Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist es ja auch gar nicht!)

Nein, Sie haben dieses Geld auch als Land genommen! Aber dann ist es doch unfair, im Gegenzug zu sagen, jetzt wird ein Geschäft zulasten Dritter gemacht. Die Steuereinnahmen für Bremen waren ein Geschäft zugunsten Dritter. Es hat keinen Sinn, Länder und Gemeinden immer gegen den Bund auszuspielen.

(Beifall bei der CDU)

Entweder gibt es Wachstum und Beschäftigung in Deutschland, dann profitieren wir davon – und das haben wir –, oder es gibt eben eine Rezession wie zurzeit, dann profitieren wir nicht davon, dann muss Bremen auch seinen Beitrag leisten.

Ich will an dieser Stelle nur eindeutig sagen: Jetzt so zu tun, als ob das, was da beschlossen worden ist, alles unsozial ist, grenzt wirklich an Unwahrheit. Das, Herr Dr. Güldner, will ich an dieser Stelle ausdrück

lich sagen. Ist es wirklich sozial ungerecht, den Kinderfreibetrag anzuheben

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, genau das ist es! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Denen wird es doch abge- zogen!)

und damit kleine Einkommen vom ersten Euro an und Menschen, die jeden Tag durch ihrer eigener Hände Arbeit Geld verdienen, dadurch zu entlasten?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Unsozialer geht es gar nicht!)

Das ist doch nicht sozial ungerecht, Herr Dr. Güldner! Was haben Sie eigentlich für ein Familienbild? Tausende von Eltern in Bremen und Bremerhaven kümmern sich jeden Tag darum, dass ihren Kindern eine vernünftige, eine zukunftsorientierte, eine solide Entwicklung, Erziehung und Bildung anvertraut wird. Sie tun ja gerade so, als ob das nur der Staat könnte. Nein, meine Damen und Herren, diesen Eltern ist, ob Sie es glauben oder nicht, auch mit 20 Euro Kindergelderhöhung eine Menge geholfen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Null!)

Es gibt Menschen, die von dem Kindergeld tatsächlich auch die Erziehung, Ernährung und Ausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen. Das ist nicht unsozial, sondern es ist sozial, dieses Kindergeld zu erhöhen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Davon profitieren auch nicht nur einige, sondern das Kindergeld bekommt jeder!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Eben! Einkom- mensunabhängig!)

Dann haben Sie gesagt, es sei eine Entsolidarisierung der Gesellschaft, dass wir in Zukunft die Beiträge zur Sozialversicherung teilweise auch aus Steuern finanzieren, im Übrigen eine Erfahrung, die wir in Deutschland schon öfter gemacht haben. Meine Damen und Herren auch von den Grünen, die Solidarität in dem Sozialversicherungssystem am Beispiel Gesundheit drückt sich aber doch nicht dadurch aus, dass wir unterschiedliche Beiträge haben. Die Solidarität drückt sich dadurch aus, dass diejenigen, die gesund sind, Geld in eine Kasse bezahlen, aus der diejenigen, die krank sind, Geld bekommen. Das ist gelebte Solidarität. Das hat mit Beitragshöhe erst einmal nichts zu tun.

(Glocke)

Die Frage, wer wie viel an Beiträgen leistet, Herr Dr. Güldner, ist eine Frage des Sozialausgleichs. Es ist aber ja nicht nur Aufgabe von Arbeitnehmern, diesen Sozialausgleich zu organisieren und zu finanzieren, es ist eine Aufgabe, die sich der Gemeinschaft insgesamt stellt und deswegen auch über Steuern finanziert werden muss. Dieser Weg ist richtig, er ist sozial, und er ist konsequent.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Kein bisschen!)

Es ist bemerkenswert, Herr Dr. Güldner, wie es Ihnen einmal wieder gelungen ist, eine Rede zum Bremer Haushalt zu halten, ohne auch nur einen einzigen Sparvorschlag zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wir sparen doch die ganze Zeit!)

Sie sparen Null!

