Protokoll der Sitzung vom 27.08.2009

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das stimmt ja überhaupt nicht! Das ist die Unwahrheit!)

Ich habe den Haushaltsplanentwürfen auch wieder entnommen, dass im Sozialressort noch 9,1 Millionen Euro an Rückforderungen von Unterhaltsvorschüssen bestehen. Das sind keine streitigen Ansprüche, sondern das sind die durchsetzbaren Ansprüche, 9,1 Millionen Euro! Was würde ein ordentlicher Kaufmann eigentlich machen, bevor er 900 Millionen Euro neue Schulden aufnimmt? Er würde doch erst einmal dafür sorgen, dass er seine 9,1 Millionen Euro Außenstände endlich beitreibt. Die Senatorin tut nichts! Sie senkt sogar die Beitreibungsquoten in den Jahren 2010/2011. Das ist sozial ungerecht und unverantwortliche Politik in unserem Bundesland.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen sage ich, es stimmt, vieles auf der Einnahmenseite unseres Haushaltes ist unabänderlich. Ich sage auch, vieles auf der Ausgabenseite lässt sich kurzfristig nicht beeinflussen. Aber die Menschen in unserem Land haben mit dem Regierungswechsel eigentlich auch einen Politikwechsel gewählt. Sie haben die Erwartung gehabt, dass die neue rot-grüne Regierung alles unternimmt, um die sozialen Verwerfungen in unserem Land dadurch zu überwinden, dass weniger Menschen von sozialen Transferleistungen abhängig sind. Deswegen sage ich, messen Sie den Erfolg Ihrer Politik bitte nicht daran, wie viel Geld Sie für die soziale Sicherung in unserem Land ausgeben! Messen Sie Ihren politischen Erfolg daran, inwieweit und in welchem Umfang es Ihnen gelingt, Menschen aus sozialer Armut herauszuführen und ihnen die Grundlage dafür zu legen, dass sie wieder von eigener Hände Arbeit leben können!

Ein letztes Beispiel werde ich dazu nennen: Nehmen Sie den Erfolgsfaktor Windenergie in Bremerhaven! Da haben wir viel staatliches Geld in die Hochschule, aber auch in entsprechende Gewerbeflächenherrichtung und auch in Unternehmensansiedlung investiert und aus meiner Sicht mit Erfolg. Warum hat der Senat nicht die Kraft, zum Beispiel durch die beschleunigte Ausweitung weiterer Gewerbeflächen auf der Luneplate diesen Aufschwung, den wir dort haben, jetzt auch zügig zu nutzen und außer Straßenbaumaßnahmen auch Gewerbeflächenerschließung zuzulassen, damit in diesem Bereich dringend notwendige neue Arbeitsplätze entstehen können?

Wenn Sie in Bremen Firmenbesuche machen, dann stellen Sie fest, im Maschinenbau gibt es einen Auftragseinbruch, Kurzarbeit, Leiharbeiter werden entlassen, und insbesondere auch bestehende Arbeitsplätze sollen hier abgebaut werden. Für diese

Menschen ist es eine Perspektive und eine dauerhafte Chance, mit ihrem Wissen, was sie im Maschinenbau haben, eine dauerhafte Zukunft zum Beispiel auch in der Boombranche Windenergie zu finden. Deswegen sage ich, investieren Sie in die Stärken unseres Landes, und konzentrieren Sie sich nicht auf die Alimentation von sozialer Armut! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin erhält das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Röwekamp, ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, was eigentlich der politische Sinn dieses großen, zugegeben amüsierenden, Redeschwalls ist, der unbestritten unterhaltsam ist. Was ist der Sinn, hier so zu reden? Sie sind berauscht von Ihren großen rhetorischen Fähigkeiten, aber übrig bleibt reine Effekthascherei.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Warum fällt es so schwer, auch eher gutwilligen Menschen wie mir irgendwo einen Fetzen von Substanz --.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Gutwillig!)

Ja, das ist so, ich nehme ganz automatisch alle Menschen ernst! Aber warum fällt es auch solchen Menschen wie mir schwer, auch nur irgendeinen Fetzen von Substanz in dem zu entdecken, was Sie hier gesagt haben?

(Abg. Frau M o t s c h m a n n [CDU]: Oberlehrerin!)

Man kann aber auch nach der Wahrhaftigkeit suchen, die hinter einer ganzen Reihe von Aussagen steht, die Sie hier machen. Beim Haushalt, das ist das Schöne daran, stehen am Ende Zahlen, und die sind einfach so in diese eine oder andere Richtung, weil es einmal draußen gerade so gut ankommt und weil Sprücheklopferei am ehesten die Schlagzeilen sichert, am Ende stehen Aussagen, die man nicht so oder so sehen kann. Das ist das Gute am Haushalt. Ihre große Polemik gegen sinkende Arbeitsförderungsmittel, die Sie hier auch in Ihrem zweiten Redebeitrag noch einmal gebracht haben: Dann machen Sie Nägel mit Köpfen! Ich freue mich auf Ihre Anträge in der Arbeitsdeputation, die darauf hinauslaufen, dass der Verlust eines Drittels der Arbeitsförderungsmittel, der ESF-Mittel, in dieser Legislaturperiode von dem armen Bundesland Bre

