(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben doch auch Koalitions- erfahrung! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber am Ende zählt bremisches Interesse, nicht grünes!)
Wir haben ausdrücklich keine Bedenken und denken, dass der Kompromiss gerichtlich Bestand haben wird. Wenn man vom Verhandlungstisch einfach aufsteht und sauer ist, dann ist man seiner historischen Verantwortung nicht gerecht geworden.
Diese historische Verantwortung haben die Grünen als Teil der damaligen Regierung, die diese verfassungswidrigen Regelsätze überhaupt erst gebildet hat. Es ist also überhaupt notwendig, dass dieser Landtag heute diese Landesregierung hier in die Pflicht nimmt, dem Kompromiss, der im ureigensten Interesse unseres Landes ist, auch im Bundesrat zuzustimmen.
Ein Land, in dem wir eine so hohe Dichte an Leistungsbeziehern haben, kann nicht wegen Bedenkenträgertums eines verstimmten Koalitionspartners diese Klarstellung für die Betroffenen ablehnen und einfach auf die Entlastung von 58 Millionen Euro durch Bundesgelder verzichten. In der Sozialdeputation in der vorvergangenen Woche, als die Verhandlungen zunächst ins Stocken gekommen waren, machten noch Vertreter der Koalition vollmundigste Äußerungen
darüber, wie unmöglich man die Verunsicherung für die Menschen finde, da keine Klarheit in der Höhe der Regelsätze bestünde. Nun besteht in dem gefundenen Kompromiss diese Klarheit, und nun will der rot-grüne Senat durch Enthaltung im Bundesrat – das wirkt wie eine Ablehnung – diese Klarheit nicht mitmachen. Meine Damen und Herren, deshalb fordern wir heute, dagegen sein war gestern, dem Kompromisspaket, auch durch Bremer Stimmen, ist morgen, im Bundesrat zuzustimmen! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, ich finde es anmaßend von Ihnen, dass Sie den Grünen vorschreiben wollen, wie sie in solch einer wichtigen Frage für sich zu einer Entscheidung kommen.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Also finden Sie das gut!)
Es steht Ihnen aber überhaupt nicht zu, den Grünen hier vorzuschreiben, wie sie sich in dieser Frage verhalten.
Die Einigung hinterlässt bei uns Sozialdemokraten durchaus gemischte Gefühle. Zufrieden können wir, erstens, mit der Einführung von Mindestlöhnen für weitere 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein,
zweitens mit der erheblichen Verbesserung des Bildungspakets für Kinder und Jugendliche, und drittens mit der schrittweisen Übernahme der Altersgrundsicherung durch den Bund.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Klar ist aber auch, bei dem Kompromiss über die Regelsätze hätten wir uns mehr gewünscht, aber das ist nun einmal das Wesen eines Kompromisses. Da hat sich die Verhandlungsführung der Bundesregierung zu sehr an den Vorgaben des Bundesfinanzministers orientiert. Nach wie vor sind wir davon überzeugt, dass eine von uns hier aus Bremen geforderte Kommission unter Beteiligung von Experten auch aus den Wohlfahrtsverbänden zu einem besseren Ergebnis gekommen wäre. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Nun zu den einzelnen Punkten! Kommunen werden von Grundsicherung im Alter entlastet, sie steigt aufgrund der zunehmenden Altersarmut und des demografischen Wandels. Die Kommunen werden in drei Stufen vollständig von den Kosten der Grundsicherung im Alter ohne Vorbedingungen entlastet, eine Entlastung ab 2014 von rund vier Milliarden Euro mit steigender Tendenz. Für diese Entlastung hat sich die SPD in der Gemeindefinanzkommission und jetzt im Vermittlungsverfahren massiv eingesetzt.
Die SPD konnte zudem wichtige Positionen zum Bildungs- und Teilhabepaket durchsetzen. Die Kommunen sollen das Bildungs- und Teilhabepaket umsetzen, um die vielfältigen kommunalen Teilhabemaßnahmen zu sichern und Doppelstrukturen zu vermeiden. Gleichzeitig hat die SPD durchgesetzt, dass die Kommunen die ihnen dadurch entstehenden Kosten erstattet bekommen.
