Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, wenn wir ernsthaft darüber reden, wie das Bundesland Bremen – sprich: die beiden Kommunen Stadt Bremen und Bremerhaven – aufgestellt sind, geht es um ganz andere Fragen. Wir könnten sagen – da könnten wir uns auch einigen –, Herr Knigge würde sich angesichts des Verhaltens des Oberbürgermeisters im Grab umdrehen, ich finde das auch nicht richtig, ich finde, er hätte an dem Treffen teilnehmen müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Das ist relativ einfach.

Worum es in der Tat aber eigentlich geht, sind die Probleme in einigen Projekten in Bremerhaven, und da haben Sie zu Recht auf die Havenwelten hingewiesen. Das ist ein Problem, wenn ein Projekt gemacht und kurz vor Ende gesagt wird, es könnten 50 Millionen Euro mehr sein oder noch mehr, so genau weiß man das noch nicht, das halte ich auch für ein Problem. Wenn ich mir den Projektverlauf ansehe und die entsprechenden Aktenvermerke durchlese, sehe ich sehr deutlich, dass es zumindest an der Stelle Fehler im Projektmanagement und der Projektsteuerung gegeben hat, das ist jetzt schon erkennbar. Ich finde aber die Vorwürfe, das sei Bremerhavener Finanzfilz, völlig verfehlt, denn Filz würde bedeuten, dass gemauschelt wurde, dass Vetternwirtschaft stattgefunden hat, dass der eine dem anderen etwas zugeschoben hat. All das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht im Ansatz erkennbar, und deswegen finde ich die Vorwürfe der LINKEN an dieser Stelle abenteuerlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meiner Meinung nach muss man jetzt so vorgehen, dass man aufklärt, wo genau an welcher Stelle welche Fehler in der Projektsteuerung gemacht worden sind. Das Wirtschaftsressort hat, soweit ich weiß, auch im Einvernehmen mit Herrn Schulz jetzt verhandelt, einen Sonderermittler einzusetzen. Ich glaube, dass das auch der richtige Weg ist, denn wenn man externen Fachverstand heranzieht, um die gan

zen Dinge noch einmal aufzuklären und zu untersuchen, wird man zu einem gegebenen Zeitpunkt möglicherweise über einen Untersuchungsausschuss nachdenken müssen. Das weiß ich aber noch nicht, ich weiß noch gar nicht, wo im Einzelnen die Fehler sind. Ich habe einen groben Überblick, deswegen sage ich Projektsteuerungsfehler, aber, wie gesagt, das wird der Ermittler herausfinden, und dann werden wir auch als Grüne weitersehen, wie wir vorgehen. Es kann sein, dass es sinnvoll ist, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, das möchte ich an dieser Stelle aber noch gar nicht entscheiden.

Was mich ärgert, ist, ehrlich gesagt, die ganze Diskussion, Bremerhaven an die Kandare zu nehmen, Bremerhaven an die Kette zu legen, Bremerhaven von der Stadt Bremen aus zu bevormunden, all das halte ich für großen Unfug.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was wir im Bundesland Bremen brauchen, ist eine gemeinsame Strategie. Dass das schwierig ist, weil in der Stadt Bremen eine rot-grüne Regierung und in Bremerhaven eine Große Koalition regiert, ist einsehbar. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns strategisch, gerade vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Föderalismuskommission, auseinanderdividieren lassen. An die Kette muss ich da niemanden nehmen. Es ist für mich an dieser Stelle extrem wichtig zu sagen, dass wir nach gemeinsamen Wegen suchen.

Ich würde Bremerhaven vorschlagen, über die Frage Eisstadion noch einmal neu nachzudenken. Wenn ich für ein Projekt 50 Millionen Euro mehr brauche, muss ich mir überlegen, ob ich mir das dann noch leisten kann. Darüber muss man noch einmal ganz offen eine Diskussion führen. Es kann nicht sein, dass wir vor dem Hintergrund gemeinsamer Sparanstrengungen – und im Übrigen glaube ich, dass Bremerhaven durchaus bereit ist, auch eigene Sparanstrengungen zu unternehmen, ich finde die Unterstellung, dass sie das gar nicht vorhat, noch nicht so richtig nachvollziehbar, Herr Schrörs – auch darüber nachdenken müssen, ob wir das, was wir vielleicht gut, richtig und schön finden, überall noch durchsetzen können. Ich würde davor warnen, das zu tun.

