Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen die Auszubildenden. Diese Zahlen sind übrigens sehr genau, weil sie aus den Daten der Sozialkassen des Baugewerbes erfasst werden, wo jeder Azubi angemeldet wird, weil man nämlich im Rahmen der Umlagefinanzierung der Ausbildung Geld dafür kriegt.

Ich gucke mir die Neugründungen, Herr Saxe, die da entstanden sind, an! Ich treffe diese neu gegrün

deten Firmen ja auf Baustellen. das sind oftmals SoloSelbstständige oder ehemalige Ich-AGs, die im Durchschnitt im Monat 1 100 Euro verdienen, davon weder Altersvorsorge treffen können, noch sich richtig versichern können. Das ist die „schöne neue Welt“, wenn wir dereguliert haben! Genau das ist die Welt, genau das passiert. Da werden keine Verdienste mehr erzielt, da wird kein auskömmliches Einkommen mehr erzielt, und wir schaffen Altersarmut.

Gehen Sie einmal auf die Ortsämter. Da treffen sie dann vielleicht einige der 16 000 oder 18 000 aus den osteuropäischen Ländern. Die kommen immer zu zweit – einer kann deutsch, der andere nicht – und beantragen dann einen Job. Sie sollen hier arbeiten und die Qualität aufrechterhalten! Hinterher stellen wir fest – das ist durchs Fernsehen gegangen, Sie haben die Berichte vielleicht verfolgt –, dass da im Prinzip Scheinselbstständigkeit gefördert wird und sonst gar nichts passiert. Das wollen wir nicht haben.

Wir wollen in der Arbeitswelt Ordnung haben. Das ist notwendig! In der Arbeitswelt wollen wir Ordnung haben!

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Ja, in Deutschland, genau Herr Dr. Kuhn!

Wir wollen kein Lohndumping. Wir wollen kein Sozialdumping. Wir wollen Ordnung haben.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Viel Spaß bei der Europawahl!)

Ja, das vor der Europawahl! Die Abschaffung der Meisterpflicht ist eine Sackgasse. Der DGB-Bundeskongress beschließt auf Antrag der IG Metall und der IG BAU: Bestrebungen von europäischer Ebene, die besonderen Qualifikationsmöglichkeiten für den Meisterbrief und die damit verbundene Meisterpflicht im Handwerk weiter einzuschränken, lehnen wir ab. Zitat Ende! Dahinter kann ich mich nur versammeln.

Noch einmal etwas zur Ausbildungsquote: Die Ausbildungsquote in den Betrieben in der Anlage A, die mit der Meisterpflicht, beträgt zwölf Prozent. Die Ausbildungsquote in der übrigen Wirtschaft beträgt fünf Prozent. Noch einmal: Das ist doch ein Indiz dafür, dass es noch Handwerksmeister gibt, die ihre Meisterschaft anerkennen, und die das ehrbare Handwerk betreiben und es als Pflicht ansehen, junge Menschen auszubilden und ihnen einen Ausbildungsplatz zu geben. Das finde ich, muss aufrechterhalten werden.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Wir werden dem Antrag der CDU nicht zustimmen, weil wir das auch nicht mehr brauchen. (Unruhe bei der CDU)

Ich lese einmal aus dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene vor. Darin steht: Wir wollen ein starkes Handwerk. Deutschland wird die europäische Diskussion über eine verstärkte Öffnung –

(Glocke)

ich bin beim letzten Satz – des Dienstleistungsmarktes konstruktiv begleiten. Wir werden allerdings unverändert darauf hinwirken, dass der Meisterbrief nicht durch Maßnahmen des europäischen Binnenmarktes beeinträchtigt wird und erhalten bleibt. – Die Beschlusslage stimmt, von daher brauchen wir keine neue.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker, BUH, hat im Bundestagswahlkampf 2013 den Parteien eine schöne Frage gestellt: Warum birgt das Backen von Brötchen Gefahren für Leib und Leben Dritter, nicht aber das Zubereiten einer rohen Hackfleischspeise in einer Restaurantküche? Warum ist das Verputzen einer Wand gefährlich, dass Verkleiden mit Gipskartonplatten jedoch nicht? Warum sind meisterfreie Elektroinstallationen seit 60 Jahren in Ordnung, solange sie im Rahmen eines unerheblichen handwerklichen Nebenbetriebs ausgeübt werden, nicht aber wenn sie von einem meisterfreien Handwerksbetrieb ausgeübt werden?

