Protokoll der Sitzung vom 26.08.2010

(Beifall bei der FDP)

Das sind auch Beschlüsse, die weit über die Grenzen der Koalitionsfraktionen hinaus im Bund getragen wurden. Kurzum: Wir als liberale Fraktion führen gern die Diskussion mit Ihnen über Außen- und Sicherheitspolitik, auch hier in der Bremischen Bürgerschaft, ohne Frage, meine Bitte wäre aber: Nähren Sie nicht Erwartungen in der Bevölkerung, indem Sie es sich hier zu einfach machen und sagen, man könne einmal eben einen kurzfristigen Abzug dort entscheiden, ohne aufzuzeigen, welche fatalen und verheerenden Konsequenzen das für den zivilen Aufbau in diesem Land hätte! – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Vorredner, es ist so, dass auch bei bestem Wissen und Gewissen falsche Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden können. Leider hat die Geschichte gezeigt, dass gerade im Zusammenhang mit Krieg und Frieden, also wenn es um Kriege geht, Menschen, die sonst sehr vernünftig und gewissenhaft sind, falsche Entscheidungen treffen. Wir sind da leider alle gefragt, und ich bin sehr froh, dass wir hier eine sehr sachliche und intensive Diskussion zu dem Thema haben. Ich möchte mich sogar dafür bedanken, dass diese hier eigentlich von allen aufgenommen worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte meine Ausführungen dahingehend abschließen, dass ich die Empfindsamkeit und Wahrnehmung, die in der deutschen Bevölkerung gestiegen ist, noch erwähne, dadurch dass von deutscher Seite ein befohlener Luftangriff solche schrecklichen Folgen gehabt hat, wie das am 4. September 2009 geschehen ist. Das war, glaube ich, eine entscheidende Wende für viele, die bis dahin gemeint haben, na ja, das muss wohl so sein, das hat viel mit Aufbau und so weiter zu tun. Sie wissen, dass ähnliches in den USA durch Veröffentlichungen der Institution WikiLeaks stattfindet. Dies wird inzwischen mit der Veröffentlichung der Pentagonpapiere verglichen. Es gehen Mythen zu Bruch, die im Zusammenhang mit Kriegen offenbar ganz oft, um nicht zu sagen immer, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einhergehen. Wir haben ein dickes Brett zu bohren, indem wir uns dem stellen.

Vonseiten der Soziademokratie wird gesagt, bis 2015 möchten wir gern einen Abzug haben. Das kam aus der Opposition heraus, und dann wird so ein weiter Zeitpunkt genannt. Ich respektiere ja, dass in die Richtung gedacht wird, das möchte ich dazu sagen. Wenn von den Grünen gesagt wird, ein bisschen früher, die Zahl 2013 genannt wird, ist das natürlich die richtige Richtung aus unserer Sicht. Vonseiten der CDU war leider eindeutig ein Kriegsziel formuliert worden, das man erreichen möchte, und kein Zeitpunkt, wie man dann das Land verlässt, auch ohne dieses Kriegsziel zu erreichen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Friedensziel!)

Damit kommen wir in die problematische Situation, dass man diesen Krieg nicht gewinnen kann.

Man kann auch mit diesem Krieg das, was er sich selbst vorgenommen hat, nicht erreichen, das ist bei den meisten Kriegen so und bei modernen Kriegen offenbar erst recht. Es ist so, dass hier nicht eine ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Entwicklung innerhalb des Landes provoziert oder gestaltet werden kann, die innerhalb des Landes gewachsen sein muss und ganz anders gefördert werden kann. Friedliche Mittel, beim Aufbau helfen ist erheblich besser als kriegerische Mittel, um eine Weiterentwicklung zu forcieren, und kriegerische Mittel sind überhaupt nicht geeignet, sondern kontraproduktiv.

Ich empfehle Ihnen gerade den Abgeordneten Jürgen Todenhöfer, der lange für die CDU im Deutschen Bundestag war, einer der besten Afghanistan-Kenner seit vielen Jahren ist und sich dazu öffentlich reichlich und meines Erachtens sehr überzeugend geäußert hat: Dem Terror werde gar nicht entgegengewirkt, im Gegenteil, der Terror werde mit polizeilichen Maßnahmen bekämpft und man werde vor allem friedliche Aufbauarbeit leisten müsse. Das heißt das, was bei uns als Entwicklungshilfe bezeichnet wird, was bei uns weit unter der Hälfte dessen ist, was beispielsweise in den skandinavischen Ländern geleistet wird, und was bei uns schmählich missachtet wird. Gerade dass man das Ministerium noch erhalten hat, ist ein Status quo in diese Richtung. Das heißt also, diese finanziellen Mittel, die wir mit unserem Antrag auch einfordern, dieselben finanziellen Mittel – –. Versuchen Sie es einmal mit friedlichen Mitteln, das wäre der Appell, und zwar möglichst schnell umschwenken! Herr Dr. Möllenstädt, man muss den Mut haben, dort umzuschwenken, und zwar so schnell es geht.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Un- terstellen Sie mir mangelnden Mut?)

