Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zugeben, als ich vor ein paar Tagen das erste Mal gehört habe, dass es diese Ergebnisse gibt, war ich ziemlich schockiert. Ich war schockiert, weil ich auch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sagen muss – das ist für mich heute auch noch eine offene Frage –, mir ist eigentlich bis heute nicht klar, wie ist die Intention von Süchtigen, ihren Kindern die Medikamente teilweise offensichtlich zu geben, die für sie bestimmt sind. Die Intention kann ich mir zurzeit noch nicht erklären.
Ich bin der Meinung, dass das natürlich geklärt werden muss, denn ich sage einmal, der Normalfall ist, dass derjenige, der mit Methadon substituiert wird, das für sich selbst braucht und er es meistens eher noch zu wenig findet. Deshalb treten solche Phänomene wie Beigebrauch auf. Wieso bekommen das dann die Kinder? Das ist eine Sache, bei der ich einfach sagen muss, das weiß ich zurzeit noch nicht. Deshalb finde ich es natürlich genauso unheimlich und erschreckend und sage, da muss man nachfassen, da muss man einfach Licht in dieses Dunkel bringen, was dort passiert ist.
Mich macht es auch stutzig, ich glaube, es war vorgestern, als ich im „Weser-Kurier“ die Niedersachsenseite gelesen habe, wo die Niedersachsen für sich erklärt haben – ich glaube, Niedersachsen hat ungefähr eine doppelt so hohe Zahl an Substituierten –, dass es die Probleme, die jetzt hier in Bremen aufgetreten wären, in Niedersachsen nicht geben würde. Sie hätten auch schon Haarproben genommen, aber sie hätten solche Phänomene nicht gefunden. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich muss es ja erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass es auch diese Stellungnahme dazu gibt. Auch das schreit meiner Meinung geradezu danach, dass man das wirklich noch einmal genau untersucht.
In diesen genauen Untersuchungen – lassen Sie mich das auch in aller Deutlichkeit sagen – liegt irgendwie der Hase im Pfeffer. Ich kann es nicht verstehen, und ich billige es auch ausdrücklich nicht. Man kann doch nicht in einem Parlament eine Sondersitzung beantragen – nämlich die Sondersitzung heute Nachmittag, das finde ich völlig richtig, das muss man tun und das auch zeitnah, völlig richtig – und vorher noch Dringlichkeitsanträge einreichen und mit diesen Dringlichkeitsanträgen Maßnahmen beschließen, die eigentlich erst einmal auf dieser Sondersitzung erörtert werden müssen.
Ich fühle mich in vielen Punkten, wie ich es soeben versucht habe darzustellen, und nicht aus irgendwelchem Populismus oder aus irgendwelchem Wahlkampf heraus, nicht in der Lage, bestimmte Sachen zu beurteilen. Als Mitglied der Sozialdepu
tation, finde ich, habe ich als Parlamentarier aber ein Anrecht darauf, informiert zu werden. So etwas macht man in einer Sondersitzung, und dann kann ich nicht verstehen, wie vorher – –. Gut, die SPD und die Grünen haben jetzt nachgezogen, das finde ich auch nicht so prickelnd, aber ich meine, Auslöser dabei ist die CDU gewesen. Sie beantragen eine Sondersitzung und machen vorher schon die Anträge, wo beschlossen werden soll, was am Ende dabei herauskommt. Das finde ich nicht redlich. Entschuldigung, das finde ich nicht redlich, Frau Dr. Mohr-Lüllmann!
Aus dem Grund möchte ich für DIE LINKE hier erklären, dass wir hiermit beantragen werden, dass es hier und heute keine Abstimmung über die beiden Anträge gibt, dass es einen Verweis in die Deputation gibt, um sie dort zu beraten, und dann danach zu beschließen. Ich denke, nur dann sind alle wirklich auf der Höhe der Informationen.