Die Frage macht deutlich, dass die Situation bezüglich Handwerk und Gewerbefreiheit in Deutschland ausgesprochen ungereimt ist und dass es guten Grund gibt, diese Regelungen zu überprüfen.

Das ist keine rein akademische Frage. Es gibt eine Vielzahl von Handwerkerinnen und Handwerkern, die durch die bestehenden Regelungen diskriminiert und kriminalisiert werden. DIE LINKE im Bundestag hat 2010 eine kritische Anfrage zum Thema Hausdurchsuchungen bei Handwerkern ohne Meisterbrief gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass solche Hausdurchsuchungen verfassungswidrig sind. Trotzdem finden sie statt. Es gibt auch eigenständiges Personal dafür, das mit nichts anderem beschäftigt ist, als genau so etwas ständig auszuleuchten und zur Anzeige zu bringen.

Die Kollegen aus Göttingen haben damals ein öffentliches Haareschneiden mit dem Visagisten Sascha Arnold durchgeführt. Dieser war vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Schwarzarbeit verurteilt worden; nicht etwa, weil Arnold keine Steuern oder Sozialabgaben gezahlt hätte, sondern weil er es gewagt hat, ohne einen Eintrag in die Hand

werksrolle Haare zu schneiden. Man sieht an diesen Beispielen schon, dass es ganz verschiedene Interessen gibt, die mit dem sogenannten Meisterzwang verteidigt werden.

Es gibt in Europa 740 reglementierte Berufe, in Deutschland 100, davon noch 41 Handwerksberufe. Es ist auch richtig so, dass es reglementierte Berufe gibt. Es kann nicht jeder Geburtshilfe anbieten oder juristische Dienstleistungen. Es ist auch richtig so, dass jeder mit spezifischen Qualifikationen werben darf, etwa mit dem Meisterbrief. Ob es jedoch gerechtfertigt ist, jemandem die Berufsausübung als Bäcker, als Seiler, als Friseur, als Glasbläser oder auch als Klempner zu verbieten, weil er in diesem Beruf zwar gelernt hat und Berufspraxis vorweisen kann, aber keinen Meisterbrief hat, muss in der Tat einmal diskutiert und überprüft werden, denn die Situation ist ja absurd.

Man darf alle Handwerksgewerbe ohne Meisterbrief und ohne irgendeine berufliche Qualifikation an der Haustür anbieten und im Rahmen des sogenannten Reisegewerbes ausführen. Aber man darf kein Büro haben. Man darf auch nicht werben. Man darf als Handwerker auch Gewerbe ausführen, für die man überhaupt nicht ausgebildet ist, solange man einen Meister in einem anderen Handwerk hat. Es darf jemand Arbeiten ausführen, der kein Meister ist, aber bei einem Meister arbeitet; der kommt ja nicht persönlich zum Fliesenlegen. Hinzu kommt, dass jemand all diese Arbeiten ohne jeden Meisterbrief ausführen kann, wenn es sich um einen Betrieb aus einem anderen EU-Land handelt. Auch das ist wenig überzeugend.

Daran wird deutlich, dass es hier nicht durchweg um die Qualitätssicherung und um den Schutz der Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher geht. Es geht – das wurde hier schon angesprochen – um Marktzugangsbeschränkungen, es geht um eine zünftische Ordnung, es geht um Standesverteidigung, und es geht um Hierarchien.

Wir machen uns überhaupt keine Illusionen darüber, aus welchen Interessen die EU hier eine Liberalisierung fordert. Wir wären die Letzten, die das in irgendeiner Weise nachvollziehen. DIE LINKE hat als einzige Partei gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie gestimmt. Das hat unter anderem auch genau diese Gründe. Arbeit muss reguliert werden, und der Preis darf nicht das einzige Kriterium sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür hat keine andere Partei gestimmt. Aber das ändert nichts daran, dass Zugangsbeschränkungen zu Berufen gerechtfertigt sein müssen, dass sie fair und gerecht sind und dass es gerade im Bereich des Handwerks einen Zustand der Diskriminierung und Kriminalisierung freier Handwerker und Handwerkerinnen gibt, der durch nichts gerechtfertigt ist. Wir wollen insofern durchaus die Evaluierung. Das fin

de ich durchaus richtig an der Anfrage der EU, die in keinster Weise davon ausgeht, dass wir den Meisterbrief abschaffen. Das hat niemand gesagt, das steht nicht darin, das will auch niemand. Das muss man, finde ich, auseinanderhalten. Aber es geht um den Meisterzwang, und das ist ein anderer Punkt.

