Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

Der erste Satz des 16. Berichts der ZGF hat mich schon nachdenklich gestimmt. Der erste Satz lautet: „In den Berichtsjahren 2006 und 2007 hat die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag an der Durchsetzung von Gleichberechtigung und Gleichstellung mitgewirkt.“ Das heißt, dass es in Bremen noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, dass es eine Gleichstellung und eine Gleichberechtigung von Frauen gibt, und das – mit Verlaub – finde ich schlimm. Der Bundestag hat immerhin 1957 ein Gesetz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau beschlossen, 1958 ist es in Kraft getreten. Eigentlich hätte man in 50 Jahren etwas weiter sein können, das wäre so meine Position.

Zur Durchsetzung einer Selbstverständlichkeit brauchen wir also einen gesetzlichen Auftrag und eine Gleichstellungsstelle. Um Missverständnissen vorzubeugen, ich bin sehr froh, dass wir diese Stelle haben, und ich danke an dieser Stelle Ulrike Hauffe für ihre engagierte Arbeit.

(Beifall)

Dass wir diese gesetzlich verankerte Aufgabe und diese Stelle überhaupt brauchen – und darauf möchte ich Ihren Blick lenken –, ist jedoch eigentlich ein Skandal. Im 21. Jahrhundert klappt es mit der Gleichstellung noch immer nicht, und in Bremen klappt es leider an einigen Stellen besonders schlecht. Darüber gibt der Bericht Auskunft, und ich möchte mich auch auf die kritischen Punkte beziehen, weil wir nur sehr wenig Zeit haben.

Für erwerbslose Frauen entstehen Nachteile durch Hartz IV, wir haben es soeben gehört. Durch die Be

darfsgemeinschaften beziehen sie Leistungen über ihren Mann, das bedeutet eine neue Abhängigkeit, das bedeutet Ausschluss aus einem eigenständigen Leistungsbezug, und das bedeutet zunächst Verlust auf den Anspruch auf Wiedereingliederung. Die starke Konzentration auf die sogenannten Ein-Euro-Jobs tat im Berichtszeitraum ein Übriges, um Frauen einen adäquaten Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwehren. Das ist eine ganz traurige Entwicklung.

Daran hat leider auch die Beschäftigungsförderungspolitik des Landes nichts geändert, obwohl das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm ab 2007 erstmals einen Unterfonds enthält, der explizit die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zum Ziel hat. Das Ziel, arbeitslose Frauen am Arbeitsmarkt zu beteiligen, wird in einem Unterfonds geregelt. Ich möchte einfach darauf aufmerksam machen, dass es nicht sein kann, dies in einem Unterfonds zu regeln.

Das Ziel, Frauen an den Förderprogrammen gemessen an ihrem prozentualen Arbeitslosenanteil zu beteiligen, ist nicht erreicht, und zwar hier in Bremen nicht erreicht. Deshalb sage ich ganz klar, wenn RotGrün in Bremen selbst Förderprogramme aufstellt, sie aber nicht ausfüllt und sie nicht ernst nimmt und gleichzeitig Schwarz-Gelb in Berlin soziale Kälte vorwirft, kann das nicht sein! Den Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, Frau Busch! Man kann nicht mit zweierlei Maß messen, in Berlin die soziale Kälte anmahnen und sie in Bremen selbst nicht beenden können. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

(Abg. Frau B u s c h [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das gilt auch für das nächste Thema, nämlich Frauenförderung im öffentlichen Dienst. Im Bericht heißt es dazu, ich zitiere: „Die Frauenförderung im öffentlichen Dienst ist nach wie vor eines der zentralen Handlungsfelder der Gleichstellungsstelle.“

(Glocke)

Im Augenblick nicht, Frau Busch, weil ich nur fünf Minuten habe, sonst gern!

Eine solche Äußerung ist einfach blamabel. Ich kann der SPD, die seit 60 Jahren in Bremen regiert, den Vorwurf nicht ersparen, und trotzdem haben wir diesen Befund, das kann doch nicht wahr sein!

