Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Wir können immer noch besser werden. Das werden wir, und ich hoffe vor allen Dingen auch, dass wir in unserer nächsten Debatte, das ist nämlich auch ein Manko, wir wirklich noch besser werden können: Diese Kreativwirtschaft funktioniert nicht nur intern mit Vernetzung und Kooperation, sondern ist darauf auch innerhalb der Ressorts angewiesen. Ich wünschte mir, dass bei einer nächsten Debatte über die Kulturund Kreativwirtschaft hier nicht nur ein Senator sitzt, sondern eigentlich mindestens drei, wenn nicht sogar vier Senatoren, denn wenn vier Senatsressorts die Wichtigkeit dieser Branche erkennen, dann haben wir etwas gewonnen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Immer wenn ich den Abgeordneten Kau höre, fühle ich mich an den kulturell hochstehenden Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. Mit anderen Worten: Tauschen Sie Ihre Textbausteine einmal aus! Ich habe den Eindruck, Sie wissen wenig bis nichts über die Vielfalt und die Lebendigkeit der bremischen Kulturszene.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Textbaustein würde ich Ihnen einmal aus der Handelskammer die „Perspektive Bremen 2020“ empfehlen, ich zitiere mit der Genehmigung der Präsidentin –

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Ohne! Sie können auch ohne!)

ich bin strukturkonservativ

(Heiterkeit)

und halte mich daran und im Übrigen höflich –, das Zitat lautet: „Gerade in den zurückliegenden Monaten hat sich gezeigt, dass die bremische Kulturpolitik die langjährige Forderung der Handelskammer nach einer Kulturförderung, die über eine Legislaturperiode hinaus verlässlich ist, für wichtige kulturelle Leuchttürme der Stadt wie das Theater, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen oder die Bremer Philharmoniker, erfolgreich eingelöst hat. Dies hat zu einer erheblichen Verbesserung des Vertrauens in die Kulturpolitik geführt und gezeigt, dass auf dieser Basis weitere Maßnahmen zur Stärkung des Kulturstandorts Bremens und der Kreativwirtschaft in unserer Stadt vorgenommen werden können und müssen.“ Das ist der Ausgangspunkt.

Sie haben uns einen Berichtsauftrag gegeben, einen Kulturwirtschaftsbericht zu erstellen. Wir haben uns den Auftrag angeschaut und uns dann zunächst gefragt: Was ist Kulturwirtschaft? Sie wissen, es gibt seit Mitte 2008 eine breit abgestimmte, nämlich in der Wirtschaftsministerkonferenz abgestimmte Definition, dass es nicht mehr Kulturwirtschaft, sondern Kultur- und Kreativwirtschaft heißt, und darunter fallen elf Branchen unterschiedlichster Art, von Film über Medien bis hin zur Architektur. Dann haben wir uns angeschaut, was machen denn andere – man muss das Rad ja nicht immer neu erfinden –, und wie machen andere Länder das. Da werden Sie in der Republik auf ganz viele Berichte stoßen.

Dann sind wir bei dem, was auch schon beim Kollegen Kastendiek das Thema war: Wollen Sie über

elf Branchen einen detaillierten Datenbericht machen? Dann müssen Sie wissen, dass Sie nicht auf Daten zugreifen können, die irgendwo liegen, dann müssen Sie diese Daten erheben. Dann habe ich gefragt, und wir haben ermittelt, was das denn kostet. Da sind wir bei 300 000 Euro gelandet. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir das ermittelt haben, und wir haben herausgefunden, was andere gemacht haben. Ich stehe dazu und habe gesagt: Leute, für 300 000 Euro Daten über elf Branchen zu erheben, die wahrscheinlich sowieso begrenzt aussagefähig sind und die wahrscheinlich nicht von solcher politischer Bedeutung sind, dass wir darauf neue Maßnahmen stützen, da weiß ich etwas Besseres, was wir mit 300 000 Euro machen, denn dafür kann man viel Gutes in der Kulturszene tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen eine bewusste Entscheidung, die ein bisschen gedauert hat, eine bewusste Entscheidung, wir wollen nicht für einige Hunderttausend Euro Daten erheben, und dann hätten Sie uns möglicherweise gesagt, nun liefern Sie uns Tabellen und Tabellen, und was sollen wir damit anfangen? Tatsache ist doch, dass wir es im Bereich von Kultur- und Kreativwirtschaft mit ganz anderen Dingen zu tun haben als etwa im Bereich von normaler Wirtschaftsförderung. Wir haben es hier damit zu tun, dass wir ein Klima für Kultur und für kreative Menschen in der Stadt erzeugen müssen.