men aus Haushaltsmitteln ausgeglichen werden soll. Wenn man das ernst nimmt, was Sie sagen, müssten Sie das machen. Ich glaube nicht, dass Sie es tun werden, und auch glaube ich nicht, dass Sie es jemals vorhatten. Aber ein bisschen Polemik hier ausbreiten, das wollen Sie gern machen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie kritisieren auf der einen Seite, das ist schon ein besonderes Kunststück, die hohe Kreditaufnahme Bremens, die in der Tat ein riesiges Problem ist. Das hat hier niemand bestritten. Ich bin auf Ihre Kürzungs- und Streichungsvorschläge, um diese Kreditaufnahme in den Griff zu bekommen, gespannt, gehört habe ich nichts!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Habe ich aber schon gesagt!)

In den Deputationen werden wir schon sehen, wie sich die CDU verhält. Gleichzeitig kritisieren Sie hier aber, dass der Senat zu gering investiert in strukturell wirkende Maßnahmen. Da bin ich dann auch auf Ihre Haushaltsanschläge gespannt, auf der einen Seite kürzen, auf der anderen Seite mehr Geld ausgeben, und die gesamte Kreditaufnahme ist überhaupt des Teufels! Ich bin hoch gespannt, wie Sie dies, was Sie hier in völlig nicht zusammenhängenden Bröckchen in Ihrem Redebeitrag sagen, rein an die Pose appellierend, wie Sie das unter einen Hut bekommen wollen. Ich bin wirklich gespannt!

Auch die Geschichte mit den SPD-Schulden! Mein Gott, ist das witzig. Sie wissen ganz genau, dass das Bundesverfassungsgericht uns 1992 bekundet hat, dass Bremen unverschuldet in diese Haushaltsnotlage geraten ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was man nicht bringen kann, ist, als Regierungsmitglied, wenn es einem gerade in den Kram passt, das erzählen, aber wenn man gerade hier als der große Oppositionsführer auftreten will, dann so tun, als handele es sich um SPD-Schulden. Auch die Arbeitsgruppe Haushaltsanalyse hat herausgefunden und mit dem gesamten Bund und den Bundesländern abgestimmt, dass Bremen in allen wesentlichen Haushaltsblöcken nicht verschwendet, sich nichts über den Durst gönnt.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Jetzt nicht mehr!)

SPD-Schulden! Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: Gleichzeitig sagen Sie im „Weser-Kurier“, man soll hier besser über Bremen reden. Wissen Sie

was? Mir wäre schon gedient, wenn man wenigstens öfter einmal die Wahrheit sagen würde.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist auch die Unwahrheit, zum dritten Mal sagen wir das jetzt hier, dass die Schwerpunkte der Koalition obendrauf kommen oder alles, was uns einfällt, obendrauf kommt. Sie wissen, dass wir uns angestrengt haben, den Steuereinbruch durch die Wirtschaftskrise hier zum Teil durch weitere eigene Sparanstrengungen aufzufangen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wo denn? Was denn?)

Zum Beispiel durch Zinsbewirtschaftung und durch eine Haushaltssperre! Als sei das kein Geld, was wir da zusammenkratzen, übrigens mit Leuten, die sich da ziemlich viel Mühe geben!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Super!)

Es ist nicht richtig, dass alles obendrauf kommt.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber das ist doch nicht Sparen!)

Mein Gott, ich habe Ihnen schon letztes Mal hier eine Liste vorgelegt, welche Maßnahmen wir machen, um einzusparen. Ich kann es Ihnen auch noch einmal erzählen. Wir werden auch neue Listen vorlegen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sagen Sie doch einmal! Sagen Sie eine Sache!)

Eine Sache! Wir senken Investitionen, wir senken die Personalkosten, wir senken die konsumtiven Kosten.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie senken keine Personalkosten!)

Wir senken die Personalkosten durch weitere PEPQuoten.

Jetzt noch einmal zu Berlin, das finde ich auch einen ziemlichen Treppenwitz! Sie wissen ganz genau, dass Herr Senator Nußbaum da in einer ganz besonderen Lage ist, nämlich in der Lage, wo man sich überlegen muss, wie es mit dem Ende des Solidarpaktes, den sie da mit den Gewerkschaften geschlossen haben, weitergehen soll. Dass man in so einer Lage nicht in die Finanzplanung Zahlen hineinschreibt, die möglicherweise irgendjemandem Mut machen könnten, hohe Gehaltsforderungen an den Berliner Senat zu stellen, das kann man sogar hier in Bremen verstehen!