Ein gesteigerter Frauenanteil bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten wird uns gemeldet – immerhin, man ist gerührt –, und dann kommt es: „Ansonsten sind Frauen in Leitungspositionen im öffentlichen Dienst nach wie vor unterrepräsentiert.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist nicht der erste Gleichstellungsbericht, der uns vorliegt, es ist der sechzehnte! Sechzehnmal steht dieser Satz in diesen Berichten,

die jeweils einen Zweijahreszeitraum umfassen. Kaum oder wenig Fortschritte – ich möchte Sie auch gleich benennen – in 32 Jahren, das, finde ich, ist eine traurige Bilanz für diejenigen, die hier seit 60 Jahren regieren.

Wir haben immerhin eine Frau an der Spitze der Landesmedienanstalt, eine Frau als Präsidentin des Landesrechnungshofs und einige wenige Abteilungsleiterinnen im letzten Jahr gewonnen, das ist wenigstens ein Fortschritt.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN – Abg. F r a u Tr o e d e l [DIE LINKE]: Eine Frau im Staats- gerichtshof, eine Frau ist Landesdatenschutz- beauftragte!)

Danke! Trotzdem geht die Gleichstellungspolitik in Bremen im Schneckentempo voran.

(Glocke)

Die Redezeit ist schon zu Ende, das ist gemein, weil ich noch lange nicht am Ende bin. Das kann auch nicht sein, Herr Präsident, ich habe noch nicht so lange gesprochen.

Aber gut, dann komme ich zum Schluss und sage, der Senat muss mit gutem Beispiel vorangehen, und wenn der Senat in der Gleichstellungspolitik, in der Beförderungspolitik, in der Einstellung von Frauen in Spitzenfunktionen und anderen Funktionen nicht mit gutem Beispiel vorangeht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Gesellschaften und die freie Wirtschaft nicht besser sind. Das Vorbild ist entscheidend, darauf weist im Übrigen auch der Bericht hin.

Insofern kann ich nur sagen, es kann nur besser werden. Wir können uns diesen Bericht aber fast auf Wiedervorlage legen, denn in zwei Jahren, fürchte ich, können wir die gleichen Sätze wieder lesen, und ich finde, das ist eigentlich beschämend für ein Land wie Bremen, das hier an dieser Stelle weiter sein könnte. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte es kurz machen, obwohl uns ja wieder einmal ein umfänglicher Bericht zur Diskussion vorgelegt worden ist. Auch ich möchte mich dem Dank der Kolleginnen an die Arbeit, die während der vergangenen Monate in der ZGF geleistet worden ist, anschließen und auch den Appell noch einmal unterstreichen. Ich glaube, ein Bericht ist nicht deshalb besser, weil er mehr Seiten ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

umfasst oder mehr Statistiken ausgewertet hat, sondern auch die Lesbarkeit ist durchaus etwas, das zur Lektüre und zur Akzeptanz eines solchen Berichts beitragen kann. Insofern würde ich mich der Bitte anschließen, dies in Zukunft etwas stärker in Betracht zu ziehen.

Wir haben im Ausschuss ja bereits über diesen Bericht und über viele Einzelsachverhalte diskutiert, die darin dargestellt sind, aber in der Debatte heute ist noch einmal deutlich geworden, dass es vielleicht eines Stückchens mehr bedarf als der Forderung nach Beauftragten oder Richtlinien und Vorschriften, um der Gleichberechtigung der Frau und einem gerechten und guten Geschlechterverhältnis auch wirklich zum Ausdruck zu verhelfen und Realität werden zu lassen. In diesem Sinne würde ich die Gelegenheit gern nutzen, auch an die Fraktionen dieses Hauses zu appellieren, durchaus einmal für die nächsten Jahre in Betracht zu ziehen, ob man nicht die Schwerpunktsetzung, mit der wir Gleichstellungspolitik betreiben, nämlich immer nur zu schauen, was für die einen gut ist und für die anderen schlecht und wo die Frauen sind, die besonders armen Menschen, ein Stück weit zu einem positiven Leitbild verändern kann.

