Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich stelle fest, Frau Senatorin Rosenkötter, dass Sie darauf verzichten möchten, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Thema „Ausbau der der Betreuung der unter Dreijährigen“ mit unserer Großen Anfrage erneut auf die Tagesordnung gesetzt, weil das Tempo, das die rot-grüne Koalition vorlegt, trotz diverser Bundeszuschüsse völlig unzureichend ist. Die gebetsmühlenartig wiederholte falsche Aussage der Sozialsenatorin, erst mit Rot-Grün sei der Ausbau endlich in Fahrt gekommen, möchte ich ein für alle Mal klarstellen. Bis 2013 muss für 35 Prozent aller unter Dreijährigen ein Betreuungsangebot vorgehalten werden. Die Plätze müssen also pro Jahr exponentiell, also mehr als im Vorjahr, steigen.
Die Große Koalition hat in den ersten beiden Ausbaustufen allein in der Stadt Bremen für 4,5 Millionen Euro 455 Plätze geschaffen. Rot-Grün hat nach dem Regierungswechsel die schon feststehende dritte Ausbaustufe, die die Große Koalition noch vorgesehen und auch hinterlegt hatte, erst um ein Jahr verschoben und dann nur mit mehreren Rechnungstricks 117 neue echte Plätze für 700 000 Euro geschaffen.
Der erste Rechentrick: In der ersten Version, die auch die Verwaltung erreichte, waren sogar nur 78 Plätze mit einer 40-stündigen Betreuung geplant. Erst nach diversen Protesten wurden diese dann in 117 Plätze, allerdings nur noch mit einem 30-stündigen Betreuungsumfang umgewandelt.
Der zweite Rechentrick: Die rechtswidrige Einberechnung der sozialpädagogischen Spielkreise, die nur einen Betreuungsumfang von zehn bis zwölf Stunden haben, um überhaupt die Zielquote von 35 Prozent zu erreichen! Das Tagesbetreuungsausbaugesetz, damals von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen, und das Kinderfördergesetz stellen fest, dass nur ein mindestens 20-stündiges Betreuungsangebot auch in die 35-Prozent-Quote eingerechnet werden darf. Bremerhaven macht das aus diesen Gründen auch explizit nicht, andere Angebote, die eine unter 20-stündige Betreuung beinhalten, mit einzubeziehen.
Der dritte Rechentrick: Das Tagesbetreuungsausbaugesetz und das Kinderfördergesetz – beide Bestandteil des SGB VIII – schreiben jährliche Bedarfserhebungen vor. Das schreibt und bestätigt selbst die Sozialsenatorin, zuletzt in der Sozialdeputationsvorlage vom 16. April 2009. Trotzdem verstößt sie dagegen. Warum?
Prof. Blandow hat 2007 für das Land Bremen den Bedarf mit 44 Prozent festgestellt. Jetzt wird unter ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
den fadenscheinigsten Gründen eine weitere Bedarfserhebung verweigert und soll erst nachgelagert ab 2013 wieder aufgenommen werden. Durch die Bedarfserhebung auch stadtteilweise könnten die tatsächlichen Bedürfnisse pro Stadtteil besser festgestellt werden, zum Beispiel in der Neustadt, wo sehr viele Alleinerziehende leben, dort ist der Bedarf sicherlich höher als in anderen Stadtteilen. Der Koalitionsvertrag sieht allerdings vor, besonders benachteiligte Gebiete zu bevorzugen. Das hätte gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle zur Konsequenz, dass man etwas verändern müsste, deswegen möchte man vielleicht die Bedarfe gar nicht feststellen.
Das führt übrigens dazu, dass Eltern, die auf Betreuung der unter Dreijährigen angewiesen sind, weite Wege in Kauf nehmen müssen, um tatsächlich einen Platz zu erhalten. So wurden Eltern im Viertel, die keine wohnortnahe Betreuung finden konnten, Plätze der Betreuung der unter Dreijährigen in OsterholzTenever angeboten. Das, meine Damen und Herren, kann es nicht sein! Wir haben im Bereich der Kindergärten und auch der Grundschule den Grundsatz der wohnortnahen Versorgung. Im Bereich der unter Dreijährigen muss dies meiner Meinung nach mit einem etwas größeren Radius, aber auch dennoch gelten.
Der vierte Rechentrick ist uns in der Deputationsvorlage am 17. September 2009 vorgelegt worden, wo man feststellt, dass wir mit Stand vom 1. Januar 2009 insgesamt 1 938 Plätze haben, wobei ich jetzt die sozialpädagogischen Spielkreise, die ich persönlich nicht in die Quote einbeziehen würde, einmal mit einbezogen habe, um überhaupt auf die absoluten Zahlen zu kommen. Bei 13 362 Kindern unter drei Jahren, die wir zurzeit haben, und einer 35-prozentigen Betreuungsquote, die erreicht werden muss, müssen wir insgesamt auf knapp 4 600 Plätze kommen, es fehlen also 2 600 Plätze. Diese 2 600 Plätze sollen in Höhe von ungefähr 800 Plätzen in den Jahren 2009 bis 2011 geschaffen werden.
Im Jahr 2012 kommt dann der nächste Rechentrick, man sagt, dass man 850 Plätze schaffen wird, indem man für die vierten Quartalskinder – das sind Kinder, die erst im vierten Quartal ihr drittes Lebensjahr vollenden – die Kindergartenaufnahme auf den 1. August vorzieht, was bisher nicht der Fall ist. Das sind fünf Monate und sorgt dafür, dass die zweieinhalb bis fast drei Jahre alten Kinder versorgt werden.