Vom Bildungspaket profitieren circa zwei Millionen bedürftige Kinder. Sie erhalten gezielt Sach- und Dienstleistungen. Nicht nur Kinder von Hartz-IVEmpfängern haben einen Anspruch auf die Leistungen des Bildungspakets, sondern auch Kinder von Familien, die Wohngeld bekommen. So werden etwa 160 000 Kinder zusätzliche Leistungen erhalten. In den Verhandlungsrunden konnte die SPD zudem erreichen, dass der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft erhöht wird. Zusätzlich zu den bisher für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets vorgesehenen Mitteln erhalten die Kommunen für die Jahre 2011, 2012 und 2013 jährlich weitere 400 Millionen Euro für die Finanzierung von Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horten. Damit ist zum einen ein Einstieg in den Aufbau einer flächendeckenden Schulsozialarbeit gelungen, mit dem die vielen Angebote der Länder und Kommunen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen im Bereich der Schulsozialarbeit ausgebaut werden können. Nicht nur bedürftige Schulkinder bekommen einen Zuschuss zum Mittagessen, sondern
auch Kinder, die in einem Hort betreut werden. Die Kosten für das Bildungspaket übernimmt der Bund für die Jahre 2011 bis 2013 komplett, die Kommunen müssen von den etwa 1,6 Milliarden Euro jährlich nichts aufbringen.
Zum anderen konnte die SPD durchsetzen, dass zunächst befristet bis Ende 2013 alle Horte in die Finanzierung von Mittagessen einbezogen werden. In den Verhandlungen wollten sich CDU und FDP zunächst nur dazu durchringen, jene Horte einzubeziehen, die sich in schulischer Trägerschaft befinden, das ist eine finanzielle Entlastung für Bremen.
Für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und für die Weiter- und Ausbildung werden Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz festgelegt. Die Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit ist durchgesetzt.
Zur Forderung der LINKEN, Bremen möge für Menschen im SGB-XII-Bezug mehr als den Regelsatz für Menschen im SGB-II-Bezug auszahlen, hat Herr Frehe schon ausgeführt: Ganz offensichtlich spielt die Gerechtigkeitsfrage bei der LINKEN keine so große Rolle mehr, und keine Rolle spielt für sie ganz offensichtlich auch, wie Bremen als Haushaltsnotlageland so einen bundesweiten Sonderweg überhaupt schultern soll. Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Die CDU hat mit ihrem Änderungsantrag ganz offensichtlich vergessen – also ich meine, diese zwölf Jahre Große Koalition sind noch nicht so lang her –, wie es eigentlich geht, wenn die Koalitionäre sich nicht einig sind und wie da der Weg ist. Sie haben das in der Praxis miterlebt. Selbstverständlich werden wir uns im Bundesrat in dieser Frage enthalten, das wissen Sie auch ganz genau. Deswegen werden wir auch Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie handeln gegen bremisches Interes- se! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie haben doch so einer Vereinbarung damals auch zugestimmt! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Darin steht, es sei denn, es sind bremische Interessen berührt!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Röwekamp, ich finde es sehr spannend, nachdem Frau Garling jetzt hier dargestellt hat, wie sinnvoll und richtig viele Punkte in dem geschlossenen Kompromiss sind, ich will unterstreichen, es ist ein Kompromiss zwischen sehr unterschiedlichen Positionen, von denen aus sich angenähert worden ist – –. Ich finde ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
es schon sehr bemerkenswert, lieber Herr Frehe, dass Sie nach der ganzen Vorgeschichte und der unrühmlichen Rolle, die die Partei der Grünen in den letzten Jahren bei diesem Thema gespielt hat, hier sagen, wir brauchen das nicht, wir lehnen das ab. Sie haben sich hier heute wieder als DagegenPartei profiliert, und das bei einem Thema, das vielen Menschen zu Recht unter den Nägeln brennt. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Politik eine Lösung dieses Problems, und ich weiß nicht, wo Sie leben, aber wir spüren die Unzufriedenheit mit diesem Problem doch schon seit einigen Monaten ganz gewaltig.
Ich glaube, da wäre es auch für Sie gut gewesen, sich ein Stück mehr bereitzufinden zu einem Kompromiss und nicht den Bettel hinzuwerfen, sich aus den Verhandlungen davonzustehlen und dann auch noch dafür zu sorgen, dass Bremen diesem vernünftigen und sachgerechten Kompromiss im Bundesrat nicht einmal mehr zustimmen kann. Lieber Herr Frehe, ruhmreich ist etwas anderes!
