Die 36. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist eröffnet. Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich zwei Klassen der Schule Waller Ring. Herzlich willkommen!
Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionelle Absprachen getroffen, die Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand von heute 9.00 Uhr entnehmen können. Diesem Umdruck können Sie auch die Eingänge gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung entnehmen, bei denen interfraktionell vereinbart wurde, diese nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich insoweit um den Tagesordnungspunkte 54, Wahl eines Mitglieds des staatlichen Haushalts- und Finanzausschusses, den Tagesordnungspunkt 55, Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Petitionsausschusses, den Tagesordnungspunkt 56, Wahl eines Mitglieds des staatlichen Rechnungsprüfungsausschusses, den Tagesordnungspunkt 57, Wahl eines Mitglieds der staatlichen Deputation für Gesundheit, und den Tagesordnungspunkt 58, Bundespolitische Entscheidungen zugunsten von Mietern und Mieterinnen umsetzen, Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/790. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, ist es mir immer wieder ein Vergnügen, einer Kollegin oder einem Kollegen die herzlichsten Glückwünsche des Hauses zum Geburtstag auszudrücken. Sehr geehrter Herr Rupp, ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem heutigen Geburtstag!
Schön, dass wir ihn gemeinsam mit Ihnen feiern können, und herzlichen Dank für die Einladung heute um 13.45 Uhr. Wir treten in die Tagesordnung ein.
Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern im Land Bremen Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. November 2012 (Drucksache 18/639)
Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/738, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Stahmann, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.
Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute debattieren wir zum wiederholten Male eine Anfrage zum Thema Erziehermangel. Wir mussten eine etwas lieblose und leider auch unzureichende Antwort auf unsere Große Anfrage entgegennehmen, der wir nur unzureichende Antworten auf die in Bremen sehr drängende Frage entnehmen konnten, wie wir dem Erziehermangel, der schon besteht und sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, begegnen wollen. Während der Senat das Problem stets – so auch in dieser Antwort – ein wenig herunterzuspielen versucht, sprechen die Fakten in Bremen eine deutlich andere Sprache.
Vor diesem Erziehermangel wurde genug gewarnt, meine Damen und Herren. Schon im Jahr 2008 hat die CDU in einer Großen Anfrage den Senat gefragt, und dieser hat selbst mitgeteilt, dass er prognostiziert, dass bei einer Ausbauquote von 35 Prozent rund 280 Erzieher fehlen werden. Die Robert-Bosch-Stiftung setzte im Jahr 2010 nach und stellte im Auftrag des Bundesbildungsministeriums in einer bundesweiten Abfrage fest, dass uns bis zum Jahr 2015 voraussichtlich 444 Erzieher fehlen werden. Im Mai 2012 – das ist noch nicht ganz so lange her – sagte das Deutsche Jugendinstitut, dass die Zahlen stimmten und dass sie auch bei einer Quote von 39 Prozent auf ungefähr 400 fehlende Fachkräfte kämen.
Inzwischen plant der Senat mit einer Quote von 42 Prozent. Während zum Beispiel Herr Möhle in der Debatte zur Anfrage der LINKEN zum Thema U3Ausbau noch selbst davon gesprochen hat, dass sich der Fachkräftemangel in dem Bereich „deutlich am Horizont abzeichnet“ – ich habe ihn hiermit wörtlich zitiert –, sehen wir in der Antwort des Senats nur an versteckten Stellen, dass der Senat dies genauso sieht. Sieht man sich die Antwort auf Frage 5 an, stellt man fest, dass der Senat selbst ausführt, es gäbe ein Problem, aber natürlich relativ versteckt in seiner Antwort. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Wenn man sich dann die Antwort auf Frage 9 ansieht, stellt man fest, dass der Senat deutlich sagt, dass die Rezepte, die er bisher stets vorgetragen hat, also dass das über Stundenerhöhungen geregelt wird, nicht ziehen, denn es würden zusätzliche Fachkräfte wegen zusätzlicher Gruppen benötigt. Wenn jemand schon vormittags arbeitet, kann er nicht eine weitere gruppenpädagogische Leitung als Kraft übernehmen, sondern muss an der Stelle um eine zweite Person ergänzt werden. Das zeigt, dass wir es mit einem schwierigen und wichtigen Thema zu tun haben. Verschärft wird das Ganze vor dem Hintergrund, dass uns die Bertelsmann-Stiftung bereits im Jahr 2008 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat. Nach der Bertelsmann-Studie haben 58 Prozent des pädagogischen Personals einen Fachhochschulabschluss, das liegt 14 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Die Beschäftigungsquote des Betreuungspersonals ohne irgendeine Berufsqualifikation liegt bei 6,5 Prozent, dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Dies hat sich auch in den letzten Jahren nicht verbessert, denn obwohl Sie eigentlich beabsichtigen, die Erzieherausbildung zu novellieren und inhaltlich zu verbessern, haben Sie diese eingestellt und dafür aber die Sozialassistentenausbildung, die eine geringere Qualifikation hat, in Bremen implementiert. Es muss mehr Wert auf Bildung und Qualifikation im Kindergarten gelegt werden, meine Damen und Herren!