Wir wollen durchaus diese Evaluierung. Ich finde es richtig, dass man sich das ansieht. Ich finde es richtig, dass man sich insofern widersprüchliche Reglementierungen anguckt und reformiert. Die Frage der dualen Ausbildung ist davon überhaupt nicht berührt. Wir haben hier 3 500 Handwerksbetriebe, 1 800 davon bilden aus. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das anders wäre, wenn wir für alle den Meisterzwang hätten. Es hat doch andere Gründe, warum nicht ausgebildet wird. Wir sind nicht für eine totale Liberalisierung der Berufszugänge, das möchte ich hier noch einmal betonen. Aber wir sind auch nicht dafür, Zugangsbeschränkungen zu erhalten, die in der Praxis diskriminierend und inhaltlich nicht gerechtfertigt sind. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs Folgendes sagen: Herr Saxe, ich habe überhaupt nicht den Eindruck gehabt, dass irgendjemand aufgeregt gewesen sei, außer Ihnen vielleicht.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie sowieso nicht, Herr Dr. vom Bruch!)

Ich weiß gar nicht, woher Sie die Hypothese nehmen, hier sei jemand aufgeregt gewesen. Das ist überhaupt nicht an dem, sondern wir führen hier eine Diskussion. Das ist der Punkt, der mich an dieser Diskussion stört: Diese Diskussion führen wir seit circa 10 Jahren – der Kollege Jägers hat darauf hingewiesen – und nicht zum ersten Mal. Es geht uns darum, in diesem Bereich nicht für eine völlig unnötige Unruhe zu sorgen, sondern für Kontinuität, für Nachhaltigkeit und für Stabilität, meine Damen und Herren! Denn diese Diskussion hatten wir, und die brauchen wir einfach nicht noch einmal.

(Beifall bei der CDU – Unruhe beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Herr Jägers, Sie haben hier alles Mögliche Richtige gesagt, Sie haben aber die erstaunliche Schlussfolgerung daraus gezogen, dass Sie nicht zustimmen. Diese Schlussfolgerung habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden.

Das Ansinnen der EU ist doch gerade zu sagen: Ihr sollt in den Ländern, ihr sollt in den Nationen gucken,

evaluieren, möglicherweise Bestandsaufnahmen durchführen und Diskussionen führen. So weit, so richtig! Genau diese Diskussion wollen wir an dieser Stelle anregen, und diese Diskussion wollen wir an dieser Stelle führen,

(Abg. W i l l m a n n [Bündnis90/Die Grü- nen]: Sie schreiben aber das Gegenteil!)

und in dieser Diskussion wollen wir uns positionieren. Das wollen wir nicht nur dem Bund und der in Berlin amtierenden Koalition überlassen, sondern das wollen wir auch hier in Bremen tun. Deshalb diese Positionierung!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das haben Sie aber nicht so geschrie- ben!)

Ich fände es nach dem, was Sie hier gesagt haben, eigentlich richtig, dass Sie sich dem anschließen, was wir hier vorschlagen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saxe, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin so dermaßen entspannt, dass Sie sich das gar nicht vorstellen können.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Aber nicht einschlafen!)

Ich versuche, nicht einzuschlafen, weil ich mich ja heute Abend noch mit den SPD-Kollegen treffen muss. Da muss ich ganz fit sein!

Ihren Nachhaltigkeitsbegriff würde ich gerne einmal kennenlernen. Was ist daran nachhaltig, eine Uraltregelung zu überprüfen, um dann zu gucken, ob das noch richtig ist, was wir da machen? Was ist daran so schlimm? Mehr hat die EU nicht vorgeschlagen. Darüber allerdings haben Sie sich aufgeregt, und Sie haben alles Mögliche befürchtet, was da sein könnte. Nein! Hier geht es nur darum, als Schritt 1 eine Bestandsaufnahme und als Schritt 2 eine Evaluierung zu machen, ob das noch zeitgemäß, ob das noch sinnvoll ist. Heute ist nicht nur der Tag, an dem wir aufpassen müssen, dass Schlipse nicht abgeschnitten werden, sondern wahrscheinlich wollen Sie auch aufpassen, dass keine uralten, verfilzten Zöpfe abgeschnitten werden.