Ich habe doch deutlich gesagt, DIE LINKE begrüßt, dass die neue Strategie unter dem Titel „Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“ läuft, weil wir denken, das ist ein Fortschritt gegenüber der vorher sehr neoliberal ausgerichteten Lissabonstrategie. Das ist ein Fortschritt,
und wir sind sehr wohl in der Lage, diesen zu erkennen und auch zu würdigen, wenn zum Beispiel gesagt wird, dass man eine Erhöhung der Beschäftigungsquote erreichen will, dass man eine Reduzierung der Treibhausgase festschreiben will, dass man die Armutsgrenze drücken will und man auch die Zahl der Schulabbrecher verbessern will. Das, sagen wir, sind Ziele, die wir durchaus unterstützen, die eine Abkehr von den bisherigen neoliberalen Vorstellungen gewesen sind. Wir sagen natürlich auch – und ich glaube, das verwundert nicht, stringent an unserer sonstigen Diskussion zu diesem einzigen Politikfeld ausgerichtet –, nach wie vor finden wir, das ist zu wenig. Das ist auch als Zielsetzung für immerhin einen größeren Zeitraum bis 2020 zu wenig, wir begrüßen es dennoch.
Zweitens möchte ich anmerken, dass es in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD in dem Beschlusstext einen langen Abschnitt gibt, der mit „Die Bürgerschaft (Landtag) erwartet jedoch“ eingeleitet wird, und dann führen Sie auf, dass die Ziele von „Europa 2020“ die übrigen Politikfelder der EU wie Agrar- und Strukturpolitik oder Forschungspolitik der Union enthalten sollen und so weiter und so fort. Wir als LINKE sind an dieser Stelle der Meinung, dass ein Politikfeld hier deutlich fehlt, und das ist die Frage der Rüstungsindustrie, der Rüstungskonversion und der Rüstungsexporte.
Wir sind der Meinung, dass man, wenn man in der Tat über eine soziale Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts reden will, um diese Fragen nicht herumkommt. Genau die werden hier überhaupt nicht erwähnt, das finden wir schlecht. An der Stelle sagen wir, da muss noch erheblich nachgebessert werden. Wir selbst haben uns vorgenommen, dass wir in Zukunft noch einmal verstärkt unser Augenmerk darauf legen wollen, weil der Antrag hier zu Recht sagt,
der Prozess hat begonnen, Bremen will sich einmischen. Wir als LINKE werden uns im Europaparlament wie auch hier in Bremen in diese Frage einmischen. Ich sage auch ganz deutlich, ich weiß überhaupt nicht, warum es nicht möglich sein soll. Wenn man sagt, es ist gut, dass wir zum Beispiel gemeinsam eine europäische Finanztransaktionssteuer einführen wollen, finde ich, ist es genauso überlegenswert, auch im Zusammenhang mit dieser Strategie, ob man nicht ein gemeinsames europäisches Rüstungskonversionsprogramm auflegen will. Ich finde, diese Möglichkeiten sind bisher noch nicht genügend ausgelotet worden, die fehlen mir noch.
Drittens, um auch zum Abschluss zu kommen, sagen wir natürlich auch ganz deutlich, wir werden jetzt nicht der Strategie in Gänze zustimmen, aber wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass Sie einige richtige Schritte gemacht haben. Sie sagen, dass mehr Verbindlichkeit, mehr Transparenz kommt, dass Bremen daran beteiligt werden soll, und das halten wir für die richtigen Punkte. Wie gesagt, inhaltlich gibt es darin für uns noch eine ganze Menge Stellen, die nachgebessert werden müssen. Wir stimmen also nicht der Strategie zu, aber sehr wohl Ihrem Antrag. Die anderen Anträge werden wir ablehnen. – Danke!
Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Mit diesem Antrag ist Ihnen heute eine Punktlandung gelungen. Sie wissen ja, dass der Europäische Rat die strategischen Ziele der Union für die nächsten zehn Jahre unter dem Titel „EU 2020“ von den Staats- und Regierungschefs beschließen wird. Insofern sind wir mit der Debatte just in time, oder man könnte sagen, wir haben eine Punktlandung hinbekommen.
