Protokoll der Sitzung vom 07.04.2011

Kinder und Jugendliche befinden sich in der Schule und im Heim in einem Abhängigkeitsverhältnis. Da kommt man auch nicht so leicht heraus. Sie wissen manchmal gar nicht, an wen sie sich wenden können, und ich glaube, auch das muss man diskutieren, was man eigentlich jungen Menschen oder auch jungen Erwachsenen anbietet. Sie müssen einfach eine Anlaufstelle finden, an die sie sich wenden können und wo sie ein offenes Ohr finden. Sie brauchen jemanden, der ihnen glaubt und der für sie eintritt. Ich glaube, das darf man nicht unterschätzen.

Die Grünen haben sich auch dafür ausgesprochen – das klang auch in der Fragestunde ein wenig durch –, dass weitere Maßnahmen folgen müssen, nämlich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und im Bereich des Sports. Der Bremer Sport hat einen Ehrenkodex verabschiedet. In Bremerhaven, so haben wir gehört, ist dieser Ehrenkodex schon verbindlich. Das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis wird in Bremerhaven schon verlangt. Ich finde, dass muss auch in der Stadt Bremen so sein, und es muss auch bei Kinder- und Jugendfahrten so sein, und da sind auch die Träger der bremischen Kinder- und Jugendhilfe gefordert, diese erweiterten polizeilichen Führungszeugnisse einzufordern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Diskussion wird man auch, so denke ich, noch einmal im Bereich der Schulen führen müs

sen. Die GEW hat auf Bundesebene dazu durchaus eine ablehnende Haltung, aber ich glaube, in diese Diskussion muss man einfach eintreten, denn wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, da muss aus meiner Sicht einwandfrei belegt sein, dass diese erwachsenen Menschen sich nichts zuschulden kommen lassen haben. Das ist man den Kindern und Jugendlichen auch aus der Sorgfaltspflicht schuldig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir hatten dem Senat den Auftrag gegeben, auf Bundesebene eine Bundesratsinitiative voranzutreiben. Heute liegt uns der Bericht vor. Wir nehmen das jetzt erst einmal als Zwischenstand hin. Ich bin aber auch wie meine Vorredner der Auffassung, dass wir dieses Thema weiter vorantreiben müssen, dass weitere Schritte folgen müssen. Dazu gehört auch, dass wir uns nochmals das Bremer Hilfenetz genau anschauen, manches auf den Prüfstand stellen und auch Angebote absichern, aber ich finde auch, dass man kritisch hinschauen muss, ob man manche Angebote nicht vielleicht besser sichtbar macht. Kaum einer, mit dem ich gesprochen habe, weiß, an wen man sich wenden muss. Ich bin mehrfach von Personen angesprochen worden, dass sie bestimmte Adressen im Internet gesucht und nicht gefunden haben. Ich glaube, auch an dieser Stelle kann man noch einiges verbessern.

Ich möchte damit schließen, bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weitere Debatte. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema sexueller Missbrauch von Kindern, die stark traumatisiert möglicherweise im Erwachsenenalter sich dann wieder daran erinnern oder durch psychotherapeutische Behandlung darauf gebracht werden, was in ihrer Kindheit stattgefunden hat, ist ein Thema, das in der letzten Zeit in den Medien und in der Öffentlichkeit stark diskutiert worden ist und das nicht ernst genug genommen werden kann. Ich glaube, da sind sich hier alle Fraktionen in diesem Haus einig.

Ich bin auch der Meinung, dass die Verjährungsfristen, sowohl die auf der strafrechtlichen Ebene als auch auf der zivilrechtlichen Ebene, auf jeden Fall verlängert werden müssen, denn durch Traumatisierung und andere Gegebenheiten sind die Menschen häufig tatsächlich erst sehr viel später in der Lage, die Taten aufzuarbeiten und dann auch den Mut zu fassen, diese Taten anzuzeigen. Ich weiß, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wovon ich spreche, weil ich diese Sachverhalte als Kriminalbeamter selbst mehrere Jahre bearbeitet habe und Kontakt zu den Opfern hatte, Herr Tschöpe. – Herr Tschöpe?

(Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Ich habe leider nicht zugehört!)

