Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Antrag der Fraktion der CDU vom 3. Juli 2007 (Drucksache 17/21)

Wir verbinden hiermit:

Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des staatlichen Ausschusses für Kinder und Jugend

s o w i e

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deputationen

Antrag der Fraktion der CDU vom 3. Juli 2007 (Drucksache 17/22) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute mit unserem Antrag auf Einsetzung eines Parlamentsausschusses „Kindeswohl“ eine klare Handlungsempfehlung vor zu geforderten Konsequenzen des Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“, der sich ebenso mit dem tragischen Tod des kleinen Kevin aus Gröpelingen wie mit den Zuständen im Bremer Jugendamt befasst hat. Der Abschlussbericht, ich habe ihn hier, ist quasi noch druckfrisch, und er ist im April dieses Jahres in diesem Hause debattiert worden.

Es gilt, den Fall Kevin nicht vergessen zu machen, sondern die Konsequenzen aus den aufgedeckten Missständen im Amt für Soziale Dienste auch parlamentarisch einzufordern und zu befördern. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sehen wir als CDUFraktion unter anderem die Einsetzung eines ständigen Parlamentsauschusses für Kinder und Jugend als unerlässlich an. Der damalige Ausschussvorsitzende, der Abgeordnete Pflugradt, hat dies in der damaligen Debatte schon sehr deutlich gemacht.

Wir mahnen hier, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, allein mit mehr Geld wer––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

den Sie die notwendigen strukturellen Veränderungen in den Verwaltungsabläufen des Jugendamtes nicht korrigieren.

(Beifall bei der CDU)

Dazu bedarf es schon eines konsequenten Abarbeitens der Punkte, die hier auch fraktionsübergreifend im Untersuchungsausschuss festgestellt wurden. In besonderer Weise ist doch deutlich geworden, dass Aufsicht und Vernetzung im Amt nicht existent sind und dieser Umstand letztendlich dazu führte, dass die organisierte Verantwortungslosigkeit im Amt für Soziale Dienste regierte, und bis heute hat sich daran wenig geändert. Insbesondere die unzureichende Dienst- und Fachaufsicht, bei der ein verbindliches Vieraugenprinzip fehlt, als auch die Aktenführung durch verantwortliche Mitarbeiter sind da zu nennen.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Das kostet auch alles Geld!)

Hinter jedem Aktendeckel verbirgt sich ein Kinderschicksal, dies darf auf keinen Fall aus dem Blick geraten. Wir müssen alles tun, davon sprachen wir, die Vertreter aller Fraktionen, noch vor wenigen Wochen, damit sich solch ein schlimmer Fall wie der Tod des zweijährigen Kevin nicht mehr wiederholt.

(Beifall bei der CDU)

Es wurden zwar parallel zur Arbeit des Untersuchungsausschusses Maßnahmen eingeleitet und auch neue Stellen ausgeschrieben und besetzt, aber im Kern, den auch der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses benennt, ist nichts geändert worden. Das, was in Deputationen und im Kinder- und Jugendhilfeausschuss auf den Weg gebracht worden ist, reicht noch längst nicht aus, um zu verhindern, dass sich ein Fall „Kevin“ wiederholt. Ich sage das ganz bewusst so, weil ich glaube, dass das Problem nicht damit gelöst ist, dass wir 15 Stellen besetzen, wie es in einem Gutachten steht, dass wir ein bisschen mehr Geld bereitstellen, sondern die Probleme sind sehr viel tiefer im Amt für Soziale Dienste und im Ressort. Es hat auch etwas mit Mentalitäten zu tun. Es muss eine langfristige Wirkung geben, deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir uns als Parlament sehr genau diesem Thema in dieser Legislaturperiode widmen müssen. Für unsere Begriffe sollte dieses Haus einen eigenständigen Ausschuss zum Kindeswohl einrichten, der sich mit diesem Fall und mit dem Gesamtproblem beschäftigt, um deutlich zu machen, ein Signal zu setzen, aber auch darauf zu achten, dass das, was wir an gemeinsamen Zielsetzungen im Untersuchungsausschuss formuliert haben, auch wirklich umgesetzt wird. Das geht nicht zulasten des Ressorts, sondern nützt eher dem Ressort, wenn das Parlament sich dieser Problematik besonders widmet.