Während Sie noch antworten, dass die Sozialassistenten nicht als Erstkräfte eingesetzt werden sollen, muss man sich wieder einmal ein bisschen mit der Historie beschäftigen. Dabei stellt man fest, dass Sie im November 2008 eine Richtlinie verabschiedet haben, nach der Rot-Grün einen Personalmix aus 50 Prozent Erziehern, 10 Prozent Sozialpädagogen, die besser qualifiziert sind, 30 Prozent Sozialassistenten und 10 Prozent Kinderpflegern anstrebt. Das ist ein Mix, den es in anderen Kindergärten der Bundesrepublik Deutschland nicht gibt, sondern dort ist der Mix positiver und besser. Wenn man sich das vorstellt und sich gleichzeitig anschaut, wie wir mit der Novellierung der Erzieherausbildung hier im Land Bremen vorankommen, stellen wir fest: Erstens, Sie haben sich im Jahr 2010 auf den Weg gemacht und festgestellt, dass es ein bisschen mehr Geld kosten würde und dass das Curriculum und das Anerkennungsjahr deutlich angepasst werden müssen. Sie hatten vor, die Erzieherausbildung zu verlängern. Das haben Sie dann auch tatsächlich getan. Die Sozialassistentenausbildung haben Sie sozusagen klammheimlich umgesetzt, und die Erzieherausbildung ist von vier auf fünf Jahre verlängert worden.
(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Quatsch, das sind drei Jahre! Zwei Jahre und ein An- erkennungsjahr, Frau Ahrens!)
Die Erzieherausbildung dauert drei Jahre, vorgeschaltet ist normalerweise ein Anerkennungsjahr. Das Anerkennungsjahr als Zugangsvoraussetzung gibt es nicht mehr, dafür haben Sie die Sozialassistentenausbildung vorgeschaltet, die zwei Jahre dauert. Wenn Sie zwei plus drei rechnen – das müsste gerade noch klappen –, dann kommen Sie auf fünf, und dann sind wir im Regelfall bei fünf Jahren für die Ausbildung. Es gibt einige Abiturienten, die das etwas schneller machen können, aber grundsätzlich sind wir, und da können Sie alle Fachleute fragen, inzwischen im Regelbereich bei fünf Jahren.
Der Fachkräftemangel, das kann man hieran deutlich erkennen, lässt sich auch nicht sehr schnell beheben, sondern es dauert, bis der Ausbildungsjahrgang fertig wird. Sie haben selbst aufgrund der Verlängerung der Ausbildung zwei zusätzliche Erzieherklassen eingeführt, die kompensieren sollten, dass die Ausbildung ein Jahr länger dauert und quasi ein Jahrgang fehlt. Diese zusätzlichen Erzieherklassen haben Sie aber, als Sie festgestellt haben, dass Ihnen auch diverse Lehrer fehlen, erst einmal wieder eingestellt. Wir haben das kritisiert, denn wir brauchen diese zusätzlichen Erzieherklassen.
Der Erziehermangel ist auch kein Gespenst, das die Opposition immer einmal so ein bisschen an die Wand malt, sondern er ist tatsächlich Fakt hier im Land Bremen. Seit dem Jahr 2010 haben die Elternvereine Schwierigkeiten, Gruppenleitungen zu finden, gutes, qualifiziertes Personal, das empathisch auf die Kinder eingehen kann und eine gute Ausbildung gemacht hat –
ich komme gleich zum Schluss! –, weil der Senat Elternvereine finanziell wesentlich schlechter ausstattet als andere Träger, die Kinderkrippen anbieten. Deswegen sind sie nicht in der Lage, tarifvertraglich zu zahlen – das haben wir sozusagen als Staat mit verursacht –, und diese Bezahlung unter Tarif sorgt dafür, dass Elternvereine diesen Mangel zuerst zu spüren bekommen haben.
Inzwischen hat es auch die großen Träger erreicht. KiTa Bremen hat im Durchschnitt 20 Stellen, die nicht besetzt werden können, weil der Markt leergefegt ist. Auch in anderen Bereichen sieht es ähnlich aus. Die Kindergärten in Bremen behelfen sich jetzt teilweise schon mit Leiharbeitsfirmen.
Es ist das erste Mal, das gab es in der Vergangenheit nicht, dass über Leiharbeitsfirmen die Besetzung von Erzieherstellen kurzfristig aufgefangen wird. Das
Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Sieht man nach München, stellt man fest, dass dort schon Prämien an Leiharbeitsfirmen gezahlt werden, wenn diese Mitarbeiter dauerhaft vermitteln, und auch ausländische Fachkräfte werden dort angeworben. Sie schließen das im Übrigen hier in der Antwort nicht aus, Sie sagen nur „zurzeit“, das heißt, der weitere Weg ist vorgegeben. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bedarf an qualifizierten Erziehenden in den Kindertageseinrichtungen Bremens und Bremerhavens natürlich sehr. Wir möchten die Kitas ausbauen. Es kommen große Probleme auf uns zu, wenn nicht genauer ermittelt wird, wie viele Erziehende schon heute für morgen in den Einrichtungen fehlen.
