Wir wissen aber gemeinsam in diesem Haus – und deswegen finde ich diesen Vorwurf auch ein bisschen überflüssig –, dass zumindest in diesem Teil des Landes Atomkraftwerke in ihrem Betrieb gefährlich sind, dass Atommüll eine wirklich unzumutbare Belastung von Natur, Mensch und Umwelt ist. Es ist ein völlig ungelöstes Problem. Wir haben irgendwo in der Erde Dreck verscharrt, der uns im wahrsten Sinne des Wortes, wenn wir ihn wieder ausgraben, auf die Füße fällt. Wir wissen, es wird leichter, und mittelstarker radioaktiver Stoff wird in alle Welt verschifft. Ein Teil von irgendwelchen Abfällen lagert in Russland unter freiem Himmel. Wir wissen, dass die Profite der Atomindustrie nicht nur dadurch entstehen, dass sie Strom verkaufen, sondern auch dadurch, dass sie in völlig unzulässiger Weise Mensch und Umwelt gefährden, und das seit Jahren, und das hat Zukunft. Selbstverständlich muss man auf jeden Fall gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland sein. Da gibt es überhaupt keinen Dissens in diesem Haus, zumindest auf dieser Seite.
Wir haben das mit dem Atomkonsens von 2002 angesprochen, da man nicht ganz außer Acht lassen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
kann, der damalige Konsens hat dazu geführt, dass heute darüber neu verhandelt werden kann. Möglicherweise muss man auch einmal selbstkritisch eingestehen, man hat nicht berücksichtigt, dass sie sich irgendwann daraus wieder herauslügen und CDU und FDP irgendwann die einmal gewonnenen Erfolge wieder rückgängig machen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber keine politische Entschei- dung ist sicher vor so etwas!)
Das weiß ich! Trotzdem kann man heute feststellen, der Atomkonsens von 2002 hat eben die Laufzeiten bis heute auf jeden Fall garantiert.
Wir haben die Anträge zur Begrenzung und zum Einstellen von Atomtransporten noch einmal auf die Tagesordnung genommen, da wir durch diesen Beschluss der Bundesregierung jetzt eine Situation haben, über die wir noch einmal ernsthaft nachdenken müssen: Inwieweit sind wir als Land auch in der Lage, gegen diese Form von Politik Widerstand zu leisten, sodass wir nicht nur nach Berlin zeigen und sagen, ihr seid doof, sondern auch einmal schauen, was kann man hier eigentlich tun, um den Betrieb von Atomkraftwerken zu behindern? Deswegen haben wir diese Forderung noch einmal erhoben. Wir haben gesagt, wir wollen schauen, dass wir Atomtransporte über bremisches Gebiet, wenn es irgendwie geht, verhindern. Ich finde, es ist wichtig, dass wir unsere Eigenbetriebe und die Betriebe mit bremischer Beteiligung auffordern, sich an diesen Atomtransporten nicht zu beteiligen, dass wir sie auffordern, keinen Atomstrom zu verwenden, und dass wir für die Rekommunalisierung der Netze und der Energieerzeugung sind.
Dieser Antrag ist auch ein Entschließungsantrag. Dass die Grünen, die SPD und wir gegen Atomkraftwerke sind, ist auch nicht wirklich neu. Wir machen es, um ein politisches Signal nach außen zu senden, indem wir sagen, dieses Parlament ist in seiner übergroßen Mehrheit gegen diese Laufzeitverlängerung. Das, finde ich, bedingt aber auch, dass wir noch einmal schauen, was wir hier eigentlich selbst unternehmen. Die Logistik für diese Laufzeitverlängerung geht auch über bremische Häfen, und ich finde die Aussage, wir sind Universalhafen, und wir transportieren alles, was kommt, in dieser Frage grenzwertig. Deswegen werbe ich dafür, dass man noch einmal kritisch hinschaut und möglicherweise sagt, wir wollen an diesem Geschäft nicht verdienen, und deswegen werden wir dafür sorgen, dass Atomtransporte über bremische Häfen eingeschränkt und irgendwann in Bekräftigung unseres damaligen Beschlusses beendet werden. Das ist eine Anregung, und ich halte das als politisches Signal für wichtig.