Den Rechtsanspruch, der ab 1. August 2013 ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gilt, erfüllt man damit aber nicht. Vom Verband der Kindergruppen ist auch ganz klar gesagt worden, dass gerade die Krabbelgruppen und auch die Kleinkindgruppen Kinder im Alter zwischen einem Jahr und anderthalb Jahren aufnehmen, weil sie diese nach 45 Monaten abgeben müssen, so sieht es das Gesetz vor. Damit für die Kinder noch eine Eingewöhnung und eine vernünftige Zeitspanne gesetzt werden kann, wird an dieser Stelle kein älteres Kind aufgenommen. Das heißt,
wir werden gerade im Bereich der Zwei- bis Zweieinhalbjährigen eine Betreuungslücke bekommen, und da muss man sich aus unserer Sicht doch noch andere Gedanken machen. Herr Frehe hat dort schon Entgegenkommen signalisiert und im letzten Jugendhilfeausschuss gesagt, das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss, auch Sie wünschen sich da Verbesserungen. Ich kann nur wünschen, dass sich da die Grünen weiterhin durchsetzen und dass wir doch noch zu einer etwas anders gearteten Aufstellung kommen. – Danke schön!
Nach unserer Auffassung sind wir auf einem guten Weg, und das trotz vieler Kritik von außen und allen Unkenrufen zum Trotz.
Es ist jetzt absehbar, dass die Anforderungen an den Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren gut zu erfüllen sind. Unsere erreichten Ziele bis jetzt sind: Erstens, wir schaffen Angebote dort, wo es bisher wenige Angebote gab. Das werden wir weiterhin tun, besonders in den Stadtteilen, die besondere Hilfe und Unterstützung brauchen!
Zweitens, wir werden gesamtstädtisch eine Versorgungsquote von 25,5 Prozent erreichen und fast überall mindestens 20 Prozent bis 2011. Drittens, von dem Ausbau profitieren alle, von den Elternvereinen bis zu den städtischen Kitas. Viertens, es werden bis zum Ende des Jahres 2011 600 neue Plätze geschaffen, das sind 70 neue Gruppen, die eingerichtet werden. Es werden bis zur Zielerreichung weitere 1 144 neue Plätze in Einrichtungen und circa 130 Plätze in der Tagespflege zu realisieren sein. Die Ausbauplanung 2012/2013 wird bis zum vierten Quartal 2010 vorge––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
legt. Für den Ausbau 2010 gibt es einen Investitionsbedarf von circa 3,6 Millionen Euro, und für 2011 sind es 3,4 Millionen Euro. Durch die Mittel aus dem Konjunkturprogramm und die Mittel des Bundes ist die Finanzierung ausreichend.
Bei der Umsetzung liegt der Fokus darauf, vorhandene Strukturen zu nutzen durch zum Beispiel nicht mehr benötigte Horträume, durch ein neues Ganztagsschulangebot. Es werden Standorte genutzt, die mit einfachen An- oder Umbauten genutzt werden können. Im gesamten Ausbauprozess müssen wir auch flexibel und schnell auf mögliche Bedarfe bei einfacher Umsetzung reagieren können.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass uns allen der Ausbau der Plätze für die Kleinsten sehr am Herzen liegt.
Es geht natürlich dabei um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, damit Frauen dazu in die Lage versetzt werden können, eine eigene berufliche Biografie aufzubauen. Es geht aber auch um Teilhabe und eine möglichst frühe Förderung von Kindern, um soziale Nachteile auszugleichen und für den Schuleintritt gewappnet zu sein mit den erforderlichen Sprachkenntnissen zur Teilhabe an Bildung.
Studien zeigen, dass Kinder von einem frühen Besuch guter Kindertageseinrichtungen für ihre Bildungsbiografie profitieren. Alle Kinder brauchen von Anfang an eine bessere Integration, einen besseren Spracherwerb und eine bessere Bildung, die unabhängig ist vom Geldbeutel der Eltern.
Aber nun, das kann ich leider nicht unerwähnt lassen, kommt die schwarz-gelbe Koalition mit der Einführung eines Betreuungsgelds, auch Herdprämie genannt. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Damit konterkarieren Sie all unsere Bemühungen, die doch einer tiefen Erkenntnis entstammen. Durch das Betreuungsgeld werden vor allem Kinder aus benachteiligten Familien schlechtere Bildungschancen erhalten, das können Sie nicht ernsthaft wollen!
Hier werden fatale Fehlanreize gesetzt. Anstatt den Ausbau der Kinderbetreuung schneller voranzutreiben und den Kommunen zu helfen, fallen Sie ins überholte Gestern zurück mit einer Rückwärtsrolle in der Familienpolitik.
Zurück in die Zukunft, kann man da nur sagen! Die Herdprämie setzt völlig falsche Anreize für Frauen. Wir wissen alle, wie schwierig es ist, nach den Erziehungszeiten wieder in das Erwerbsleben einzusteigen. Weniger Rente und Altersarmut werden so vorprogrammiert. Diese Milliarden sollen wirklich sinnvoller in die frühkindliche Bildung investiert werden. Ich appelliere ernsthaft an Sie von der CDU und der FDP: Setzen Sie sich in Ihren Parteien auf Bundesebene dafür ein, dass diese Herdprämie niemals Realität wird! – Vielen Dank!