Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Genauso wie ich Ihr Handeln verstehen kann, kann ich aber auch verstehen, dass die Bundesregierung mit einer Öffnung der Integrationskurse zumindest für Asylsuchende Probleme hat. Das wären große Summen, die ausgegeben werden müssten, obwohl ein Großteil der Asylsuchenden nicht in Deutschland bleiben wird. Die Zulassung der Geduldeten zu den Integrationskursen wird auf Bundesebene auf Initiative der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer debattiert, und es wird nach Lösungen gesucht. Ihrem Antrag entnehme ich, dass Sie die Zulassung zu den Kursen ab dem ersten Tag für alle möchten, damit die Menschen schon nach dem ersten Jahr deutsch können, wenn sie ein Beschäftigungsverhältnis aufnehmen dürfen. Auf Bundesebene setzen sich die Grünen allerdings für eine Zulassung nach einer nicht näher definierten Mindestaufenthaltszeit für Asylsuchende ein.

Leichte Lösungen sind bei diesem komplexen Thema anscheinend nicht in Sicht. Um wenigstens in Bremen den Menschen schnell beim Deutschlernen zu helfen, haben wir unseren Antrag mit der Bitte um Koordinierung und Ausbau von ehrenamtlich erteiltem Deutschunterricht eingebracht. Unsere Senatorin Frau Stahmann wurde erst vor einigen Tagen im „Weser-Kurier“ mit dem Satz zitiert: „Die Politik ist dafür verantwortlich, die Infrastruktur für freiwilliges Engagement zu gewährleisten und diese Arbeit so gut wie möglich zu unterstützen.“

Es gibt bereits Menschen, die sich dankenswerterweise eigenständig engagieren, aber oft genug fehlt ein Ansprechpartner, der gerade bei den ersten Schritten hilft. Ehrenamtliches Engagement braucht Unterstützung und Strukturen, um zum Beispiel Fragen nach Orten und Räumen zu klären. Angebote sollten miteinander abgestimmt sein. Ehrenamtliche brauchen Beratung und manchmal auch Schulung. Es ist ja nicht verboten, Asylsuchenden und Geduldeten auf Landesebene das Deutschlernen zu ermöglichen. Diese Möglichkeit wird aber in Bremen bis auf ganz wenige Ausnahmen bisher nicht wirklich genutzt. Wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden, dann wäre hier doch ein positiver und ganz praktischer Schritt gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Flüchtlingen könnte auf diesem Weg schon weitergeholfen werden. Sie könnten beim Einkaufen hier und dort ein Gespräch führen oder sich auf Ämtern oder im Gespräch mit Lehrern ihrer Kinder verständlich machen. Während auf Bundesebene noch um Lösungen gerungen wird, hätten wir hier schon einmal weitere Möglichkeiten zur Teilhabe geschaffen. Natürlich ist der ehrenamtliche Einsatz oft nicht so perfekt im Ergebnis wie ein zertifiziertes Kursangebot, doch das ist kein Grund, diese Möglichkeit politisch zu ignorieren.

Da wir jedoch eine Teilnahme zumindest für Asylsuchende an den Integrationskursen des Bundes, und das auch noch sozusagen vom ersten Tag an, ablehnen, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich wünsche aber trotzdem allen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch, weil ich jetzt hier vorn quasi die letzte Rednerin bin.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Münch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es freut mich, dass ich hier das letzte Wort habe und am Ende für den Senat die Weihnachtsgrüße und guten Wünsche überbringen kann.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Geschenke!)

Ich möchte gern zunächst sagen, dass der Senat den zur Abstimmung stehenden Antrag, den Sie, Frau Dr. Mohammadzadeh, vorgestellt haben, gern zur Kenntnis nimmt,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

denn der Senat ist der Überzeugung, dass Integrationskurse ein Teil der Willkommenskultur sind, die wir an vielen Stellen einrichten müssen, verbessern müssen, noch viel stärker ausstrahlen müssen. Deshalb hat sich der Senat bereits im März im Rahmen der Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister der Länder für eine Öffnung der Integrationskurse für Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren und Geduldete eingesetzt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dazu wurde ein Beschluss mit einer Zweidrittelmehrheit und der Aufforderung an den Bund gefasst, die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Vor wenigen Tagen ist die Antwort des Bundesministers des Inneren, Friedrich, eingegangen. Ich finde, man muss sich diese Antwort einmal auf der Pupille zergehen lassen.

(Heiterkeit)

Nach der Antwort stünde eine entsprechende Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises dem vorherrschenden Prinzip der bisherigen gesetzlichen Regelung entgegen, nur dauerhaft und rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Migrantinnen und Migranten die Teilnahme zu ermöglichen. Soweit Herr Friedrich, und zwar frei nach dem Motto, was ist, das ist, auch wenn es falsch ist!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Selbst die Tatsache, dass dieser Beschluss auch von vielen CDU-regierten Ländern getragen wurde, hat offensichtlich zu keiner Meinungsänderung geführt, aber meiner Meinung nach impliziert er gerade, dass die notwendigen rechtlichen Veränderungen vorzunehmen sind.