Ich möchte zwei Dinge anschließen. Meines Erachtens ist es sehr wichtig, vor allem bei den Parteien, die als Atomkraftgegnerinnen und Atomkraftgegner auftreten, dass sie mehr tun, um die Atomlüge, dass die Lichter ausgehen, zu entlarven. Möglicherweise schaffen es diejenigen, die das vertreten, so wieder Fuß zu fassen und den Leuten Angst zu machen. Das darf nicht passieren! Es gibt außerdem eine weitere Lüge in diesem Zusammenhang, nämlich dass es technisch noch nicht möglich sei, die Energiewende voranzutreiben.
Ich komme zum Schluss! Den Mythos, dass man erst technische Entwicklungen haben muss, um eine Energiewende herbeizuführen, also das man Atomkraftwerke als Brückentechnologie braucht, müssen wir auch beenden. Letzter Satz: Ich glaube, wir müssen uns auch Gedanken machen, wie wir staatlich und gesellschaftlich eingreifen. Ich bin dafür, dass man alte Atomkraftwerke schlicht verstaatlicht und abreißt und auf diese Weise die Energiewende befördert. – Danke schön! (Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich anders anfangen, aber manchmal zweifelt man ja am ökonomischen Sachverstand. Wenn es notwendig ist, alte Atomkraftwerke abzubauen, und dafür auch die Entsorgungskosten getragen werden müssen, sollen das doch bitte die Konzerne tun. Deswegen, fände ich, wäre eine Verstaatlichung ungefähr das Schlechteste, was man tun kann,
denn man würde sie davon entlasten, für die Kosten ihrer Taten zu bezahlen. Dies gleich vorweg gesagt: Die Frage des Weiterbetriebs ist ja auch so eine Geschichte, die Sie hier aufbauschen, indem Sie immer wieder das Wort Brückentechnologie zitieren. Nein, eine Brückentechnologie ist es nicht, denn es gibt dahinter keine sinnvolle Technologie, dies fortzusetzen. Ich habe schon oft hier betont, wir sagen, es ist eine Technologie von gestern, die wir heute und morgen noch brauchen und übermorgen nicht mehr brauchen wollen. Wann übermorgen ist, darüber streiten wir uns dann. Über mehr streiten wir uns an dieser Stelle nicht.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die ist aber schon sehr über-, über-, übermorgen dran!)
Die Frage möchte ich mit Ihnen jetzt nicht diskutieren, denn dass wir dort unterschiedlicher Auffassung sind, ist völlig klar!
Die Frage ist doch, wie schnell es gelingt? Die Frage, die sich daran anschließt, ist: Schaffen wir es denn, ausreichend regenerative Energien zu haben, die wir alle wollen, die wir alle unterstützen, und schaffen wir es, in der Menge auch die Leitungs- und die Speicherkapazitäten zur Verfügung zu stellen? Wir haben in anderen Debatten sehr viel über Speichertechnologien gesprochen. Sprechen wir doch einmal über Leitungskapazitäten! Wer blockiert denn den Ausbau der Netze, die wir brauchen, um Strom nach Süddeutschland zu bekommen? Wer tut das in den Kommunen, an all den Stellen, wo das passieren müsste? Es sind ganz viele Umweltinitiativen, deren Einwände ich jeweils auch nachvollziehen kann. Wir brauchen aber Netzausbauten, um es uns auch in diesem Netz leisten zu können, die Kernkraftwerke abzuschalten, die im Moment die Versorgung sicherstellen.
Wenn Sie sich dann die Grundlaststruktur ansehen: Was passiert denn, wenn wir so viel Wind haben, dass wir keine Grundlastkraftwerke brauchen? Als Erstes werden die Kernkraftwerke abgestellt, denn diese Kraftwerke sind diejenigen, die man am schnellsten herunterregeln kann – das hat übrigens Sicherheitsgründe –, viel schneller als Gaskraftwerke und Kohlekraftwerke. Kernkraftwerke machen nämlich als Erste den Weg für den Windstrom frei, auch das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.