Falls Sie dem nicht folgen würden, was ich sehr schade fände, werden wir uns bei beiden Anträgen enthalten, weil wir zuerst die Sondersitzung haben wollen. Wir brauchen erst mehr Informationen, und dann sind wir gern bereit, auch parteiübergreifend gemeinsam Maßnahmen zu verabreden. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Erlanson, ich kann das gut verstehen. Ich hätte mir das eigentlich auch so herum gewünscht, wie Sie es gerade beschrieben haben. Nun ist es aber so, wie es ist, und ich bin trotzdem dafür, dass wir über die Anträge abstimmen, weil die Anträge jetzt geschrieben worden sind vor dem Hintergrund der Informationen, die uns bis jetzt vorliegen. Das, was in diesen Anträgen beschrieben wird, ist sicher etwas, das wir in Angriff nehmen müssen, und vor dem Hintergrund – es war mir jetzt ein Bedürfnis, Ihnen das jetzt noch einmal zu sagen – bin ich sehr dafür, dass wir diese Anträge heute behandeln. – Danke!
Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben den Kinderschutz in Bremen in den letzten Jahren auf neue Füße gestellt. Das gilt ganz besonders für Kinder von Drogenabhängigen und darüber hinaus von substituierten Eltern. Das heißt für uns, wer harte, illegale Drogen regelmäßig konsumiert, kann nicht verantwortungsvoll für Kinder sorgen. Die Entwicklung der Kinder ist in einer solchen Umgebung gefährdet, Kinder können in solchen Familien nicht verbleiben.
Das heißt auch, wer von einem Arzt substituiert wird und für seine Kinder sorgen möchte, wird engmaschig begleitet und muss Verpflichtungen einhalten, die in einem mit dem Jugendamt abgeschlossenen Kontrakt festgelegt sind. Dieser Kontrakt beinhaltet unter anderem die Entbindung von der Schweigepflicht, das Annehmen von Hilfen und die Bereitschaft zum Annehmen von Hilfen, Verzicht auf Beigebrauch harter Drogen, im Normalfall nachgewiesen durch Urinproben beim substituierenden Arzt, im Zweifelsfall auch durch Haarproben und gegebenenfalls auch durch Haarproben beim Kind.
Ich möchte eines ganz deutlich hervorheben: Mit der Analyse von Haaren auf Drogenrückstände, vor allen Dingen bei den Kindern, gehen wir über das in Deutschland sonst übliche Verfahren weit hinaus. Auch in großen und größeren und auch in von CDUBürgermeistern geführten Städten mit erheblichen Drogenproblemen werden diese Kontrollen zur Sicherung des Kindeswohls meines Wissens bisher nicht angewandt. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf den Artikel aus Hannover vor einem oder zwei Tagen verweisen, der dies auch noch einmal, glaube ich, sehr deutlich gesagt hat. Niedersachsen sagt, dass sie dazu im Grunde nichts wissen, weil die Kommunen das auch nicht melden müssen.
Frau Dr. Mohr-Lüllmann, ich finde es ganz einfach unredlich, wenn Sie versuchen, uns die Ergebnisse dieser Haaranalysen vorzuwerfen. Sie tun regelmäßig so und haben es auch heute hier erneut so formuliert: Wir haben aufgedeckt.
Nein, Sie persönlich haben nicht die Kinder entdeckt und die Tests veranlasst. Das waren die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Sozialzentren,
die genau hingeschaut haben und dann genau das Richtige veranlasst haben. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Ich will es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Unser Jugendhilfesystem ist auch ein von außen anerkanntes Jugendhilfesystem, das unterstützt wird durch Familienhebammen und durch eine Vielzahl von Trägern und Einrichtungen, die dieses System stützen und die in diesem System verantwortungsvoll arbeiten. Den Einzelfall, den Sie genannt haben, werden wir natürlich sofort überprüfen. Sollte sich herausstellen, dass hier nicht korrekt gehandelt worden ist, werden wir dies sofort und entschieden abstellen.