Die drei T des amerikanischen Ökonomen Richard Florida sind angesprochen worden, Technologie, Talente, Toleranz. Der frühere Bürgermeister von Groningen hat bei einem Besuch in Bremen ein viertes T hinzugefügt und gesagt, tolle Kneipen gehören dazu. Damit ist ja etwas ausgedrückt, dass man ein Klima in der Stadt haben muss, das anziehend ist und im Übrigen auch Leute bewegt, zum Beispiel wenn Sie hier in Bremen an der Hochschule für Künste, an der Universität studiert haben, Informatiker, Mediengestalter und Ähnliches sind, dass sie Lust haben hierzubleiben, dass sie ein Interesse haben, dass sie auch etwas finden und dass sie hier etwas unternehmen wollen. Das ist im Wesentlichen der Kern von Kultur- und Kreativwirtschaft, dass Sie in einer Stadt ein solches Klima erzeugen und Bedingungen dafür schaffen, dass die, die kreativ sind und sein wollen, sich entfalten können. Da wiederhole ich mich noch einmal: Das ist nicht die klassische Wirtschaftsförderung in dem Sinne, dass Sie Investitionsprogramme aufstellen, dass Sie riesige Kredite zur Verfügung stellen müssen, sondern da kommt es auf ganz andere Dinge an.

Sie müssen diejenigen, die etwa – nehmen wir das Beispiel an der Hochschule für Künste – studieren und sich vorstellen können, in diesem Bereich und hier bei uns anschließend beruflich tätig zu sein, vor

bereiten und über die besonderen Bedingungen des kulturellen Dienstleistungsbereichs beraten. Sie müssen Servicedienstleistungen anbieten, Unternehmenskonzeptionen, ökonomische Fragen beantworten. Da ist das Programm Ideenlotsen – Frau Krusche hat es soeben angesprochen – ein ganz wichtiges. Sie müssen räumliche, urbane Bedingungen erzeugen, damit sich kreative Unternehmen gründen und entwickeln können. Da nenne ich einmal den Güterbahnhof, die Überseestadt, unsere Medienmeile, da nenne ich auch das Künstlerhaus Bremen und manches mehr. Sie müssen regionale Netzwerke bilden oder unterstützen, dass sie sich bilden können.

Da ist i2b auch schon angesprochen worden, ein ganz wichtiger Bereich. Ich bin immer schlicht begeistert. Ihre Bemerkung, die Sie dazu gemacht haben, ist jenseits aller Erfahrung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gehen Sie zu den i2b-Veranstaltungen, das ist etwas so Großartiges und ein Zeichen dafür, dass es im Wesentlichen darum geht, dass aus der Szene heraus eine solche Attraktivität erzeugt wird, die wir rahmensetzend und unterstützend begleiten! Das ist wunderbar, was dort geschieht, dass Menschen zusammenkommen, die kreativ etwas unternehmen wollen, und solche, die es mit Geld, mit Ratschlägen oder auch mit politischen Entscheidungen unterstützen wollen. Sie müssen städtebauliche Dinge mit in den Blick nehmen, die urbane Attraktivität erhöhen, wie wir es zum Beispiel mit der Überseestadt machen.

