Protokoll der Sitzung vom 24.08.2010

Diese Gemeindefinanzreformkommission ist zustande gekommen, weil die Koalition in Berlin sich auf die FDP-Forderung „Abschaffung der Gewerbesteuer“ – das wollten sie, ganz hart – nicht einigen konnte. Dann ist ein Kompromiss dabei herausgekommen, und dieser Kompromiss ist, dass man die

se Gemeindefinanzreformkommission gründet. Ehrlich gesagt, ich habe bisher noch niemanden getroffen, der sie wollte. Das, was Herr Dr. Schrörs hier als Hochglanzreklame über die Arbeitsfelder der Gemeindefinanzreformkommission vorgetragen hat – das kann man vielleicht auch machen, das ist auch solidarisch mit dem Koalitionspartner –, ist eine Beruhigungspille, die man der FDP verpasst hat, die man jetzt im Nachhinein noch schönredet, und vielleicht gibt es auch die eine oder andere Erkenntnis, die dabei herauskommt. Ich allerdings kenne auf Bundesebene niemanden, der daran glaubt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden von der Bundesregierung eingeladen, und schlechterdings kann man so etwas nicht ablehnen. Es hat aber ein Treffen der A-Finanzminister mit den Vertretern des Städtetages in Berlin gegeben, auch da gab es einhellige Ablehnung und einhelligen Widerstand bis hin zu Wut und Überlegungen, aus dieser Gemeindefinanzreformkommission auszusteigen. Ich kann insofern nicht verstehen, wie Sie diese doch wirklich einigermaßen armselige Art, Politik zu machen beziehungsweise die Leute auf die Bäume zu treiben, Papier vollzuschreiben und Ressourcen zu fressen, nur weil man sich nicht einigen konnte, hier so positiv bewerten können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Am Ende ist es völlig klar: Kein einziger Finanzminister – die FDP ist nicht dabei, das trauen sie sich gar nicht, sonst würde es ja auch drohen, dass dort sonst ein bisschen finanzpolitische Kompetenz einzieht –, auch in den Bundesländern, in denen die FDP mitregiert, hat irgendwie ein einziges gutes Haar an dieser Kommission gelassen. Alle sagen einhellig: Mit uns nicht, es gibt keine Mehrheit im Bundesrat, wir stimmen nicht mit, wir haben nur Theater mit unseren Kommunen, das machen wir nicht! Die Kommission hat sich aber viel vorgenommen, das habe ich jetzt gehört.

Zur Abschaffung der Gewerbesteuer sind schon viele Argumente gefallen, eines aber noch nicht, und ich möchte es hier gern noch einmal aus Sicht des Senats sagen: Es ist keine gute Idee für einen Wirtschaftsstandort, den Gemeinden die Anreize wegzunehmen, Firmen anzusiedeln. Wenn man ihnen das wegnimmt, haben sie den Anreiz nicht mehr, und ich glaube, das ist im Sinne der wirtschaftlichen Entwicklung nicht gut. Das Ausweisen von Gewerbeflächen ist in Bremen auch immer damit begründet worden, dass man damit das Gewerbesteueraufkommen erhöht, und das war ja auch eine richtige Überlegung.

Zu den Sozialleistungen wurde hier schon einiges gesagt. Ich teile es, dass wir versuchen müssen, die Sozialleistungen besser zu organisieren. Ich teile auch die Ansicht, dass der Bund – das lässt sich auch faktisch darlegen – sich immer weiter aus seiner Ver

antwortung zurückgezogen hat, indem er zum Beispiel die Zusagen, seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft zu übernehmen, so auslegt, dass sie für die Gebietskörperschaften, also für die Kommunen, sinken. Ein gerechter Anteil des Bundes an den Sozialleistungen ist auch eine zentrale Verteilungsfrage über die Frage, wie eigentlich die Lebensverhältnisse in Deutschland sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Großstädte tragen diese Lasten des sozialen Sicherungssystems in Deutschland und der arme Norden besonders. Wenn man den Grundsatz, dass man sich hier in Deutschland in einem einheitlichen Sozial- und Rechtsraum bewegen will, aufrechterhalten möchte, muss man den Bund dazu bringen, dass er in dieser Verteilungsfrage auch seinen Teil der Lastenschuld hat. Es geht auf keinen Fall, dass man in Berlin gegen Mindestlöhne poltert, sich weigert, welche einzuführen und uns hier auf kommunaler Ebene die Kosten der Grundrente überstülpt. Das ist die Umverteilung der letzten Jahre gewesen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Standardabsenkung, hat Herr Dr. Schrörs gesagt, das hört sich so harmlos an, so nett, so einmal nebenbei, finde ich. Sagen Sie, was Sie damit meinen! Standardabsenkung heißt dann ganz konkret, weil es Leistungen für die Bevölkerung sind und nur wenige davon in irgendwelchen Apparaten versickern, weil gerade die kommunalen Leistungen diejenigen sind, die besonders transparent und bürgernah organisiert sind. Das heißt dann konkret: Vielleicht kein Recht mehr auf einen Kindergartenplatz in den Kommunen, die arm sind? Oder für die Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher eine kleinere Wohnung oder weniger Blindenhilfe dort, wo die Gemeinden arm sind, oder weniger Obdachlosenhilfe? Dann müssen Sie konkret sagen, was mit Standardabsenkung gemeint ist. Ich habe das Gespräch mit den Städtetagsvertretern geführt, und genau das wollen sie nicht; diesen Dumping-Wettbewerb zulasten der Armen unter den Kommunen wollen wir hier nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. S c h r ö r s [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schrörs?