(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Warum hat Frau Dr. Mohr-Lüllmann das nicht schon vor einem Jahr gemeldet? – Abg. Frau D r. M o h r- L ü l l m a n n [CDU]: Habe ich doch! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Dann lehnt man sich doch nicht zurück!)
Wir sind uns alle im Haus einig: Kinder brauchen Eltern, die sich verlässlich um sie kümmern, die sie lieben und beim Aufwachsen verantwortungsvoll begleiten. Das wünschen wir jedem einzelnen Kind. Leider sieht die Realität für manche Kinder anders aus, und nicht nur von Kindern, deren Eltern Drogenprobleme haben, der Alltag dieser Kinder ist leider von Armut, Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung, Alkoholmissbrauch oder durch Auswirkung einer psychischen Erkrankung der Mutter oder des Vaters geprägt. Wenn das Jugendamt von diesen Kinderschicksalen erfährt, lassen wir diese Kinder nicht allein. Wir schicken Familienhelferinnen in die Familien, unterstützen bei der Erziehung, organisieren Paten, vermitteln bei Trennung und nehmen im schlimmsten Fall – das muss man, glaube ich, auch wirklich so sagen – das Kind aus der Familie. Eine heile Welt für die Kinder schaffen wir mit all diesen Maßnahmen aber nicht, auch das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.
Wir haben bei allem, wie gesagt – ich will das hier noch einmal besonders betonen –, einen besonders intensiven Blick auf die Kinder von substituierten Eltern. Als wir vor einigen Wochen vor der Situation standen, dass von 15 Haaranalysen 14 positiv auf Drogenrückstände getestet wurden, haben wir sofort entschieden, dass wir der Sache weiter auf den Grund gehen müssen; das umso mehr, als die Experten anderer Städte uns unisono berichteten, dass sie unsere Ergebnisse beziehungsweise ihre Bewertung, also ihre Interpretation, nicht für überzeugend und glaubwürdig hielten.
Deshalb stellten sich folgende Fragen: Erstens, war unsere bisherige Annahme richtig – die übrigens überall in Deutschland bisher geteilt wird –, dass substituierte Eltern im Prinzip für ihre Kinder sorgen können, oder haben wir hier ein Problem aufgedeckt, das viel größer ist, als bisher angenommen wurde und dass wir deshalb die bisherige Grundannahme aufgeben müssen? Zweitens: Gibt es möglicherweise
ein methodisches Problem? Ist die Analysemethodik zuverlässig? Lässt sich aus den Ergebnissen tatsächlich ablesen, dass die Drogen bewusst verabreicht wurden, oder kann es auch andere Erklärungen für diese Befunde geben, nämlich dass diese Drogen in das Kinderhaar durch Körperkontakt gekommen sind?
Zur Klärung dieser Fragen haben wir uns deshalb entschlossen, in einem ersten Schritt werden Haarproben aller Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr von substituierten Eltern sowie von deren Geschwistern untersucht. Wir gehen damit weit über den Kreis derer hinaus, bei denen bereits aufgrund eines entsprechenden Verdachts von den Fallmanagern eine solche Analyse veranlasst worden ist, und im Übrigen nicht nur diese Analyse veranlasst, sondern auch gehandelt worden ist, hier nötigenfalls die Kinder aus den Familien herauszunehmen.
Zweitens haben wir mit der Analyse und Bewertung der Ergebnisse zwei renommierte Institute beauftragt. Die Rechtsmedizin der Universitäten in Hamburg und Berlin werden die Werte messen, und das Berliner Institut, eines der führenden Adressen für Haaranalysen, wird die Ergebnisse interpretieren. Wir wollen wissen – und ich glaube, das ist sehr entscheidend –, ob sich in den Haaren der Kinder Drogen nachweisen lassen, wie diese gegebenenfalls in die Haare gekommen sind, von außen oder durch Körperkontakt, und ob wir es hier mit einer Gesundheitsgefährdung der Kinder zu tun haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Abgeordneter Dr. Buhlert, ich würde dies jetzt auch gern, weil das praktisch in der Reihe zusammengehört, zu Ende vortragen.