Ich möchte ausdrücklich begrüßen, im Bericht und Antrag des Gleichstellungsausschusses ist erstmals auch die Rede davon, dass wir auch Konzepte brauchen, um zum Beispiel für Jungen Informationen zur Berufs- und Lebensplanung anzubieten. Nur so wird man tatsächlich auch Rollenklischees überwinden können. Sie wissen, ich fordere seit Jahren, dass wir nicht nur den Girls’ Day anbieten, sondern auch vielleicht etwas anbieten, das Jungen in dieser Zeit im Sinne eines Zukunftstags annehmen können.

(Beifall bei der FDP und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich fände es sehr begrüßenswert, wenn der Senat auch in der Hinsicht aktiv werden und seine Anstrengungen verstärken würde.

Im Übrigen – weil es in der Debatte auch schon mehrfach angesprochen wurde, und es bietet sich ja in dieser Zeit auch an – hat die neu ins Amt gekommene Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik verankert. Ich glaube, es wäre auch an der Zeit, wenn man dieses Themenfeld unter dem Gesichtspunkt von Gleichstellungspolitik auch hier in Bremen stärker in Betracht ziehen würde. Ich würde dem Senat ausdrücklich nahelegen, sich mit diesem Thema stärker zu beschäftigen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist natürlich richtig, dass sich eine Zentralstelle für die Gleichberechtigung der Frau auch im Zeitablauf andere Aufgaben setzt, und ich glaube, für dieses Politikfeld gilt es, einige neue Aufgaben zu er

schließen. Deshalb möchte ich hier noch einmal anraten, dass man tatsächlich auch regelmäßig überprüft, was man tut. Es sind viele gute Beratungsangebote, sehr viele gute Publikationen entwickelt worden, und die Frage, ob man das weiterhin alles zu großen Teilen doch aus Mitteln des Landes Bremen bestreiten muss, möchte ich durchaus noch einmal in den Raum stellen. Ich glaube, vieles von dem, was dort erarbeitet worden ist, erfreut sich hoher Akzeptanz, kann aber in Form von Projekten oder auch in Form der Freiwilligenarbeit, von Vereinen, die es ja in reicher Zahl in Bremen gibt, auch gut weiterentwickelt werden. Ich möchte es ausdrücklich würdigen: Zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau trägt ja nicht nur die Zentralstelle mit ihrer Arbeit bei, sondern eine Vielzahl von Initiativen und ehrenamtlichen Vereinigungen im Lande Bremen. Denen gilt mindestens genauso unser Dank, und an dieser Stelle sei denen ausdrücklich auch für ihre Arbeit gedankt, in diesem Sinne!

(Beifall bei der FDP)

Ich hoffe, dass die Anregungen, die ich in diesem kurzen Beitrag geben konnte, auf Gehör stoßen. Ich hoffe auch, dass wir in den nächsten Jahren gemeinsam dazu kommen, Gleichstellungspolitik breiter zu fassen, neue Perspektiven zu erschließen, nicht stehen zu bleiben. Bei manchem Beitrag heute hatte ich den Eindruck, wir sind im Zeitablauf durchaus schon etwas fortgeschrittener, und die Diskussion im Bund und in anderen Bundesländern ist weitaus fortschrittlicher als hier in Bremen. Ich hoffe, dass wir uns das, was dort erarbeitet und an neuen Erkenntnissen gewonnen wird, zu eigen machen können.

Auch in diesem Sinne begrüße ich ausdrücklich den Bericht der ZGF, und wir werden dem Antrag des Ausschusses natürlich auch zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte in meinem Beitrag zuallererst Ulrike Hauffe und ihrer ZGF einen Dank entgegenbringen. Auf knapp 50 Seiten ist viel zusammengetragen worden, wo es in Bremen und Bremerhaven bei der Frauengleichstellung hakt, und das ist ein beachtenswertes Werk. Ich lege hier allen ans Herz, an der einen oder anderen Stelle einmal hineinzusehen!

