Protokoll der Sitzung vom 29.09.2010

Es ist technisch unmöglich, es ist wirtschaftlich unmöglich, es ist unmöglich, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen sage ich, ich hätte mir auch gewünscht, der Bundesumweltminister hätte sich auch gewünscht, die CDU insgesamt hätte sich auch gewünscht, dass

wir die Laufzeit nicht um zwölf Jahre verlängern müssen. Wir haben es aber das erste Mal seit 1999, dass wir jetzt nicht nur eine politisch festgelegte Zahl 2020 haben, sondern wir haben eine konzeptionelle Vorstellung davon, dass es realistisch ist, dass wir dieses Ziel auch miteinander erreichen. Es geht nicht darum, was wir für wünschenswert halten, Herr Dr. Güldner, es geht darum, was in Deutschland machbar ist, und da hat diese Regierung die richtigen Entscheidungen getroffen.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Erneuer- bare-Energien-Gesetz, das ist weltweit bahn- brechend!)

Ich will auch ausdrücklich sagen, weil die Frage hier eine Rolle gespielt hat, dass auch eine Geheimvereinbarung geschlossen worden ist – –.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das kann man ja nachlesen!)

Das kann man nachlesen. Dafür gibt es übrigens ja auch ein Vorbild. Bundesumweltminister Trittin hat im Jahr 2000 eine Vereinbarung mit den vier Energiekonzernen in Deutschland geschlossen. Diese Vereinbarung war, weil es um Gewinnabschöpfung geht, bereits mit der Regierungsvereinbarung zwischen CDU und FDP angekündigt, und sie ist mittlerweile für jedermann im Internet nachlesbar.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Inzwischen! Jetzt ja!)

Wir haben es angekündigt, und wir haben es gemacht. Was ist das eigentlich für ein Geheimnis, wenn Sie Ihren Kindern vorher verraten, was sie zu Weihnachten geschenkt bekommen, Herr Dr. Güldner?

(Beifall bei der CDU)

Hier ist nichts geheim verhandelt worden, sondern es war von Anfang an klar, dass diese Vereinbarung, die Herr Trittin als Grüner mit Konzernen geschlossen hat, evaluiert werden muss, um die zusätzlich dadurch generierten Gewinne im Interesse der Umsteuerung in regenerative Energien auch tatsächlich abzuschöpfen. Das war von Anfang an bekannt, und es ist völlig transparent, und die Aufregung hat sich auch gelegt. Seitdem diese Vereinbarung im Netz steht, wird ja nicht mehr darüber geredet, dass darin jetzt ein unanständiger Inhalt sei. Es hat eine solche Geheimabsprache nicht gegeben. Das Verfahren ist transparent und für jedermann auch nachlesbar.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es war ja noch nicht einmal Herr Röttgen dabei!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einen letzten Punkt noch in dieser Runde ansprechen, der auch in der bisherigen Debatte eine Rolle gespielt hat und wo ich darum werben möchte –

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss! –, dass wir versuchen, nicht Ängste zu schüren! Ich habe gelesen, auch in dem Antrag gelesen und auch in der Debatte gehört, dass Sie sich Sorgen um die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke machen. Herr Dr. Güldner, ich finde es gut, dass die Grünen sich jetzt auch Sorgen um diese Sicherheit machen, weil nämlich in unserer Vereinbarung mit den Energiekonzernen ausdrücklich steht, dass die Atomkraftwerke den jeweiligen technischen Gegebenheiten und dem technischen Fortschritt angepasst werden müssen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schauen Sie es sich einmal an!)

Jetzt will ich Ihnen einmal zitieren, was Herr Trittin, Ihr Bundesumweltminister, in seinem Deal mit der Kernenergiewirtschaft im Jahr 2000 vereinbart hat! Ich zitiere: „Während der Restlaufzeiten wird der von Recht und Gesetz geforderte hohe Sicherheitsstandard weiter gewährt. Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, um diesen Sicherheitsstandard zu ändern.“ Meine Damen und Herren, Sie haben der Kernenergiewirtschaft als grüner Umweltminister zugesagt,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Weil sie jetzt abgeschaltet worden wären, und bei Ihnen laufen sie noch 30 Jahre weiter!)

dass diese Kernkraftwerke weiterlaufen können und dem technischen Fortschritt nicht angepasst werden dürfen. Meine Damen und Herren, was ist das eigentlich für ein Deal mit der Energiewirtschaft?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Eine demagogische Rede!)

Bleiben Sie ehrlich und aufrichtig in dieser Debatte! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Mitglieder des Kreisverbandes Nord-Ost der Partei DIE LINKE begrüßen. Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

(Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek, Sie haben gerade gesagt, die Glaubwürdigkeitslücke ist kaum zu schließen.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Ich meinte Ihre!)

