Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wegen der Kürze der Zeit noch einige Bemerkungen: Sie haben mich als Redner der Partei Bündnis 90/Die Grünen aufgerufen. Ich finde, das ist nach wie vor ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
eine hervorragende Sache, dass sich unsere Partei aus einem Teil Bürgerbewegung und aus einem Teil westdeutscher Elemente zusammensetzt und dass man es heute noch im Namen hört und spürt, so holprig das auch manchmal ist und so sehr man versucht ist, es abzukürzen. Dieses Bündnis 90/Die Grünen ist eine Erinnerung daran, dass es in diesem Land mehrere Traditionen gibt, auch politische Traditionen, aus denen man kommen kann. Wir mögen in unserer Partei, das ist bei uns auch Konsens, diese Tradition sehr, sehr lang aufrechterhalten!
Ich wollte aber gar nicht über uns sprechen, denn um uns geht es gar nicht, sondern es geht um die deutsche Einheit.
Ich wollte zwei Aspekte noch einmal ansprechen, zum einen die Frage, wie das mit Kritik oder der Erwähnung von Problemen im Zusammenhang mit deutscher Einheit ist? Ich finde nicht, dass das etwas ist, was nicht in die Diskussion gehört, sondern es gehört unmittelbar dazu, dass man einen solchen Prozess auch benennt, indem man auch benennt, welche Schwierigkeiten es nach wie vor gibt. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie das auch so gemeint haben, Frau Allers.
Wenn man sich einmal die schwerwiegendsten, grundlegendsten Probleme anschaut – ich nenne nur einmal Langzeitarbeitslosigkeit, Folgen des demografischen Wandels, Klima, soziale Spaltung, Fragen wo die Wirtschaft hingeht, was ist mit der Schuldenproblematik, Rechtsextremismus –, dann ist doch das Erstaunliche daran, dass man nicht mehr schafft, es Ost oder West zuzuordnen. Selbst wenn man es unbedingt will, man würde es nicht schaffen. Auch die Probleme, auch die Schwierigkeiten, an denen wir als Politiker arbeiten müssen, sind inzwischen gesamtdeutsch. Insofern ist auch die Thematisierung derjenigen Dinge, die noch vor uns stehen, eine schwere Arbeit mit vielen Aufgaben.
Die Probleme, die wir als Politikerinnen und Politiker in Deutschland noch haben, sind gesamtdeutsche Probleme und keine Probleme allein des Ostens oder des Westens mehr. Insofern wachsen wir auch hier zusammen. Wenn der demografische Wandel ein Problem ist, gibt es natürlich in den neuen Bundesländern ein größeres Problem, da es noch eine Abwanderung in den Westen und hier eine ganz andere Geburtenstruktur und Verteilung gibt. Es ist aber natürlich ein Problem gesamtdeutscher Art, das wir alle gemeinsam haben. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir uns an einem solchen Wochenende dazu bekennen, gemeinsam daran zu arbeiten und nicht Ost gegen West auszuspielen, je nachdem, was für ein Thema gerade aufgerufen wird. Das sollten wir nicht tun!
Ich wollte – damit es nicht so aussieht, als ob das hier unterdrückt wird, das klang ja heute Morgen in der Geschäftsordnungsdebatte so ein bisschen an – noch einmal auf die Proteste am Wochenende eingehen. Schaut man sich die einschlägigen Aufrufe an, gehöre ich zu denjenigen Menschen, die erst einmal grundsätzlich das Recht auf Demonstrationsfreiheit sehen, das Recht auf Kritik, das Recht auf Anmeldung, dass man etwas anders sieht, selbst wenn die Mehrheit noch so groß ist. Dieses Recht ist umso wichtiger für die Wenigen, die es anders sehen und abweichen. Dass Dissidenten nicht mundtot zu machen sind, sondern dass sie ihre Kritik laut und möglichst klar sagen dürfen, das haben wir auch aus der Geschichte der DDR gelernt. Deswegen gehört auch Kritik an einem solchen Wochenende dazu, sie ist gar nichts Schlechtes.
