächstes Jahr zu Ende ist. Wir haben eine ungefähre Ahnung davon, weil es entsprechende Beschlüsse gibt, in welchen Größenordnungen das sein wird. Wir kennen unsere gesetzlichen Leistungen, wir kennen unsere Verträge in Bremen, wir wissen ungefähr, wie viel Geld wir eigentlich primär im Haushalt ausgeben müssen. Das kann man alles einigermaßen rechnen.

Wenn man sich dann die Frage stellt, wie viele Einnahmen wir denn haben müssen und wie diese Ein––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nahmen zustande kommen können, finde ich das eine völlig zulässige und nachgerade notwendige Form von Prognose, um sich zu entscheiden, ob man auf diesen Sanierungspfad geht oder ob man einen anderen Weg gehen muss. Ich sage ganz deutlich, angesichts der aktuellen Situation müssen wir einen anderen Weg gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben über den Begriff Ruin gerade debattiert, und ich habe mich belehren lassen müssen, dass man nur einen gescheiterten Weltkrieg als Ruin begreifen darf. Ich habe einen etwas niederschwelligeren Begriff davon. Ich nehme den Armuts- und Reichtumsbericht dieser Stadt, die soziale Segregation auf der einen Seite und halte sie auf der anderen Seite gegen ein mögliches Haushaltsszenario, das uns zwingt, in einem Maß zu kürzen, das unterhalb der gesetzlichen Leistung und vertraglichen Verpflichtung ist. Ich nenne das eine ziemlich schwierige Situation. Ich nenne das langfristig einen Ruin, auch wenn kein Weltkrieg vorausgegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, wir müssen über den Begriff Sparen diskutieren, weil wir nicht sparen. Wir legen nichts zurück für schlechte Zeiten, sondern Fakt ist, wir kürzen gesetzliche Leistungen, wir kürzen freiwillige Leistungen. Wir entlassen Leute, und wir schaffen eine öffentliche Daseinsvorsorge, die schlechter ist als die vor zehn Jahren und die vor 20 Jahren. Anders wird es nicht gehen, das ist Kürzen und nicht Sparen.

Wir müssen auch über Schulden diskutieren. Es wird immer so getan, als ob Schulden per se ab 2020 etwas wären, das sich der Staat nicht mehr leisten darf und das schlecht ist. Dann wird immer jedem Menschen zu Hause gesagt, stell dir vor, du hättest 150 000 Euro Schulden, wie schlimm wäre das? Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn ich dafür ein Haus habe und meinen Kindern dieses Haus vererben kann, dann sind 150 000 Euro für einen einzelnen Menschen nicht schlimm. Wenn er das Geld irgendwo verzockt hat, dann ist das ein Problem. Ich sage, es geht nicht um die Frage Schulden ja oder nein. Die spannende Frage ist, wenn man Schulden macht, wofür gibt man dieses Geld aus.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, wie zahlt man sie zurück, das ist die spannende Frage!)

Wir diskutieren jetzt auf der Bundesebene um ein Neuverschuldungsverbot, und ich will noch einmal kurz anreißen, warum dieses Neuverschuldungsverbot aus vielfältigen Gründen Unsinn ist. Wir wissen, wenn auf Bundesebene 0,35 Promille des Bruttoinlandsproduktes und auf Landesebene null Neuver

schuldung erlaubt sind, wird ab 2020 ein großer Teil von staatlicher Eigenständigkeit vollständig verloren gehen. Wir können dann nicht mehr kreditfinanziert in die Zukunft investieren. Das dürfen wir nicht mehr! Wir können uns auch dieser Frage nicht widmen, wie wir eine Konversion schaffen von der jetzigen Produktionsweise, die uns mit in die Krise getrieben hat, in eine Produktionsweise, die ökologischer und so weiter ist, ohne staatliches Geld, das möglicherweise über Kredite aufgenommen wird. Es wird nicht gehen!

Bislang war es so, dass die Bundesrepublik auf das föderale System stolz war. Die Bundesländer hatten eine Eigenständigkeit. Diese Form von Eigenständigkeit wird faktisch abgeschafft, wenn man nur noch zum Sachwalter der immer schmaler werdenden Einnahmen wird. Das Schuldenverbot ist in Bremen mit der Frage der Sanierungsbeihilfen gekoppelt. Ich habe nachgewiesen, dass diese Sanierungsbeihilfen, so verlockend 300 Millionen Euro sein werden, Bremen keinesfalls helfen, sondern nur die Illusionen einer Hilfe schaffen.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Verzichten wir da- rauf!)

