Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland, auch in unseren Städten Bremerhaven und Bremen, leiden unter Übergewicht, Fettleibigkeit und den damit verbundenen schwerwiegenden Folgen. Wir als CDU sind der Auffassung, dass man hier regelrecht einen Kampf aufnehmen muss, einen Kampf gegen Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen, um deren oftmals missliche Lebenslage deutlich zu verbessern. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wer sich die Zahlen anschaut, die uns vorliegen, der weiß, es ist keine Kleinigkeit, mit der wir uns hier beschäftigen, sondern es ist ein ganz großes gesellschaftliches Problem mit erheblichen finanziellen Folgen, aber das Schlimmste sind die Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst. Nicht nur, dass man gehänselt wird und dass man Probleme hat mit Bewegungen und später mit Diabetes und vielleicht im hohen Alter mit schnellerer Erblindung der Augen oder auch mit der Amputation der Beine, nein, die Ausgrenzung im Kindes- und Jugendalter ist das Schlimmste, was wir diesen Kindern letztendlich damit antun. Da muss unser gesamtgesellschaftspolitischer Ansatz sein, alles dafür zu tun, dass dies ein Ende hat.

(Beifall bei der CDU)

Unser Antrag sieht vor, dass wir den Senat auffordern – es ist zwischenzeitlich vereinbart worden, dass wir das abgeben an die Gesundheitsdeputation, um dort weiter zu beraten –, dass man sich an dem orientiert, was in Mecklenburg-Vorpommern seit dem Jahr 2009 geschieht. Dort hat die Große Koalition unter Einbeziehung aller relevanten Akteure ein ganz großes Landeskonzept auf den Weg gebracht, hat Ziele gesetzt und hat dies letztendlich auch zur Chefsache erklärt. Diesen Weg muss es hier in Bremen nach Auffassung der CDU ebenfalls geben, der Kampf gegen Fettleibigkeit und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen muss ganz oben auf die Tagesordnung und letztendlich Chefsache dieses Bremer Senats werden.

(Beifall bei der CDU)

Wer es ernst meint mit Kindeswohl und ernst meint mit einem Kampf gegen Ausgrenzung, der kommt an diesem Thema nicht vorbei.

Ich möchte noch daran erinnern, dass wir in einer der letzten Debatten über das Thema seelische Erkrankungen gesprochen haben. Auch da waren wir uns hier im Hause einig, dass etwas geschehen muss, und die neueren Studien und die neueren Erkenntnisse aus der Gesundheitsforschung sagen, man wird nicht nur dick, indem man mehr isst und sich weniger bewegt, sondern auch eine verletzte Seele kann dafür sorgen, dass man an Fettleibigkeit und Übergewicht leidet.

Lassen Sie mich abschließend auch aufgrund persönlicher Erfahrung sagen, warum mir dieses Thema wichtig ist! Das kann man sich kaum vorstellen, aber im zarten Alter von fünf Jahren sollte ich eingeschult werden, da ich ja ein im September geborenes Kind bin, und Rainer Bensch wurde deshalb nicht eingeschult, weil er tatsächlich damals übergewichtig war und fast schon adipös, fettleibig, war. Ich mag es Ihnen nicht erzählen, wie schrecklich damals ein achtwöchiger Kuraufenthalt in Bochum, Entschuldigung, auf Borkum war, auf dieser wunderschönen Nordseeinsel.

(Heiterkeit – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Bochum wäre noch schlimmer gewesen! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Bochum wäre auch ohne Fettleibigkeit schrecklich gewor- den!)

Da gab es keine sozialpädagogische Begleitung, Frau Rosenkötter, da gab es keine Mutter-Kind-Kur, keine Vater-Kind-Kur, all das, was wir heute haben, gab es damals nicht. Sie sehen, ich habe es zwar überlebt, aber das lag damals nicht daran, dass die Begleitung so schön war, sondern es lag daran, dass die Motivation letztendlich vorhanden war. Dabei haben mir damals die Kindergärtnerinnen und die Lehrerinnen vor Ort, aber natürlich auch meine Eltern geholfen.