Wenn die ganze Zeit diskutiert wird, dass wir ein Problem damit haben, dass es radioaktive Abfälle gibt, dann frage ich mich ernsthaft: Warum haben immer wieder Grüne und sozialdemokratische Politiker verhindert, dass wir Entsorgungsfragen klären? Eines ist doch wohl jedem klar, selbst wenn wir heute abschalten könnten, würde Atommüll sicher entsorgt werden müssen.
Da radioaktiver Abfall entsorgt werden muss, war meiner Meinung nach das Moratorium falsch, das verhindert hat, dass geklärt wird, ob ein Standort im Wendland geeignet ist oder nicht, da sonst nach Alternativen gesucht worden wäre. Es ist doch falsch, die Menschen damit zu vertrösten, wir können und wollen das im Moment nicht entscheiden, wir können das nicht weiter vertagen, es muss kurzfristig entschieden und geklärt werden.
(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann stellen Sie sich doch einen Castor in den Keller, Herr Dr. Buhlert!)
Kurzfristig heißt doch, dass hier schon längere Zeit etwas passieren muss. Es ist doch überfällig. Es ist doch wirklich unerträglich, dass diese Frage nicht geklärt ist, und unverantwortlich obendrein! Dass die Abfälle sicher gelagert werden müssen, ist auch jedem klar, und deswegen ist auch klar, dass im Moment Zwischenlösungen gefunden werden, aber dass eben auch Atommülltransporte stattfinden müssen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber nach Ihrem Willen immer länger und länger! – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Bis in alle Ewigkeit!)
Wenn jetzt dauernd Kraftwerksreste und Brennstäbe aus der DDR transportiert werden müssen, muss das eben geschehen, und dann ist es mir lieber, es passiert über sichere Universalhäfen als irgendwo an Stellen, an denen ich mir nicht sicher bin, ob dort die Sicherheit gegeben ist. Wenn die Frage allein nur wäre, Sicherheit zu diskutieren! Bei der Sicherheitsfrage haben Sie uns an Ihrer Seite, wir wollen auch sichere Kernkraftwerke und setzen uns dafür ein, dass entsprechend nachgerüstet wird.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Waren Sie schon einmal in Biblis, in Neckarwestheim? Waren Sie dort schon einmal? Das ist wie ein Technikmuseum!)
In der Tat ist es so, dass es eine ältere Technik ist. Das muss aber ja nicht heißen, dass die Sicherheit dort nicht gegeben ist. Wissen Sie was? Die Technik, die vor 60 Jahren beim Mondflug eingesetzt worden ist, das war damals auch Technikmuseum, weil sichere Technologie, die die Menschen dort sicher hinund wieder zurückgebracht hat, Technologie war, die damals auch schon sehr alt war, weil sie sicher und erprobt war.
Das ist etwas, was Sie vielleicht einmal verstehen müssen, dass auch alte und sichere Technologie solche Probleme löst, weil sie sich bewährt hat.
Ich komme zum Schluss. Wenn Sie Probleme mit den Konzernen und deren Gewinnen haben, haben Sie uns an der Seite, wenn wir über Netzfragen und Netzmonopole diskutieren, aber nicht, wenn Sie mit uns über die Frage diskutieren, welche Energieerzeugung dort stattfinden soll. Dort sind wir der Meinung, dass es im Moment nicht geht. Es ist eine Übergangsenergie, die es zu überwinden gilt. – Vielen Dank! (Beifall bei der FDP)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Erwartungen, die Sie an meine Rede stellen, erfüllen kann. Ich will aber zu Beginn meines Debattenbeitrags natürlich sagen und uns für die weitere Debatte auch empfehlen, dass wir uns vielleicht bei diesem ja nicht ganz leichten Thema darum bemühen sollten, wechselseitig auch ein bisschen verbal abzurüsten.