Der Gleichstellungsausschuss, der sich umfassend damit beschäftigt hat, hat in seinem Bericht drei Schwerpunkte herausgearbeitet, zu denen der Gleichstellungsausschuss dann auch gleich gesagt hat, da ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

hakt es besonders, jedenfalls war es dem Ausschuss wert, das hervorzuheben. Es handelt sich dabei um die drei Punkte Frauen am Arbeitsmarkt, was ja auch ein Schwerpunkt in dem Bericht selbst war, die Problematik um den Girls’ Day und die Beteiligung der Frauenbeauftragten. Ich möchte kurz darauf eingehen, und zwar auch in der Reihenfolge.

Zunächst zu den Arbeitsmarktprogrammen, die der Ausschuss sich im Hinblick darauf angesehen hat, inwiefern die Zielzahlen der Frauenförderung erreicht werden und inwieweit diese Programme dazu beitragen, geschlechterspezifische Rollenbilder abzubauen und Frauen in klassischen Männerberufen Chancen zu geben. Zunächst möchte ich auch an Frau Motschmann gerichtet, die hier so tut, als wenn überhaupt nichts passieren würde, sagen: Die rot-grüne Regierung ist seit zwei Jahren im Amt. Wir haben ein Chancengleichheitsprogramm aufgelegt, was Sie nicht hinbekommen haben, und wir haben all die Zielzahlen im Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramm erheblich angehoben, was Sie in der Vergangenheit auch nicht getan haben,

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das ist ja eine Leistung!)

und wir haben das erste Mal überhaupt einen Überblick, wie es wirkt, was Sie in der Vergangenheit auch nicht erreicht haben. Sie hätten zwölf Jahre Zeit gehabt, das zu tun, das haben Sie nicht getan, also stellen Sie sich hier nicht so populistisch hin, als wenn Sie hier die Vorkämpferin der Frauenbewegung wären, das ist ja eindeutig nicht der Fall!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte aber auch ein paar inhaltliche Punkte dazu nennen, weil gerade der Arbeitsmarktbereich wichtig ist. Wir haben die Situation – und deswegen haben wir auch das Gleichstellungsprogramm aufgelegt –, dass die Frauen in den technologisch orientierten Berufen gegenwärtig deutlich unterrepräsentiert sind.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch jetzt ist es so, dass nur 20 Prozent ein entsprechendes Studium in dem Bereich aufnehmen, und selbst die Frauen, die das tun, haben hinterher erschwerte Möglichkeiten, ihre Kompetenzen auf dem Arbeitsplatz zu verwerten, auch das müssen wir angehen! Gleichzeitig haben wir die Situation, dass ein erheblich großer Teil – da sind Frauen überrepräsentiert – in prekären Beschäftigungsverhältnissen ist. Nur 34 Prozent der Frauen, um die Zahl zu nennen, sind in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, aber dafür 61 Prozent in Minijobs. Da sieht man, was noch alles zu erledigen ist.

Gleichzeitig tragen alleinerziehende Frauen ein erhebliches Armutsrisiko. Im Land Bremen sind 9 000 alleinerziehende Frauen von ergänzenden Hartz-IVLeistungen abhängig, das sind 95 Prozent der alleinerziehenden Hilfebedürftigen, und da möchte ich gern wissen, Herr Dr. Möllenstädt, wie Sie überhaupt darauf kommen, Sie geben sich hier den Anschein, als wenn man sich jetzt endlich einmal um die Männer kümmern müsste, die so wahnsinnig benachteiligt sind! Wenn ich mir aber die realen Zahlen anschaue, haben wir eine Gleichstellung noch lange nicht erreicht und müssen uns darum verschärft kümmern, und das werden wir in dem Gleichstellungsausschuss auch weiterhin tun. Ihr Hinweis zur Bundesregierung, dass dort jetzt so wahnsinnig viel in Sachen Gleichstellung gemacht wurde,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Von gestern bis heute!)