Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Wer das Gesetz zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

Nun lasse ich über das Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielrechts in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Neuregelung des Glücksspielrechts in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

Friedliche Forschung und Lehre gibt es nur mit Kontrolle und gesetzlicher Zivilklausel!

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 30. Mai 2012 (Drucksache 18/431)

Wir verbinden hiermit:

Forschung an bremischen Hochschulen ausschließlich zu zivilen Zwecken

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 6. Juni 2012 (Drucksache 18/452)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in diesem Jahr zum dritten Mal das Thema Rüstungs- und Forschungsaufträge an der Universität beziehungsweise an der Hochschule und über die Notwendigkeit der Verankerung einer Zivilklausel im Hochschulgesetz. Ich hoffe, dass diese Diskussion heute etwas sachlicher geführt wird als die, die wir im März schon einmal geführt haben, als wir den Antrag gestellt hatten, die Zivilklausel im Hochschulgesetz zu verankern und ein entsprechendes Kontrollorgan einzurichten.

Wir haben damals gesagt, dass wir es für notwendig halten, weil wir in der Vergangenheit gerade an der Hochschule, die keine selbstverpflichtende Zivilklausel hat, immer wieder das Problem hatten, dass es zu Forschungsaufträgen unter Beteiligung von OHB oder Rheinmetall Defence Electronics kam, bei denen nicht nur der Dual-Use-Charakter gegeben war, sondern in mehreren Fällen auch ganz klar Forschung betrieben wurde, die überhaupt keinen zivilen Charakter hatte und nicht in ein ziviles Projekt mündete. Deswegen haben wir gesagt, eine selbstverpflichtende Zivilklausel, die sich die Hochschule nicht gegeben hat, muss man im Gesetz verankern, und wir brauchen ein Kontrollorgan. Leider ist dieser Antrag im März abgelehnt worden.

Mittlerweile ist dank der Recherche von Frau Zeigler von Radio Bremen herausgekommen, dass auch die Universität, die diese selbstverpflichtende Zivilklausel hat, Forschungsaufträge hatte, die vom Bundesverteidigungsministerium in Auftrag gegeben wurden. Das hat die Diskussion neu entfacht. Deshalb haben wir uns entschlossen, diesen Antrag umformuliert erneut einzubringen. Da Sie uns das letzte Mal nicht zugestimmt haben, haben wir jetzt formuliert, die Bürgerschaft möge beschließen, den Senat aufzufordern, die Zivilklausel im Hochschulgesetz zu verankern und ein entsprechendes Kontrollorgan einzurichten. Die Ziffer 1 unseres Antrags enthält die Bitte an den Senat, dass er im Hinblick auf die Vorfälle an der Universität für Aufklärung sorgen möge.

Das Bundesverteidigungsministerium ließ an der Universität jahrelang eine komplexe Funktechnik erforschen, die explizit für Kriegseinsätze gedacht war. Ich zitiere: „Das Projekt soll die komplexen Datenströme von bemannten und unbemannten Flugkörpern zu Bodenstationen fehlerfrei übermitteln.“ Das habe ich in einem OHB-Prospekt auf der dazugehörenden Seite gefunden. Es enthält Abbildungen, die deutlich zeigen, was dieser Satz bedeuten soll. Abgebildet sind ein Eurofighter-Kampfjet – denn OHB hat diesen Auftrag nicht nur für das Bundesverteidigungsministerium, sondern auch für EADS durchgeführt, EADS baut diese Kampfjets –, ein Marsch––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

flugkörper, eine Panzerhaubitze 2000, die international in der Kritik steht, weil damit auch Streumunition verschossen werden kann, und ein Kriegsschiff der Fregattenklasse, wie es auf der Nordbremer Lürssen-Werft gebaut wird.

Ich habe mir einmal erlaubt, den Prospekt mitzubringen. Das ist die Seite, aus der ich es herauskopiert habe, sie stammt aus dem Jahr 2007, also ein Jahr nach dem offiziellen Beginn des Rüstungsforschungsprojekts an der Universität, von dem Radio Bremen berichtete.