Wir haben gerade vor ein paar Tagen eine bundesweite Studie zur Kenntnis nehmen können über die wachsende Attraktivität der Städte und auch über das Wachsen von Städten, in welchem Bereich sie wachsen und in welcher Altersgruppe sie auch wachsen. Dann bewegen wir uns in der Altersgruppe derjenigen, die etwa aus den Hochschulen kommen, sie bleiben hier.

Ich habe gestern in einem Beitrag hier, als wir über die Studienkonten gesprochen haben, auch angesprochen, wie viel wir in Bremen gewissermaßen über den bremischen Bedarf hinaus ausbilden, wie wichtig es ist, diese gut ausgebildeten Leute auch in Bremen zu behalten. Das ist etwas, worum es am Ende gehen muss. Da müssen wir ansetzen, und zum Beispiel das Gründerzentrum, das in der Hochschule für Künste angedockt ist, nennen. Schauen Sie sich an, was die Philharmoniker im Zusammenhang mit der Hochschule für Künste machen, was in vielen anderen Bereichen geschieht, oder was die Kammerphilharmonie macht! Das muss man doch auch einmal sagen, das gehört auch in diesen Rahmen, gerade weil wir heute Abend eine großartige Veranstaltung in Osterholz haben, ein neues Projekt der Kammerphilharmonie. Das ist es: In die Gesellschaft zu gehen und Berei

che anzusprechen, die zunächst einmal nicht ohne Weiteres für Kultur und Kreativität prädestiniert sind. Deswegen ist das Ganze etwas umfassender zu betrachten.

Ich schlage Ihnen schlicht aus der eingangs zitierten Erkenntnis heraus vor, da es nicht darum geht, Datenfriedhöfe anzulegen, sondern immer darum, auf aktuelle Entwicklungen und aktuelle Chancen einzugehen, dass wir wirklich ein Berichtswesen aufbauen und in der Wirtschaftsdeputation – über die kann ich hier nun nicht entscheiden –, aber zumindest in der Kulturdeputation gemeinsam darüber sprechen.

Mir liegt etwas daran, zum Abschluss aber noch auf eines hinzuweisen: Kultur- und Kreativwirtschaft, das heißt nicht, dass wir die Kultur ökonomisieren wollen. Es gibt einen Bereich der Kultur, der für sich steht, die Kultur auch als Verwirklichung und als Teil und Bereicherung des Lebens. Deswegen: Bitte nicht nur die Kultur immer im Wortzusammenhang mit Wirtschaft verwenden, sondern Kultur als Wert an sich begreifen und auch die Chancen nutzen, die in der Kultur liegen! Das tun wir in Bremen, und da sind wir sehr erfolgreich, aber die Potenziale sind gewaltig, und die wollen wir gemeinsam heben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kau.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bürgermeister, ich denke, wir sollten einmal ein Grundsatzthema zwischen uns beiden verabreden. Frau Busch ist schon wieder ungeduldig.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie sind auch da, Herr Kau? Mensch!)

Ich lasse mich nicht dazu herab, dass oppositionelle Kritik an Ihrem Kulturmanagement immer dazu benutzt wird zu behaupten, ich wolle der Kulturwirtschaft, den Einrichtungen und dem Theater oder der Weserburg schaden.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie haben nur keine Ahnung, das ist das Problem!)

Das ist effektiv eine ganz unglückliche und falsche Darstellung, Herr Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU)

Erstens habe ich mir das Thema Kulturpolitik in der fraktionellen Arbeit ausgesucht, weil ich Herzblut darin habe. Zweitens bin ich von Kind auf, ob

wohl ich auch nicht aus einem Akademikerhaushalt stamme, immer in Kino, Kultur, Theater und Konzerten gewesen, weil es mich immer interessiert hat und ich immer den Blick über den Tellerrand hinaus wollte. Außerdem bin ich hier in Bremen, ich glaube, insgesamt in 18 Fördervereinen aktiv und habe auch schon in vielen einen Beitrag geleistet. Ihre Kulturdeputation hat mich doch selbst noch aufgefordert, ich sollte den Vorsitz beim Förderverein für die Weserburg übernehmen. Da sind Sie dabei gewesen, als von Herrn Isola dieser Vorschlag kam!