Ich glaube, die Stadt Bremerhaven muss darüber nachdenken, wie sie die 50 Millionen Euro, die jetzt in den Havenwelten fehlen, finanziert bekommt. Es kann nicht sein, dass man darüber an bestimmten Punkten nicht neu nachdenkt. Wir hatten damals als Opposition – deswegen verstehe ich es auch nicht, dass Sie das in dem Sinne nicht erwähnt haben – gesagt, man muss jetzt noch einmal alle Projekte wieder auf den Prüfstand stellen, ja, das muss man machen, das müssen wir in Bremen machen, in Bremen sind wir einen guten Schritt vorangekommen. Das muss man in Bremerhaven auch machen, das können wir aber nur mit Bremerhaven gemeinsam erreichen, um die

Strategie für künftige Verhandlungen auch mit Bremerhaven hinzubekommen.

Eine Kommunalverfassung zu ändern – um das an dieser Stelle auch noch einmal zu sagen –, ist nicht so einfach, wenn man weiß, welche politischen Mehrheitsverhältnisse man für einen solchen Schritt braucht. Deswegen muss man sehen, dass man unterhalb dieser Kommunalverfassungsänderung Wege findet, die in Richtung Gemeinsamkeiten gehen. Wir werden als Bundesland überhaupt nicht vorankommen oder gewinnen können, wenn wir nicht genau diese Gemeinsamkeiten entwickeln, und dann muss sich Bremerhaven allerdings auch gefallen lassen, dass man das eine oder andere über Bremerhaven kritisch sieht, ohne gleich als Hasser von Bremerhaven oder als Bremerhaven-Feind zu gelten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich hatte erwartet, dass Sie, Herr Dr. Schrörs, hier eine kämpferische Oppositionsrede für das Bundesland Bremen halten, nicht gegen Bremerhaven, sondern für das Bundesland Bremen. Ich hätte erwartet, dass Sie Wege aufzeigen, wie wir zu mehr Gemeinsamkeiten kommen können. Wenn man denn weiß, dass gerade Bremerhaven von dem Strukturwandel viel stärker noch als vielleicht Bremen selbst betroffen ist, dann ist es richtig – und ich habe es auch immer mitgetragen und vertreten –, dass in Bremerhaven tatsächlich für den Strukturwandel viel getan wird.

Herr Bürgermeister Böhrnsen hat einmal gesagt, Bremerhaven wird über die Maßen fair behandelt. Über die Maßen fair behandelt, hieß in Zahlen ausgedrückt: immer auch mehr Geld, als eigentlich richtig gewesen wäre. Die Kammer vertritt neuerdings die Auffassung, dass vielleicht 17 Prozent der Einwohnerwertung entsprechend wären, und ist deutlich der Meinung, dass man jetzt schauen muss, ob Bremerhaven nicht zu sehr über die Maßen fair behandelt worden ist. Über all diese Fragen muss man nachdenken und verhandeln, und am Ende der Veranstaltung wird man zu einer gemeinsamen Lösung kommen.

Letzter Punkt: Wenn es der Sinn dieser Aktuellen Stunde war zu sagen, dass der Oberbürgermeister Schulz ins Rathaus hätte kommen müssen, dann sage ich, ja, das wäre schön gewesen, und das wird er das nächste Mal mit Sicherheit auch tun.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Weiß man nicht!)

Weiß man nicht? Doch, ich gehe davon aus, dass der Oberbürgermeister in Bremerhaven wohl auch gemerkt hat, dass er da einen Fehler gemacht hat und dass es klüger gewesen wäre, ins Rathaus zu gehen. Wenn es aber eine Frage des guten Benehmens ist, sage ich, das war kein gutes Benehmen. Politisch

