Protokoll der Sitzung vom 08.12.2010

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Ha- ben Sie schon einmal hineingeschaut? Das sollten Sie einmal machen!)

Dort habe ich hineingeschaut! Sehr viel heiße Luft! Unpraktikables, Unrechenbares! Damit können Sie gern Ihre Reklameebene weitermachen, ich kenne aber niemanden, der es Ihnen glaubt.

(Zuruf des Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP])

Dann kommt die Gebetsmühle: Sie sparen ja gar nicht! Nachdem ich jetzt auch keine Lust mehr habe, unsere Sparliste, die Sie sowieso nicht erreicht, hier noch einmal vorzutragen, habe ich gedacht, ich schaue heute einmal in die Zeitung.

Was ist eigentlich die tägliche Zeitung in Bremen, falls Sie die lesen? Der „Weser-Kurier“ ist das Standardblatt, würde ich einmal sagen. Darin steht, dass wir eine Eröffnungsbilanz vorlegen, das Rathaus Stühle verkauft, dass beim Staatsarchiv 40 000 Euro

an Energiekosten eingespart werden, dass wir die Vergnügungssteuer erhöhen wollen, dass wir Widerstand leisten bei der verständlichen Forderung, die Ein-Euro-Jobs, die wegfallen, zu kompensieren, und dass wir uns ziemlich viel Mühe geben, nach einer bezahlbaren Lösung für das Stadtamt zu suchen. Das ist an einem Tag im „Weser-Kurier“ zu lesen, was diese Regierung macht, um mit dem Geld zurechtzukommen. Sie aber sind so weit weg von dem Verwaltungshandeln und dem Geschehen in dieser Stadt, dass Sie das alles überhaupt nicht mehr merken!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Die sind ja mit etwas anderem beschäftigt!)

Sehr geschätzter Herr Kollege Dr. Schrörs, was ich wirklich nicht in Ordnung finde, ist, hier zu suggerieren, dass der Bremer Haushalt mit 3 Milliarden Euro Ausgaben zu bewältigen wäre. Ihre Kritik ist, dass wir nur auf Einnahmeerhöhung setzen und hier angeblich überhaupt nicht tätig werden, obwohl Sie sehen, dass der Haushalt abgesenkt wurde. Sie wissen ganz genau, dass mit diesem Einnahmeniveau Bremen nicht verantwortlich und gesetzeskonform regiert werden kann. Aus Ihrer Regierungszeit kommt das Rensch-Gutachen, auf das ich hier einmal kurz hinweisen will. Herr Rensch hat für die Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht aus Zeiten der Großen Koalition ausgerechnet, was wir eigentlich für Einnahmen pro Einwohner haben, hat davon unsere Kosten für die Universität, Häfen, Sozialhilfe, Zinsen und die Pensionslasten abgezogen. Dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass dem Bundesland Bremen 651 Euro pro Einwohner zur Verfügung stehen.

Das ist ein letzter Platz bei allen Bundesländern. Wir sind arm, das ist auch in Ordnung, dass wir bei den Ausgaben einen letzten Platz haben. Dieser letzte Platz zeigt aber, dass in der Vergangenheit – –. Es sind 53 Prozent vom Durchschnitt! Hier zu suggerieren, dass davon noch massive weitere Abstriche möglich seien, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Sie setzen sich mit der Haushaltspolitik, die Sie gemacht haben, überhaupt nicht auseinander. Es geht um einen Seilakt, er besteht darin, die Schuldenbremse einzuhalten – das will der Senat –, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass hier die Gesetze eingehalten werden und die Infrastruktur, die in unserem Bundesland wichtig ist und auch das Überleben sichert, keinen Schaden nimmt.

Wir werden in keinen Wettstreit eintreten in der Frage „Wie niedrig geht es denn noch?“. Wir werden die Schuldenbremse einhalten, wir werden aber die relative Entwicklung Bremens zu anderen Gebietskörperschaften im Auge behalten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu Herrn Rupp möchte ich gern sagen: Sie sind mit Ihrer Verschwörungstheorie wieder dort angekommen, wohin Sie immer so gern wollen. Wir haben überhaupt keine Prognosen gefälscht oder uns etwas ausgedacht, sondern es ist ganz einfach so, dass die Krise in Bremen wegen seiner besonderen Wirtschaftsstruktur anders wirkt als im Süden.

(Abg. R u p p [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Sie ist hier später angekommen, und sie wird hier auch später enden.

Frau Bürgermeisterin Linnert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Ich will sehr gern eine Zwischenfrage gestatten!

Bitte, Herr Rupp!

