Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Loske. Die Beratung ist eröffnet. Als erste Rednerin erhält das Wort Frau Kollegin Dr. Schaefer.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der gestrigen Kabinettsitzung ihr Energiekonzept verabschiedet. In diesem Energiekonzept spricht sich die Bundesregierung für eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke um bis zu zwölf Jahre aus. Derzeit erzeugen in Deutschland noch 17 Atomkraftwerke Strom, sechs davon umgeben Bremen in einem Umkreis von 150 Kilometern, so zum Beispiel das AKW Unterweser, das direkt vor den Türen Bremerhavens liegt. Jeder, der einmal im Sail City war, hat von den Fenstern aus das Atomkraftwerk auf der anderen Weserseite gesehen. Sein Sperrgebiet geht im Fall eines Unfalls bis Bremen-Nord. Wir in Bremen müssen ein riesiges Interesse haben, dass es zu keiner Laufzeitverlängerung dieser überalterten und mangelhaften AKW kommt, das ist nicht nur für Biblis gutachterlich belegt – gestern in der „Tagesschau“ zu sehen –, sondern auch für das AKW Unterweser, denn mit jedem Jahr Laufzeit vergrößert sich auch das Risiko.
Aus diesem Grund muss eigentlich jeder Bremer und Bremerhavener, egal welcher Partei er angehört, gegen eine Laufzeitverlängerung sein. Wir Grünen wollen, dass das AKW Unterweser spätestens 2012 vom Netz geht, wie es vom Atomkonsens auch vorgesehen war, und nicht erst 2020, wie es die Laufzeitverlängerung jetzt vorsieht.
Ich möchte auch nicht, dass die übrigen der anderen fünf Atomkraftwerken rund um Bremen noch bis 2034 laufen dürfen. Das heißt, Lingen, Grohnde, Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel strahlen dann noch ab jetzt munter 24 Jahre weiter, und das finden wir unverantwortlich!
Und wofür? Nicht, weil solange keine andere Alternative da wäre und ansonsten hier das Licht ausgehen würde! Etliche Gutachten, zum Beispiel vom Umweltbundesamt und auch noch unter der Leitung des CDU-Mitglieds, Herrn Troge, bestätigen, dass wir ab 2020, wenn – wie nach dem unter Rot-Grün beschlossenen Atomkonsens vorgesehen – das letzte Atomkraftwerk vom Netz gegangen wäre, genügend Stromkapazitäten da sind. Wir setzen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Davon profitiert gerade auch die Wirtschaft in Bremerhaven. Die Laufzeitverlängerung ist daher gerade auch für diesen Standort mehr als kontraproduktiv, denn beides geht nicht: Atom und erneuerbare Energien blockieren sich gegenseitig, die Netze geben diese Kapazitäten gar nicht her, und insgesamt wird durch die Laufzeitverlängerung auch hier in dieser Region die Innovationsfähigkeit der ganzen Energiebranche untergraben. Atomkraft ist – und das sage ich auch in Richtung von Herrn Dr. Buhlert, der es oft genug hier in Debatten angebracht hat – eben keine Brückentechnologie, es ist eine Krückentechnologie, die wir nicht mehr brauchen
und die 70 Prozent aller Deutschen inzwischen auch nach den Umfragen ablehnen, im Übrigen auch, wie heute im „Handelsblatt“ nachzulesen war, der CDUMinisterpräsident Müller aus dem Saarland. Nein, die Laufzeitverlängerung soll kommen, weil diese schwarz-gelbe Bundesregierung sich von den vier großen Energiekonzernen – und das muss man einmal deutlich sagen – hat kaufen lassen!