müssen wir daran festhalten, dass wir für beide Städte eine gemeinsame Lösung finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU hat für die Aktuelle Stunde das Thema „Konsolidierung statt Blamage – Auch der Bremerhavener SPD-Oberbürgermeister muss sich an Sparanstrengungen beteiligen“ eingebracht. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich vermute, dass Sie hier versuchen wollen, einen Sündenbock für die Bremerhavener Misere aufzubauen und das in der Person des Herrn Oberbürgermeister Jörg Schulz.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich möchte mich nicht schützend vor den Oberbürgermeister stellen und für ihn eine Lanze brechen, denn auch er ist nicht ganz unschuldig an dem Bremerhavener Desaster, gleichermaßen wie die SPD-Fraktion und CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven, denn eines ist sicher: Die Entscheidungen für Bremerhaven werden von den dortigen Koalitionsparteien vereinbart und mit deren Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung durchgesetzt. Dass nun die CDU-Fraktion der Bremischen Bürgerschaft dies einfach ausblendet und nicht behandeln will, ist schon sehr bezeichnend.

Aber auch die jeweiligen Bremer Landesregierungen sind nicht ohne Schuld, haben sie doch in der Vergangenheit so manches mitgetragen. Hier möchte ich auf ein Problem mit den Havenwelten hinweisen, deren finanzielle Auswirkungen Sie alle kennen. Hier wurden offenbar in der Vergangenheit zwischen Bremerhaven und der Landesregierung mündliche Vereinbarungen getroffen. So wird von der Bremerhavener Regierungskoalition behauptet, dass sie zwar einen Teil der Mittel für andere Maßnahmen eingesetzt habe, aber dieses hatten sie nur aufgrund der Tatsache getan, weil die damalige SPD/CDU-Landesregierung die Rückzahlung dieser Gelder zugesagt hätte.

Heute hat Bremerhaven ein finanzielles Problem, denn nachdem sich Mitte 2007 die Bremer Landesregierung zum Teil anders zusammensetzte, kann sich keiner mehr an die Vereinbarung erinnern. Am 17. März 2009 wurde uns vom Senat schriftlich mitgeteilt, dass er hierüber weder Protokollaufzeichnungen noch Beschlüsse ausfindig machen konnte, die die Aussagen Bremerhavens unterstützen würden.

Aber kommen wir zurück zu Herrn Oberbürgermeister Schulz! Sie behaupten heute, dass der Oberbürgermeister der einzige wäre, der die Sparanstren

gungen sabotieren würde. Es ist schon richtig, dass er weiter an dem umstrittenen Neubau des Bremerhavener Eisstadions festhält, zumindest stellt er den angeblich kostengünstigeren Umbau der Bremerhavener Stadthalle zur Diskussion. Aus Sicht der LINKEN sind Investitionen eher in andere Projekte, wie zum Beispiel in unsere Kindergärten, Schulen, Bildung und Ähnliches, wichtiger.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher hat sich DIE LINKE gegen beide Varianten ausgesprochen! Richtig ist aber auch, dass bis heute der von den Bremerhavener SPD- und CDU-Fraktionen eingebrachte und in der Stadtverordnetenversammlung durchgesetzte Antrag, der den Neubau der Bremerhavener Eishalle fordert, nicht zurückgezogen wurde, dies wurde gerade eben angesprochen. Aber auch die immer wieder auftretenden Finanzierungslücken der Havenwelten sprechen Bände. Wenn Sie die in der Aktuellen Stunde angestrebte Konsolidierung wirklich anstreben, können Sie diese schon dadurch erreichen, indem Sie die Verursacher zusammenholen, mit ihnen die Geschehnisse diskutieren und die Fehler korrigieren. Die Verurteilung einer einzelnen Person ist hier wohl der falsche Weg.

Aus den früheren Fehlern sollten Schlüsse gezogen und Regelungen geschaffen werden, die weitere Störungen dieser Art in Zukunft verhindern. Für die Realisierung von Großprojekten, wie zum Beispiel Havenwelten, Space Park und Ähnliches, sollten nur noch Gesellschaften eingesetzt werden, die hierfür qualifiziert sind und unter vollster parlamentarischer Kontrolle stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was die Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alte/Neue Heimat, pardon, Alter/Neuer Hafen in der Vergangenheit verursachte,

(Lachen – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Schöner Versprecher!)

hat für unser Land und für Bremerhaven nachhaltige Auswirkungen. In Zukunft darf so etwas nicht mehr möglich sein. Dies wäre der erste Schritt zu einer Haushaltskonsolidierung. – Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schicke es einmal vorweg: Vorbehalte gegen Bremerhaven habe ich nicht! Mitunter könnte man ja bei der Debatte der vergangenen Tage so ein bisschen

das Gefühl bekommen, dass man Vorbehalte gegen einzelne Politiker hat, aber das will ich jetzt nicht weiter vertiefen.

