Es gibt eine bundesweite Studie aus dem Jahr 2007 mit dem Titel „Brain Waste“, also „Hirnverschwendung“, die gerade aus Bremer Sicht interessant ist, weil ein großer Anteil der Rückmeldungen aus Bremen kam. Es lohnt, sich einmal die konkreten Fälle anzusehen. Da gibt es die Sportlehrerin aus der ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Ukraine – inzwischen deutsche Staatsbürgerin –, die wieder in ihrem Beruf arbeiten wollte und über ein Jahr lang umhergeschickt wurde, bis sie endlich wieder diese Möglichkeit erhielt.
Es gibt den Gesichtschirurgen aus Odessa, für den es hieß, dass leider keine deutsche Fachqualifikation seinem Niveau entspreche. Die ARGE hat ihm damals vorgeschlagen, lieber als Zahnarzt zu arbeiten, in einem Beruf, von dem er schlichtweg keine Ahnung hat, bis ihm mitgeteilt wurde, er sei aufgrund seines Alters von 51 Jahren sowieso zu alt, um auf den Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Diese Fälle machen deutlich, wie dringend notwendig es ist, dieses Gesetz umzusetzen.
Der Entwurf des Landesgesetzes beinhaltet sehr wichtige Elemente, zum Beispiel den Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren, der aber noch nicht das tatsächliche Recht auf Anerkennung beruflicher Qualifikationen ist, das muss man auch sehen. Der Rechtsanspruch ist nicht an einen bestimmten Aufenthaltsstatus gebunden, das ist gut und richtig. Dass die Bundesländer gegenseitig die Abschlüsse anerkennen, ist bislang auch keine Selbstverständlichkeit. Es muss auch nicht mehr passgenau den Qualifikationen angeglichen werden, die hierzulande notwendig sind.
Die Gebühren können auf Antrag ermäßigt oder erlassen werden, und da sind wir schon an einem sehr wichtigen Punkt. Ich finde, es ist vollkommen richtig, darauf zu bestehen, dass es auch ein gebührenfreies Anerkennungsverfahren gibt. Es kostet Geld, es sind beeidigte Unterlagen einzureichen, es muss Übersetzungsarbeit geleistet werden. Es kann durchaus teuer werden, sich auf ein solches Verfahren einzulassen.
Ein ebenso wichtiger Punkt ist die niedrigschwellige Nachqualifizierung. Man kann nicht einfach sagen, das schieben wir in die Verantwortung des Jobcenters und der Agentur für Arbeit, sondern es ist eine entscheidende Integrationsleistung, die wir letztendlich auch vorzunehmen haben.
Ich möchte insbesondere auf zwei Thesen eingehen, die in der Mitteilung des Senats stehen und mit denen ich nicht einverstanden bin, die erste These lautet: Eine bessere Anerkennung beruflicher Qualifikationen würde sowohl Wertschöpfungszuwächse als auch Entlastungen der Sozialsysteme generieren. Dem liegt die irrige Auffassung zugrunde, dass allein die Qualifikation Arbeitsplätze schaffen würde. Das tut sie natürlich nicht. Erstens gibt es viele Beschäftigte, die bereits entsprechende Arbeit leisten, sie werden nur nicht gemäß ihrer Qualifikation bezahlt. Zweitens schafft die Anerkennung der Sportlehrerin keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz für Lehrerinnen und Lehrer.
Die zweite These, die anzusprechen auch sehr wichtig ist, lautet: Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen sei ein wichtiger Beitrag zur Bekämp
fung des Fachkräftemangels. Dieser Vorstellung möchte ich sehr nachdrücklich widersprechen! Die Bereitstellung der nötigen Fachkräfte durch berufliche und schulische Ausbildung ist eine Aufgabe, eine Pflicht der Betriebe und der öffentlichen Hand. Solange es in Bremen Betriebe gibt, die nicht ausbilden, und ein Drittel aller hier lebenden Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz bekommt, ist dieses Argument, finde ich, nicht nachvollziehbar.
Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen ist nicht der billige Ausweg aus einem selbstverschuldeten Ausbildungsnotstand, auch wenn Teile der Industrie sich dies so wünschen würden. Ich finde, dass im Mittelpunkt der Überlegungen nicht die Frage stehen darf, welche Qualifikationen der Markt gerade braucht, sondern wir müssen das Recht der Betroffenen auf Anerkennung ihrer erworbenen Qualifikationen in den Mittelpunkt stellen, das ist der Punkt, um den es hier geht! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Bürgerschaftsfraktion begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf und wird ihm zustimmen, das vorweg!