Wir erwarten die Testergebnisse und deren Interpretation durch die Institute am Ende des Monats. Von den Ergebnissen und deren Interpretation hängt das weitere Handeln ab. Klar ist, wenn Drogen gegeben worden sind, müssen die Kinder aus den Familien heraus, klar und eindeutig.
Unter Umständen, und das ist hier in verschiedenen Redebeiträgen angeklungen, wird es eine Reihe von Fällen geben, in denen es keine einfachen Antworten gibt. Hier beginnen ein schwieriger komplexer Abwägungsprozess und eine Urteilsfindung in jedem einzelnen Fall, bei der gege
benenfalls genau das, was wir jetzt bei diesen Kindern veranlasst haben, nämlich die Ergebnisse der Haaranalyse, eine wichtige Rolle spielt. Ziel dieses Prozesses muss immer sein und bleiben, das Wohl des Kindes zu sichern und zu schützen. Werden Drogen im Kinderhaar festgestellt und ist die Aufnahme aber nachgewiesenermaßen zum Beispiel über den Schweiß der Mutter erfolgt – auch das sind Dinge, die uns von Medizinern als Möglichkeit so genannt werden, die Voraussetzung ist, dass das Kind in der Familie verlässlich und gut versorgt ist –, so wird eine andere Entscheidung getroffen werden müssen als bei einer aktiven Verabreichung von Drogen. Ich glaube, das ist nachvollziehbar, und das ist klar.
Wichtig ist auch und gerade bei schwierigen Fallkonstellationen, dass wir beachten, dass eine vorschnelle Entscheidung zu einer Inobhutnahme immer selbst auch eine traumatisierende Wirkung auf das Kind haben kann. Nur eine verantwortungsbewusste Entscheidungsfindung, die alles mit einbezieht, auch diese Haaranalyse, kann sicherstellen, dass am Ende das Wohl des Kindes und nichts anderes Ziel unserer Aktivitäten bleibt.
Das, was sich insbesondere in den letzten Tagen auch an Diskussionen an ganz unterschiedlichen Stellen getan hat, möchte ich einmal so bündeln und sagen, es ist gut, dass wir auch im Zusammenhang mit denen, die für die Überwachung zuständig sind, nämlich denen, die den Teil der Substitution in den Arztpraxen vornehmen, dass wir uns mit den Krankenkassen, mit der KV zusammen an den Tisch setzen und die vorhandenen Richtlinien weiterentwickeln, schauen, an welchen Stellen sie neue Justierungen oder andere Maßnahmen erfordern. Das ist verabredet, und das werden wir tun und genauso auch hier noch einmal sehr eng darauf schauen, wie eine noch bessere Vernetzung, Verzahnung aller Akteure, die in diesem Bereich tätig sind, vorangetrieben werden können. Das ist eine Sache, das ist, glaube ich, ganz deutlich geworden, die hier noch einmal auch von uns angegangen wird.
Wir haben es – und das sage ich noch einmal abschließend – hier wirklich mit einer sehr komplizierten Realität zu tun. Da ist kein Platz für Populismus. Ich werde mich nicht dafür hergeben, einfache Antworten auf komplexe Fragen in diesem Bereich zu geben. – Haben Sie herzlichen Dank, und ich bin gern bereit, Herr Abgeordneter Dr. Buhlert, Ihre Frage jetzt zu beantworten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz etwas zu unserem Abstimmungsverhalten sagen. Der CDU-Bürgerschaftsfraktion – ich habe mich gerade umgehört – fällt es nach Ihrem Beitrag, Frau Garling, sehr schwer, Ihrem Antrag zuzustimmen. Dennoch ist es so, dass Sie auch einen Koalitionspartner haben, der sich hier sachlich geäußert hat, zudem haben Sie den Antrag überwiegend von uns abgeschrieben, und daher werden wir diesem auch zustimmen. – Danke!