Ich hatte das Gefühl, Sie sind nicht so sehr daran interessiert, was hier stattfindet. Darauf wollte ich doch einmal aufmerksam machen, denn wir unterhalten uns hier über den sexuellen Missbrauch von Kindern und wie man in Zukunft damit umgehen kann.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Unser Fraktions- vorsitzender ist wenigstens anwesend, Herrn Röwekamp scheint das nicht zu interessieren!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir hier vor einigen Monaten einen Antrag in der Bürgerschaft hatten – und Sie haben es soeben zu Recht angesprochen, Frau Stahmann, und Frau Peters-Rehwinkel hat es auch angesprochen –, die Opferrechte zu stärken, indem wir hier einen Opferschutzbeauftragten im öffentlichen Dienst einrichten. Das ist leider von Rot-Grün abgelehnt worden, obwohl Sie heute beide, Frau Peters-Rehwinkel, und auch Sie, Frau Stahmann, deutlich gemacht haben, für wie wichtig Sie diesen halten. Ich halte ihn nach wie vor für sehr wichtig, und wir sollten tatsächlich, wenn es in dieser Legislaturperiode nicht mehr klappt, in der nächsten Legislaturperiode ein solches Thema wieder aufgreifen. Deswegen, Herr Tschöpe, weil Sie ja sicherlich dabei sein werden –

(Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Sie auch, Herr Hinners?)

das werden wir sehen! –, habe ich sehr großes Interesse daran, dass dieses Thema auch in Zukunft hier präsent ist. Das, was jetzt am runden Tisch in der Bundesregierung diskutiert wird, nämlich die Anhebung auf 20 Jahre Verjährungsfrist nach strafrechtlich relevanten Delikten und 30 Jahre nach zivilrechtlich relevanten Delikten, muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein, denn wenn man sich vorstellt, ein sechsjähriges Kind wird sexuell missbraucht

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Zwei- jähriges!)

oder auch ein zweijähriges Kind, dann ist das nach dieser Rechtslage, nach dieser Verjährungsfrist, nach 22 Jahren verjährt, und das kann eigentlich nicht angehen.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Beginnt erst mit 18!)

Nein, in dem Zusammenhang, wenn es eine Vergewaltigung ist, eben nicht, Herr Frehe! Das ist genau der Unterschied! Die Verjährungsfrist beginnt bei sexuellem Missbrauch von Kindern mit 18 und läuft dann 10 Jahre, bei der sexuellen Vergewaltigung beginnt sie sofort und läuft 20 Jahre, also nicht erst mit dem 18. Lebensjahr. Das ist der Unterschied. Das soll ja nach dem Vorschlag, der aus der SPD gekommen ist, auf 20 Jahre insgesamt verändert werden, aber ich würde es dann begrüßen, dass wir an der Stelle tatsächlich erst mit dem 18. Lebensjahr beginnen, dann wären sie nämlich 38. Das würde Sinn machen, da ist aber der runde Tisch abzuwarten, welches Ergebnis von dort kommt. Sie wissen aber aus der Mitteilung des Senats, dass dazu weitere Probleme zu erwarten sein werden wegen der Kompatibilität mit anderen Rechtsnormen. Deshalb ist diese Problematik offensichtlich nicht so einfach zu lösen, wie es wünschenswert wäre. Gleichwohl denke ich – und Sie haben darauf hingewiesen, Frau Stahmann –, wir haben ja im Mai, ich hoffe es zumindest, noch einmal einen Tagesordnungspunkt, bei dem es ebenfalls um den sexuellen Missbrauch von Kindern geht und wie wir die Prävention an der Stelle deutlich verbessern können. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Koalition sich dann auf diesen Antrag positiv einstellen könnte. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will mich hier in meinem Beitrag nicht auf Jahresfristen festlegen. Ich denke aber, was relativ klar ist: Es muss eine Erhöhung der strafrechtlichen und auch der zivilrechtlichen Verjährungsfristen geben. Herr Hinners hat soeben durchaus Probleme dabei dargestellt, wenn man einfach 20 Jahre und 30 Jahre sagt. Da muss man sicherlich noch einmal genauer hinschauen, aber ich denke, das ist auch Aufgabe des runden Tisches. Da bin ich auch der Meinung, das, was jetzt vom Senat als Bericht vorgelegt worden ist, ist nur der Anfang, da muss man weiter schauen, und da muss man weiter daran bleiben. Das ist sicherlich eine Aufgabe zumindest auch der nächsten Legislaturperiode. Auch wir sehen es so, natürlich muss oder sollte der Opferschutz noch größeres Gewicht bekommen, aber ich sage einmal, es geht nicht nur um Opferschutz, sondern es geht auch um Täterverantwortung. Auch darüber muss man sicherlich nachdenken, wie man vielleicht auch andere Formen der Täterverantwortung, also außerstrafrechtliche Entschädigungen, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ansetzt, und da, glaube ich, ist noch einmal ein Blick auch auf die Art von Hilfsangeboten, von Vernetzungen oder Programmen zu werfen, die wir dabei haben, ob sie nicht irgendwie noch zu verbessern sind. Alles das sind aber natürlich nur erste Schritte, und wir nehmen daher als LINKE jetzt auch nur einfach den Bericht zur Kenntnis und sagen, der Weg muss noch weitergehen, und wir hoffen, dass wir in der nächsten Legislaturperiode vielleicht zu klaren Ergebnissen kommen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Prof. Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat unterstützt jeden Vorschlag, die Opferrechte bei Kindesmissbrauch im Verfahren zu stärken, das ist ganz deutlich. Wir sind jetzt nicht weiter tätig geworden, da wir einen Gesetzentwurf der SPD im Bundestag haben, der auf eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf 20 Jahre setzt. Das heißt, im einfachen Fall des Kindesmissbrauchs wird dann von 18 plus 10 Jahre noch einmal um zehn Jahre verlängert, auf 38 Jahre. Bei schwerem Kindesmissbrauch liegt diese Frist bereits beim 38. Lebensjahr. Das unterstützen wir ganz deutlich.

