Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Der Abgeordnete Kottisch hat vorhin seine Rede mit den Worten eingeleitet, dass die Energiewende eine der größten Herausforderungen sei, die wir vor uns haben. Das ist sie, aber ich möchte betonen, es ist auch eine der größten Chancen, die wir haben, und gerade hier in Bremen und Bremerhaven ist das nicht nur eine Chance für die Zukunft, sondern es ist schon seit zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte, auf die die ganze Welt schaut – ich werde nachher noch einmal darauf zurückkommen –, und das wollen wir fortsetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir hier im Land Bremen gehörten vor zehn Jahren zu den Ersten, die die Potenziale der OffshoreWindenergie für eine zukünftige klimafreundliche Stromerzeugung in Deutschland und Europa erkannt haben. Auf Basis der Senatsstrategie aus dem Jahr 2003 haben wir in Bremen und vor allem in Bremerhaven erhebliche Mittel investiert, um eine Infrastruktur zu schaffen, die es den Unternehmen ermöglich

te, sich hier anzusiedeln und von hieraus die Offshore-Windparks in der Nordsee zu bauen. Mehrere Tausend Arbeitsplätze sind entstanden und haben den Niedergang der Werften kompensiert, der zuvor zu beklagen war.

Bremerhaven hat sich einen hervorragenden Ruf in Deutschland zurückerobert, und weltweit gilt Bremerhaven als ein Vorbild bei der Entwicklung zum Standort für Offshore-Windenergieunternehmen. Diese Entwicklung soll weitergehen, das heißt, wir wollen hier in Bremen keine 3 000 Arbeitsplätze verlieren, sondern wir wollen weitere 10 000 Arbeitsplätze im Bereich der Offshore-Windenergie gewinnen. Wir wollen mehr als drei oder vier Windparks von Bremerhaven aus in der Nordsee errichten, wir wollen auch in der Forschung voranschreiten und das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, IWES, weiter gestärkt sehen. Das, meine Damen und Herren, ist die Ausgangslage, und das ist die Perspektive.

Wenn ich heute mit Staunen und Unglauben, aber auch mit Empörung und Verärgerung nach Berlin schaue, das Handeln der Bundesregierung hat nichts mehr mit Verlässlichkeit zu tun, sie gefährdet Arbeitsplätze und schon errichtete Infrastrukturen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn sie so weiter macht, dann bedroht sie vollständig die Entwicklung der Offshore-Windenergienutzung in Deutschland.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Ja, das macht sie dann!)

Was wünscht sich die Industrie von der Politik? Sie wünscht sich Planungssicherheit, Verlässlichkeit und klare Bekenntnisse. Was bekommt die Industrie von der Bundesregierung? Sie bekommt Verunsicherung, Konfusion und Vertrauensverlust.

Im Jahr 2011 hatte der Bund mit der KfW ein Programm zur Finanzierung von Offshore-Windparks aufgelegt und mit fünf Milliarden Euro ausgestattet. Dieses Programm ist gefragt und hat bereits bei einigen Offshore-Windparkprojekten geholfen, das finanzielle Fundament zu gießen.

Ende des Jahres 2012 haben wir es geschafft, Haftungserleichterungen für die Übertragungsnetzbetreiber, die die Offshore-Netze bauen müssen, in das Energiewirtschaftsgesetz zu schreiben. Man kann über die Details streiten, es hat auch eine quälend lange Zeit gedauert, bis wir dies dann schließlich erreicht haben, aber es ist immerhin ein Schritt, um Investoren die Chance zu eröffnen, bei abschätzbaren Risiken zu investieren und damit die dringend notwendigen Netzanbindungen für die Offshore-Windparks vor allem in der Nordsee zu schaffen.

Kurz nach dem Inkrafttreten der Haftungserleichterung hat Mitsubishi verkündet, dass das Unterneh

men fast 600 Millionen Euro in die Hand nimmt, um gemeinsam mit Tennet vier Kabelanbindungen zu realisieren. Das heißt, wenn es gelingt, das Vertrauen in den Markt zurückzugewinnen, dann sind die Investoren und die Unternehmen auch wieder dabei, diese Dinge weiter zu realisieren.