Als Erstes komme ich auf den Fachkräftemangel zu sprechen. Der deutsche Arbeitsmarkt steht ebenso wie die deutsche Gesellschaft vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Der demografische Wandel ist zwar in aller Munde, aber vermutlich ist er noch nicht hundertprozentig bei allen angekommen. Der Fachkräftemangel ist aber schon heute Realität, nicht in jeder Region und in jeder Branche, aber es wird für unsere Unternehmen auch hier zunehmend schwieriger, gut ausgebildetes Personal zu finden. Wir sehen in dem Gesetzentwurf daher einen richtigen Schritt, um dem entgegenzutreten. Selbstverständlich muss Qualität an allererster Stelle stehen, aber nach wie vor eine hundertprozentige Deckungsgleichheit ausländischer Qualifikationen mit deutschen Abschlüssen zu verlangen, ist dabei auch nicht zielführend.
Zweitens: Viel zu lange wurden die Potenziale eingewanderter Menschen nicht in vollem Umfang genutzt. Ein kürzlich in der „Zeit“ erschienener Artikel über Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshin––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
tergrund, die wir ja auch hier in Bremen händeringend suchen, zeigte auch mir noch einmal eindrucksvoll den nötigen Handlungsbedarf. In dem Artikel ist die Rede von einer Türkin, die in der Türkei an einer deutschen Schule unterrichtete und in Hamburg als Erzieherin eingestuft wurde, und von einem kubanischen Mathematiklehrer, dessen Abschluss in Bayern nicht anerkannt wurde, weil Bayern die Lehrer ausgeschlossen hat, und jetzt als Salsa-Lehrer arbeiten muss. Was sich zunächst sehr lustig anhört, bedeutet für die Menschen aber eine erhebliche Belastung und eine erhebliche Minderung des Selbstwertgefühls, von dem wirtschaftlichen Schaden für die Personen einmal abgesehen.
Der dritte Punkt geht daher auch in Richtung Migrationspolitik. Eine Willkommenskultur muss in allen Bereichen gelebt werden, und die an die Einwanderer formulierten Ansprüche müssen auf der anderen Seite eben auch ermöglicht werden.
Die Bundesregierung hat mit dem im April 2012 verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen eine sehr gute Vorarbeit geleistet, auf die Bremen sich auch maßgeblich bei der Formulierung des Gesetzes gestützt hat. Dass Bremen bei der Umsetzung in Landesrecht nicht gerade das schnellste Bundesland ist, sondern eher zu den Nachzüglern gehört, sei nur am Rande erwähnt.
Die CDU-Fraktion wird dem Gesetzentwurf und der Überweisung in die Gremien zustimmen, um einzelne Themen, wie zum Beispiel die zentrale Beratungsstelle, noch weiter diskutieren zu können. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir als Senat Ihnen noch vor der Sommerpause diesen Entwurf des Bremischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes, wie es vollständig heißt, vorlegen können. Dies entspricht ja auch unserer Zusage. Gleichzeitig legen wir Ihnen heute auch den Bericht des Senats zur Umsetzung des entsprechenden Bundesgesetzes vor.
Dieses Gesetz erfüllt für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in diesem Land einen sehr wichtigen Auftrag. Vor allem und zuerst zeigt es den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch den hier arbeiten und leben wollenden Menschen, dass sie in Deutschland willkommen sind und wir ihre berufliche Qualifikation anerkennen wollen. Wir wollen ihnen also nicht in
distanzierter Weise signalisieren, dass sie unseren Anforderungen nicht genügen, sondern wir wollen gemeinsam schauen, was sie gelernt haben, und wir wollen ihnen hier eine Perspektive eröffnen. Wir werden gemeinsam einen Weg finden, das ist die Botschaft dieses Gesetzes.
Der vielfach diskutierte demografische Wandel und der sich abzeichnende Fachkräftebedarf machen es aber schlicht evident, dass die vorhandenen Qualifikationspotenziale der Menschen in Deutschland künftig besser genutzt werden müssen. Es ist eigentlich ein kaum erklärbarer Luxus, dass im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen bisher so wenig aktiviert wurden.