Diese Regierung wird von 2006 bis 2010 das Niveau ihrer Ausgaben um 400 Millionen Euro und damit um das Dreifache des heute von Ihnen kritisierten Betrags erhöhen, ohne auch nur einen müden Euro davon durch irgendwelche Maßnahmen gegenzufinanzieren. Wenn es eine Regierung in Deutschland gibt, die auf Pump lebt, dann ist es diese rot-grüne Landesregierung. – Danke!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass der jetzt geschlossene schwarzgelbe Koalitionsvertrag in Berlin mitten in der Krise sicherlich eine große politische Zäsur darstellt. Das wird auch, und das ist, glaube ich, auch von den Vorrednern schon gesagt worden, für Bremen Folgen haben. Man muss dabei aber auch fragen: Was steht denn in diesem Koalitionsvertrag, oder wessen Geistes Kind ist eigentlich dieser Vertrag? Dazu muss man doch deutlich sagen, lieber Herr Tschöpe: Der soziale Kahlschlag, der mit der SPD und den Grünen unter Herrn Schröder angefangen wurde, der in der Großen Koalition zwischen CDU und SPD verstetigt wurde, wird jetzt in der Koalition von CDU und FDP fortgesetzt. Das ist nichts als eine Fortsetzung, wenn auch mit weniger und anderen Mitteln.

(Beifall bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Obwohl die Finanz- und ja letztendlich auch die Systemkrise hinlänglich bewiesen hat, dass das kapitalistische System mit seiner neoliberalen Zuspitzung nicht in der Lage ist, die Probleme der Menschheit zu lösen – siehe Klimakatastrophe – und auch nicht in der Lage ist, die Probleme des kleinen Bremer Haushalts zu lösen, verhalten sich doch alle nach einer kurzen Schrecksekunde so, als wäre nichts passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau nach diesem Muster ist dieser Koalitionsvertrag gestrickt. Die Finanzmärkte sind immer noch nicht reguliert, das Kasino hat schon längst wieder geöffnet, und der Koalitionsvertrag schweigt letztendlich dazu. Die drohende Klimakatastrophe wird den Wirtschaftsinteressen gebeugt, die öffentliche Daseinsvorsorge soll weiter privatisiert werden, das Modell der Riesterrente – von Herrn Schröder und Co. wohlgemerkt, das hat Herr Röwekamp sehr richtig bemerkt – wird nun von Frau Merkel und Herrn Westerwelle auf die Pflegeversicherung angewandt. Das, finde ich, ist im Grunde genommen schon ein ziemlicher Skandal! Da muss man sich doch wirklich einmal vorstellen – und ich betone das hier! –, da brechen große kapitalgedeckte Pensionsfonds in den Vereinigten Staaten auseinander, und Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Menschen stehen ohne Altersversorgung da, und Schwarz-Gelb stellt sich jetzt hin und sagt, eben diese Kapitaldeckung ist das Zukunftsmodell für die Pflegeversicherung und für die gesamte Gesundheitsversorgung. Das ist Irrsinn! Das ist sozialer Wahnsinn, den Sie da betreiben!

(Beifall bei der LINKEN)

Öffentliche Beschäftigung, um auch die zu nennen, kommt im Koalitionsvertrag erst gar nicht vor. An Hartz IV ändert sich nichts Wesentliches. Nur, wie wir schon festgestellt haben, die Atomlobby strahlt über beide Ohren.

(Beifall bei der LINKEN)

Insgesamt, sage ich einmal ganz lapidar, ist festzustellen, dass die Kosten der Krisen einmal wieder auf die kleinen Leute abgewälzt werden sollen. Lassen Sie mich aber zu Beginn meiner Rede – und das ist mir auch noch einmal sehr wichtig – feststellen, dass die Fraktion der Bremer Linken ohne Wenn und Aber, und ich betone und wiederhole das, ohne Wenn und Aber zur Existenz und zur Selbstständigkeit Bremens steht!

(Beifall bei der LINKEN)

Sollte also, wie von Rot-Grün angedeutet, ein Gang nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht zwecks Sicherung der Finanzierung des Landes notwendig

sein, werden wir Sie nach Kräften und mit unseren Mitteln unterstützen, ob Sie es wollen oder nicht, im Parlament und auf der Straße!