Die großen vier haben sich mit einer wirklich lächerlichen Brennelementesteuer von sechs Jahren – noch 24 Jahre laufen die AKW, aber nur sechs Jahre werden Steuern gezahlt – die Laufzeit erhandelt und damit auf Dauer ihre Monopolstellung abgesichert. Das bringt selbst das Bundeskartellamt in Wallung und gegen diesen Beschluss auf. Diese vier fahren jetzt schon riesige Gewinne ein. Ein Atomkraftwerk bedeutet eine Million Euro Reingewinn pro Tag, und das Geld fließt eben nicht, wie von Umweltverbänden gefordert, aber auch von der Bundesregierung anfangs versprochen, ganz oder weitgehend in den Ausbau der erneuerbaren Energien, nein, die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen wird zur Sanierung des Haushalts verwendet. Über die Brennelementesteuer zahlen die Atomkraftwerksbetreiber jährlich rund 2,3 Milliarden Euro Gewinn in den Bundeshaushalt, aber auch nur sechs Jahre lang. Bei prognostiziertem Gewinn durch die Laufzeitverlängerung von rund 100 Milliarden Euro, finde ich, ist das ein Witz!
Die Art, wie dieses neue Gesetz durchgepeitscht werden soll, ist das undemokratischste Verfahren, von dem ich je gehört habe.
Das kann doch wirklich kein Demokrat jemals gutheißen! Da werden die Verträge oder die Vereinbarungen zwischen Regierung und Stromkonzernen im stillen Kämmerlein geschlossen, ohne dass der Bundesumweltminister dabei war, da soll das Ganze am Bundesrat vorbei entschieden werden. Deshalb fordern wir, dagegen muss geklagt werden! Diese Vorgehensweise der Bundesregierung ähnelt einer Bananenrepublik, und ich bin froh, dass selbst ein Politiker wie der Bundestagspräsident Herr Lammert von der CDU diese unverfrorene Vorgehensweise deutlich kritisiert.
In dieser Laufzeitdebatte zählen nicht die Interessen der Menschen hier im Land, sondern nur die Interessen der Großkonzerne, und das ist keine ehrliche, das ist keine glaubhafte, und das ist auch keine vertrauenswürdige Politik. Wir sind dagegen, nicht nur, weil wir ein erhöhtes Risiko mit der Laufzeit befürchten, es geht auch um die Frage der Atommülllagerung und zusätzlicher Atomtransporte. Ich sage Ihnen, wer nicht weiß, wohin mit seinem Müll, der darf ihn einfach auch erst gar nicht produzieren und schon gar nicht, wenn er nicht mit Sicherheit für die nächsten 24 000 Jahre, denn so lang ist die Halbwertzeit von Plutonium, eine Garantie für die Sicherheit geben kann. Wenn man das einmal umrechnet, sind das 800 Menschengenerationen. Ich möchte einmal wissen, wer hier im Saal sagen kann, ja, das garan
Im Übrigen, für diese ganze Endlagerungsfrage zahlt auch nicht irgendein Atomkonzern, nein, das macht der Steuerzahler, und das finde ich auch nicht gerecht!
Jeder verantwortliche Politiker und jede verantwortliche Politikerin kann sich nur gegen die Laufzeitverlängerung aussprechen. Wir tun das aus den genannten Gründen, das Risiko, zu wenig Netzkapazitäten, Ausbremsung der erneuerbaren Energien, Atommüll ohne sichere Endlagerung und zusätzliche Atomtransporte. Wir wollen Strom ohne Atom, schließen Sie sich uns an! – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gestern haben das schwarz-gelbe Bundeskabinett und die Bundestagsfraktionen von Union und FDP dem neuen sogenannten Energiekonzept zugestimmt. Statt 2022 soll jetzt erst 2036 – viel Spaß beim Faktencheck – das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen. Dieses Konzept stellt gerade auch CDU und FDP im Nordwesten vor ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem. Nun werden sie es doppelt schwer haben, den Beschäftigten in der bisher krisenfest wachsenden Windenergiebranche weiszumachen, dass sie sich ernsthaft für die Windenergie einsetzen.