Dieses Gesetz wird die angesprochenen Probleme und Erwartungen sicherlich nicht umfänglich und ganz sicher nicht allein lösen können. Es beschreibt nicht und schafft nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung jeder beruflichen Qualifikation, aber es legt bundesweit einheitlich das dafür vorgesehene Verfahren fest. Die eigentliche Arbeit beginnt in den zuständigen Stellen erst nach der Verabschiedung des Gesetzes. Der Bund hat mit dem Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für die bundesrechtlich geregelten Berufe erstmals umfassende Regelungen zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen getroffen und die Kriterien für das entsprechende Verfahren festgeschrieben.
Der Entwurf des Bremischen Berufsqualifizierungsfeststellungsgesetzes enthält aus meiner Sicht folgende wesentliche Bestandteile: Das Gesetz gilt, soweit in Fachgesetzen nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt wird. Dies fördert maximale Rechtssicherheit und verhindert Regelungslücken. Im Interesse der Transparenz und der Vereinfachung werden die Verfahren und die Kriterien für die Bewertung der ausländischen Qualifikationen vereinheitlicht und transparenter gestaltet. Entscheidend für die Gleichwertigkeitsprüfung sind künftig bei allen bremischen Berufen nur noch wesentliche Unterschiede. Eine vollständige Übereinstimmung der ausländischen Qualifikationen mit dem in Bremen geregelten Beruf ist nicht erforderlich.
Es wird ein allgemeiner Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren geschaffen, in dem eine individuelle Prüfung der Gleichwertigkeit von ausländischen Berufsqualifikationen mit in Bremen landesrechtlich geregelten Referenzqualifikationen garan
tiert wird. Die zuständige Stelle muss die Entscheidung über den Antrag innerhalb von drei Monaten treffen.
Statusrechtliche Fragen lassen den Rechtsanspruch unberührt, der Zugang zum Anerkennungsverfahren steht damit allen Antragstellerinnen und Antragstellern aus dem In- und Ausland offen, unabhängig von Wohnsitz, Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Die Anerkennung in anderen Bundesländern gilt auch in Bremen. Dieses Verfahren der wechselseitigen Anerkennung ermöglicht auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einen Transfer ohne erneutes Anerkennungsverfahren.
Der Senat wird die Verabschiedung dieses Gesetzes als Impuls nutzen und öffentlich für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen auch für die bundesrechtlich geregelten Berufe werben. Mit dem Landesprogramm „Weiterbildungsberatung vor Ort“ hat der Senat bereits im Mai 2012 in der Stadt Bremen ein neuartiges Beratungsangebot aufgebaut. Von den Lotsenstellen in der Arbeitnehmerkammer und seit Januar 2013 auch in der Handelskammer werden neben der fachlichen Beratung und der Förderung berufsbezogener Weiterbildung auch eine Beratung für Anerkennung suchende Personen über die zuständigen Stellen sowie Beratungen zu Möglichkeiten der Nachqualifizierung angeboten.
In den ersten zehn Monaten ihrer Publikumspräsenz wurde die „Weiterbildungsberatung vor Ort“ in der Arbeitnehmerkammer bereits von 300 Ratsuchenden angelaufen. 10 Prozent davon wollten zur Nutzung von Anerkennungsverfahren beraten werden. Die Nachfrage in diesem Beratungssegment wird sicherlich nach Inkrafttreten des Gesetzes ansteigen. Dabei wird sich in der Praxis herauskristallisieren, wie umfänglich die Beratungsbedarfe der Ratsuchenden im Themenfeld Anerkennung sind. Gefragt sind eine fachliche Tiefe und eine Kontinuität in der Verfahrensbegleitung.
Ich freue mich über die voraussichtlich große Zustimmung zu diesem Gesetz in der ersten Lesung. Mein Ressort als federführendes Ressort freut sich damit dann auf die Diskussion in den Deputationen und im Ausschuss. – Vielen Dank!
Wer das Bremische Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Drucksache 18/947, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Meine Damen und Herren, interfraktionell wurde vereinbart, diesen Gesetzentwurf nach der ersten Lesung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Bildung, federführend, die staatliche Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen sowie den Ausschuss für Integration, Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit zu überweisen.