Ja, bei diesen beiden Redebeiträgen von Herrn Dr. Buhlert und von Herrn Röwekamp finde ich, ist das auch so! Wie kann man das so verdrehen, erst einmal zu sagen, es geht nicht darum, was man wünscht, sondern was man kann! Damit ignorieren Sie doch wirklich alle Energiegutachten, von Bundesumwelt angefangen, die nämlich genau sagen, es gibt keine Stromlücke, wenn das letzte AKW 2020 vom Netz geht. Das muss man doch einfach auch einmal wahrnehmen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

wenn Wissenschaftler sich damit beschäftigen! Es geht nicht nur darum, was Stromkonzerne wollen. Dann sagen Sie, wir schüren Ängste. Dann halte ich einmal aus dem Medienecho den „Spiegel Online“ hoch: „Aktiv-Sicherheit, Atom-Geheimpapier entsetzt Experten!“ Sie halten diese Liste mit den Sicherheiten, von denen Sie gerade geredet haben – und das sind die Atomexperten –, für gefährliche Augenwischerei, weil sie die Atomkraftsicherheit nicht stärken, sondern schwächen, und warum? Weil die einzigen wirklichen Verbesserungen sich nur auf die alten Atomkraftwerke beziehen, weil sie in den neuen längst Realität sind. Wir wissen nun aber gerade auch von dem Expertengutachten, siehe Biblis, siehe Esenshamm, dass wir einfach wirklich große Schwächen in all diesen Atomkraftwerken haben, sowohl technische Schwächen als auch in Esenshamm keine gesicherte Hochwassersicherung und keine Terrorsicherheit, und das bestätigt Ihnen jeder Experte. Dann tun Sie doch nicht so, als ob wir hier mit den Ängsten von 70 Prozent der deutschen Bevölkerung spielen würden! Nein, wir nehmen sie ernst, und das wird von den Experten und den Gutachten auch bestätigt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Ein AKW, das ich ab- schalte, muss ich auch nicht nachrüsten!)

Wenn Sie sagen, was steht in dem Energiekonzept, dann steht zum Beispiel auch darin, eine Abschwä

chung, und das erschreckt mich wirklich, wenn ich mitbekomme, dass der Bundesumweltminister dem auch noch nachgeht, der Sicherheitsstandards bei den Endlagern – –. Herr Dr. Buhlert sagt, wir brauchen sichere Endlager, wir hätten sie eigentlich gestern, vorgestern, vor 40 Jahren gebraucht, und dann brauchten wir uns auch nicht zu überlegen, ob wir morgen oder übermorgen die Atomkraft noch brauchen! Nein, wir hätten uns das viel früher überlegen sollen, und da es keine sicheren Endlager geben kann, weil, wie gesagt, keiner für 800 Menschengenerationen lang eine solche Sicherheit übernehmen kann, dann sagen Sie mir doch endlich, wie es gehen soll! Zu sagen, wir Grünen hätten das auch noch gerade blockiert, das, finde ich, ist der blanke Hohn, denn ich wiederhole noch einmal, es gibt keine sicheren Endlager. Wie hätten wir das blockieren sollen?

Wenn Sie sich einmal Asse anschauen, wo jetzt schon nach ein paar Jahren keiner mehr genau weiß, wie viel Atommüll wirklich darin liegt, dann können Sie mir doch nicht sagen – das ist ein Zwischenlager –, dass die Atommülldebatte oder diese Fragen gelöst werden. Die können nicht gelöst werden, aber sie sind garantiert auch nicht blockiert worden. Es gibt einfach keine Antwort darauf. Es gibt „sichere“ Atomkraftwerke, zum Beispiel Brokdorf und Krümmel, denn die sind seit den Bränden vor eineinhalb Jahren immer noch nicht am Netz. Das ist eine super Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke! Ich finde, das zeigt einfach noch einmal, Atomkraftwerke sind nicht sicher, wir können uns nicht darauf verlassen, je älter sie werden, desto größer wird das Risiko, und es gibt auch keine Lösung für die Endlager.

Ich möchte noch einmal eines anmerken, Herr Röwekamp, weil Sie gesagt haben, die rot-grüne Regierung damals hatte gar kein Konzept, Sie seien die Ersten, die jetzt einmal ein Konzept vorweisen. Es zählen aber auch die Fakten: Wer hat denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht? Wer hat denn den Atomkonsens auf den Weg gebracht? Atomkonsens – und das sage ich noch einmal in Richtung von Herrn Rupp – ist dann einfach auch einmal ein Stück weit Realpolitik, dass man eben nicht wie bei staatlichen Konzernen den Strom abstellen kann, wie es einem passt, sondern versucht, eine Stromsicherheit zu gewährleisten, aber im Konsens mit der Politik, mit der Gesellschaft und mit den Energiekonzernen.