Das heißt nicht, dass man jetzt einfach nur verschwindet und nichts mehr macht, sondern dieselbe Intensität und dieselben Mittel aufwendet. Es gibt seit vielen Jahren Friedensforschung und Konzepte, wie man dort wirklich helfen kann. Das passiert zum Teil in Afghanistan, und zwar dort, wo das Militär weit weg ist, und dort dann auch sogar in Kooperation mit den Taliban, die ja sonst als Kriegsgegner bezeichnet werden. Das wird aus dem Land berichtet.

Meine Damen und Herren, in den USA hat man mit dem Juli 2011 einen Rückzugstermin, den der Präsident, der dafür auch gewählt worden ist, auf Druck der Bevölkerung, gegen die militärische Seite verteidigt, die sagt, nein, wir müssen länger dort bleiben und benötigen mehr Soldaten, um das Kriegsziel noch zu erreichen, und mit vielen Soldaten und langem Dableiben schaffen wir das. Der Präsident ist gewählt worden, weil er sich für einen Rückzug bis Juli 2011 eingesetzt und auch gesagt hat, er will Wort halten.

Die Niederländer – habe ich schon gesagt – sind schon abgezogen. Die „Tagesschau“ meldete am 1. August 2010: „Innenpolitisch war das Engagement der niederländischen Streitkräfte am Hindukusch

äußerst umstritten. Im Februar zerbrach die Regierung in Den Haag am Streit um den Abzugstermin.“

Meine Damen und Herren, das sind zwei Länder im westlichen Bereich – es kommen demnächst Kanada und Großbritannien hinzu – in denen wir diese Entwicklung haben. Warum müssen wir in Deutschland unbedingt diejenigen sein, die am längsten am Mittel des Krieges in diesem Zusammenhang festhalten? Ich appelliere deswegen, in diesem Sinne etwas zu tun.

(Glocke)

Ich komme zum Ende, Herr Präsident! Wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, dann nutzen Sie vielleicht die Möglichkeit, die vom Bremer Friedensforum zusammen mit den internationalen Ärzten zur Verhütung des Atomkrieges „Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.“ sowie unter anderem mit Pax Christi, der internationalen katholischen Friedensbewegung initiiert worden ist, eine Unterschriftensammlung mit genau denselben Forderungen zu unterstützen, wie wir sie schon vor einem halben Jahr in unserem Antrag aufgestellt haben: Stopp aller Kampfhandlungen, sofortiger Beginn des Abzugs und Einsatz der frei werdenden Gelder zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Bevölkerung nach deren Bedürfnissen, ein selbstbestimmter Friedensprozess. Das ist eine Unterschriftenliste,

(Glocke)

die sie, wenn Sie möchten, bei mir bekommen können.

Eine letzte Empfehlung, ein Major der Bundeswehr erklärt Ihnen am 3. September 2010 – –.

(Glocke)

Herr Kollege, ich habe Sie jetzt mehrfach gebeten, auf Ihre Redezeit zu achten.

(Abg. B e i l k e n [DIE LINKE]: Ich muss mich dann noch einmal melden!)

Dann melden Sie sich noch einmal, aber Sie haben sie jetzt überschritten!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, Meine Damen und Herren! Herr Beilken, es ist schon etwas schade, dass Sie durch Ihre Art hier dieses sehr ernste Thema – sicherlich ungewollt – ein bisschen zur Glosse machen. Aber zu Ihren etwas kruden Ausführungen, in denen ab und zu so ein halber Satz vorkommt wie, die CDU hat Kriegsziele ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