(Beifall bei der CDU – Abg. T s c h ö p e [SPD]: So kann man sich irren!)

Ich werde als Oppositionspolitiker Ihnen den Spiegel vorhalten für Ihre Rolle im Verhältnis zu Vorgängen, die wir kritisieren, und ich lasse mich nicht auseinanderdividieren mit den Einrichtungen, die ich vor Schaden bewahren will, die ich fördern will und für die ich mich hier einsetze, Herr Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU)

Dieser Bericht hat natürlich als Basis eine fantastische Kulturwirtschaft. Natürlich gibt es in Bremen wunderbare Dinge, die meisten davon kenne ich schon. In Hinblick auf i2b möchte ich mich bei Herrn Kottisch – er ist, glaube ich, im Moment nicht da – ausdrücklich wegen der Wortwahl entschuldigen. Ich hatte nicht gemeint, dass er sich da abmüht, sondern ich wollte seine positiven Bemühungen loben, da habe ich mich einfach jetzt in der freien Rede mit dem Wort vielleicht falsch ausgedrückt. Ich wollte ausdrücklich die i2b-Bemühungen loben, und das Wort „abmühen“ war falsch gewählt.

Wir haben zurzeit von der Europäischen Kommission eine Aufforderung zum Thema Kultur- und Kreativindustrie, Herr Böhrnsen, Sie werden sie kennen. Da soll von der Europäischen Kommission in einer öffentlichen Online-Konsultation das Potenzial der Kultur- und Kreativindustrie in Europa erfasst werden. Sie haben, falls Sie es nicht mitbekommen haben, noch einen Meldetermin bis zum 30. Juli. Dann stellen Sie das doch ein, und schauen Sie einmal, ob Sie dafür Lob ernten! Das Ganze sind doch Allgemeinplätze, eine Litanei von Vernetzungsversuchen. Auf den ersten 200 Seiten sind nur die Allgemeinplätze, erst auf Seite 4 geht es dann um die Kulturwirtschaft, und da fehlen doch konkrete Ansätze, Anreize, Impulse und Fördermaßnahmen. Da ist es doch nicht allein mit Vernetzungsveranstaltungen getan, indem man Häppchen reicht und Leute zusammenbringt, die sich längst von woandersher kennen.

Daher bleibe ich dabei: Ihren Wunsch, da etwas tun zu wollen, will ich Ihnen gar nicht absprechen, aber ich spreche Ihnen die Ernsthaftigkeit, der Bemühungen ab, die auch für diese Leute sichtbar wird.

Da hätte ich mir auch einmal einen vernünftigen Bericht gewünscht.

Wir haben in diesen Tagen mit Herrn Günthner in der Wirtschaftsdeputation den Bericht zum Verbraucherschutz gesehen, der war ansprechend gestaltet. Da waren wir nicht in allen Themen einer Meinung, hatten unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, aber wenn man der Kulturwirtschaft ein Lob aussprechen will für das, was sie tut, wenn man das anderen Städten zeigen will, wenn man Leute motivieren will zu bleiben, dann muss man auch einmal ein Dokument in die Hand bekommen, das über so ein fades, langweiliges Behördenpapier hinausgeht.

(Beifall bei der CDU)

Daher ist, ich bleibe dabei, dieser Bericht kein Ruhmesblatt. Ich habe aber herausgehört, dass Sie das in der fortlaufenden Berichterstattung nach und nach verbessern werden, zumal Sie mit dem Ehrgeiz, alles besser zu machen als Herr Kastendiek, die Messlatte jetzt recht hoch gelegt haben. Ich sage, der Bericht ist ein aufgeblasener Ballon, wenn Sie da mit der Nadel richtig hineinstechen, ist die heiße Luft ganz schnell heraus.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 17/1165, Kenntnis.

Linke Gewalt und Linksextremismus