Deswegen bleibe ich dabei, diese Laufzeitverlängerung, die von der Bundesregierung jetzt durchgepeitscht und wirklich auch von CDU-Politikern kritisiert wurde, ist unverantwortlich. Man muss doch einmal wahrnehmen, dass es nicht nur 70 Prozent der Menschen im ganzen Land und in der Bundesrepublik sind, sondern dass es doch auch CDU-Politiker gibt – und jeder, der sich mit Energie auskennt, wird Ihnen sagen, wir brauchen keine Atomkraft –, die zumindest auch dieses undemokratische Verfahren

kritisieren! Wir werden die Laufzeitverlängerung nicht einfach so sang- und klanglos hinnehmen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Röwekamp, ich werde mir dieses Energiekonzept der Bundesregierung durchlesen, und ich werde es dahingehend prüfen, ob nicht die 38 Seiten über Dinge, die wir angeblich teilen, dazu da sind, die zwei Seiten richtigen Unsinn, der darin steht, einfach zu kaschieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist nach wie vor klar, und es ist auch kein Spiel mit Angst: So etwas, wie in Tschernobyl passiert ist, ist auch in Westeuropa, in Deutschland, möglich. Es hat eine ganze Reihe von Beinahe-Unfällen gegeben. Die Tatsache, dass unsere Straßen besser ausgebaut und unsere Autos sicherer sind als anderswo, verhindert auch nicht, dass hier Menschen verunglücken. Möglicherweise ist die Wahrscheinlichkeit geringer, möglicherweise haben wir bisher auch nur Glück gehabt, und möglicherweise haben wir die nächsten 15 bis 20 Jahre auch noch Glück. Dieses Glück kann uns aber verlassen, und das Risiko ist mir einfach zu groß. Ich mache mir nicht Sorgen um die Sicherheit der Atomkraftwerke, ich mache mir Sorgen um die Sicherheit der Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Dr. Buhlert hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Transporte radioaktiver Materialien und Endlager auch dann nötig sind, wenn wir Atomkraftwerke abschalten. Dann werde ich mit Freuden dafür sorgen, dass diese Transporte so sicher wie möglich deutsche Straßen passieren und dass in irgendeiner Weise der Rest, der dann noch bleibt, so sicher wie möglich hier irgendwo gelagert wird, und zwar so, dass man ihn kontrollieren und zurückholen kann. Das muss man dann sehen. Solange aber Transporte radioaktiver Materialien und praktisch der Mythos eines Endlagers, wo man sich dieser Sache endgültig entledigen kann, dazu dienen, den Mythos Atomindustrie weiter anzukurbeln, so lange bin ich dafür, dass wir Atomtransporte einschränken. Bei der Frage des Endlagers ist ein Moratorium genau richtig, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

denn wir wissen ganz genau, dass die Endlager, die wir jetzt haben, schlicht nicht taugen.

Wir werden, um das noch einmal auszuführen, diese Frage der Atomkraft wahrscheinlich nicht im Konsens mit den Energiekonzernen lösen können. Daher bin ich sehr wohl für einen Konsens zwischen Parlament, Regierung, Gesellschaft und so weiter, aber ich befürchte, einen Konsens mit denen, die daran immense Summen verdienen, wird es nicht geben, und auf diesen Konsens lege ich auch keinen Wert!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube auch, dass wir allein mit marktförmigen Strukturen dieses Problem auch nicht lösen werden. Die Atomkraft gibt es nur, weil in den Fünfzigerjahren oder nach dem Krieg immense staatliche Investitionen gemacht worden sind, um das überhaupt voranzubringen. Damals war es möglicherweise aus Sicht der Politikerinnen und Politiker eher ungefährlich, zumindest im Vergleich zur Atombombe. Heute aber haben wir eine Situation, in der wir genau das Gegenteil machen müssen. Wir müssen davon weg, und es bedarf staatlicher Investitionen, es bedarf gesellschaftlicher Debatten, es bedarf Strukturen, in denen die Gewinnerzielung über Energieerzeugung nicht das erste Maß ist, sondern das erste Maß ist die Vermeidung der Gefährdung von Gesundheit und Umwelt. Wir müssen deswegen über solche Strukturen nachdenken, die jenseits von marktförmigen Strukturen sind. Ich glaube, wir werden es ohne einfach nicht schaffen, und ich werbe dafür, dass wir diese Debatte führen.

An dieser Stelle werbe ich auch noch einmal dafür, dass Sie unserem Änderungsantrag zu Ihrem Antrag zustimmen. Wir werden dem Antrag, den Sie gestellt haben, ansonsten auf jeden Fall auch zustimmen! – Vielen Dank!