Wenn man sich aber den einschlägigen Aufruf verschiedener Gruppen einmal genau anschaut und sich die Texte einmal durchliest, erschrickt man doch sehr. Ich will wegen der Kürze der Zeit und auch, um dem Ganzen nicht noch eine besondere Bedeutung zu verleihen, nur noch einen einzigen Punkt herausgreifen. Es gibt in diesem Aufruf einen Punkt, in dem noch einmal die Kritik formuliert wird. Erstaunlicherweise kommt man dazu zu sagen, das ist nun nicht die Kritik am Kapital und an wem auch immer, an den Regierenden, sondern es steht hier wörtlich, ich zitiere, „die systemoppositionelle Kritik an Volk und Nation“. Wenn das Volk der Fokus der Kritik derer ist, die hier opponieren, was heißt das eigentlich, und in welcher Konsequenz bewegen wir uns da eigentlich?
Das Volk steht sozusagen im Zentrum der Kritik der Demonstranten. Ehrlich gesagt, es ist mir eiskalt den Rücken heruntergelaufen, denn was ist, wenn man das ein bisschen weiter denkt, die Konsequenz dieser Aussage? Dass wir nun die Bevölkerung, nicht etwa regierende Parteien, Politiker, wen auch immer, für etwas verantwortlich machen, sondern das gesamte Volk! Hier ist auch von mit Winkelementen bewehrtem Partymob die Rede. Das meint die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger, die am Wochenende aus Bremen und von außerhalb kommen wollen, um diesen Tag der Deutschen Einheit zu feiern. Wenn man es so angeht – das sind sicherlich nur einige ganz wenige, und ihr Geisteszustand dürfte auch nicht allzu wohlbehalten sein –, wenn man das zum Ansatz der Kritik macht, endet das in einer Konfrontation, in der man im Grunde genommen das Volk beseitigen muss, um seine eigenen politischen Ansichten durchzusetzen.
Wir alle kennen Beispiele, in denen versucht worden ist, das so zu machen. Deswegen finde ich, dass wir an diesem Tag, auch wenn wir Differenzen wie jetzt in diesem Haus bei den Anträgen zwischen vier
Fraktionen und der LINKEN haben, auch wenn wir andere Differenzen haben, solchen Ansätzen geschlossen und eindeutig und mit einer klaren Haltung an diesem Wochenende entgegentreten sollten. Kritik darf jede Chance haben, sich zu artikulieren. Das Volk ins Zentrum der Kritik zu stellen, es quasi an den Pranger zu stellen, kann niemals in Ordnung sein. Hiergegen werden wir uns aus der Bremischen Bürgerschaft heraus ganz klar abgrenzen. – Vielen Dank!
Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 17/1428 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])
Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP abstimmen.
Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/1468, das ist die Neufassung der Drucksache 17/1457, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t - m a n n [parteilos])
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema ist jetzt etwas sperrig, aber ich versuche es nach dieser sehr engagierten Debatte, die wir gerade eben hatten, trotzdem.
Bremen hatte vor sieben Jahren Großes vor, wir wollten ganz vorn sein mit einer Modellregion, die sich vorbildlich um Bürokratieabbau kümmert. Wo sind wir heute? In den letzten zwei Jahren, so hat der Senat uns heute Morgen in der Fragestunde erklärt, hat der Senat 200 Gesetze, Verordnungen, Regelungen neu erlassen und ganze 30 abgeschafft. Trotz großer Aktionen des Bürgerschaftspräsidenten mit großen Mülltonnen für überflüssige Gesetze vor einigen Wochen und sehr hehren Worten des Bürgermeisters erklärt uns heute der Senat in seiner Vorlage, dass ein Landesnormenkontrollrat für Bremen nicht gebraucht wird. Man kann sehr wohl darüber streiten, ob das System des Bundes auf Bremen anwendbar ist, aber überhaupt keinen Vorschlag zu machen, was Bremen zur Erleichterung der Regulierungsflut machen kann, ist schon bemerkenswert. Es zeigt mir, dass das Problembewusstsein hier einfach fehlt. (Beifall bei der CDU)
Wie im Bund, so sollte es auch in Bremen darum gehen, den gesamten Aufwand an Bürokratiekosten zu ermitteln, also den für die Wirtschaft ebenso wie die Kosten für die Bürger und für die gesamte Verwaltung. Hierzu aber sagt die Antwort des Senats nichts. Einsparungen von rund sieben Milliarden Euro seit dem Jahr 2006 für die Wirtschaft konnten im Bund durch Bürokratieabbau bereits erreicht werden.