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ob Sie mit uns so auf die Straße gehen wollen, das weiß ich nicht. Im Parlament wird es mit der Unterstützung einfacher sein, aber auf der Straße, da bin ich gespannt, Sie sind herzlich eingeladen!

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann ich auf jeden Fall im Namen der Fraktion DIE LINKE den Bürgern und Bürgerinnen Bremens versprechen.

Die angekündigten Steuersenkungspläne von CDU und FDP im Bund, darüber wurde auch schon in Ansätzen gesprochen, nützen erst einmal wieder nur den Besserverdienenden. Zweitens erleiden die Länder dadurch Steuereinbrüche in Millionenhöhe. Herr Böhrnsen und Frau Linnert bezifferten auf ihrer Pressekonferenz die Mindereinnahmen mit immerhin 163 Millionen Euro pro Jahr. Dazu muss man sicherlich noch die anteilig zu bezahlenden 140 Millionen Euro für die Konjunkturpakete I und II, die Bremen mitfinanzieren muss, hinzurechnen. Bringt man diese Summe dann noch mit der immerhin im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse in Zusammenhang, ist eigentlich klar, dass der sogenannte Sanierungspfad der Föderalismuskommission gescheitert ist, bevor er überhaupt betreten wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich hält die Bremer Fraktion DIE LINKE nichts von den Vorschlägen der rechten Seite dieses Parlaments. Wenn Herr Röwekamp nun beschwingt von der CDU/FDP-Koalition im Bund wiederholt in der Presse von einem Alle-Mann-Manöver oder von einer Enquetekommission spricht, dann, sage ich einmal, ist Vorsicht geboten. Denn es kommt, wie es immer kommen muss, und so kennen wir es ja auch von unserer CDU: Die Gewoba und die Krankenhäuser sollen verkauft werden, die Eliten müssen weiter bevorzugt werden, die Sozialleistungen müssen auf den Prüfstand, die Kriminellen härter bestraft werden und das, was immer noch wie eine sozialstaatliche Institution aussieht, muss privatisiert werden et cetera. Man könnte diese Liste beliebig, und über die Jahre auch angesammelt beliebig, fortsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für diese Art von sozialem Kahlschlag, auch das will ich hier noch einmal deutlich sagen, ist immerhin die Große Koalition in Bremen abgewählt worden. Herr Röwekamp, wenn Sie es jetzt noch einmal mit

der FDP versuchen wollen, nur zu. Ich glaube aber, die Bürger werden sich das kein zweites Mal gefallen lassen. Bremen ist nicht Berlin, das werden Sie auch noch lernen müssen, Herr Röwekamp!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will aber auch nicht zu einseitig bleiben, nun also zur linken Seite des Parlaments!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt kommt die Selbstkritik!)

Wenn Bürgermeister Böhrnsen und Finanzsenatorin Linnert heute zu der aktuellen Haushaltslage vermelden, dass sich durch die Steuersenkungspläne von CDU und FDP die Situation dramatisch verschlechtern wird und sie jetzt endlich einmal Stopp sagen, dann begrüßt das natürlich DIE LINKE, auf jeden Fall!

Ich frage mich nur: Warum hat das so lange gedauert? Wie oft hat unser Haushalts- und Finanzexperte Herr Rupp hier vor Ihnen gestanden und darauf hingewiesen, warum der Sanierungspfad nicht funktionieren kann beziehungsweise wie weit damit die soziale Spaltung dieser Stadt von Rot-Grün vorangetrieben wird? Wie oft sind wir dafür verlacht worden? Das ist nicht so schlimm, aber man muss doch einmal deutlich sagen, Bürgermeister Böhrnsen, da spreche ich Sie auch persönlich an, Sie sind nach Berlin geeilt, um den zugegebenermaßen ungerechten Länderfinanzausgleich zu verändern, und als dieser dann schon gar nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden hat, sind Sie noch weiter gegangen und haben auch noch die Schuldenbremse aktiv gefördert und auch noch unterschrieben. Das kann ich wirklich beileibe nicht verstehen. Ich frage Sie: Soll so glaubwürdige Politik für die Bürger in Bremen aussehen? Ich sage da deutlich nein!