Dieses Atomkonzept, um es beim Namen zu nennen, führt dazu, dass 14 Jahre länger als bisher geplant Atomstrom zum Teil die Leitungsnetze für die Einleitung von Strom aus erneuerbaren Energien blockiert. 14 Jahre länger soll der vor allem durch Haftungsbegrenzungen und eine völlig unzureichende Beteiligung an den nahezu endlosen Lagerungskosten für den Atommüll auf ein konkurrenzlos niedriges Kostenniveau heruntersubventionierte Atomstrom den Energiewettbewerb zum Nachteil all der kleineren Energieerzeuger und der Allgemeinheit verzerren. Liebe Bürgerinnen und Bürger, lassen Sie sich nicht weismachen, dass es hier um Umweltoder gar Verbraucherschutz gehe!
Schon jetzt geben die Atomkonzerne die genannten Kostenvorteile nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Dass Atomkraft nichts mit Umweltschutz zu tun hat, sehen Sie schon an den Zu
ständen in den vorgeblichen Versuchslagerstätten Asse und so weiter. Die angebliche Brücke zu den erneuerbaren Energien ist hochgradig verstrahlt. Ohne Beisein des für die Sicherheit der zuständigen Atomkraftwerke zuständigen Umweltministers Dr. Röttgen, auch meine Kollegin Frau Dr. Schaefer hat das schon erwähnt, haben die schwarz-gelben Koalitionsspitzen sich die Gewinne der Laufzeitverlängerung mit den vier großen Atomkonzernen aufgeteilt und unsere Sicherheit verscherbelt. Das ist genauso dreist wie die Abgeltung der Wahlkampfspenden an die FDP durch die Mehrwertsteuersenkung für Hotels.
Die Merkel-Regierung tritt damit das Allgemeinwohl mit Füßen, sogar wenn damit Menschenleben gefährdet werden. Das ist die Regierung der Anstandslosen.
Der Atomkonsens ist ein hohes Gut für unsere Energiewirtschaft. Er ergibt in Verbindung mit den klimapolitischen Zielsetzungen eine klare Orientierung für Investitionen in unsere energiepolitische Zukunft. Was die schwarz-gelbe Bundesregierung hier anrichten will, ist auch wirtschaftspolitisch ein Scherbenhaufen. Die Atomkonzernspitzen haben ohne Not den Atomkonsens mit der breiten Mehrheit der Bevölkerung aufgekündigt, da sie sich von den immensen Gewinnen der Atomkraftwerke, Frau Dr. Schaefer hat die Summe genannt, nicht trennen wollen. Zum kurzfristigen Nutzen weniger bringen Merkel und die Atomkonzerne Unruhe in eine wirtschaftliche Schlüsselbranche, die Energiewirtschaft. Der Rahmen für die Atomkonzerne kann jetzt nur enger werden, wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung wieder abgewählt wird. Wir Sozialdemokratinnen und Soziademokraten werden den Deal von Merkel und Atomkonzernen platzen lassen!
Doch nun zur sogenannten Linken! Sie wollen der Öffentlichkeit weismachen, dass Sie schon immer die wahren Atomkraftgegner waren, da Ihnen schon der Atomkonsens nicht weit genug ging. Verkaufen Sie die Leute nicht für dumm! Große Teile Ihrer traditionsreichen Partei haben vor dem Mauerfall die Sicherheit von Atomkraftwerken noch danach beurteilt, ob sie im kommunistischen Osten oder im kapitalistischen Westen stehen.
Jetzt wagen Sie es, hier die Besserwisser zu spielen. Uns können Sie jedenfalls nicht für dumm verkaufen!
Deshalb lehnen wir Ihre Änderungsanträge ab. Wir lehnen Ihre Änderungsanträge auch deshalb ab, da Sie mit Ihren Ergänzungsvorschlägen zu Atomtransporten ignorieren, dass wir in diesem Haus hierzu bereits am 25. Februar dieses Jahres klare Beschlüsse gefasst haben.