Ja, ich verzichte auf die Sanierungsbeihilfen, Herr Dr. Kuhn.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Lassen Sie uns lieber Schulden machen!)

Nein, eben nicht! Wenn wir hier ernsthaft darüber reden, dass man einen Staat wie diese Bundesrepublik nur dadurch finanzieren kann, indem man gerechte und auskömmliche Steuern erhebt und nicht, indem man in guten Zeiten Steuern senkt und hinterher so tut, als wenn die Einnahmen weggebrochen wären wie eine Naturgesetzgebung, als wenn die Schulden entstanden wären wie ein Naturgesetz, und man könnte sie jetzt per Beschluss abschaffen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber wenn wir Steuern erhöhen, sind Sie auch dage- gen! Tun Sie doch nicht so, als seien Sie eine Steuererhöhungspartei!)

Wir sind dagegen! Wir sind keine Steuererhöhungspartei. Wir sagen, wir brauchen gerechte Steuern. Fakt ist, dass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen in diesem Land deutlich mehr Steuern bezahlen und dass hohe Einkommen, Unternehmensgewinne ständig weniger besteuert sind. Das ist die statistische Entwicklung, die wir umkehren wollen und die wir umkehren müssen, weil nur dort das Geld zu holen ist, welches wir brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schuldenbremse beziehungsweise das Neuverschuldungsverbot ins Grundgesetz zu schreiben, ist meines Erachtens eine völlig absurde Situation. Es ist nicht nötig, weil, gäbe es einen Beschluss, keine Neuverschuldung mehr zu machen, die Bundesregierung und die Landesregierung es auch beschließen könnten; wenn sie es sinnvoll finden, können sie es, ohne das Grundgesetz zu ändern, beschließen. Dazu müssen sie dieses Regelwerk nicht ändern, es sei denn, sie wollen den Zwang zur Privatisierung und zur Verehrenamtlichung ins Grundgesetz schreiben, und es sei denn, sie brauchen in der Zukunft irgendeine höhere Instanz, an die man sich dann hier wenden kann.

Die soziale Situation ist schlecht, und wir haben richtig große Probleme, und wir würden ja gern, aber wir können nicht, weil es im Grundgesetz steht. Wozu muss man das so tun? Wozu muss man eine Regelung ins Grundgesetz schreiben, die mit dem Gedanken von Eigenverantwortlichkeit und Finanzautonomie der Länder völlig unvereinbar ist? Wir haben über die ökonomischen und die gesellschaftlichen Folgen dieses Neuverschuldungsverbotes jetzt geredet. Ich bin der Überzeugung, deswegen werden wir als Fraktion auch entsprechend dagegen angehen.

Wir haben auch ein juristisches Problem. Meiner Meinung nach hätte der Senat diese Vorschläge gar nicht machen dürfen, weil sie eine Änderung der Landesverfassung implizieren, und diese Landesverfassung muss dann möglicherweise irgendwann geändert werden, und man kann durch die Hintertür die Verfassung offensichtlich ändern. Man kann im Bund einer Sache zustimmen, die uns zwingt, unsere Landesverfassung zu ändern. Ich halte das rechtlich für höchst problematisch. Wir werden eine entsprechende Prüfung beim Staatsgerichtshof veranlassen, der dieses Vorgehen daraufhin überprüft, ob es mit der Landesverfassung übereinstimmt, ob es nicht kritikwürdig ist, ob diese Form von Vorgehen überhaupt zulässig ist. Wir werden auch prüfen, ob angesichts der Situation, dass diese Neuverschuldung das Grundgesetz ändert und die Landesverfassungsänderung unausweichlich ist, nicht der Senat einen Bund-Länder-Streit in dieser Frage hätte zum Gegenstand machen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es gibt eine letzte Frage, die ich stellen muss. Wenn wir über das Neuverschuldungsverbot reden, dann finde ich es komisch, dass die Kollegen von der SPD und den Grünen es nicht bedenklich finden, dass sie so vehement in dieser Frage von der CDU und der FDP unterstützt werden. Meiner Meinung nach wirkt dieses Neuverschuldungsverbot so, dass sie auch in ihren Vorstellungen auf lange Sicht weder eine grüne noch eine sozialdemokratische Politik machen können, und ich fra

ge mich, warum Sie eigentlich Ihre eigene Politik unmöglich machen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Damit gehen wir selbstbewusst um!)