Vielleicht auch zu den Argumenten, die Sie hier vorgetragen haben: Es ist schon einigermaßen bizarr. Erst haben Sie, als Sie noch im Bund in der Regierungsverantwortung waren, als Grüne hier ein verfassungswidriges Gesetz mitbeschlossen,
das ist dann anschließend vor dem Verfassungsgericht gelandet. Dann haben Sie am gleichen Tag gesagt, Sie wissen schon ganz genau, in welcher Höhe sich dieser Regelsatz befinden muss. Dann haben Sie anschließend gesagt, jetzt ist aber nicht herausgekommen, was wir wollten, das kann nur daran liegen, dass nicht genau gerechnet worden ist. Jetzt kommen Sie, wo das alles miteinander vereinbart worden ist und SPD, CDU und wir einer Meinung sind, dass wir das so machen wollen, und sagen, dem kann man nun überhaupt nicht zustimmen, und da ist es uns lieber, es wird gar nicht geregelt. Die Klage gegen dieses Thema überlassen Sie aber anschließend der Partei der LINKEN, obwohl Sie sich hier mit breiter Brust hinstellen und jetzt schon wissen, dass das alles nicht verfassungskonform ist. Ich finde diese Pirouetten, die Sie hier drehen, sehr bemerkenswert, Herr Frehe. Dann auch noch dem Bürgermeister, der an dem Kompromiss an zentraler Stelle beteiligt war, hier vorzuwerfen, er würde gegen die Verfassung handeln, und ihn zu
nötigen, die Stimmen Bremens gegen das Interesse dieses Landes abzugeben, ich kann das, was Sie hier machen, nicht mehr nachvollziehen!
Ich muss ganz herzlich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich glaube, die meisten Bürgerinnen und Bürger verstehen es auch nicht mehr, warum Sie eine derartig destruktive Rolle hier einnehmen.
Vielleicht zum Antrag der Kollegen der LINKEN, ich will dazu nur einige Worte nennen! Es ist natürlich klar, die Landesregierungen könnten dort in der Tat etwas tun. Wir halten das aus den hier auch schon angeführten Gründen nicht für sachgerecht, denn auch diese 420 Euro, die Sie fordern, müssten auf Basis einer Stichprobe hergeleitet werden. Ohne Frage, natürlich könnte man sich da auch, wenn vorhanden, landesbezogener Daten bedienen, aber wer will das leisten. Das wäre dann nun wirklich sehr bürokratisch.
Im Übrigen muss ich auch ganz ehrlich sagen, ich halte das auch keineswegs für gerecht, dass man hier nun eine andere Regelung schafft als im Bereich Hartz IV.
Das kann man nun wirklich auch niemandem vermitteln, dort nun mit völlig anderen Maßstäben heranzugehen und die gleiche Debatte noch einmal wieder zu führen. Im Übrigen müsste dann auch darüber diskutiert werden, auf welcher Grundlage dieser Satz nun berechnet werden soll und was da alles einberechnet werden soll. Ich glaube, diese Debatte sollten wir uns in der Tat hier ersparen. Es ist sinnvoll, dass diese beiden Sätze miteinander verbunden geregelt sind. Es ist darüber hinaus hier immer eine Vielzahl von Fakten zu beachten.
Zum einen will ich aber auch eines noch einmal sagen, weil es mir auch in der Einbringungsrede wieder nicht deutlich geworden ist: Man darf eines nicht außer Acht lassen, die Berechnung der Regelsätze, über die wir hier sprechen, findet auf Basis dessen statt, was Geringverdiener bereits heute ganz real existierend für bestimmte Dinge ihres täglichen Bedarfs tatsächlich ausgeben. Das ist keine Wunschgröße, das ist nicht etwas, das aus einem irgendwie fiktiven politisch zu setzenden Bedarf herzuleiten ist, sondern das ist tatsächlich empirisch aus dem zu ermitteln, was ist.
Nein, Herr Frehe, ich glaube, wir haben oft genug über dieses Thema gesprochen! Diese Berechnungen sind nachvollziehbar und richtig, auch für Sie nachvollziehbar gemacht worden. Dazu will ich hier auch noch einmal deutlich sagen: So wie Sie sich das vorstellen, man wirft eine Zahl hinein und verlangt dann vom Gesetzgeber oder vom Ministerium – –.
(Abg. Frau N i t z [DIE LINKE]: Wollen Sie den Sozialverbänden vorschreiben, sie würden falsch berechnen?)
Frau Nitz, die Sozialverbände sind Interessenverbände, das wissen Sie so gut wie ich! Das ersetzt doch aber keine statistische Berechnung, die auch nachvollziehbar sein muss und die dann auch entsprechend nach einer Mehrheit genügen muss. Natürlich wird das auch im Deutschen Bundestag beraten, aber ich habe – das muss ich ganz ehrlich sagen – eher Vertrauen in die Berechnungen des Bundesministeriums als in die irgendwelcher Verbände, die Ihnen vielleicht politisch näher stehen mögen. So funktioniert das einfach nicht, Frau Nitz, und deshalb glaube ich, dass dieser Antrag hier auch völlig an der falschen Stelle diskutiert wird.