Ein Jahr danach war zumindest für OHB vollkommen klar, für wen diese angebliche Grundlagenforschung durchgeführt wird. Dieses Projekt war von Anfang an rein militärisch ausgelegt, nämlich für den Eurofighter und andere Kampfjets, für Panzerhaubitzen und Kriegsschiffe. Es wurde aus Kreisen der Universität behauptet, es könne auch für Funk zwischen schnell fahrenden ICE eingesetzt werden. Ich stelle hier einmal nüchtern fest, OHB hatte andere Pläne, denn es befindet sich kein ICE auf dieser Prospektseite. Wenn Sie noch einmal selbst nachschauen wollen, finden Sie den OHB-Prospekt, aus dem ich es kopiert habe, auf der Seite www.uni-bremen.de, und das sagt eigentlich alles!

Die Fuchs-Gruppe, also OHB, war im Jahr 2007 Ausrichter des sogenannten Cheffrühstücks, eine Veranstaltung, auf der sich Wissenschaft und Technologiepark treffen. Die Veranstaltung richten die hier ansässigen Firmen abwechselnd aus. OHB war im Jahr 2007 an der Reihe und stellte das Projekt BüLAND – beziehungsweise auf Englisch ARDS –, über das jetzt alle ganz schockiert sind, vor. Es wurde auch das Bild mit den Panzern, Kampfjets und Kriegsschiffen gezeigt. Der Rektor der Universität, Herr Professor Dr. Müller, war anwesend. Er hätte wissen können, was OHB dort erforscht. Zwei Jahre, nachdem Herr Professor Dr. Müller die Fotos der Panzer und Kampfjets dort gesehen hatte, hat er dem Ehepaar Fuchs die Ehrenbürgerschaft der Universität verliehen, geknüpft wurde dies mehr oder weniger offensichtlich an die Stiftungsprofessur des OHBKonzerns.

Nachdem Radio Bremen dieses Projekt in die Öffentlichkeit gebracht hat, hat sich auch die Diskussion in Ihren Reihen verändert. Vor drei Monaten wurde mir noch unterstellt, ich wollte den Standort schlechtreden, und mir wurde vorgeworfen, ich würde der Universität und der Hochschule mit einem überzogenen Misstrauen begegnen. Dass wir heute ein wenig sachlicher darüber diskutieren, ist bei aller Bescheidenheit ein Erfolg der Friedensbewegung und auch unserer Fraktion.

Wir haben schon Anfang des Jahres auf das Kriegswaffenprojekt von Rheinmetall aufmerksam gemacht, das an der Hochschule durchgeführt wird. Damals ging es um ein sogenanntes ziviles Projekt für Drohnen, also unbemannte zivile Flugkörper. Rheinme

tall – das konnten wir auch damals schon sagen – baut keine zivilen Drohnen, und das konnte der Senat im Übrigen auch nicht nachweisen. Vor drei Wochen wurde auf der Jahreshauptversammlung dieses Konzerns vor Hunderten von Zuhörern offen bestätigt, dass nie an zivile Drohnen gedacht war. Der Bremer Senat hat damals das Gegenteil behauptet, und auch dort lag er falsch. DIE LINKE hat nun eine weitere Kleine Anfrage zur Hochschule eingereicht, weil dort auch OHB und Rheinmetall Defence Electronics forschen. An der Hochschule gab es auf dem Lehrplan ein Seminar, in dem „Drohnen mit militärischem Nutzen“ entwickelt werden sollten, und an diesem Projekt wurden auch Studierende beteiligt.

(Glocke)

