Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

Nun kann man, jedenfalls hin und wieder, auf das Geltendmachen von Rechten auch verzichten. Übrigens, weil ich hier im Parlament stehe, darf ich einmal daran erinnern, dass es am Beginn der parlamentarisch-demokratischen Entwicklung eine Regelung gab, dass man auf seine Diäten als Abgeordneter nicht verzichten konnte. Warum übrigens? Weil man diejenigen, die auf das Geldverdienen angewiesen waren, nicht als Raffke vorführen wollte gegenüber denjenigen, die, weil Sie Vermögen hatten, sagen konnten, das mache ich, weil es mir Spaß macht! Das war die Begründung, weshalb man nicht auf Rechte verzichten konnte.

Man muss sich noch einmal Gedanken darüber machen, dass darin auch ein wichtiger Kern des demokratischen Prinzips steckt. Hier haben die neuen Mitglieder des Senats, die ihren Wohnort nach Bremen verlegt haben, auf das Geltendmachen dieser Ansprüche verzichtet, und ich will hier noch einmal ganz ausdrücklich sagen: Sie haben das getan, weil sie gesagt haben, Bremen hat Wichtigeres zu tun und zu debattieren, als sich über Umzugskosten auseinanderzusetzen. Deswegen haben sie verzichtet, und ich finde, das verdient Respekt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit hinzufügen: Es ist gut für Bremen, dass wir von außerhalb hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch Senatorinnen und Senatoren gewinnen und dass sie Lust und Interesse haben, mit uns gemeinsam an der großen Aufgabe zu arbeiten, Bremen zukunftssicher zu machen. Auch das ist wichtig, und auch das müssen wir an dieser Stelle noch einmal sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will eine abschließende Bemerkung machen, wie die Debatte insgesamt verlaufen ist! Ich vermute einmal, dass es nur wenige Bereiche gibt, wo man Emotionen, wo man vor allem öffentliche Emotionen und wo man auch Skandalisierung fast automatisch und treffsicher erreichen kann, wie wenn man über geldliche Leistungen an Politiker und Mandatsträger redet. Das endet und beginnt, glaube ich, nicht bei den Senatoren, sondern das Feld ist ganz weit aufzumachen. Das hängt vielleicht auch – ich könn

te jetzt über das Ansehen von Politik reden, aber das will ich hier gar nicht tun – damit zusammen, dass man Leistungen von Politikern vielleicht schlechter einschätzen kann als die Leistung eines Wissenschaftlers, eines Bäckermeisters, eines Gärtnermeisters. Darüber will ich gar nicht lamentieren. Ich möchte uns eigentlich nur bitten, dass wir uns dort, wo die Kritik verantwortungsbewusst, wo sie substantiiert vorgetragen wird, der Debatte auch stellen, aber dort, wo sie so subkutane Emotionen schüren soll, mit einem gewissen Selbstbewusstsein, das wir auch haben dürfen, sagen können: Wir sind keine Raffkes, wir wollen keine sein, und wir werden keine sein. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Senatsgesetzes, Drucksache 17/33, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, Die Linke und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt das Gesetz in erster Lesung ab.

Damit unterbleibt gemäß Paragraf 35 Absatz 2 der Geschäftsordnung jede weitere Lesung.

Übernahme von Kosten für die Erstausstattung von Schulkindern bei Schuleintritt in Höhe von bis zu 80 Euro, deren Eltern über ein geringes Einkommen verfügen

Antrag der Fraktion Die Linke vom 12. September 2007 (Drucksache 17/49)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, sehr verehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Dieses Thema ist sicherlich wieder geeignet, Emotionen zu schüren, es geht um die Erstausstattung von Schulkindern. Wir haben es alle in der Presse gesehen: Es hat Empörung hervorgerufen, dass Menschen, die vom Regelsatz beim Arbeitslosengeld II leben müssen und ihre Kinder durchbringen müssen, davon noch etwas ansparen sollen, um die Erstausstattung für Erstklässler, die sich in einer Höhe zwischen 100 und 250 Euro bewegt, anzusparen. Dieses Ansparen wurde allgemein als nicht möglich angesehen, und wir sind uns einmal wieder einig: Das geht so nicht weiter!

Jetzt ist nur wieder die Frage: Wer tut etwas? Wer beschließt etwas? Wer nimmt aus dem kostbaren bremischen Haushalt Geld in die Hand, um für diese Kinder sofort etwas zu beschließen? Wer hat diese Kraft, wer hat diesen Mut und wer hat diese Tatkraft, dies auch wirklich sofort umsetzen? In diese Richtung geht unser Antrag, und wir haben in dem Sinne beschlossen, dass wir ab sofort für eine Erstausstattung bei vorliegenden Quittungen als Gemeinde, als Land Bremen einen Anteil von 80 Euro übernehmen, und diese 80 Euro will ich kurz erläutern. Warum 80 Euro? Ich komme mit dieser Summe denjenigen im Haus schon als Kompromiss entgegen, die sparen wollen, weil sie öffentliche Armut offenbar akzeptieren. Das zu diesem 80-Euro-Beitrag, dieser Höhe!

Die Bedürftigen – in dem Fall die, die den Bedarf haben – sind Arbeitslosengeld-II-Empfänger, aber, wie Frau Stahmann eben auch schon einmal erwähnt hat und in unserem Antrag formuliert worden war, auch Personen, die BAföG-Grundsicherung bekommen, Wohngeld oder vergleichbare Leistungen. Es geht nicht nur um die Empfänger von Arbeitslosengeld II. Indem ich das Wohngeld hier hineingeschrieben habe, haben wir dann auch die Geringverdiener, die gelegentlich von anderer Seite auch mit Recht angeführt werden, mit gemeint und einbezogen.

Das ist übrigens nicht meine Idee, denn in anderen Kommunen gibt es das. Diese guten Vorbilder sollten wir uns nehmen, um diese Maßnahme hier jetzt zu beschließen, die noch bis zum Jahresende gültig ist, bei Vorlage der Quittung durch diejenigen, die sich hier in Unkosten gestürzt haben, vielleicht privat verschuldet haben und so weiter. Das können Sie sich vielleicht vorstellen, vielleicht auch nicht, wie es dann in den Familien zugeht, die eben die Ausstattung bis zum heutigen Tag nicht haben, die die anderen Schulkinder haben. Die Diskriminierung fängt an, und man kann einfach nicht so gut arbeiten, wenn man von Anfang an materiell diskriminiert ist. Man wird dann leicht ein bisschen lächerlich.

Die Lehrer finden es auch nicht schön, wenn die Ausstattung nicht vorhanden ist, und es ist eine Irritation, die man in ihrer ungünstigen pädagogischen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wirkung durchaus erkennen sollte. Ich kenne das zufällig ein Stück weit aus eigener Erfahrung aus meiner eigenen Unterrichtspraxis in der Grundschule in den letzten Jahren. Die Übernahme der Kosten ist deswegen sehr wichtig, und wir sollten es natürlich für das nächste Jahr gleich mit beschließen, dann möglichst 2 Monate vor Schulbeginn diese Käufe zu tätigen und entsprechend abzurechnen.

Apropos Abrechnung, hätte ich beinahe gesagt: Die Sozialdemokraten haben eine Initiative gestartet, die wir, wie gesagt, 3 Tage später lesen konnten, die sie bundesweit wohl aus Anlass, muss ich sagen, unseres Antrags starten wollen.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Bundesweit? – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Meinen Sie, Ihren Antrag hat jemand gelesen?)

Ich begrüße das. Ja, die Aufregung ist berechtigt! Eine Initiative, die Sie starten wollen, das finde ich gut! Starten Sie eine Initiative, beginnen Sie, Ihre bundesweite Politik zu reparieren! Diese ganzen ALGII-Gesetze sind ein Skandal, und Sie beginnen, daran zu reparieren.

Ich akzeptiere, ich unterstütze auch das, und ich mache unseren Antrag damit kompatibel, indem ich bitte, hier den Zusatz aufzunehmen: „Die Bezuschussung gilt bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden bundesweiten Regelung“, denn wir wollen diesen Bemühungen nicht im Wege stehen. Obwohl vielleicht gleich noch vorweg zu diesen Bemühungen ein Wort: Was dort laut Presse geplant ist, ist eine aufkommensneutrale Umänderung dahin gehend, dass der geringe Betrag, den die ALG-II-Empfänger bekommen, nicht mehr voll ausgeschüttet wird wie heute, sondern ein Teil davon zurückgehalten wird und im Fall des Bedarfs der Kinder dann ausgezahlt wird. Das ist so ähnlich, wie Lebensmittelgutscheine für gesundes Frühstück auszugeben, das ist eine nicht sehr noble Geschichte!

Sie haben darüber hinaus aber vor, ein Gutachten zu erstellen, ob die Sätze eventuell erhöht werden müssen. Entschuldigen Sie, es ist natürlich nicht zum Lachen! Ein Gutachten, das kennen wir von GEWOS, das kennen wir zum Thema Mindestlohn, da gibt es Gutachten hin und her, und das ist nicht das, was nun wirklich das Optimum ist und was von uns erwartet wird. Immerhin: Auch diese Bemühungen möchte ich berücksichtigen, und wir haben dies deswegen in diesem Antrag auch integriert. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, warum Sie diesem Antrag nicht zustimmen würden, außer, es geht wieder los: Wir haben kein Geld für diejenigen, die es am dringendsten brauchen. Ich glaube, das ist gerade heute – ich habe gehört, es ist irgendwie Weltkindertag – nicht schön, wenn Sie das hier noch einmal wiederholen. Ich bin gespannt! – Vielen Dank!

(Beifall bei der Linken)

Herr Kollege Beilken, Sie hatten eben einen Zusatz in Ihren Antrag aufgenommen. Können Sie uns den bitte einmal geben?

(Abg. B e i l k e n [Die Linke]: Ja!)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist ja die Fortsetzung der Debatte, die wir heute Morgen schon hatten und die wir mit einer Beschlussfassung abgeschlossen haben. Ich kann nur aus unserer Sicht sagen: Wir sind sehr froh darüber, dass wir in Bremen nach wie vor in der Landesverfassung die Lern- und Lehrmittelfreiheit verankert haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gab immer wieder Vorschläge, das zu ändern. Das haben wir abgelehnt, das haben wir verhindern können. Wir wissen natürlich, dass das in der Praxis an manchen Stellen durchbrochen ist. Wenn man sich die Schulen anschaut und weiß, wie häufig Eltern gebeten werden, doch bestimmte Dinge zu kaufen, dann ist klar: In der Praxis sieht es etwas anders aus, aber es ist wichtig, das im Grundsatz beizubehalten, weil sonst die Dämme völlig brechen.

Natürlich ist der erste Schultag im Leben eines Kindes und auch für die Eltern ein ganz besonderer Tag. Ich wohne gegenüber einer Schule, ich habe also schon einen gewissen Eindruck, was dort so jedes Jahr stattfindet. Selbstverständlich ist es so, dass Kinder und Eltern sich gerade an diesem Tag keine besonderen finanziellen Sorgen machen sollten. Deshalb kann ich nur sagen, die Intention Ihres Antrages unterstützen wir, gar keine Frage. Ich sage aber auch: Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen oder auf den Weg gebracht, die die Verbesserung der Lebensverhältnisse gerade in Bezug auf Kinder im Fokus haben. Wir haben das gestern bereits diskutiert: Kinderbetreuung, Mittagessen, Sprachförderung, wir verbessern die Jugendhilfe! Das kostet alles viel Geld, das kostet Personal. Wir sind wirklich dabei, dass wir im Moment sagen müssen: Wir sehen nicht, wie wir zusätzliche Ausgaben in diesem Bereich noch finanzieren können.

Ich sage, wir tun alles, was wir können, was in bremischer Zuständigkeit liegt, um die Situation von Kindern zu verbessern. Aber das Problem, das hier angesprochen ist, hat eine ganz andere Dimension und bezieht sich auch nicht nur auf die Frage der Erstausstattung für die Schulanfänger, sondern es geht ja viel weiter. Seit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist eben alles durch pauschale Leistungen abgegolten. Das, was früher als Hilfe in besonderen Lebenslagen gezahlt werden konnte, gibt es nicht mehr, sondern das beinhalten Pauschalen;

mit einer Ausnahme übrigens, und das betrifft mehrtägige Klassenfahrten. Die werden noch bezuschusst, da darf die BAgIS zahlen. Ansonsten gibt es keine gesetzliche Grundlage für weitere Leistungen.

Wir finden das unbefriedigend, und darauf muss uns nicht Die Linke bringen, sondern das haben wir vor vielen Monaten schon diskutiert. Wir wollen, dass das SGB an diesem Punkt geändert wird. Wir wollen, dass die gesetzliche Möglichkeit geschaffen wird, in besonderen Lebenslagen besondere Hilfen zu bewilligen. Aber das muss der Bund beschließen, das ist ein Bundesgesetz, um das es geht. Deshalb sind wir sehr froh darüber, dass das Sozialressort erklärt hat, es wolle eine Bundesinitiative mit dem Ziel, genau dies zu erreichen, auf den Weg bringen. Wir freuen uns darüber, dass Franz Müntefering diese Idee aufgegriffen hat und unsere Bundespolitiker da mitmachen werden. Das ist eine gute Sache.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wissen natürlich auch, wir sind ja da sehr im Gespräch mit den Wohlfahrtsverbänden, dass die Wohlfahrtsverbände eine Erhöhung der Regelsätze um 20 Prozent fordern, auch das haben wir diskutiert. Wir wissen auch, dass die Wohlfahrtsverbände in der Frage der besonderen Leistungen für Kinder an unserer Seite sind. Da sind wir in richtig guter Gesellschaft. Natürlich haben wir versucht, dieses Thema schon – da gab es Sie hier noch nicht als Fraktion – hier im Parlament zur Debatte zu bringen. Das ist so nicht gelungen, weil wir damals in einer anderen Koalition gefangen waren. Wir haben einen Antrag entworfen gehabt, in dem genau dies gefordert wurde, nämlich kommunale Strategien gegen Kinderarmut und Änderungen des SGB auf Bundesebene. Das konnten wir damals nicht einbringen.

Noch zwei Sätze! Ganz interessant übrigens in diesem Zusammenhang ist die Reaktion unseres damaligen Koalitionspartners, dem wir ja unseren Antrag übersandt hatten. Der sozialpolitische Sprecher hat uns damals über die Presse erwidert: „Herrn Grotheer geht es mit seinem Antrag leider nicht um die Sache, sondern lediglich um Aufmerksamkeit. Das Einzige, was Sozialdemokraten seit Jahren beim Thema Armut einfällt, ist eine Neiddebatte verbunden mit der Forderung nach zusätzlichen staatlichen Leistungen. Das ist keine besonders nachhaltige Strategie.“ Das ist eine Presseerklärung der CDU, die ich Ihnen hier eben vorlesen durfte. Ich habe leider vergessen, das Präsidium um Erlaubnis zu fragen, aber ich denke, das ist so genehmigt. Das ist die Haltung gewesen, mit der wir uns auseinandersetzen mussten.

Wir sind jetzt in dieser Koalition in einer anderen Situation und werden uns natürlich nachdrücklich auf Bundesebene dafür einsetzen. Angesichts der besonderen Probleme, die wir mit unserem Haushalt haben, und angesichts des Verfahrens in Karlsruhe se

hen wir aber keine Möglichkeit, dem jetzt sofort zu entsprechen, aber das Thema steht weiterhin auf der Tagesordnung. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)