Der Senat hat bereits im Jahr 2012 einen zusätzlichen Bedarf bei den Erziehenden festgestellt – das hat auch meine Vorrednerin soeben erwähnt –, daraufhin neue Klassen für die Ausbildung von Erziehenden geschaffen, um sie dann aufgrund finanzieller Engpässe wieder abzuschaffen. Entschuldigen Sie, aber ich komme da gedanklich nicht mehr mit!
Wir haben große strukturelle Probleme in der Kinder- und Jugendpolitik. Es ist nicht nur so, dass bereits jetzt ein Fachkräftemangel absehbar ist, sondern es wird auch nicht vernünftig eingestellt, weder in den Schulen, den Kindertagesbetreuungen noch irgendwo anders. Die Mindestpersonalausstattung, mit der der Senat rechnet, gefährdet insbesondere im U3Bereich das Kindeswohl und ist von der überall geforderten Frühförderung weit entfernt. Sie sparen dort, wo es sich nicht gehört zu sparen.
Merkwürdig ist, dass der Senat auf der einen Seite angibt, dass ausschließlich neues Fachpersonal für neu anstehende Gruppen benötigt wird, auf der anderen Seite gehen aber allein bei KiTa Bremen in den nächsten zwei Jahren 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des pädagogischen Personals aus bereits bestehenden Gruppen in Rente oder scheiden aus sonstigen Gründen aus dem Berufsleben aus.
Des Weiteren werden laut Antwort des Senats bis August 2013 für Bremen und Bremerhaven insgesamt weitere 164 Fachkräfte für neue Gruppen im U3Bereich gebraucht, um den Rechtsanspruch sicher––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zustellen. Rein rechnerisch werden in den nächsten zwei Jahren für eine Mindestpersonalausstattung im U3-Bereich in Bremen und Bremerhaven zusätzlich 299 Erziehende gebraucht. Diese Rechnung berücksichtigt allerdings nicht die zusätzlichen Bedarfe für die Gruppen der Drei- bis Sechsjährigen.
Im Jahr 2008 ging der Senat davon aus, dass bis zum Jahr 2013 zusätzlich 265 Fachkräfte für die Dreibis Sechsjährigen benötigt werden. Insgesamt werden spätestens bis zum Jahr 2015 für diese beiden Betreuungsangebote zusätzlich mindestens 564 Erziehende benötigt. Bis zum Jahr 2015 werden in Bremen circa 558 Erzieherinnen und Erzieher und circa 100 sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten ihre Ausbildung abschließen. Die Zahl der Auszubildenden deckt demnach gerade die Anzahl des benötigten Personals. Der Senat geht hier offenbar von einer Fluktuation aus, die bei null liegt. Das gibt es nirgendwo!
Folgendes wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt: Es ist nicht klar, was die Auszubildenden nach ihrer Ausbildung machen. Unter ihnen sind sehr viele Frauen, die eventuell auch eine eigene Familienplanung nicht ausschließen. Die Berechnungen zu den in Rente gehenden Erziehenden könnten großzügiger mit einbezogen werden, da bereits im Jahr 2008 über 338 der Erziehenden über 55 Jahre alt waren und zudem in diesem Beruf signifikant mehr Personal in den Vorruhestand geht. Da bereits heute über einen Fachkräftemangel gesprochen wird und die Elternvereine aktuell Probleme mit der Personalgewinnung haben, scheinen diese Zahlen äußerst knapp bemessen zu sein.
Wir möchten an dieser Stelle außerdem darauf hinweisen, dass das Problem des Mangels an Erzieherinnen und Erziehern dringend unter weiteren Gesichtspunkten genau analysiert werden sollte. Ein Fachkräftemangel kann auch durch eine hochgradig unbefriedigende Arbeitssituation für die Beschäftigten eines spezifischen beruflichen Bereichs verstärkt werden. Dafür möchte ich Ihnen – veranschaulicht am Beispiel des Berufs des Erziehers beziehungsweise der Erzieherin – folgende Gründe nennen: Erzieher und Erzieherinnen stufen in vielen Umfragen ihren Beruf als sehr anstrengend ein, die geleistete Arbeit erfährt demgegenüber jedoch sehr wenig Anerkennung in der Gesellschaft. Eine geringe Wertschätzung des Berufs wird auch an der unterdurchschnittlichen Bezahlung der Erziehenden deutlich. Sie steht in keinem angemessenen Verhältnis zu der geleisteten Arbeit.
Nach einer repräsentativen Umfrage des DGB sind nur acht Prozent der Erziehenden mit ihren Arbeitsund Einkommensbedingungen zufrieden; 96 Prozent der Erziehenden sind Frauen. Aktuell geht es nur noch um ein Ziel, nämlich den Rechtsanspruch zu schaffen. Um den Rechtsanspruch zu erreichen, herrschen
Es gibt immer mehr jüngere Kinder in Gruppen der Drei- bis Sechsjährigen, und die Gruppengrößen sind teilweise erhöht. Das bedeutet für die Erziehenden bedeutend Mehrarbeit. Die aktuelle Situation darf kein Dauerzustand werden. – Danke sehr!