Im Jahr 2013 werden mit dem Bundesbedarfsplangesetz und dem Bundesfachplan Offshore die planungsrechtlichen Instrumente hinzukommen, mit denen sichergestellt werden soll, wann welche Stromleitungen hinzukommen sollen, um den produzierten Strom dann auch in die Verbrauchszentren zu bringen.

Aber jetzt Anfang 2013 ist auf einmal alles völlig anders. Plötzlich gibt es eine Diskussion, die sich nur noch um die Kosten dreht und die Frage, wie der Strompreis stabilisiert werden kann. Für mich völlig unverständlich rückt damit auch die Offshore-Windenergie in die Kritik des Systems des ErneuerbareEnergien-Gesetzes, EEG. Angeblich ist sie jetzt zu teuer, sie ist technisch zu aufwendig, sie würde sich nicht rechnen, und außerdem seien – und das kommt von der Bundesregierung selbst – die Ausbauziele ohnehin nicht erreichbar, also müssten sie reduziert werden. Das ist eine Kakofonie, die dem Umstand geschuldet ist, dass sich das Wort der Bundeskanzlerin von der EEG-Umlage unter fünf Cent nicht hat halten lassen. Das ist die eigentliche Ursache für diese gesamte chaotische Diskussion, die wir führen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieses Herumgerede innerhalb der Bundesregierung, die ständigen Widersprüche zwischen dem, was wir von Bundesminister Altmaier und Bundesminister Rösler hören, tragen nicht zur Planungssicherheit und -verlässlichkeit bei. Klare Bekenntnisse klingen anders. Wer den Vergütungsbeginn für neue Anlagen um fünf Monate in die Zukunft verschieben will, vernichtet die Investitionssicherheit und das Vertrauen in verlässliche politische und gesetzliche Rahmenbedingungen. Wer für Bestandsanlagen die Vergütung nachhaltig kürzen will, so wie Altmaier und Rösler es vorgeschlagen haben, zerstört die finanzielle Grundlage der Betreiber und verändert damit nachträglich die Geschäftsgrundlage unternehmerischen Handelns. So wird jedes Vertrauen in die Verlässlichkeit von Förderzusagen und Rahmenbedingungen nachhaltig zerstört.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wie teuer ist denn jetzt die Offshore-Windenergie? Sie bewegt sich, wenn man den gesamten Zeitraum der nächsten 20 Jahre betrachtet, im Mittelfeld des Förderregimes des EEG. Entgegen verbreiteten Behauptungen liegt die Vergütung im Jahresdurchschnitt

bei unter elf Cent, wenn man den Zeitraum von 20 Jahren betrachtet. Ab dem Jahr 2018 enthält das EEG darüber hinaus eine jährliche Degression. Die Planungsziele sind zu erreichen, wenn man sie aufgrund aktueller Prognosen dennoch zu verfehlen meint, dann sind nicht die Ziele zu hoch angesetzt, sondern das Instrumentarium nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen, und es muss dann angepasst werden.

Der Netzausbau erfordert in Deutschland sowohl an Land als auch auf See erhebliche finanzielle Anstrengungen. Um hier die Entwicklung nicht zu gefährden und dafür zu sorgen, dass der Ausbau der Offshore-Windenergie als ein zentrales Element der Energiewende geordnet vorankommt, erscheinen der Ausbau und der Betrieb der Übertragungsnetze als Teile der allgemeinen Daseinsvorsorge durch eine Bundesnetzgesellschaft vordringlich zu sein. Deshalb unterstützen wir den Antrag und nehmen auch gern den Auftrag mit, der dort formuliert ist.

Wenn die Vergütung so lange ausgesetzt bleiben soll, bis das EEG-Konto ausgeglichen ist, dann wird den Offshore-Projekten die finanzielle Planungsgrundlage restlos entzogen. Bei diesem Modell ist der Vergütungsbeginn auf einen Zeitpunkt in der Zukunft verschoben, den der einzelne Unternehmer zudem überhaupt nicht beeinflussen kann und zu dessen Vorverlagerung er auch nichts beitragen kann. Schwindende Verlässlichkeit verhindert die kontinuierliche Planbarkeit, immerhin haben Offshore-Windparkprojekte eine Vorlaufzeit von bis zu fünf Jahren. Vor diesem Hintergrund klingt es wie Hohn, wenn den Unternehmen der Wertschöpfungskette vorgeworfen wird, ihre Produkte seien zu teuer. Wie soll denn die Lernkurve durchlaufen werden, die zu Kostenreduktionen führt, wenn man keine industriellen Stückzahlen produzieren kann, weil die Politik den Unternehmen ständig Knüppel zwischen die Beine wirft?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir brauchen langfristige Planungssicherheit.