Vom Senat, das möchte ich vorwegschicken, wird die Zielsetzung des Antrags ausdrücklich begrüßt, und die darin genannten Punkte werden geteilt. Ich werde vielleicht aus aktuellem Anlass ein paar Punkte benennen, die über die Europastrategie 2020 hinausgehen und die sich vor allen Dingen um dieses Thema ranken, ob man das jetzt Wirtschaftsregierung nennt oder Wirtschaftsregieren oder, wie der Terminus ja im Moment heißt, verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung.
Dazu möchte ich sagen, dass wir als Senat eine Verschärfung der Möglichkeiten zur Krisenprävention zur Koordinierung von wirtschaftspolitischen Aktivitäten, die im Stabilitätspakt vorgesehen sind, ausdrücklich begrüßen, so wie es auch im Antrag for
muliert ist. Wir verbinden das mit der Erwartung, dass alle Koordinierungsmöglichkeiten, die sich im Lissabon-Vertrag bieten, ausgeschöpft werden, insbesondere auch, um das Gefälle der Wirtschaftskraft in der Europäischen Union und Eurozone im Besonderen zu verringern. Allerdings muss man auch sagen: Darüber hinaus müssen wir den Steuerwettlauf der Mitgliedsstaaten eindämmen, beispielsweise durch die Einführung eines Mindeststeuersatzes bei den Unternehmenssteuern, das halte ich für eine ganz wichtige Forderung.
Um den destabilisierenden Spekulationen, auch davon war schon die Rede, an den Finanzmärkten begegnen zu können, unterstützt das Land Bremen den Vorschlag, eine Finanzmarkttransaktionssteuer einzuführen, um hochspekulative Geschäfte unattraktiv zu machen. Es kann nicht sein, dass sich der Geldsektor völlig von der Realwirtschaft ablöst und spekulative Blasen dann das ganze Wirtschaftssystem destabilisieren. Insofern setzen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten für die Einführung einer solchen Finanzmarkttransaktionssteuer, oder auch Tobin-Tax genannt, ein.
Angesichts der dramatischen Lage, in der sich die gesamte Union und die Eurozone befinden, ist der Senat der Auffassung, dass wir mehr denn je eine abgestimmte europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik brauchen, in der die Kräfte gebündelt und auf gemeinsame Ziele ausgerichtet werden: Eindämmung des Steuerwettlaufs und der Abwärtsspirale dort, ganz wichtig, zweitens Verschärfung von Maßnahmen zur Krisenprävention und drittens Einsatz für eine Finanzmarkttransaktionssteuer.
Zur Stabilität des Euro, der im Moment deutlich heruntergeht oder deutlich auf und ab, aber Tendenz nach unten, muss man ganz klar sagen, dass auch hierfür eine verstärkte Koordination notwendig ist. Wenn jetzt alle der Meinung sind – Herr Dr. Möllenstädt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auch Sie –, dass man beispielsweise die Rechte des Europäischen Rechnungshofs stärken soll, ist das ein Fortschritt. Man muss ganz klar sagen, dass in der Vergangenheit dem Europäischen Rechnungshof leider auch von bundesdeutscher Seite die Möglichkeiten, die es ihm vielleicht ermöglicht hätten, die Krise früher anzuzeigen, wahrscheinlich sogar versperrt worden sind. Man muss auch sagen, dass auch Deutschland und Frankreich keine Waisenknaben waren, weil wir die ersten waren, die im Prinzip dagegen verstoßen haben. Deswegen freue ich mich sehr darüber, dass jetzt die Stärkung des Europäischen Rechnungshofs von allen geteilt wird. Es muss dann allerdings auch umgesetzt werden.
strategie in der Vergangenheit eigentlich keine konkreten quantitativen Ziele und vor allen Dingen kein Monitoring stattgefunden hat, das muss sich ändern. Wenn man aber ehrlich ist, muss man sagen, es ist nur zu einem kleinen Teil gelungen, diese Ziele tatsächlich auch so zu quantifizieren, unter anderem, weil nicht zuletzt vom Bundestag und vom Bundesrat Einwände gekommen sind. Die Kultusministerkonferenz hat beispielsweise beschlossen, dass man eben keine quantitativen Bildungsziele im Rahmen der 2020-Strategie will. Ich glaube, dass es dennoch sinnvoll gewesen wäre.