Meine Damen und Herren, ersparen Sie Kindern und Jugendlichen den schweren Gang hin zu einer, ich sage einmal, kleinen Rehaklinik, es geht auch anders! Es geht mit guten Präventivmaßnahmen, das sieht unser Antrag vor, und wir freuen uns als CDU darauf, in der staatlichen Gesundheitsdeputation hoffentlich mit guten Ergebnissen dieses Thema voranzubringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Rosenkötter.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herzlichen Dank für diesen Antrag und Respekt, Herr Bensch, dies ist zumindest auch in Punkt 3 ja eine richtige Fleißarbeit von Ihnen gewesen, die Sie dort geleistet haben.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: So ist er!)

Gleich vorab: Ja, wir werden den Antrag in die Gesundheitsdeputation überweisen, weil es meiner Meinung nach in der Tat darum geht, hier fachlich und sachlich, aber auch sorgfältig und vor allem ressortübergreifend über dieses Thema zu sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass dies ein Thema ist, das auf der Tagesordnung steht, nicht nur, weil es zurzeit hohe Wellen in Amerika schlägt, wo man über dieses Thema in ganz anderer Art und Weise noch einmal diskutiert, nämlich in Richtung Wirtschaft. In der Tat ist das natürlich immer ein Eingriff, der eine Gratwanderung bedeutet, wenn man hier zwischen Prävention und Eingriff in wirtschaftliche Abläufe etwas macht, aber das nur am Rande und nebenbei.

Das Thema ist auf der Tagesordnung, hat seine Bedeutung, allerdings – und da erlauben Sie mir einen Satz, Herr Bensch – finde ich die Überschrift nicht so

gelungen. Den Kampf aufnehmen, hört sich ein bisschen so an, als sei überhaupt nichts in Bremen und Bremerhaven vorhanden, als halten wir keine Möglichkeiten und Unterstützungen vor.

Wenn ich Ihren Antrag sehe – also unbenommen, mehr geht immer –, so verbrauchen Sie administrativ hohe und erhebliche Ressourcen, die allerdings noch keinen Bauch dünner machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern brauchen wir keine neuen Strukturen und keine neuen Beratungssysteme, sondern wir müssen immer wieder für dieses Thema an geeigneter Stelle sensibilisieren. Wir müssen auf die vorhandenen Angebote hinweisen, und wir müssen vor allem auch ortsteilnah mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben das sehr schön geschildert, gerade diese Kinder brauchen Anerkennung, und es nützt überhaupt nichts, wenn der übergewichtige Peter immer wieder beim Sportunterricht, beim Fußballspielen auf der Bank sitzen bleibt. Auch diese Kinder und vielleicht gerade diese Kinder brauchen Anerkennung. Dick sein und dick werden ist meistens ein schleichender Prozess und ein Teufelskreis zwischen Frust und Essen und Essen und Frust, und den gilt es aufzubrechen. Ursachen, wir wissen es, sind ungünstige Essgewohnheiten, Fehlernährung, fehlende Bewegung, fehlender Sport. Ich glaube, das ist ein sehr großer Teil.