Trotzdem verlief die Diskussion bislang immer so, dass öffentlich behauptet wurde, es gäbe keine Rüstungsforschung an den öffentlichen Hochschulen in Bremen. Wir haben dagegen darauf bestanden, eine gesetzliche Regelung gegen Rüstungsforschung zu schaffen, nämlich eine Verankerung der Zivilklausel und ein effektives Verbot dieser Forschung. – Vielen Dank! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt zwei aktuelle Entwicklungen, warum wir als Koalition diesen Antrag hier heute gestellt haben. Der eine Anlass ist natürlich das Bekanntwerden der Rüstungsprojekte an der Bremer Universität, und der andere Anlass ist aus unserer Sicht, dass die Hochschule Bremen und auch die Hochschule Bremerhaven immer noch nicht ihrem Versprechen, das uns gegeben worden ist, eine Zivilklausel selbstverpflichtend einzuführen, nachgekommen sind. Das sind also zwei Gründe, aus denen es sich lohnt, heute hierüber und auch über unseren Antrag zu sprechen. Ich möchte dann noch begründen, warum wir den Antrag der LINKEN dennoch ablehnen werden. Zum einen hat Herr Professor Dr. Müller zugesagt, dass er prüfen möchte, welche Projekte in dem vergangenen Zeitraum an der Universität Bremen durchgeführt worden sind. Ich finde das gut und richtig. Ich finde es auch gut, dass er die Öffentlichkeit informiert hat und jetzt am Mittwoch in den Wissenschaftsausschuss kommen wird, um dort über den aktuellen Stand und die aktuellen Erkenntnisse zu berichten. Insofern, glaube ich, dass der erste Punkt in Ihrem Antrag obsolet ist, weil wir das volle Vertrauen in die Universität haben, dass sie sich selbst reguliert, einen Fehler erkennt und unter Umständen das Controlling verbessert. Wir möchten dem Rektor gern die Gelegenheit geben, das Ganze im

Ausschuss zu besprechen und uns vorstellen zu lassen. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum anderen ist die Frage, und da wird es dann schwierig: Was kann eine Zivilklausel überhaupt erreichen, oder aus welchem Grund wollen wir sie installieren? Aus unserer sozialdemokratischen Sicht soll die Zivilklausel eine Möglichkeit zum Diskurs geben. Wir sind der Auffassung, dass eine Festschreibung einer Zivilklausel im Hochschulgesetz dazu führen kann, dass der Diskurs, die Diskussion an der Universität oder an den Hochschulen ernsthafter und mit einer anderen Basis geführt werden kann. Wenn ich als Wissenschaftler in einer Situation bin, in der ich ein Forschungsvorhaben habe, aus dem unter Umständen militärsicher Nutzen entstehen kann, habe ich mit einer gesetzlichen Regelung unter Umständen eine andere Basis gegenüber meinen Mittelgebern oder der Universität zu argumentieren, warum ich dieses Projekt ablehnen möchte. Das ist eine Sache, die wir als Gesetzgeber leisten können. Gleichwohl können wir den Hochschulen und der Universität nicht vorschreiben, was sie genau zu tun und zu lassen haben. Da sind wir sehr stringent und sagen, die Wissenschaftsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Wir wollen gern die Diskursmöglichkeit über eine Zivilklausel gesetzlich prüfen lassen, aber wir wollen auch die Wissenschaftsfreiheit gewährleistet wissen. Wir sind hier voll an der Seite unseres Koalitionspartners, der ebenso wie wir das Ganze prüfen möchte. Im Dialog mit den Beteiligten werden wir vernünftig schauen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, gegebenenfalls solch eine Zivilklausel einzuführen. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir eine Zivilklausel jetzt als Schnellschuss beschließen. Ich würde das manchmal sehr gern machen, weil ich im parlamentarischen System etwas ungeduldig werde, aber es ist ja vernünftig, dass es solche Schleifen gibt, einmal vernünftig zu prüfen, ob es möglich ist, wie es möglich ist, um dann zu bewerten, wie wir es machen wollen. Wenn wir jetzt einen Schnellschuss machen, haben wir im schlimmsten Fall die Situation, dass dagegen geklagt und dann jedes Projekt nicht mehr durchgeführt werden kann. Ich möchte einmal eine Analogie zu den Affenversuchen aufzeigen, bei der die Verwaltung zum Beispiel entscheiden muss, ob ein Tierversuch rechtlich in Ordnung ist oder nicht. Wir haben immer eine Klagesituation, und in die Situation wollen wir nicht. Wir wollen, dass sich die Hochschulen und die Universität der Diskussion jeweils mit jedem einzelnen Projekt stellen müssen, und wir wollen auch, dass sie es ernst nehmen. Deshalb soll geprüft werden, ob eine rechtliche Regelung an der Stelle möglich ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn eine solche rechtliche Regelung möglich ist, dann können Sie sich auch sicher sein, dass die SPD initiativ wird und an der Stelle dann auch beschließen wird, diese in das Hochschulgesetz aufzunehmen. Das Ganze ist, glaube ich, auch nicht ganz irreal, denn zumindest das uns umgebende Bundesland hat es lange Jahre im Hochschulgesetz gehabt. Sollte der Senat also prüfen und zu dem Ergebnis kommen, dass eine Zivilklausel möglich ist, dann werden wir Sie gern wieder von uns aus mit einem neuen Antrag begrüßen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Situation, die wir in diesem Hause oder auch sonst im politischen Raum des Öfteren haben, dass sich nämlich die drei Fraktionen zur Linken im Grundsatz und meines Erachtens auch vollkommen zu Recht einig sind, dass eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Hochschule, die die Lehre und Ausbildung von Studierenden und Forschung im Land Bremen betreibt, keine militärische Forschung betreiben darf.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das ist der Konsens, und das gerät manchmal, wenn man über den Weg dorthin streitet, etwas in Vergessenheit. Ich finde aber diesen Konsens sehr wichtig. Ich glaube, dass mehrere Gründe, die nicht nur moralisch sind, dagegen sprechen, an einer Hochschule des Landes Bremens für militärische Zwecke zu forschen oder diese Projekte zu betreiben. Ein Grund ist zum Beispiel, dass es für mit öffentlichen Mitteln geförderte Hochschulen und Universitäten zwingend erforderlich ist, dass die Forschungsergebnisse öffentlich, und zwar vollständig und rückhaltlos öffentlich, gemacht werden. Das schließt einen ganz großen Teil der militärischen Forschung aus, aber genauso muss es an den Hochschulen des Landes bleiben, die Ergebnisse müssen öffentlich sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist aber auch ansonsten im Bereich der Forschung und Lehre wichtig, dass wir uns mit unseren Forschungsprojekten dem Ziel einer friedlichen Entwicklung der Menschheit widmen und uns nicht an einer militärischen Forschung beteiligen. Jetzt gibt es die Frage, wie wir dieses gemeinsame Ziel bestmöglich erreichen. Wir haben einen Weg, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

