Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Brumma.

Ich muss doch noch einmal etwas entgegnen auf die Aussage, dass wir damit angefangen hätten! In der schwarz-roten Koalition gab es keine Zusatzbeiträge, denn da wurde auf Kostenreduktion gesetzt.

(Abg. B e i l k e n [DIE LINKE]: Beim Zahnersatz?)

Es wurde von uns eingeführt, dass es eine einprozentige Einkommensbegrenzung beim Zusatzbeitrag gibt, und es gab in dieser Zeit keine Zusatzbeiträge, ganz einfach! Ich habe seit dem Regierungswechsel nicht gehört, wo die Kosten reduziert werden sollen.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Dann haben Sie aber die Zeitung nicht gelesen!)

In dem Bereich wird bisher nichts vorgelegt.

Es gibt zwar jetzt den Versuch, bei Arzneimitteln etwas zu machen, aber das ist unausgegoren, es gibt keine Kosten-Nutzen-Bewertung, sie haben den Chef des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, IQWiG, Herrn Sawitzki, ausgewechselt. Daher sehe ich hier noch keinerlei Anstrengung, die Kosten in den Griff zu bekommen. Nach unserer Meinung sind wir auf dem besten Weg, dass Sie in Zukunft die Prämie einführen – wie auch Ihr Gesundheitsminister im Interview in der Sendung „Beckmann“ eindeutig gesagt hat: Wenn die Kopfprämie nicht kommt, dann bin ich eigentlich überflüssig.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Ist er jetzt schon!)

Das hat er in diesem Interview gesagt! Daher weiß ich nicht, warum Sie immer wieder behaupten, es gäbe keine Vorschläge. Die Kopfprämie wurde vorgeschlagen, sei es durch Ihr Parteiprogramm – Sie sagen zwar Gesundheitsprämie, aber das ist dasselbe, es ist ein fester Betrag –, und von daher können Sie nicht behaupten, hier gibt es noch keinerlei Äußerungen. Wie gesagt, die Richtung ist vorgegeben. Sie wollen ein Dreiklassensystem in der Medizin: Holzklasse für die Armen, private Zusatzversicherungen für die, die etwas mehr Geld haben, und dann eben noch die Luxusklasse für die, die besonders viel Geld haben. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete, ich glaube, es war Herr Dr. Möllenstädt, hat eben hier vorgetragen, dass es im Gesundheitswesen, vor allem natürlich auch zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, einen dringenden Handlungsbedarf gebe. Ich stelle fest, dass wir vonseiten des Senats und, ich glaube, eigentlich vonseiten aller Gesundheitspolitiker, egal, wo sie politisch aktiv sind, diese Diagnose teilen. Das Problem ist nicht der dringende Handlungsbedarf.

Das Problem ist die Antwort, die man zum dringenden Handlungsbedarf gibt.

Der Senat Bremens hat in dieser Frage eine klare Position, die wir auch im Bundesrat vertreten: Wir lehnen die von Schwarz-Gelb vorgeschlagene Lösung, nämlich die Umstellung auf eine Kopfpauschale, entschieden ab. Dass es diesen politischen Willen völlig unabhängig von irgendwelchen Ergebnissen von Regierungskommissionen aufseiten SchwarzGelb gibt, ist unbestritten, denn das steht schon im Koalitionsvertrag. Die Frage ist nicht, ob die Umstellung erfolgen soll, sondern die Frage ist, in welchem Tempo und in welchen Schritten sie erfolgen soll.

Dass Schwarz-Gelb tatsächlich diese Weichenstellung auf eine Kopfpauschale vornehmen will, kann man nicht nur den Äußerungen des Gesundheitsministers Rösler entnehmen, sondern das kann man zum Beispiel auch den gerade in dieser Woche nachzulesenden Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kauder entnehmen. Insoweit ist also eine strittige Auseinandersetzung über diese Weichenstellung nicht nur aktuell, sie ist sogar dringend angezeigt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dass es in diesem System, dem aktuellen Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung, soziale Problemlagen gibt, und zwar, was die soziale Ausgeglichenheit angeht, das ist unbestritten, aber die Antwort auf diese Frage muss nicht die Kopfpauschale sein, denn wo soll das sozial Ausgeglichene bei der Kopfpauschale sein? Jeder zahlt unabhängig von seinem Einkommen denselben Betrag dafür, dass er Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen darf. Ist das sozial ausgeglichen?

Wenn eine soziale Ausgeglichenheit über Steuermittel herbeigeführt werden soll, dann würde das automatisch bedeuten, dass ein erheblicher Teil unserer Bevölkerung den Bittgang zum Staat machen muss, damit er eine sozial zumutbare Situation bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht. Es gibt Kalkulationen, nach denen 30 bis 50 Millionen Deutsche dann den Ausgleich über Steuermittel in Anspruch nehmen müssten, damit sie mit diesem System der Kopfpauschale überhaupt finanziell über die Runden kommen können. Auch dann wäre aber von einer wirklichen sozialen Ausgewogenheit nicht die Rede.