Bremen stellt Zahlen ein, Steigerungszahlen, die realistisch sind. Und 0,3 Prozent Personalkostensteigerung sind nicht realistisch! Wenn Sie glauben, dass man das schaffen kann, dann werden wir uns über die Haushaltsanträge freuen. Die werden nämlich heißen, Bremen muss aussteigen aus dem Tarifgefüge, und die Beamtenbesoldung wird nicht erhöht, egal welche Tarifsteigerungsergebnisse erzielt werden. Dann sagen Sie in der Öffentlichkeit, dass Sie diese Art von Personalpolitik in Bremen machen wollen! Oder glauben Sie wirklich, dass man die Personalsteigerungskostenquoten in den nächsten Jahren durch weiteren Personalabbau erwirtschaften kann? Auch wenn Sie das glauben, dann machen Sie dazu Vorschläge. Also, alles nur Qualm!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zur Nachhaltigkeit kann ich Ihnen hier nur einen Satz sagen: Nachhaltiges Wirtschaften konnten wir in der Vergangenheit vor allem beim Agieren der CDU bewundern. Ein Drittel der Investitionsmittel des Wirtschaftshaushaltes gehen in die Tilgung des Investitionsfeuerwerks der letzten Legislaturperiode.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: War es falsch, den CT 4 zu bauen oder die Kaiserschleuse?)

Es war nicht falsch, das zu bauen! Es war nicht richtig, es außerhalb des Haushaltes zu machen und darüber zu täuschen, was die realen Kosten sind. Wenn wir Kredite aufnehmen, sind die realen Kosten nämlich die realen Kosten, sie sind die Kürzungen von morgen in anderen Bereichen. Davor haben Sie sich immer gedrückt!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu Herrn Rupp würde ich gern sagen, was die Zinsen betrifft, gibt es noch eine weitere Möglichkeit. Wir würden uns auch freuen, wenn es da Unterstützung hier aus dem Haus und von anderen Bundesländern gibt. Bremen wird selbstverständlich allen Verpflichtungen nachkommen. Ich wünsche mir nicht, dass Leute sagen, dass man da andere Wege gehen sollte. Aber der Bund bekommt bei seiner Kreditaufnahme wegen des besseren Ratings günstigere Kreditkonditionen. Bremen bemüht sich bisher vergeblich darum, an diesen Konditionen teilzuhaben. Wir werden das auch weiter machen, das würde ungefähr einen Prozentpunkt geringere Zinsen bedeuten, und das tut niemandem weh. Das ist zum Beispiel ein Sparkonzept, wenn wir es denn schaffen würden, was man durchsetzen oder durchführen könnte, ohne jemandem zu schaden, das hat eine hohe Attraktivität.

Aber über einen Ausgleich von weiteren Sozialkosten werden wir nicht verhandeln, jedenfalls nicht exklusiv. Bremen ist sehr gut weggekommen bei den Sanierungsleistungen. Wir würden uns gewaltig schaden, wenn wir, bevor wir überhaupt nur angefangen haben, den Sanierungsweg zu gehen, jetzt mit weiteren Forderungen kommen. Was man aber sehen kann, ist, dass im Moment wieder eine neue Debatte entsteht über die Frage: Bund, Länder und Gemeinden, wie kommen wir eigentlich mit den Sozialkostensteigerungen zurecht? Das kann man auch an den Debatten im Deutschen Städtetag sehen. Da wird Bremen eine aktive Rolle spielen, das verspreche ich Ihnen, weil wir da schon in einer ganz besonderen Lage sind und weil in der Tat Deutschland sich diesem Problem neu und mit großer Ernsthaftigkeit und in sozialer Verantwortung stellen muss. Aber eine Strategie nach dem Motto, für Bremen müsst ihr es ausgleichen und für andere nicht, das ist eine falsche Strategie. Noch einmal die Bitte: Sagen Sie nicht immer, wir sind zur Sanierung verdonnert! Das ist so komisch, obrigkeitsstaatlich und als seien nicht demokratische Prozesse das Ergebnis dessen, was wir hier jetzt machen. Ich finde, es würde uns allen gut anstehen, diese Herausforderungen anzunehmen und nicht so nach dem Motto, da gibt es irgendwelche bösen Eltern, die zwingen uns, etwas zu machen, was wir eigentlich gar nicht richtig finden. Ich finde das richtig, der Senat findet das richtig, dass wir uns der Verschuldung der Haushalte stellen, und es ist nicht so, dass gar nichts mehr geht. Es ist auch nicht so, dass man jetzt die Flinte ins Korn wirft. Ich finde, dass Sie zusammen mit uns auch auf politische Prozesse vertrauen könnten, die letztendlich einen Weg weisen werden, wie wir das schaffen können. Letztendlich sind Steuereinnahmen der Dreh- und Angelpunkt, und da habe ich eher Interesse an einer Strategie, anstatt zu sagen, wir sind verdonnert, wir können gar nichts machen, eher zu zeigen, bis dahin schaffen wir es und an dem Punkt auch nicht mehr, weil daraus mehr politische Taten resultieren können, als wenn man sich jetzt schon auf den Rücken wirft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. Es ist vereinbart worden, bei den Haushaltsgesetzen zuerst die erste Lesung durchzuführen, um im Anschluss daran über die Überweisung an den staatlichen Haushalts- und Finanzausschuss und an die Ausschüsse, deren Aufgabenbereiche betroffen sind, abzustimmen.

Als Erstes lasse ich über das Haushaltsgesetz der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2010 in erster Lesung abstimmen.