(Beifall bei der FDP)

Ich fand eine Bezeichnung in der Zeitung sehr schön, die Begleitumstände für dieses abgesagte Gespräch erschienen operettenhaft. Ich finde, das hatte wirklich operettenhafte Züge.

(Beifall bei der FDP)

Wenn in dem Thema für die Aktuelle Stunde „Blamage verhindern!“ steht, das klingt ja so durch: Ich sage, und das habe ich in der Bundesrepublik wahrgenommen von meinen Parteifreunden im Bund und auch von einigen anderen Parteifreunden in den Ländern, die Blamage ist schon da, weil angekommen ist, Bremen kann nicht mit Bremerhaven, die Bremer sprechen nicht mit den Bremerhavenern, und sie können nicht einmal intern ihre Probleme lösen. Ich glaube, das ist genau die gefährliche Situation, die wir nicht heraufbeschwören dürfen, und da bin ich ganz deutlich bei dem Kollegen Klaus Möhle von den Grünen, wir müssen gemeinsam versuchen, unsere Probleme hier zu lösen!

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es sehr schön, über Kommunalaufsicht und diese wichtigen Dinge zu debattieren, aber wir müssen ganz deutlich sagen: Das löst im Moment aktuell unsere Probleme nicht! Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir Haushaltskonsolidierung machen können, wir müssen jetzt die Weichen stellen, sodass wir in Zukunft zusammenkommen und die Probleme des Landes lösen können. Deshalb denke ich – und das haben wir in den vergangenen Debatten auch immer wieder angesprochen, Kommunalaufsicht oder wie man das enger miteinander verzahnen kann oder wie man eine Lösung erreicht, dass man sich da nicht immer wieder gegenseitig Schuldzuweisungen macht –, das sollte man im Zuge einer Verwaltungsreform auf die Tagesordnung nehmen. Das sollte man auch im Zuge einer Parlamentsreform auf die Tagesordnung nehmen und sagen, wo die beiden Städte enger zusammenarbeiten können, wo es Schwachpunkte gibt, wo es engere Abstimmungsverfahren geben muss, und da bin ich noch einmal bei dem Punkt: Da nützen uns jetzt gegenseitige Schuldzuweisungen überhaupt nichts, denn die Malaise ist im Moment da, und wir müssen zusammen sehen, dass wir aus dieser Situation herauskommen!

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es aber überhaupt nicht lustig, das muss ich sagen, wenn man so in der Zeitung liest, da will man sich zu einem Gespräch treffen. Ich finde, es ge

bietet der Anstand, wenn man zunächst einmal zusagt, zu einem solchen Gespräch zu kommen, dass man dann auch tatsächlich zu einem solchen Gespräch erscheint und nicht irgendwie absagt. Ich weiß natürlich nicht, was genau war, aber der Bürgermeister wird da ja sicherlich gleich auch für Aufklärung sorgen. Ich finde nur, so etwas geht nicht, dass wir nach außen hin signalisieren, wir sprechen nicht miteinander, Bremen und Bremerhaven haben da ein großes Problem, das darf nicht sein, damit konterkarieren wir unsere eigenen Bemühungen zu zeigen, dass wir im Schulterschluss dieses Bundesland sanieren wollen! Ich als Oppositionspolitiker habe übrigens gar kein Problem damit, und ich finde es auch ganz amüsant, wenn die beiden Bremer Bürgermeister so ein wenig als begossene Pudel in der Öffentlichkeit stehen, wenn man sagt, naja, der Oberbürgermeister von Bremerhaven hat euch jetzt aber einmal deutlich gezeigt, was eine Harke ist! So ist das ja angekommen, damit habe ich als Oppositionspolitiker überhaupt gar keine Probleme, aber als Bremer habe ich damit Probleme, weil ich genau das, was ich gesagt habe, nicht haben will, dass wir nach außen hin signalisieren: Wir schaffen es zusammen nicht!

(Beifall bei der FDP)