Wir haben jetzt die Situation, dass im Bereich Bildung – die Ziele wurden ja schon genannt – bis zum Jahr 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung ausgegeben werden sollen. Wir als Senat begrüßen das. Die für 2020 benannten bildungspolitischen Kernziele sollen allerdings im nationalstaatlichen Maßstab unter der entsprechenden Kompetenzverteilung erreicht werden und nationale Zielmarken darstellen. Das lässt sich auf stadtstaatlicher Ebene nicht alles eins zu eins abbilden, weil der Betrachtungszeitraum dafür zu klein ist. Dennoch ist es aber wichtig, wenigstens dann, wenn man das nicht europaweit koordiniert, doch ein Monitoringsystem zu haben, um auch die Zielerreichung tatsächlich messen zu können, denn die entscheidende Schwäche der Lissabonstrategie war in der Tat, dass die allgemeinen Ziele keine klaren quantitativen Ziele waren, und vor allen Dingen gab es kein Monitoring. Das muss besser werden!
Ansonsten finden sich im Antrag der Koalitionsfraktionen viele andere Hinweise. Ich möchte noch einmal das Thema berufliche Qualifizierung herausheben, bei dem die Strukturfonds besondere Möglichkeiten bieten. Was die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union betrifft, so hat Herr Dr. Kuhn ja schon darauf hingewiesen, dass sie sich im Prinzip am Gedanken des Green New Deal, der ökologischen Struktur der Industriepolitik, ausrichten, das ist richtig. Dennoch muss ich sagen, dass ich mir gewünscht hätte oder nach wie vor wünsche und auch politisch dafür arbeite, dass die Ziele, die die EU hat, beispielsweise bei der CO2-Reduzierung oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien, ambitionierter sind, als sie jetzt festgeschrieben sind. Dafür setzt sich ja auch die Bundesregierung und zumindest der Bundesumweltminister ein. Der Bundeswirtschaftsminister setzt sich für das Gegenteil ein. Wie wir wissen, geht es bei dieser Regierung ja immer ziemlich durcheinander.
Ich glaube aber, grundsätzlich ist diese Nachhaltigkeitsstrategie genau der richtige Punkt, um auch Klimaschutzziele, Ressourceneffizienzziele und Wettbewerbsziele gemeinsam zu verfolgen. Wenn man sich die OECD-Statistiken anschaut, auch das wurde schon gesagt, kann man einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite und Ressourceneffizienz auf der ande
ren Seite erkennen. Das muss noch stärker herausgearbeitet werden. Es ist auf jeden Fall schon einmal ein Quantensprung gegenüber der Lissabonstrategie, die einen völlig undifferenzierten Wachstumsbegriff hatte, aber da geht noch mehr.
Zum Antrag der FDP, das will ich doch sagen: Er hat ja im Prinzip zwei Grundbotschaften. Die erste Grundbotschaft lautet also – es wird ein Popanz aufgebaut –, dass sich die EU Kompetenzen anmaßt, die ihr nicht zustehen. Ich finde, diesen Popanz sollten wir nicht immer wieder aufbauen, denn er ist durch die Realität nicht gedeckt. Wenn hier beispielsweise so getan wird, das hat Herr Dr. Möllenstädt in seinem Beitrag ja auch noch einmal beschrieben, dass wir auf dem Weg zu einer Transferunion sind, würde ich sagen, da bauen Sie einen Pappkameraden auf, den es in der Form gar nicht gibt.
Das mag vielleicht rhetorisch in Ihr politisches Konzept passen, aber ich denke, wir als Politiker sollten aufpassen, dass wir nicht einem Populismus das Wort reden, der so gar nicht berechtigt ist.