formuliert, fordere ich Sie hier auf, gleich einmal zu benennen, welche Kriegsziele die CDU bitte formuliert haben soll. Es geht in Afghanistan – ich verwirre Sie noch ein bisschen mehr, weil ich weiß, dass das meistens auch ganz gut klappt – völkerrechtlich gar nicht um einen Krieg. Sie wissen, diese Debatte haben wir in Deutschland auch lange geführt, und ich bin froh und dankbar, dass Bundesverteidigungsminister KarlTheodor zu Guttenberg klar gesagt hat, natürlich ist es vom Empfinden her ein Krieg, aber völkerrechtlich ist es keiner, denn die afghanische Regierung hat die ausländischen Truppen unter Führung der NATO mit Beschlusslage der Vereinten Nationen – Herr Dr. Güldner hat das ja auch gesagt – ins Land gerufen. Wir haben dort völkerrechtlich keinen Krieg! Es gibt keinen Krieg gegen Afghanistan, aber natürlich ist es ein Krieg, wenn dort Menschen sterben, unbestritten. Ich wollte Herrn Beilken nur einmal klarmachen, welche Debatte er hier eigentlich die ganze Zeit vom Zaun bricht. Niemand kann Ihnen genau sagen, zu welchem Zeitpunkt welche Truppen das Land verlassen, auch US-Präsident Obama – von dem sicherlich viele etwas anderes erwartet haben – nennt kein Datum. Was er tut, ist, Truppen aus dem Irak abzuziehen, um sie nach Afghanistan zu verlagern. Das ist eine militärische Strategie, und ich habe ehrlich gesagt etwas dagegen, wenn man sich als Politiker – egal, ob hier als Kommunal- oder Landespolitiker aus Bremen oder sonst wo – in jede militärische Debatte als Militärexperte einbringen will, genauso wenig wie wir in anderen Bereichen Experten sind.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Eine poli- tische Haltung kann man jawohl dazu haben!)

Eine politische Haltung ist etwas anderes als Expertenwissen, wie es Herr Beilken in Teilen hat verlauten lassen! Ich will nur davor warnen, in solchen Debatten alles miteinander zu vermischen. Wir haben in Deutschland eine gute Tradition, nämlich dass wir die Bundeswehr als Parlamentsarmee bei internationalen Einsätzen einsetzen. Diesem Gebot ist immer gefolgt worden. Es ist auch gut, dass wir in Deutschland, in Berlin, aber auch in den anderen Ländern, eine Debatte haben, auch eine gesellschaftliche Debatte haben, weil jeder Einsatz einer Armee in einer Demokratie diskutiert werden muss. Das unterscheidet dann auch Deutschland heute von einem früheren Deutschland, es unterscheidet aber auch Deutschland heute von anderen Ländern. Darum ist es gut, dass wir auch kontroverse Debatten führen, und darum ist es auch gut, wenn man als Politiker der Bevölkerung erklären muss, warum man zu einer Position steht. Ich habe damit kein Problem, jemandem zu sagen: Ich kann den Einsatz in Afghanistan nachvollziehen

und bin nicht für den sofortigen Abzug, sondern dafür, dass die Bundeswehr so lange bleibt, wie es im internationalen Verbund gemeinsam besprochen sinnvoll ist. Das Beispiel der Niederlande zeigt leider, einer bricht aus, und schon beginnen in Afghanistan bestimmte Kräfte der Taliban zu wirken, weil man glaubt, die internationale Solidarität würde jetzt bröckeln. Auch Sie glauben das ja.

Es geht darum, dass ein Bündnis gemeinsam handeln muss. Es ist nicht unsere Sache in Bremen, das abschließend zu beurteilen und weiter zu verfolgen, aber es ist ja logisch, wenn man ein Projekt gemeinsam startet, dass man es nach Möglichkeit auch gemeinsam beendet, und ich sage auch, nach Möglichkeit schnell beendet, aber erst, wenn die gemeinsam gesteckten Ziele erreicht sind.

Ich bin auf Ihre Erklärung und Ihre kruden Theorien gespannt, die Sie uns hier gleich vortragen werden. Ihrem Ziel, Werbung für Ihren Antrag zu machen, sind Sie bisher jedoch kein Stückchen näher gekommen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Rohmeyer, Sie haben gesagt, die Soldaten müssten – sinngemäß – so lange dort bleiben, bis eine stabile Regierung in Afghanistan steht, und Sie haben das auch noch etwas genauer ausgeführt. Sie haben eben gesagt, bleibt so lange, wie es gemeinsam besprochen sinnvoll ist. Diese Art von diffuser Zielsetzung ist nicht besser als eine konkrete Zielsetzung. Wir hören von Ihnen keinen Abzugstermin oder Abzugswunsch. Damit sind Sie international und auch innerhalb Deutschlands eine extreme Minderheit, verehrter Herr Kollege!

Das ist alles leichter zu begreifen, wenn man vielleicht etwas konservativ eingestellt ist und sich das alles aus der binnenmilitärischen Sicht anhört. Deswegen meine Empfehlung, die Humanistische Union in Bremen hat Major Florian Pfaff eingeladen, der Ihnen am 3. September 2010 in der Villa Ichon erklären kann, wie man selbst aus der Sicht eines Soldaten, der auf das Grundgesetz vereidigt ist, diesen Krieg voll und ganz ablehnen kann, und dass er militärisch sinnvoll ist. Nach seiner Meinung ist – ich zitiere – „die Umetikettierung von Angriffskriegen, die in unserer Verfassung verboten sind, in vollem Gange“. Setzen Sie sich bitte damit auseinander! – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

) Vom Redner nicht überprüft.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 17/1296, Neufassung der Drucksache 17/1283, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.