(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Ich frage mich aber, ob in Bremen jemand nach vermeidbaren Kosten für die Verwaltung fragt. Ich glaube nicht, dass das geschieht, Herr Dr. Kuhn. Mit zusätzlichen Kosten muss man das auch nicht ablehnen, denn der Bund macht es ja vor: Wenn man auch hier in Bremen ehrenamtliche Mitarbeiter in einem solchen Modell der Überprüfung von Normen im Hinblick auf Kosten für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung einsetzen würde, so wäre es kostenneutral, und das könnte man sehr wohl versuchen. Als wir damals die Prüfklausel und die Befristung von Gesetzen und Verordnungen durch das Mittelstandsfördergesetz beschlossen haben, ist das ein guter Anfang gewesen. Dennoch gibt es Strukturprobleme. Wir haben in Bremen gerade keine übergreifende Institution, die nach dem Sinn von Regelungen fragt. Jedes Ressort muss zurzeit selbst prüfen, welche Regelungen es für notwendig hält und welche nicht. Wer will sich denn schon selbst abschaffen? Ich gehe also davon aus, dass man nicht allzu kritisch hinschaut. So verlängern wir Gesetze und Verordnungen und Regelungen, ohne neutral überprüft zu haben, ob das denn wirklich alles notwendig und sinnvoll ist, was wir da machen. Es lohnt sich aber auch im Einzelfall zu hinterfragen, ob die Errungenschaften, die wir schon einmal hatten, auch heute noch funktionieren. Ich meine hier insbesondere die Fristen, zum Beispiel bei den gewerblichen Baugenehmigungen. Der Senat hatte sich verpflichtet, innerhalb von acht Wochen Baugenehmigungen zu erlassen. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Es sind eher neun Monate die Regel. In Findorff zum Beispiel wartet ein Unternehmen eben seit genau neun Monaten auf eine solche Baugenehmigung. Oder nehmen Sie die Kfz-Zulassung im Internet: Wir haben uns vor zwei Jahren mit einem Modellprojekt gerühmt, inzwischen aber setzt Hamburg dieses Projekt um, und wir dürfen als kleiner Partner daran teilhaben. Auch hier haben wir den Anschluss einfach verpasst. Eine weitere Problematik könnte für den Wirtschaftsstandort Bremen effektiver gelöst werden. An wen zum Beispiel kann sich ein Unternehmer wenden, wenn er Probleme mit Verwaltungsabläufen, mit Genehmigungen hat, siehe zum Beispiel den Fall in Findorff? Der Senat verweist auf den Einheitlichen Ansprechpartner, den es ja demnächst geben soll. (Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Gibt es schon!)
Das neue Büro der Kammern und der öffentlichen Hand wird aber keinen direkten Zugriff auf Senatsressorts haben. Es wäre deswegen sehr wohl überlegenswert, ob man nicht die Staatsräterunde und die Staatsräte, die sich zu dem Thema Bürokratieabbau treffen und tagen, sozusagen als Troubleshooter nutzen könnte, um Probleme in Verfahren auf höchster Ebene zu lösen.
Es gibt noch eine ganze Reihe von Vorschlägen, denen man nachgehen könnte, aber leider sind diese fünf Minuten zu kurz, um das alles zu erläutern. Man muss nur einfach einmal auf den Internetseiten der Handelskammern nachschauen, auf denen viele Vorschläge gemacht werden. Es wurde heute Morgen gesagt, dass es in Kürze einen Bericht über ein neues Verfahren geben wird. Ich hoffe sehr, dass dieses Verfahren nicht nur Formalien betrifft, sondern auch Inhalte, und bin sehr gespannt, ob Sie uns heute schon etwas dazu sagen können. – Vielen Dank!
Ich habe es heute nicht so mit den Fröschen, Herr Kollege! Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Winther hat soeben schon auf die Beantwortung der Frage in der Fragestunde verwiesen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen – und da kann man von der einen wie der anderen Seite schauen –, dass wir 17 Landesgesetze außer Kraft gesetzt haben, fünf Ortsgesetze und 66 Verordnungen. Gleichzeitig war davon die Rede, dass es nicht um die Quantität geht, sondern auch um die Frage der Qualität und um die Fragen, was geregelt werden muss und in welchem Umfang es geregelt werden muss.