Ich möchte auf Herrn Dr. Möllenstädt Bezug nehmen! Sie sagen, was die SPD in den Bundestag eingebracht hat, ist mir zu wenig, so habe ich es mir aufgeschrieben. Das, was die Bundesregierung bisher in diesem Punkt gebracht hat, das ist noch viel weniger,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

das ist nämlich im Moment eigentlich noch gar nichts. Die Bundesregierung hat das eingelöst, was wir hier auch schon verlangt und im Bundestag auch gefordert haben, nämlich dass die zivilrechtlichen Verjährungsfristen von drei auf 30 Jahre verlängert werden. Das war überfällig! Wir brauchen aber den verstärkten Schutz im strafgerichtlichen Verfahren, das ist ganz deutlich, und ich denke, die Verlängerung um 20 Jahre ist auch angemessen. Wenn man das völlig entfristet, hat man auch ein Problem, dann nimmt man nämlich irgendwann Zeugenaussagen nach Jahrzehnten auf, und es wird immer schwieriger, im Strafprozess noch die Wirklichkeit herauszufinden. Also, 20 Jahre, denke ich, das ist ein angemessener Vorschlag.

Herr Hinners, Sie haben dem im Grunde zugestimmt. Das zeigt, dass wir hier eigentlich den Gesetzentwurf haben, der eine vernünftige Lösung ansteuert. Wir haben ein systematisches Problem im Strafgesetzbuch, weil man normalerweise die

Verjährungsfristen an das Strafmaß koppelt. Ob man das jetzt hier entkoppelt, das muss noch diskutiert werden. Ich denke aber, der Gesetzentwurf der SPD ist ein vernünftiger Vorschlag und sieht auch eine vernünftige Frist vor.

Ich möchte noch einen Satz zur Frage der Opferentschädigung sagen! Unbefriedigend ist die Regelung im Opferentschädigungsgesetz, die muss auch verbessert werden. Da ist der runde Tisch daran, eine Fonds-Lösung aufzulegen. Bereits für die Heimerziehungskinder ist vorgesehen, einen Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro zu schaffen, und Entsprechendes muss auch für den Fall des Kindesmissbrauchs vorgesehen werden. Es kann nicht sein, dass der Staat die gesamten Kosten übernimmt. Wir haben hier geschlossene Einrichtungen, das sind zum Teil Privatschulen, das sind zum Teil kirchliche Einrichtungen, und ich finde, es ist ganz klar, dass diese privaten Einrichtungen, in deren Rahmen Kindesmissbrauch stattgefunden hat, auch zu einer Finanzierung der Entschädigung mit herangezogen werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist ein ganz zentraler Punkt, und das muss eindeutig geregelt werden.

Der Senat setzt deutlich auf eine Verlängerung der Verjährungsfristen, und er setzt auf eine Verbesserung der Opferentschädigung, aber die Einrichtungen, die auch Kindesmissbrauch in ihren Reihen gehabt haben, sollen deutlich bei der Finanzierung der Opferentschädigung beigezogen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 17/1599, Kenntnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt alle Tagesordnungspunkte ohne Debatte auf.

Wahl von Vertrauensleuten für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richter und Richterinnen am Finanzgericht

Mitteilung des Senats vom 22. Februar 2011 (Drucksache 17/1669)

Die Wahlvorschläge liegen Ihnen schriftlich vor.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Wahl.

Wer entsprechend den Wahlvorschlägen wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!