Ich wollte nur einmal wissen, nach unseren Recherchen ist es so, dass die regionalisierte Steuerschätzung aus Baden-Württemberg für 2010 und 2011 jeweils 105 Millionen Euro mehr Einnahmen prognostiziert, als jetzt in den Finanzrahmen eingestellt ist. Möglicherweise kann man das durch entsprechende Verschiebungen für 2010 noch einmal sagen, dass es gar nicht wahr wird, aber wann rechnen Sie damit, dass diese Einnahmeerhöhungen, die nicht weg sind, sondern möglicherweise durch den Länderfinanzausgleich noch höher ausfallen, zu Buche schlagen? Warum haben Sie diese in der Größenordnung für 2011 nicht eingestellt?

Das kann ich Ihnen gern sagen! Es ist aber interessant, dass Sie erst Behauptungen aufstellen und dann fragen. Ich will die Frage trotzdem sehr gern beantworten!

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Entschuldi- gung, wir haben diese Fragen im Haushalts- und Finanzausschuss hinauf- und herunter- gefragt, aber die Antworten waren so unzu- länglich, dass ich hier noch einmal fragen muss! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Stimmt doch gar nicht! – Abg. R u p p [DIE LINKE]: Diese Fragen sind im Haushalts- und Finanzausschuss nicht be- antwortet worden!)

Ich will sie gern beantworten, aber Sie können mir nur zuhören, wenn Sie nicht mehr schimpfen!

(Zuruf des Abg. R u p p [DIE LINKE])

Frau Bürgermeisterin Linnert beantwortet jetzt die Frage!

Die regionalisierte Steuerschätzung wird von uns nicht eins zu eins übernommen, sondern wir schauen, ob sie mit unseren Erkenntnissen, den Einnahmen und unseren Prognosen und Erfahrungen, die wir haben, übereinstimmt. Wir haben uns entschieden auf der Basis der Erkenntnisse, die wir haben, die 100 Millionen Euro abzusenken. Ich denke auch, dass das ein realistischer Wert ist. In Bremen ist die Finanzkrise später angekommen. Die Finanzministerkollegen aller Bundesländer haben insbesondere bei der Gewerbesteuer sehr geklagt, als wir noch gute Einnahmen hatten. Bei uns ist es zeitverzögert angekommen, und die anderen erholen sich offensichtlich schneller. Wir gehen davon aus, dass wir erst im Jahr 2013 wieder Anschluss gefunden haben werden. Deswegen ist das keine Sparkasse, sondern wir haben seriös geplant und ordentlich gerechnet. Wir haben dieses Geld ganz sicher nicht übrig!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Falls wir es übrig haben sollten, ist es auch in Ordnung, dass es in eine verminderte Kreditaufnahme geht, weil es uns das dann nämlich in den nächsten Jahren leichter macht. Es ist ein Deckel auf dem Topf. Jeder, der hier heute zusätzliches Geld ausgibt, wirft die Folgen anderen vor die Füße, und das möchte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich wehre mich dagegen, dass wir hier von Ihnen als Kritik bekommen, wir würden uns hinter der Schuldenbremse verstecken! Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz! Dahinter versteckt man sich nicht, sondern mein Staatsverständnis ist, ob mir das so gefällt oder nicht oder ob mir das Pein bereitet oder nicht, das kann auch manchmal sein, für mich ist aber völlig klar, eine gewählte Regierung und Menschen, die hier die Bevölkerung im Parlament vertreten, haben die Pflicht, sich hinter das zu stellen, was in der Verfassung steht. Das ist nun einmal die Schuldenbremse. Deshalb verstecke ich mich nicht dahinter, sondern ich bekenne mich dazu, dass es einen Auftrag in unserer Verfassung gibt, uns daran zu halten, dazu zu bekennen und uns anzustrengen, das heißt nicht sklavisch! Wenn wir am Ende nicht mehr weiterwissen oder das nicht einhalten können, dann werden wir auch sehen, wie es weitergeht. Dann werden wir mit den anderen sprechen, dann werden wir schauen, was mit den anderen ist. Es gibt hier keine sklavische Einhaltung, aber die Verfassung gilt. Wir verstecken uns nicht dahinter, sondern wir werden sie einhalten. Das halte ich für das normale Handeln von Regierungen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der langen Rede kurzer Sinn: Ein erster Schritt, dem noch neun weitere mit weiteren Sparmaßnahmen, mit

Haushaltsdisziplin und hoffentlich auch ganz viel Kreativität folgen werden! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Der nächste Nachtragshaushalt kommt bestimmt!)

Damit wäre die erste Runde, der Bereich der Generaldebatte und Finanzen, abgeschlossen. Wir kommen jetzt zur zweiten Runde, Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen bedeuten, dass man sich auch die Fachressorts anschaut. Wir sprechen über Bildung, Wissenschaft, Kultur. Das ist kein eigenes Ressort, sondern, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, Sie sind dabei, die Phase des Bremer Bildungskonsenses umzusetzen. Wir haben heute Morgen bei der Debatte über das Lehrerausbildungsgesetz gemerkt, Konsens bedeutet nicht Konsens in allen Fragen. Im Übrigen haben wir große Aufgaben vor uns. Die Inklusion ist auch ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen.