Gern!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Frau Bürgermeisterin, Sie wissen doch ganz genau, dass diese Kommission in

dieser Untergruppe Standardabsenkungen aufgeschrieben und sich von allen Kommunen und von Ländern eine Vielzahl von Informationen eingeholt hat. Ich empfehle jedem, sich diesen Zwischenbericht, den es gibt, anzuschauen, um an der Stelle zu sehen, worüber man eigentlich ernsthaft diskutieren kann. Mein Problem ist, dass ich sage, Sie wollen doch gar nicht darüber diskutieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe nicht gehört, welchen Standard Sie absenken wollen. Die Schüler-Lehrer-Relation ist Ländersache, aber wenn man noch mehr Kinder pro Kindergärtnerin vorsieht, das sind Standardabsenkungen, und Sie müssen sagen, welche davon Sie für vertretbar halten!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Sagen Sie doch erst einmal, was alles geht! – Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Sie sind doch die Re- gierung, oder nicht?)

Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir versuchen müssen, den Anstieg der Sozialleistungen – das ist der Konsens mit dem Städtetag – in den Griff zu bekommen. Das ist herausfordernd und anstrengend genug. Wir müssen selbst versuchen, in den Gemeinden – das gilt insbesondere auch für Bremen, weil wir hier unter besonderem Druck stehen – die sozialen Sicherungssysteme so zu organisieren, dass sie die Betroffenen besser erreichen, dass die einzelnen Bestandteile wohnortnäher, regionaler, besser verzahnt und besser vernetzt funktionieren und dass auch der Bereich Schule eine größere Bedeutung haben soll. Das sind die Reformvorhaben des Sozialstaates in den nächsten Jahren, und das ist etwas ganz anderes als Standardabsenkungen, sondern dies sorgt dafür, dass das Geld, das wir ausgeben, auch sinnvoll eingesetzt ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bedanke mich für den Antrag der Koalition. Er gibt Rückendeckung für das, was wir da auch weiter machen werden. Natürlich werden wir uns keinem Diskurs entziehen, aber, wie gesagt, ich kenne ihn nur als Kopfschütteln auf Bundesebene. Es gibt im Gegenteil eine Renaissance der Gemeindefinanzierung, Herr Dr. Kuhn hat auf Möglichkeiten hingewiesen, wie die Gemeinden auch ihre Einnahmesituation verbessern können. Ich bin mir sicher, dass es für das FDP-Projekt „Abschaffung der Gewerbesteuer“ in Deutschland keine Mehrheit gibt, und das ist auch gut so!

Als Letztes möchte ich gern sagen, dass es hingegen vielleicht eine Mehrheit für das Bremer Projekt für eine bessere und verfassungskonforme Erhebung

der Grundsteuer gibt. Wir versuchen gerade, auf Bundesebene für dieses Bremer Konzept Bündnispartner zu gewinnen. Es sieht auch gar nicht so schlecht aus, es gibt drei südliche Bundesländer, die ein anderes Konzept vorgelegt haben.

Uns hilft ein Urteil, das die bisherige Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Wenn es gelingt, die Grundsteuer verfassungskonform und mit vertretbarem Aufwand umzubauen, ist das eine wichtige und bedeutsame Einnahmequelle für die Kommunen, auch wenn ich der Auffassung bin, dass man für einen begrenzten Zeitraum Aufkommensneutralität versprechen sollte. Dabei handelt es sich dann aber um eine gerechte und verlässlichere Einnahmebasis als die an diesem Punkt in der Tat auch zu Recht kritisierte Gewerbesteuer, die konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt ist und uns deshalb so viele Schwierigkeiten bei der Planung unserer Ausgaben beschert. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1406, Neufassung der Drucksache 17/1256, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Es ist vereinbart worden, dass wir jetzt zum Schluss noch die Tagesordnungspunkte ohne Debatte aufrufen.

Gesetz zur Änderung des Senatsgesetzes und anderer Vorschriften

Mitteilung des Senats vom 11. Mai 2010 (Drucksache 17/1288) 1. Lesung 2. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Senatsgesetzes und anderer Vorschriften, Drucksache 17/1288, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t - m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Interfraktionell wurde vereinbart, Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung vorzunehmen.

Ich lasse deshalb darüber abstimmen, ob wir jetzt die zweite Lesung durchführen wollen.