Dass staatliches Handeln, oder besser muss man sagen, staatliches Unterlassen dazu führt, dass Menschen vernachlässigt, geschlagen, malträtiert werden, letztendlich trotz staatlicher Vormundschaft sterben müssen, ist schlimm. So etwas darf sich in Bremen nicht wiederholen, das ist auch unsere Pflicht als Abgeordnete dieser 17. Bremischen Bürgerschaft.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist dies auch kein Antrag einer Oppositionsfraktion, den man so einfach mit Regierungsmehrheit wegwischen kann, sondern dem man im Grunde genommen die Zustimmung ernsthaft nicht verweigern kann, schon aus dieser uns allen auferlegten Verantwortung heraus und aus dem Untersuchungsergebnis zum Fall Kevin.

Sie sind ja der Oppositionskritik bislang sehr oberflächlich entgegengetreten, Herr Dr. Güldner sprach hier von Fundamentalopposition, auch Herr Kollege Grotheer sprach davon. Wir wollen einmal sehen, wie fundamental Ihre Ablehnung zu diesem Antrag heute ist. Ich will Ihnen gern sagen, dass wir als eine kritische Opposition erwarten, dass Sie den Fehler nicht wiederholen und wie im Koalitionsvertrag keine neuen Konsequenzen nennen, sondern im Grunde nur das, was man im Allgemeinen unter Sofortmaßnahmen kennt. Wir werden Sie da nicht herauslassen. Die Konsequenzen müssen gezogen werden und werden auch nicht abgehakt, indem man sie unter den Tisch kehrt.

Wenn Sie diesen Antrag ablehnen, dann, meine Damen und Herren, wird es so weitergehen in den Deputationen für Jugend und Soziales. Wir werden weiter umfangreiche Papiere bekommen, und dann kommt am Ende der Jugendhilfeausschuss, der seinen Teil dazu beiträgt. Am Ende kommt derselbe „Murks“ dabei heraus wie bisher. Es gilt, den Horizont zu erweitern, meine Damen und Herren, und das kann eben in einem Parlamentsausschuss anders geschehen als bisher in der Arbeit der Deputation.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Da scheint sich bei Ihnen ja schon einiges getan zu haben)

Das Thema Kinderschutz betrifft eben nicht nur die Sozialdeputation, Frau Kollegin Möbius, sondern es ist ein ressortübergreifendes Feld, das wir auch nachhaltig betreiben müssen, es ist eine Querschnittsaufgabe. Wenn Sie der Auffassung sind, es gebe schon genug Ausschüsse, nämlich den Jugendhilfeausschuss, den Landesjugendhilfeausschuss, die städtische Deputation für Soziales, die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Ausländerintegration, dann stimmen Sie diesem Antrag heute zu. Wir haben dazu eine Vorlage erarbeitet, in der wir das Deputationsgesetz insofern abändern, dass wir den Bereich Jugend dort herausnehmen.

Wenn Sie unseren Antrag heute ablehnen, dann wäre dies ein denkbar schlechtes Signal aus Bremen, das Sie heute in die Republik senden würden,

(Beifall bei der CDU)

denn Sie zeigen damit, dass Sie außer an der Oberfläche zu kratzen, nicht bereit oder in der Lage sind, aus dem Fall die nötigen Schlüsse zu ziehen.

(Zurufe von der SPD)

Nun, was haben andere Bundesländer gemacht, die ebenso traumatische Erlebnisse von Kindeswohlgefährdung und Kindestötung hatten? Ich will Hamburg erwähnen, einige Kollegen des Hauses werden sich an den Fall Jessica erinnern, die in der Wohnung ihrer Eltern verhungerte und das Jugendamt und die Schule ihre Abwesenheit vom Unterricht nicht zum Anlass nahmen, einmal zu überprüfen, ob in der Familie von Jessica alles in Ordnung ist. Die Hamburgische Bürgerschaft hat einen Parlamentsausschuss gegründet und den konkreten Fall, aber auch das Schema von Vernachlässigungsfällen vor allem mit externem Sachverstand aufgerollt und die notwendigen Konsequenzen ziehen können. Mittlerweile hat dieser nichtständige Ausschuss in Hamburg seinen Bericht vorgelegt, diese Arbeit steht uns in Bremen erst noch bevor.

Der Untersuchungsausschuss ist aufgrund der Diskontinuität der vergangenen Legislaturperiode sehr unter zeitlichem Druck gewesen und hatte nicht die Möglichkeit, externen Sachverstand einzuholen. Auch dies ist die Möglichkeit eines solchen Parlamentsausschusses, sich auch dort zu öffnen. Wir wollen keine kurzen Effekte, wir benötigen Nachhaltigkeit. Deshalb soll dieser Ausschuss auch ständig tagen, und die Kompetenzen der Jugenddeputation sollen auf ihn übertragen werden. Die Bedeutung eines Parlamentsausschusses ist viel größer als die aufklärerische Arbeit einer Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration.