Ich komme wieder zurück auf das Ressortübergreifende! Wir brauchen einfach die Bereiche Sport und Bildung mit dabei. Es ist natürlich auch ein Teil Veranlagung und schwierige Lebensphasen. Wir brauchen hier immer wieder den Hinweis auf, man nennt das in der Fachterminologie, Frau Dr. Kappert-Gonther, Verhaltensprävention, also primär präventive Maßnahmen, Verhaltensprävention, das heißt, wo der Einzelne mit seinen Eltern etwas tun kann. Wir brauchen aber auch Verhältnisprävention, und das ist genau das, was wir in den Kitas, was wir mit dem „Bewegten Kindergarten“, was wir mit gesundem, frischen Essen im Kindergarten machen und was wir zum Beispiel auch in Vereinen mit solchen Angeboten wie „Pfundskinder“ – 1860 Bremen und BTV 1877 – und „Fünf am Tag“ haben, auch das ist etwas, das dazugehört, Bremer Krebsgesellschaft, des Weiteren spezielle Angebote aber auch in unseren Kliniken. Ich weiß, dass es gerade derzeit etwas gibt, das sich im DIAKO entwickelt. Ich denke, an den Stellen gilt es weiterzumachen.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe drei Anregungen an die Gesundheitsdeputation, die sich ja mit diesem Thema befassen wird. Erstens, und da komme ich noch einmal darauf zurück, ressortübergreifend, das heißt Bildung, Schule und Sport, Sportvereine und insbesondere auch die Bremer Sportjugend mit einbeziehen! Zweitens, nicht Weiteres und Neues schaffen, sondern auf das vielfältig Bestehende setzen, dieses in den Stadtteilen sinnvoll miteinander verbinden, dann haben wir sehr viel, und dieses auch klug begleiten! Drittens, das Thema Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung erstmals und neu in den Fokus nehmen!

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß aus eigener Erfahrung aus meiner ehrenamtlichen Arbeit, das ist ein Thema, das bisher so noch nicht behandelt worden ist, und es wäre meine Anregung und mein Wunsch, dass dies einen Platz in den Diskussionen bekommt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bensch, gegen Ihren Vorstoß, etwas gegen das zunehmende Übergewicht von Kindern und Jugendlichen zu machen, haben wir natürlich erst einmal nichts einzuwenden, das ist ja auch klar. Allerdings können wir den Ansatz, den Sie im Antrag formuliert haben, nicht ganz mittragen, und darum schlagen wir die Überweisung in die Gesundheitsdeputation vor, um das Thema dort vertieft diskutieren zu können.

Wir beobachten seit Jahren eine mindestens zweigleisige Entwicklung. Übergewichtige Menschen werden zunehmend diskriminiert, verhöhnt, gelten in bestimmten Kreisen als faul und nicht durchsetzungsfähig. Es gibt immer mehr Unternehmen, für die Schlanksein sogar zu einem Einstellungskriterium geworden ist. Diese Haltung, andere für ein äußeres Kriterium abzuwerten, halten wir Grünen für falsch, und wir sprechen uns ganz klar für die Freude an der Vielfalt menschlicher Möglichkeiten aus.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die eine Seite!

Die andere Seite, und um die geht es Ihnen ja in Ihrem Antrag, und das ist medizinisch weitgehend unbestritten, ist, dass deutliches Übergewicht – leichtes Übergewicht ist gar nicht besonders schädigend – vielfältige körperliche und auch seelische Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann. Diabetes ist be

reits erwähnt worden, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schmerzen des Bewegungsapparates und auch Depressionen kommen bei adipösen Menschen häufiger vor. Es ist auch unbestritten, dass übergewichtige Kinder eher zu übergewichtigen Erwachsenen werden und dass die biologische und soziale Vererbung hier eine große Rolle spielt. Sind also Eltern übergewichtig, ist es das Kind mit einer, so sagen Wissenschaftler, 85-prozentigen Wahrscheinlichkeit auch. Es geht also auch immer um das Vorbild der Erwachsenen und um die Situation in der Familie, auch da muss man natürlich hinschauen. So ist es natürlich richtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir Rahmenbedingungen schaffen können, die ein gutes Körpergefühl, gute Ernährung und ein stimmiges Gewicht fördern, insbesondere für Kinder und Jugendliche, aber eben auch für Erwachsene.

Mit Ihrem Antrag – das sind die Punkte, weshalb ich eingangs sagte, dass wir den Antrag nicht ganz mittragen können – erwecken Sie den Eindruck, dass erstens in Bremen bislang überhaupt nichts zur Förderung der Kindergesundheit im Bereich Übergewicht getan wurde, das ist so nicht richtig, und zweitens dass man mit neuen Konzepten und Programmen allein dieser Problematik beikommen kann. Beide Vorstellungen teilen wir so nicht.

Wahr ist, dass wir in Bremen bereits zahlreiche gute Programme haben. Alle Kinderkliniken in Bremen haben spezialisierte Adipositasprogramme. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte engagiert sich gemeinsam mit zahlreichen Sportvereinen stark für mehr Bewegung für Kinder und Jugendliche, das wurde ja auch bereits von meiner Vorrednerin gesagt. Kinder- und Jugendärzte sowie ihre medizinischen Fachangestellten bilden sich ständig bezüglich dieses Themas fort. Es gibt den Verein für essgestörte Kinder, und es gibt auch bereits – und das ist, so meine ich, ein Ansatz, den wir weiter forcieren sollten – Bewegungskitas in Bremen, also Kitas, in denen Bewegung gezielt gefördert wird. In der nächsten Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) werden wir einen Antrag zu dem Thema „Natur in die Kitas – Kinder in die Natur!“ debattieren. Auch das wäre natürlich ein Weg in Richtung Übergewichtsprävention. Wahr ist aber leider auch, dass alle diese Programme bisher nicht dazu geführt haben, dass Kinder und Jugendliche deutlich schlanker werden.

Nach Auffassung von uns Grünen können wir dieser Problemlagen nicht durch weitere runde Tische, Expertengremien oder Konzepte beikommen, sondern nur durch eine grundsätzliche Umsteuerung unserer Lebensstile. Unser überwiegend sitzender Lebensstil fördert Übergewicht von Anfang an. Kinder, die zur Kita und zur Schule mit dem Auto gebracht werden, verlernen die Bewegung, lernen nicht, sich sicher im dreidimensionalen Raum zu bewegen, lernen stattdessen, dass Mobilität durch das Auto stattfindet. Hier muss nach Auffassung der Grünen angesetzt werden, Projekte wie „Jedem Kind ein Fahr

rad“ oder „Zu Fuß zur Schule“ haben Aussicht auf Erfolg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Kinder behalten den ihnen angeborenen Spaß an der Bewegung, bewegen sich sicherer, bleiben schlanker und behalten dies auch im späteren Leben eher bei, wenn sie frühzeitig in Bewegung sind und diese in ihren Alltag integrieren können. Sie können sich dann im Übrigen auch noch besser konzentrieren und sogar besser rechnen.

Investitionen in Fahrradwege sind Übergewichtsprävention, Kindern Spaß an Kreativität, kultureller Bildung und so weiter zu vermitteln, ihnen also zu zeigen, dass man Besseres mit seinem Leben anfangen kann, als Fernsehen zu schauen, das fördert Schlanksein. Bei Kindern frühzeitig den Geschmack an gutem Essen zu fördern, auch mit gutem Beispiel voranzugehen, das ist eine geeignete präventive Maßnahme.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Über das gesamte Spektrum der Möglichkeiten, Kindern in Bremen die Chance auf ein gesundes, selbstbewusstes Aufwachsen mit einem guten Körpergefühl zu ermöglichen, würden wir gern mit Ihnen allen fraktionsübergreifend in der Gesundheitsdeputation diskutieren. Darum schlagen wir die Überweisung des Antrags vor und bitten das Ressort, dort zur Vorbereitung der Diskussion eine Übersicht über die bestehenden Initiativen gegen Übergewicht bei Kindern, die es bereits in unserem Bundesland gibt, vorzustellen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen sicher alle den Satz: Gesundheit ist das höchste Gut! Wenn wir uns mit dem immer stärker zunehmenden Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen beschäftigen, können wir das nur begrüßen.