Das von Ihnen vorgelegte Projekt der Inklusion stößt allerdings auf massive Kritik, wie wir in den letzten Wochen in der Zeitung gelesen haben. Schulleiter beschweren sich, dass mit ihnen überhaupt noch nicht über Inklusion gesprochen wurde. Der Personalrat beschwert sich, und Eltern fühlen sich nicht mitgenommen. Wir haben hier eine große Aufgabe vor uns. Ich sage Ihnen ganz deutlich, für die CDU-Fraktion gilt auch bei diesem Projekt, Sorgfalt geht vor Eile. Ich hoffe, dass Sie dort nicht aus anderen Gründen Eile vor Sorgfalt gelten lassen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in diesem Haus schon mehrfach über Ihre Privatschulallergie gesprochen. Wir fordern Sie auf, das neue Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft mit den Schulen in freier Trägerschaft noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen. Sie versagen erst den Schulen in freier Trägerschaft eine angemessene Unterstützung, monieren dann, dass ein Schulgeld, das in Wirklichkeit sogar noch sozial gestaffelt ist, erhoben wird und stellen sich dann in die Öffentlichkeit und monieren eine soziale Spaltung. Meine Damen und Herren, das ist scheinheilig!

(Beifall bei der CDU)

Im Bereich von Wissenschaft und Forschung brauchen die Hochschulen Klarheit und Verlässlichkeit. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir brauchen eine Neufassung des Wissenschaftsplans und des Hochschulgesamtplans. Sie haben das abgelehnt mit Hinweis auf die erst zu erfolgende Haushaltsberatung. Auch das ist eine kurzsichtige Politik. Vor Beginn der Haushaltberatungen hätten wir eine inhaltliche Wissenschaftsplanung vorliegen haben müssen. Auch hier haben Sie nicht die Arbeit geleistet, die Sie in Ihrem Ressort hätten erbringen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch, eine weitere große Baustelle der Gegenwart und der Zukunft ist die Kulturpolitik. Sie verwalten Kultur, Sie gestalten nicht. Herr Senator Böhrnsen, als Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht wissen Sie natürlich, wie Verwalten geht, nur als Senator für Kultur müssen Sie auch Kulturpolitik mutig gestalten. Daran fehlt es Ihnen seit dreieinhalb Jahren, seit Sie dieses Amt übernommen haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben vielleicht kurzfristig Strukturen gesichert, aber die Töpfe in der Kulturpolitik sind leer. Sie feiern sich damit, dass Sie den Ansatz einigermaßen gehalten haben. Das Geld für die Einrichtungen mag dem Umfang nach gesichert sein, nur die laufenden Kosten – egal, ob Unterhalt, ob Produktion oder Personal – steigen in den Einrichtungen. Damit bleibt den Einrichtungen weniger, als sie vorher hatten. Auch das gehört zur Ehrlichkeit rot-grüner Kulturpolitik.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Könnte das jetzt anders sein?)

Es ist kein Erfolg, dass wir eine Kulturlandschaft haben, die breit ist, in der die Einrichtungen aber nicht genügend Geld haben, um Kultur auch richtig zu leben. Was nützt uns ein Museum, wenn es wegen fehlenden Aufsichtspersonals nicht mehr regelmäßig öffnen kann?

(Unruhe bei der SPD)

Die Luft zum Atmen wird immer dünner.

Ihnen fehlt der Mut, Ihnen fehlen die Visionen! Wir haben Ihnen zum Beispiel vorgeschlagen, Sonntagsöffnungen von Bibliotheken durchzuführen. Wir haben Ihnen einen Tag der Kultur an Schulen vorgeschlagen. All dies haben Sie abgelehnt. Ich bin sehr gespannt, wie Sie mit unserem Antrag zum Schulkulturticket umgehen. Dies sind einfache Maßnahmen, dies sind keine kostenintensiven Maßnahmen. Sie lehnen sie aber sogar aus ideologischen Gründen ab. Auch so lässt sich keine Kultur gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Kultur und kulturelle Bildung gehören zusammen. Sie haben die Möglichkeit, hier auch in Zeiten knapper Kassen wertvolle Inhalte zu gestalten. Anhand der von mir vorhin skizzierten Beispiele zeigt sich ganz eindeutig, dass Sie hier nicht gestalten wollen. Es bleibt dabei, Sie verwalten lieber, und mit Verwalten lässt sich kein Staat machen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)