Auch Ihre Anregung zur Prüfung der Rekommunalisierung der Energienetze braucht die Bremer SPD nicht mehr.
Führende Verfassungsrechtler halten das Vorgehen der Bundesregierung für verfassungswidrig, da sie den Atomkonsens ohne Beteiligung des Bundesrats aufkündigen will. Sogar der Bundestagspräsident, Frau Dr. Schaefer hat darauf hingewiesen, hält das für fragwürdig. Eigentlich sieht das auch Bundesumweltminister Dr. Röttgen so, wenn man den Veröffentlichungen, insbesondere vor dem Abschluss des Atomdeals, glauben darf. Wenn Sie wie wir möchten, dass der Senat im Falle einer Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Unterweser in Esenshamm, das zuletzt eigentlich 2012 abgeschaltet werden sollte, alle rechtlichen Mittel gegen die Laufzeitverlängerung einsetzt, dort zumindest die aktuellen Sicherheitsstandards, zum Beispiel auch zum Schutz vor terroristischen Angriffen, hergestellt werden, dass die wettbewerbsverzerrenden Haftungsbegrenzungen beseitigt und die mangelnde Übernahme der Lagerkosten für Atommüll durch die Atomkonzerne nicht weiter hingenommen werden, und wenn Sie möchten, dass erneuerbare Energien ernsthaft gefördert werden, stimmen Sie unserem Antrag zu! Das einzig wirklich Nachhaltige an der Atomenergie ist das nachhaltige Risiko, um es mit den Worten des sozialdemokratischen österreichischen Bundeskanzlers Faymann zu sagen. – Vielen Dank!
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Am besten war die Krawatte!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt, ich war einmal in einer Partei und in einer Organisation, die fanden es richtig, dass man im Sozialismus Atomkraftwerke sicher betreiben kann, oder fanden, dass es das gibt und dass die kapitalistischen Atomkraftwerke unsicher sind. Ich befand mich schon damals im Gegensatz zu der Mehrheit dieser Organisation, und ich habe mich letztendlich durchgesetzt. Die Zeiten, dass auch andere Parteien hier im Hause möglicherweise nicht ganz so abgeneigt waren, die friedliche Nutzung der Atomkraft in den Mittelpunkt der Politik zu stellen, sind so lange auch noch nicht vorbei. In der Frage der Ernsthaftigkeit müssen wir dort einmal ein bisschen vorsichtig sein. Ich erinnere mich, dass ich in diesem Land schon gegen Atomkraftwerke demonstriert habe, da waren die Sozialdemokraten davon noch nicht so vollständig überzeugt. interjection: (Zurufe von der SPD)
Wir wissen aber gemeinsam in diesem Haus – und deswegen finde ich diesen Vorwurf auch ein bisschen überflüssig –, dass zumindest in diesem Teil des Landes Atomkraftwerke in ihrem Betrieb gefährlich sind, dass Atommüll eine wirklich unzumutbare Belastung von Natur, Mensch und Umwelt ist. Es ist ein völlig ungelöstes Problem. Wir haben irgendwo in der Erde Dreck verscharrt, der uns im wahrsten Sinne des Wortes, wenn wir ihn wieder ausgraben, auf die Füße fällt. Wir wissen, es wird leichter, und mittelstarker radioaktiver Stoff wird in alle Welt verschifft. Ein Teil von irgendwelchen Abfällen lagert in Russland unter freiem Himmel. Wir wissen, dass die Profite der Atomindustrie nicht nur dadurch entstehen, dass sie Strom verkaufen, sondern auch dadurch, dass sie in völlig unzulässiger Weise Mensch und Umwelt gefährden, und das seit Jahren, und das hat Zukunft. Selbstverständlich muss man auf jeden Fall gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland sein. Da gibt es überhaupt keinen Dissens in diesem Haus, zumindest auf dieser Seite.