Das Zweite, was ich auch kritisch finde – da, glaube ich, haben Sie den Schuss nicht gehört, möchte ich fast sagen, oder die Veränderung des Zeitgeistes –, ist, dass Sie hier in diesem Antrag immer noch so tun, als wenn das Hauptziel der Europäischen Union wäre, die Ziele der Lissabonstrategie, was den Wettbewerb betrifft, noch weiter zu verschärfen. Ich meine, wir stehen hier nun wirklich nicht an einem Punkt, dass wir deregulieren müssen, sondern im Bereich der Finanzmärkte brauchen wir auch gerade im Sinne einer guten und nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung mehr Regulierung.
Das hat der klügere Teil der Wirtschaft sogar längst erkannt, und insofern finde ich, wenn Sie jetzt hier in ihrem Antrag herausstellen, es gehe nun darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union dadurch weiter zu stärken, dass mehr Marktkräfte freigesetzt werden und der freie Wettbewerb sich Bahn brechen kann, dann, glaube ich, ist das ein bisschen an der Realität vorbei.
Abschließend, wie bislang auch schon die Lissabonstrategie – die in der Tat nicht besonders erfolgreich gewesen ist – eine Orientierungsleitlinie für unsere Politik darstellt, so stellt natürlich auch die Nachfolgestrategie „Europa 2020“ den Orientierungsrahmen für viele Politikbereiche des Senats dar, denn – es kam schon zur Sprache – wir profitieren auf vielerlei Weise von europäischen Mitteln, sei es jetzt im Bereich EFRE, ESF, sogar im Bereich ELER, also Landwirtschaft- und Regionalentwicklung, Küstenschutz. Wir müssen uns neu aufstellen.
Wenn ab 2014 der neue Haushalt da ist, dann wird es eben in Zukunft sehr viel mehr darauf ankommen, exzellente Projekte zu haben, regionale Kooperationen zu haben und so weiter, und darauf bereiten wir uns auch vor. Wir haben die Europastrategie des Senats vorgelegt. In ihr orientieren wir uns an den Rahmenzielen der Europäischen Union, und wir werden auf die Zeit nach 2014 vorbereitet sein.
Herr Senator, haben Sie nur die Anträge von der FDP, der SPD und den Grünen gelesen, oder ist es Ihre Art, mit der Opposition umzugehen, dass Sie gar nicht auf einen guten Antrag der CDU eingehen?
Wie Sie, Frau Motschmann, wissen und auch aus unserer guten Zusammenarbeit im Europaausschuss wissen, gehe ich auf gute Argumente immer gern ein. Ich wollte nur diesen Antrag der FDP hervorheben, weil er in besonders krasser Weise neben der Grundorientierung liegt, die wir als Senat verfolgen. Deshalb habe ich den als Gegenbild gewählt. Dass Ihr Antrag sicherlich auch gute Elemente enthält, ist bestimmt so, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe ihn auch gelesen,
bin allerdings nicht in allen Punkten Ihrer Meinung. Ich finde vor allem den Antrag der Koalitionsfraktionen in hervorragender Weise geeignet, die Strategie des Senats zu unterstützen.
Keine Zusatzfrage, eine Zusatzbemerkung! Ich bedanke mich dafür, dass Sie dann doch unseren Antrag positiv gewürdigt haben und hoffe auf weitere gute Zusammenarbeit!
Das darf ich von meiner Seite aus zurückgegeben! Herr Präsident, die Zusammenarbeit im Europaausschuss ist immer mit allen Kollegen sehr sachlich und gut, da schließe ich dann auch ausdrücklich die FDP mit ein, Herr Röwekamp.
Dennoch sehe ich eben Unterschiede in der Sache. Ich finde schon, das sind die beiden Probleme des antieuropäischen Populismus, auf der einen Seite den Popanz aufzubauen – da ist ein riesiges Bürokratiemonster, das sich immer mehr anmaßt – und auf der anderen Seite das, was hier so getan wird, wir brauchen ein „weg mit der Bürokratie“, damit endlich mehr Wettbewerb herrschen kann, ich glaube, das ist einfach die falsche Grundtonalität. Deswegen habe ich das herausgegriffen, aber ich gehe davon aus, dass es ja nicht das letzte Mal ist, dass wir zu dem Thema diskutieren hier in diesem Hohen Haus. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!