Die ganze Welt schaut auf Bremen und Bremerhaven. Ich hatte die Gelegenheit, im November letzten Jahres als Botschafter der Offshore-Windenergie auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung eine Reise an die Ostküste der USA zu unternehmen. Ich habe dort mit Kongressmitarbeitern, mit Gewerkschaftern, mit Unternehmern, mit verschiedenen Gruppen gesprochen, und die häufigste Reaktion, die ich von ihnen erfahren habe, war ungläubiges Staunen und regelrechter Neid. Sie haben gefragt: Wie haben Sie es geschafft, in Bremerhaven und in Bremen solche Bedingungen zu schaffen, dass alles vorhanden ist, von der Forschung am Fraunhofer-Institut, über die Rotorblattprüfstände, die Produktion der Fundamente und der Türme, der Rotorblätter bis hin zu den ausgewiesenen Gebieten, auf denen man die Windparks

errichten kann, das ist ja immer auch ein Zielkonflikt mit dem Naturschutz?

In Bremerhaven stimmt einfach alles, das ist ein weltweit einzigartiger Standort, und die ganze Welt beobachtet es und nimmt es wahr. Deswegen ist der Bremer Senat fest entschlossen, diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deshalb haben wir uns unter großen Schmerzen, unter großen Mühen entschlossen, die Investition in das Offshore-Terminal Bremerhaven in Höhe von 180 Millionen Euro zu beschließen, trotz der Schwierigkeiten, die uns das in den laufenden Haushaltsverhandlungen bereitet,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Ein Jahr ver- trödelt haben Sie!)

aber wir stehen dazu, wir halten es für richtig.

Ich selbst bin im Moment wöchentlich in Berlin, ich telefoniere täglich mit den Fachministern der Länder, und es ist nicht so, wie es vorhin dargestellt wurde, dass alle Länder unterschiedlicher Auffassung sind. Sie sind in Details unterschiedlicher Auffassung, aber im Grundsatz – das haben wir auf der Fachministerebene geschafft – sind die Länder sich einig. Wir brauchen alle Formen der erneuerbaren Energien, und wir brauchen auch die Offshore-Windenergie. Der baden-württembergische Umwelt- und Energieminister hat öffentlich gesagt, die Offshore-Windenergie ist auch ein Teil der Stromversorgung BadenWürttembergs.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind dabei, den Schulterschluss zwischen den A- und den G-Ländern herzustellen, da gibt es ja teilweise unterschiedliche Auffassungen. Man sieht, wie weit sich die Bundesregierung von der Realität entfernt hat, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass selbst CDU-regierte Länder jetzt versuchen, mit den A- und G-Ländern eine Länderinitiative gegen die Bundesregierung zu schaffen, weil auch die CDULänder völlig unzufrieden damit sind, wie die Bundesregierung dieses Thema managt. Das zeigt, wo wir heute mit dieser Bundesregierung, mit den Bundesministern Altmaier und Rösler stehen.

Wenn die Bundesregierung diesen Kurs weitersteuert, dann gefährdet sie das Projekt Energiewende insgesamt, sie zerstört die Perspektiven der OffshoreWindenergie, und deswegen müssen diese Vorschläge der Minister Altmaier und Rösler gestoppt werden. Ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren, Bremen und der Bremer Senat werden ihren Beitrag dazu leisten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU mit der DrucksachenNummer 18/826, Neufassung der Drucksache 18/758, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Gut, die Debatte sah jetzt nicht so nach Ein- stimmigkeit aus! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 34, Natur in die Kitas – Kinder in die Natur, und den damit verbundenen Tagesordnungspunkt 48, Konzept zur Verbesserung von Naturerfahrung für Kinder und Jugendliche vorlegen, für diese Sitzung auszusetzen.

Kampf gegen Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen aufnehmen

Antrag der Fraktion der CDU vom 15. Januar 2013 (Drucksache 18/725)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Schulte-Sasse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.