und dieser Weg hat mit Sicherheit in den letzten ein bis zwei Wochen – da kann ich Ihre Rede nachvollziehen, Frau Vogt – etliche Kratzer bekommen, wir haben nämlich den Weg der akademischen Selbstverpflichtung. Ich finde, es ist eigentlich ein sehr guter Weg, weil es ein unheimlich hohes Gut ist, wenn sich die gesamte Institution – Universität oder Hochschule, Lehrende, Studierende, Mittelbau, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – gemeinsam ausdrücklich dazu bekennt, hier an dieser Hochschule und an dieser Universität nur für zivile Zwecke leben und arbeiten zu wollen.

Das ist ein sehr hoher Grad, nicht nur der moralischen Kontrolle und der Verbindlichkeit, sondern auch der Aussage, wie wir – in diesem Fall die Gremien der Hochschulen – diese Hochschule gestalten wollen. Deswegen würde ich davor warnen, immer die Selbstverpflichtung kleinzureden. Die Selbstverpflichtung ist in den Achtzigerjahren und heute bei ihrer Erneuerung, wie ich finde, ein sehr hohes Gut gewesen, auf das man auch in diesem politischen Kontext der Debatten der letzten Tage nichts kommen lassen sollte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich gehe davon aus, dazu habe ich auch allen Grund, und das sage ich an dieser Stelle ganz bewusst, dass alle anderen Hochschulen im Land Bremen einen Weg eingeschlagen haben, und ich wünsche mir sehr – Sie haben es angesprochen, Herr Tsartilidis –, dass sie den in einem überschaubaren Zeitraum auch zu Ende gehen. Da ist meine Geduld einige Wochen oder vielleicht Monate größer als Ihre, aber das tut gar nicht so viel zur Sache. Ich gehe davon aus, dass auch alle anderen Hochschulen sich auf einen Weg machen werden, über ihre Gremien eine solche Zivilklausel, wie sie für die Universität besteht, zu verankern.