Ich kann sehr gut verstehen, dass eine Partei, die insbesondere durch die Anti-Atomkraftbewegung groß geworden ist, bei einem solchen Thema Herzblut mitbringt. Ich will auch ganz offen zugestehen, dass sowohl bei den Sozialdemokraten als aber sicherlich auch bei meiner Partei und unserer Schwesterpartei in Bayern diese Anti-Atomkraftbewegung in den Achtzigerjahren zu einem Umdenken geführt hat, denn nicht umsonst reden wir heute, anders als in den Achtzigerjahren, nicht mehr über ein bedingungsloses Ja oder Nein zur Atomkraft, sondern wir sind uns alle gemeinsam einig, dass wir diese Technologie nur noch einen begrenzten Zeitraum in Deutschland nutzen wollen. Der Streit, den wir miteinander führen, ist, wie lang dieser Zeitraum sein wird,
Das Bundeskabinett hat in seiner gestrigen Sitzung miteinander ein Energiekonzept verabredet. Ich weiß nicht, wer von Ihnen sich die Mühe gemacht hat, dieses Energiekonzept zu lesen. Es hat insgesamt 40 Seiten, von denen sich zwei Seiten um die Frage der Zukunft der Kernenergie kümmern.
Herr Dr. Kuhn, lassen Sie mich doch in der Sachlichkeit und Ruhe weiterreden, wie ich es hier mache! Wenn Sie sich die anderen Seiten anschauen, über die Sie übrigens als Grüne heute noch gar nicht geredet haben, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass wir in den meisten dieser Zielsetzungen eine fast hundertprozentige Übereinstimmung erzielen werden.
Ist es denn falsch, wenn diese Bundesregierung sich vornimmt, den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 50 Prozent zu erhöhen, bis zum Jahr 2040 auf 65 Prozent zu erhöhen und bis zum Jahr 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen? Ist das energiepolitisch eigentlich falsch? Ich sage, nein, das ist genau der richtige Weg zur Umsteuerung unserer Energieversorgung von Atomenergie in erneuerbare Energien.
Der Primärenergieverbrauch soll gegenüber 2008 um 20 Prozent, bis 2050 um 50 Prozent sinken. Das ist das ehrgeizigste Ziel, das eine Bundesregierung je in einem Energiekonzept miteinander verabredet hat. Wissen Sie eigentlich, von wann das letzte Energiekonzept einer Bundesregierung ist? Es ist von 1991 unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl. In der ganzen Zeit danach, auch unter der rot-grünen Bundesregierung, hat es nicht ein einziges neues Energiekonzept einer Bundesregierung gegeben, und von den Menschen, die das selbst nicht geschafft haben, lassen wir uns nicht vorwerfen, jetzt alles falsch zu machen.
Richtig ist, wir modifizieren die mit den Energiekonzernen unter der rot-grünen Bundesregierung getroffene Laufzeitvereinbarung. Dass eine solche Laufzeitvereinbarung mit den Energiekonzernen jetzt Teufelszeug ist, werfen uns insbesondere diejenigen vor, die im Jahr 2000 einen solchen Deal selbst gemacht haben. Das, was damals richtig war, kann doch heute nicht falsch sein!
(Beifall bei der CDU – (Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Darin steht ja etwas völlig anderes! Das ist ja pure Rhe- torik!)
Nein, das ist keine Rhetorik! Legen Sie mir doch ein Energiekonzept aus der rot-grünen Regierungszeit vor! Es gibt keines, Herr Dr. Güldner, weil Sie nicht den Mut hatten, es zu machen! Es ist immer leicht zu sagen, ich will, dass im Jahr 2020 kein Atomstrom mehr in die Netze fließt, aber es ist schwer zu sagen, wie man dieses Ziel denn eigentlich erreichen will. Die Grünen und auch die Sozialdemokraten haben in ihrer Regierungszeit nicht einen Weg aufgezeigt, wie man dieses ehrgeizige Ziel miteinander erreichen kann.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ob sie 2012 abgeschaltet werden oder 2020, das ist der Unterschied!)
Es ist technisch unmöglich, es ist wirtschaftlich unmöglich, es ist unmöglich, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.