Sie sehen schon an dem langen Namen, dass hier viele Baustellen bearbeitet werden. Wir wollen die Vernetzung mit den weiteren Ressorts Bildung, Justiz, Inneres und Gesundheit befördern, das ist weitaus besser über einen Ausschuss zu erreichen als über eine Deputation.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Ach ja! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Unerhört, was Sie da von sich geben!)

Jugendschutz ist nicht nur eine Frage von Jugendpolitik, es ist eine ressortübergreifende Angelegenheit. Effekthascherei wollen wir nicht, wir wollen mit diesem Ausschuss alle Fraktionen einbinden. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen, das ist auch eine

Verantwortung dieser Bürgerschaft! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Grotheer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht über die Schärfe, mit der dieses Thema jetzt hier angegangen wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zurufe)

Zwischendurch, Herr Bartels, war ich mir nicht sicher, ob Sie nicht eigentlich die Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses hier begründen wollten. Das finde ich etwas überraschend, weil wir einen Untersuchungsausschuss hatten, der sehr konstruktiv diese schwierigen Fragen geklärt hat, der sehr viel Lob für seine Arbeit erfahren hat und zu dem wir gemeinsam verabredet hatten – damals auch noch in einer gemeinsamen Koalition –, dass wir die Probleme abarbeiten wollen, und das werden wir tun. Dazu brauchen wir aber nicht diesen neuen Ausschuss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Kinder und Jugendliche, haben wir gesagt, stehen im Fokus der Politik der rot-grünen Koalition in Bremen, und wir haben übrigens, Herr Bartels, in vielen Punkten mit Ihrer Zustimmung in der Sozialdeputation bereits eine ganze Reihe von Punkten beschlossen, die zu einer Verbesserung im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik führen sollen. Wir sagen: Verbesserung bei der Kinderbetreuung in den Tageseinrichtungen, sechsstündiger Rechtsanspruch auf Betreuung in den Einrichtungen, kostenloses Mittagessen für Kinder armer Eltern in den Kindertageseinrichtungen.

Wir haben zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Jugendhilfe beschlossen: Stellen beim Amt für Soziale Dienste, Verbesserung der Arbeit der Amtsvormundschaft. Wir haben ein Notruftelefon eingerichtet, die Erziehungsberatung verbessert, also alles Dinge, die Ausfluss der Ergebnisse dieses Untersuchungsausschusses sind. Das haben Sie politisch in der Deputation mitgetragen, und dies sind übrigens alles Dinge, und da bitte ich übrigens noch einmal hinzuhören, Herr Bartels, die natürlich nicht zum Nulltarif zu haben sind, sondern das kostet alles Geld.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Ich habe es sehr begrüßt, dass Sie das mitgemacht haben. Dass Sie jetzt hier den Eindruck erwecken, das sei alles nur eine Folge von einer Fehlorganisation in den Ämtern, das finde ich überhaupt nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Nun haben Sie in Ihrem Antrag sogar das Thema des parlamentarischen Untersuchungsausschusses angesprochen. Man kann in der Tat den Eindruck gewinnen, Sie wollten die Tätigkeit dieses Ausschusses verlängern. Ich will Ihnen nur sagen: Die Sozialdeputation hat sich konstituiert, sie hat ihre Arbeit aufgenommen, es haben die ersten beiden Sitzungen stattgefunden. Der von Ihnen eben mit dem Stichwort „Murks“ erwähnte Jugendhilfeausschuss hat übrigens eine gesetzliche Grundlage, die darf ich Ihnen vorlesen, damit Sie sich in diesem schwierigen Feld vielleicht besser zurechtfinden. Da steht in Paragraf 70 des SGB VIII: „Die Aufgaben des Jugendamtes werden durch den Jugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Jugendamts wahrgenommen.“

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Pharisäer ster- ben niemals aus! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie war das? Pha- risäer? Na, das sagt der Richtige!)

In Paragraf 71: „Dem Jugendhilfeausschuss gehören als stimmberechtigte Mitglieder an“ – Ihre Zwischenrufe machen es nicht besser! – „mit drei Fünfteln des Anteils der Stimmen Mitglieder der Vertretungskörperschaft des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe oder von ihr gewählte Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren sind“, und so weiter. Dies ist also ein Gremium, das seine gesetzliche Grundlage im SGB hat, und ich finde auch, dass dieses Gremium eine gute Arbeit leistet,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)