Flüchtlinge und Geduldete im laufenden Asylverfahren können im Augenblick nicht zur Teilnahme an Integrationskursen zugelassen werden. Genauso wissen wir, dass sehr viele von ihnen – und das haben wir gerade eindrucksvoll gehört – in absehbarer Zeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren werden. Damit wird ein Personenkreis, von dem erfahrungsgemäß ein großer Teil später seinen Aufenthaltsstatus hier in diesem Land verfestigen und sein Leben in Deutschland verbringen wird, zum Teil über Jahre von der staatlich bereitgestellten Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Sprache und mehr ausgeschlossen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist widersprüchlich, dass Asylbewerberinnen und -bewerbern sowie Geduldeten unter gewissen Vor

aussetzungen der Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt wird, ihnen aber solche Teilnahmemöglichkeiten nicht offenstehen und sie damit von der für die Berufsausübung zwingend notwendigen Möglichkeit des Erwerbs deutscher Sprachkenntnisse ausgeschlossen werden. Sowohl nach dem SGB III als auch nach dem BAföG und nach dem AFBG kann diese Personengruppe zumindest nach einem Mindestaufenthalt gefördert werden. So haben geduldete Ausländerinnen und Ausländer sogar einen Anspruch auf Ausbildungsförderung, wenn sie sich mindestens vier Jahren ununterbrochen und rechtmäßig, gestattet oder geduldet, im Bundesgebiet aufgehalten haben. Der Integrationskurs ist als Grundangebot wesentliche Voraussetzung für die Orientierung im Alltag und für weiterführende Maßnahmen. Die Kurszulassung für Asylsuchende und Geduldete kann dazu beitragen, die Kommunikation mit Behörden und Ärzten frühzeitig zu erleichtern und den durch Sprachbarrieren vielfach verursachten unnötig hohen Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Deshalb begrüßt der Senat ausdrücklich die Initiative der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, den Senat zu bitten, er möge eine Bundesratsinitiative ergreifen, nach der es Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren und Geduldeten gegebenenfalls nach einer Mindestaufenthaltsdauer ermöglicht wird, an Integrationskursen teilzunehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Antrag der CDU gestatten Sie mir folgende Worte: Ich finde es positiv, dass das Ziel eines frühzeitigen Spracherwerbs offensichtlich geteilt wird. Es kann aber doch nicht sein, dass man der Zielgruppe der Asylsuchenden und Geduldeten ein bestehendes staatliches Angebot vorenthält und gleichzeitig zu ehrenamtlichem Engagement aufruft. Das finde ich absolut widersprüchlich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Für einen qualifizierten Spracherwerb sind auch qualifizierte Fachleute und Sprachkursträger erforderlich. Deren Qualifikation muss sich mindestens am festgelegten Standard der Integrationskursverordnung orientieren. Schon seit Herbst 2011 werden deshalb – und das haben wir schon gehört –, finanziert durch das Sozialressort und in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Bremen, Sprachkurse angeboten und durchgeführt, die ausschließlich für Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Geduldete vorgesehen sind, die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Hinzu kommen ab Dezember 2012 auch Alphabetisierungskurse, mit denen rund 120 Personen erreicht werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Angebote, zum Beispiel das des Lagerhauses Schildstraße, wurden hier bereits erwähnt. Ich denke, eine koordinierende Stelle ist entbehrlich, und wir sollten lieber die Finanzmittel zur Förderung von Sprachkursen direkt verwenden. Insofern halte ich auch dieses Instrument für nicht zielführend.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Ergebnis hält der Senat den Antrag der CDU insgesamt nicht für die Lösung, sondern spricht sich dafür aus, dem Antrag der SPD und von Bündnis 90/ Die Grünen zu folgen, um die Möglichkeit der Teilnahme an Integrationskursen zu schaffen. – Ich wünsche Ihnen allen auch im Namen des Senats frohe Weihnachten!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 18/592 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/689 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Wir haben das Ende unserer heutigen Tagesordnung erreicht. Möchte uns jemand noch frohe Weihnachten wünschen? Dann tue ich es gemeinsam für Sie, meine Damen und Herren!

Vorab lassen Sie mich noch Folgendes anmerken! Zu meiner Linken sitzt Herr Dr. Berger, der uns im Plenardienst begleitet hat und eine hervorragende Arbeit für das Funktionieren dieses Parlaments geleistet hat.

(Beifall)

In der letzten Legislaturperiode haben wir das Abgeordnetengesetz novelliert. Über die Fraktionen hinweg hat große Einigkeit bestanden. Das war hauptsächlich auch sein Werk. Herr Dr. Berger, dafür auch noch einmal an dieser Stelle herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen in Ihrer neuen Verwendung beim Senator für Inneres alles Gute! Das ist eine gute, starke Aufwertung für dieses Ressort.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich bedanke mich für dieses Jahr für eine ausgesprochen anregende und spannende parlamentarische Arbeit, die heute auch noch in die Wahl von Mitgliedern in den Senat mündete. Es hat Spaß gemacht, diese parlamentarische Arbeit mit Ihnen gemeinsam durchzuführen.

Ich bedanke mich und wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr!

Ich schließe die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag).