In der Praxis scheint das eigentlich auch kaum durchsetzbar zu sein, denn bei den 20 Fällen, die wir jetzt haben, ist es nach meiner Information so gewesen, dass da in ganz vielen Fällen mit einer Klage gedroht wurde, und dann ließ sich das Verbleiben in der Tagesförderstätte zwar arrangieren, aber bislang wurde das so nicht unter dem Seniorenmodul nachher dargestellt. Irgendwie ist das eine merkwürdige Situation.
Wenn die Frau aus dem Beispiel, die in „buten un binnen“ war, privat leben würde bei ihren Verwandten oder bei ihrer Familie, je nachdem, was da infrage kommt, dann könnte sie auch nach ihrem 65. Geburtstag ohne Probleme in der Tagesförderstätte bleiben. Auf dieselbe Weise wird für privat wohnende Betroffene auch ein weiterer Besuch der Werkstatt für über 65-Jährige eben begründet. Nur für die, die in einer stationären Einrichtung leben, ist ab 65 Jahren Schluss. Ich will davon jetzt nicht die Forderung ableiten, dass die anderen alle weiter ihre Einrichtungen besuchen können sollten, das habe ich, glaube ich, vorhin auch schon dargestellt.
Durch diese genannte Sonderregelung sollen die Angehörigen entlastet werden, das steht auch in der Antwort auf die Anfrage. Allein mit Blick auf die Entlastung der Angehörigen ein Verweilen in einer Tagesförderstätte oder in der Werkstatt zu begründen – –.
Das allein mit dem Blick auf die Entlastung der Angehörigen zu begründen, finde ich nicht sinnvoll, weil wir ja immer wieder davon gesprochen haben, dass der Betroffene mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen muss, und da kann man nicht plötzlich den Blick auf die Angehörigen richten und sagen, dass sie entlastet werden sollen, weil das ja dann auch dazu führt, dass die Angehörigen entscheiden können, ob sie ihren Verwandten weiterhin in die Tagesförderstätte schicken oder nicht. Ich finde es sinnvoll, dass Angehörige auch Entlastung erfahren können oder eine Unterstützung haben, aber wie gesagt, diesen Begründungsweg kann ich da nicht so ganz nachvollziehen.
Dann noch ein letzter Punkt! Die in der Antwort des Senats aufgelisteten Angebote des Seniorenmoduls bieten unbestritten verschiedenste Möglichkeiten zur Beschäftigung und zum Miteinander, doch leider sind oft weder die Angebote selbst noch die Räumlichkeiten auf schwerstmehrfachbehinderte Menschen ausgerichtet. Einen schwerstmehrfachbehinderten Menschen im Rollstuhl aber einfach ohne zusätzli
che Assistenz irgendwo für eine Stunde dazuzustellen, ist sicherlich die günstigste Art von Teilhabe, aber nicht immer die hilfreichste.
Selbst wenn die Überarbeitung der Richtlinie noch längere Zeit dauern sollte, finde ich, kann die Situation für schwerstmehrfachbehinderte Menschen nicht so bleiben, wie sie jetzt ist. Es muss für sie nachvollziehbare und unkomplizierte Regelungen geben, solche Fälle wie der der im Fernsehen gezeigten Frau dürfen sich nicht noch einmal eben so wiederholen. Es gibt noch viele andere Details zu bedenken, aber es macht keinen Sinn, diese hier jetzt alle aufzuzählen.
Dass ein gut durchdachtes Seniorenmodul heute auch immer einen Beitrag zur Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen leisten soll, finde ich zukunftsweisend und mittlerweile beinahe auch schon selbstverständlich, aber wegen der schon seit vielen Jahren bestehenden Vorurteile und eingefahrenen Strukturen wird das nach meiner Meinung kein einfacher Weg werden. Ich wünsche allen, die sich dafür einsetzen, gute Ideen und auch ein gutes Durchhaltevermögen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion über Angebote für älter werdende Menschen mit Behinderungen im Land Bremen haben wir vor einigen Wochen mit ganz großer Aufregung geführt, dem lag auch die beschriebene Fernsehberichterstattung zugrunde.
Als Allererstes hätte ich mir gewünscht, dass der Träger im Ressort anruft und das Problem vorträgt. Ich war nicht begeistert davon, dass man dann das Fernsehen einlädt, und auch über die Berichterstattung haben wir ja in der Deputation gesprochen. Ich muss sagen, ich bin nach wie vor auch nicht einverstanden mit Radio Bremen, das Herrn Frehe bewusst ohne seinen Rollstuhl gezeigt hat, das war als Stilmittel eingesetzt worden. Jemanden, der über 30, 40 Jahre bundesweit für die Rechte von Behinderten kämpft, der in Amerika schon gestritten hat, der sich hier in der Bürgerschaft angekettet hat für die Rechte und für Selbstbestimmung von behinderten Menschen, so darzustellen, als sei er ein kalter Vollstrecker, das ist, finde ich, einfach auch nicht in Ordnung!
Ich finde es völlig richtig, Frau Grönert, dass wir heute hier diese Große Anfrage diskutieren. Ich selbst habe in der Deputation vorgeschlagen, dieses Seniorenmodul, das vor einigen Jahren ja mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege diskutiert wurde, damals von Herrn Dr. Knigge angeregt und dann von Herrn Dr. Schuster weiterentwickelt wurde – Frau Garling und Herr Frehe haben da kritisch nachgehakt, als Abgeordnete auch noch etwas daran verändert –, einmal genau anzuschauen: Was hat es bewirkt? Hilft es den Menschen, und unterstützt es dann diejenigen, die 65 Jahre und älter sind?
Die älteren Menschen sind einfach unterschiedlich. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir eigentlich älter werden wollen. Für Menschen ohne Beeinträchtigungen, aber auch für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen müssen wir schauen, dass wir unterschiedliche Angebote vorhalten. Da kann man nicht einfach alles einheitlich machen, sondern wir brauchen eben die Vielfalt.
Dann geraten wir natürlich auch, und ich sage es auch einmal so im Klartext, einmal mit den Trägern aneinander, weil es natürlich am Ende des Tages auch immer um Verhandlungen über das Geld geht. Das hat man dann in der Deputation auch gemerkt: Am Ende geht es dann eben auch darum, dass es in Bremen gewachsene Strukturen gibt, und wenn man sie hinterfragt, dann führt das natürlich zu Aufregung, auch zu Unruhe, aber ich glaube, es ist auch Angelegenheit der Sozialdeputation, manch gewachsene Struktur in Bremen zu hinterfragen, ob sie wirklich überhaupt noch nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir da nachhaken.
Ich finde den Weg richtig, den wir jetzt gewählt haben, dass wir sagen, wir evaluieren. Wir haben die Träger alle eingeladen, es gibt Fragen, die abgearbeitet werden. Wir haben jetzt in Vorbereitung für den 30. Oktober den Fachtag mit dem Thema „Perspektiven der beruflichen und sozialen Teilhabe für Menschen mit Behinderung und hohem Unterstützungsbedarf“, der im „Quadrat“ stattfindet, es ist eine große öffentliche Veranstaltung. Ich finde es auch richtig, dass wir uns dann alle damit auseinandersetzen. Es werden die Leistungsanbieter, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einrichtungen kommen, die Politik ist eingeladen, und ich wünsche mir auch, dass die Menschen, die diese Angebote nutzen, dann auch kommen, wir laden sie auch dazu ein. Auch da – Herr Stegmann hat es ja in der Deputation gesagt – gibt es eben unterschiedliche Wünsche.
Der Martinshof beschäftigt sich jetzt auch mit der Frage: Was bieten wir eigentlich den Menschen, die
bei uns ein Leben lang in den Werkstätten gearbeitet haben, Marmelade gekocht haben, Kerzen hergestellt haben, in der Töpferwerkstatt waren und für Mercedes gearbeitet haben? Der Martinshof sagt, er wolle keine extra abgeschlossenen Begegnungsstätten haben, sondern er macht sich jetzt auf den Weg und hat mit allen Begegnungsstätten in Bremen in den verschiedenen Stadtteilen gesprochen. Ich finde, das ist genau der richtige Weg, dass wir sagen, auch Menschen mit geistiger Beeinträchtigung sollen die Möglichkeit haben, in reguläre Einrichtungen zu gehen, und auch die regulären Einrichtungen, die wir bisher haben – und manche sind closed shops –, müssen sich verändern. Den Weg wollen wir gern mit ihnen gemeinsam gehen, und ich freue mich da auch auf die Diskussion.
Ich finde es sehr gut, dass Herr Hautop diesen Weg jetzt auch so offensiv geht. Es gibt eben auch die Einrichtungen, die sagen, das ist ein Weg, den wir gehen müssen, und zwar nicht für alle gleich, sondern sehr unterschiedlich. Ich wünsche mir auch die Offenheit bei den Trägern, die sich da bisher noch nicht so auf den Weg gemacht haben. Wie gesagt, wir wollen keine Menschen bestrafen, es soll niemand ausgeschlossen werden, das finde ich ganz wichtig, und es soll auch niemand Angst haben – das ist ja der Punkt, Frau Grönert, den Sie auch noch einmal thematisiert haben –, dass er künftig nicht mehr so gut versorgt ist wie bisher. Es ist wichtig, dass wir da immer die Menschen im Auge haben und sie auch die passenden Angebote bekommen, so, wie Herr Möhle es auch vorgetragen hat.
Wie gesagt, die Diskussion geht weiter, wir zeigen hier jetzt einmal die Bestandsaufnahme, und ich freue mich mit Ihnen auf eine angeregte Diskussion. – Danke schön!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/930, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Einverständnis vorausgesetzt rufe ich keinen weiteren Tagesordnungspunkt für heute auf.