Wer das will, muss über die Beitragsbemessungsgrenze reden, die zurzeit nämlich diejenigen, die es eigentlich von ihrer Leistungsfähigkeit her können, davor schützt, leistungsfähig angemessene Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung zu leisten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Derjenige muss natürlich auch darüber reden, dass lohn- und gehaltsunabhängige Einkommensquellen in die Berechnung der Beiträge mit einbezogen werden müssen. Auch darüber müsste man dann reden. Wer also wirklich sozial ausgewogene Beiträge will, hat die Felder, über die zu reden wäre, eigentlich unmittelbar im Blick, könnte daran etwas ändern, aber ich glaube nicht, dass das Ziel von Schwarz-Gelb in Berlin ist.

Wir werden vonseiten des Senats – ich habe darauf schon hingewiesen – mit einigen anderen Ländern, nicht nur den Ländern, in denen die sozialdemokratische Partei die Regierungsverantwortung trägt, entschieden unsere Gegenposition halten, sondern wir machen das interessanterweise auch mit Ländern zusammen, in denen eine ganz andere Farbkonstellation herrscht, zum Beispiel in Bayern.

Ich weiß auch aus dem Kreis des Bundesrats, dass es auf der Seite der CDU/CSU-geführten Länderregierungen auch ausreichend viele Kollegen gibt, die diesen Weg für einen Irrweg halten und diesen Weg nicht mitgehen wollen. Ich gehe davon aus, dass wir nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen sowieso von einer anderen politischen Konstellationslage ausgehen können und wir dann möglicherweise diese Debatte, in der Form, wie wir sie heute führen, nicht weiter führen müssen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich nichts mehr sagen, aber ich glaube schon, dass es für die Richtigkeit der Ausführungen hier doch wesentlich ist, dass man noch einmal einige Dinge ins rechte Licht rückt. Ich will zum einen einmal darauf hinweisen, dass diese ganze Debatte sehr über die Parteigrenzen hinweg geführt wird. Zum Beispiel ist dieser Tage die ehemalige Gesundheitsministerin Frau Fischer vom Bündnis 90/Die Grünen in den Medien zu hören, die Herrn Rösler zu Recht viel Glück für die anstehenden Reformen wünscht.

(Beifall bei der FDP- Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich weiß auch nicht, was jetzt diese Muttergefühle auslöst bei Herrn Rösler!)

Lieber Herr Dr. Schulte-Sasse, ich finde es schon sehr merkwürdig, wenn Sie in diesem Zusammenhang von einem Bittgang von Bürgerinnen und Bürgern zum Staat sprechen. Würden Sie denn die glei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

chen Maßstäbe auch bei anderen Leistungen innerhalb des Sozialstaates anlegen, etwa bei Personen, die Kindergeld oder Wohngeld beziehen? Sind das auch alles Bittsteller in Ihren Augen? Ich glaube, so holzschnittartig, wie Sie sie führen, kann man die Diskussion nicht führen, und der Senat ist nicht gut beraten, wenn er mit derartig plumpen Argumenten auf die Berliner Bühne tritt.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen lassen Sie mich eines sehr deutlich sagen: Ich bin sehr dafür, dass wir auch Gesundheitskosten solidarisch finanzieren, ich bin sehr dafür, dass man auch verschiedene Einkommensarten gerechterweise dort mit einbezieht, aber dies wird in einem vernünftigen System, nämlich im Steuersystem geleistet. Es gibt überhaupt keine inhaltliche Begründung dafür, warum dies ausgerechnet im System der gesetzlichen Krankenversicherung noch einmal zusätzlich geleistet werden kann, weil es offensichtlich dort auch nur zu Fehlsteuerungen führt. Es verteuert den Faktor Arbeit.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Sie neigen dazu, sich beim Steuersystem permanent zu überheben!)

Dass das ein Problem sein könnte, das hatten Sie, Herr Dennhardt, oder Ihre Partei zumindest früher schon einmal eingesehen. Zum anderen ist es dort auch schlicht kaum möglich, bestimmte Einkommensarten mit heranzuziehen. Deshalb bleibt es richtig für die Gesundheitsbeiträge – für einen hoffentlich bald pauschalen Beitrag, ist es richtig, auch aus meiner Sicht richtig –, dass die Chefin den gleichen Beitrag zahlt wie ihr Sekretär, aber dass sie natürlich unterschiedlich hohe Steuern zahlen sollen, darauf werden wir auch achten.

(Beifall bei der FDP)

Dies ist auch vollkommen richtig und so angelegt, und das ist dann auch die gesamte Wahrheit dieses Konzepts. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Sie sich da im Blick auf die nächsten Landtagswahlen etwas zu früh freuen, ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Weg, den die neue Bundesregierung eingeschlagen hat, zukunftsfähig und zukunftsorientiert ist, und dass er auch in den nächsten Jahren zu einer Stabilisierung auch von Gesundheitskosten für die Bürgerinnen und Bürger beitragen wird. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1188 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, FDP und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Beteiligung des Landes Bremen am EU-Programm „Global Monitoring for Environment and Security – GMES“

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 26. November 2009 (Drucksache 17/1074)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 2. Februar 2010

(Drucksache 17/1149)