Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Ich möchte dies begründen, weil dieser Bericht nicht nur irgendwelche Tabellen und Programme auflistet, sondern fokussiert auf die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt ein Strategiepapier auf Basis belastbarer statistischer Zahlen und Fakten vorlegt. Ich danke auch hier der Senatskanzlei dafür!

Dieser Bericht beschreibt Maßnahmenprojekte im Hinblick auf Teilhabechancen, und ich bin froh darüber, dass hier auch Aspekte der Benachteiligung und Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt benannt werden, diese Aspekte sind früher des Öfteren ausgeblendet worden.

Meine Damen und Herren, dieser Bericht kennzeichnet, ohne zu beschönigen, dass Partizipation in Bremen ungenügend stattfindet und verbesserungswürdig ist, und in Zukunft müssen wir an dem Punkt ansetzen. Was mir häufig fehlt, ist aber die Messbarkeit der Wirkung dieser Maßnahmen: Welche Instrumente sind wirklich effektiv? Welche sind sinnvoll? Welchen Wert beziehungsweise welchen Stellenwert hat die interkulturelle Öffnung wirklich? Welche Möglichkeiten gibt es, auch nicht öffentliche Arbeitgeber dazu zu verpflichten? Wir müssen uns weiter darum bemühen, dass interkulturelle Öffnung nicht zu einem leeren Schlagwort zu werden droht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es wird gehandelt wie ein Allheilmittel, aber ist das wirklich so? Erreichen wir die Zielzahlen, die auf dem Papier stehen, und wenn wir diese nicht erreichen, warum erreichen wir sie nicht? Viel Gutes wird auch über das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm, BAP gesagt, aber was ist das konkrete Ergebnis aller dieser guten Ansätze? All dies sind Fragen, deren Beantwortung ich mir von der zukünftigen Bearbeitung des Handlungsfeldes Beschäftigung erhoffe.

Zentral scheint mir aber die Überlegung zu sein, dass Arbeit und Wirtschaft einander bedingen. Für die Beschäftigungsproblematik ist die Erreichbarkeit der Migrantinnen und Migranten wichtig. Meiner Ansicht nach können hier auch mehr Migrantenorganisationen stärker als bisher ins Spiel gebracht werden. Wir brauchen einen Dialog zwischen den Arbeitgebern und den Gremien der Migranten unterstützende Projekte, Beratungseinrichtungen und natürlich die Jobcenter und die Bundesagenturen für Arbeit.

Zum Schluss möchte ich gern drei Punkte benennen, die mir perspektivisch wichtig erscheinen. Erstens, wir müssen eine Doppelstrategie verfolgen. Wir müssen dieses Thema und diese Ansätze als Querschnitt betrachten, weil der Aufenthalt auch den Zugang zum Arbeitsmarkt bewirkt, aber wir müssen auch zielgruppenorientierte Angebote machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweitens, die Senatskanzlei hat in diesem Papier sehr ausführlich beschrieben, dass die Diversity-Strategien fehlen und wir das genau an der Stelle nachholen müssen, wie es auch in diesem Papier steht, denn nur so kann die zukunftsweisende Öffnung der Bremer Unternehmen gegenüber unserer vielfältigen Gesellschaft erreicht werden.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass das Land Bremen als vorbildlicher Arbeitgeber vorangeht. Das Land Bremen hat das selbst gesteckte Ziel, 20 Prozent Auszubildende mit Migrationshintergrund einzustellen, überschritten,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

wir haben 24 Prozent erreicht, dazu gratulieren wir!

In diesen Bereich fällt aber auch die Notwendigkeit, konsequenter gegen Diskriminierung und Rassismus auf dem Arbeitsmarkt vorzugehen. Hier ist viel zu tun, meine Damen und Herren, gerade auch gegen die unterschwelligen Vorurteile, Klischees und Diskriminierungen.

Als letzter Punkt! Mir ist Folgendes wichtig, uns wird oft gesagt, dass wir systematischer werden sollen, dazu gehört auch, das sind aktuelle Zahlen, dass im öffentlichen Dienst in Bremen 13,8 Prozent Men

schen mit Migrationshintergrund arbeiten, in Bremerhaven sind es sogar 15,6 Prozent: Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern müssen weiterschauen, dass Migrantinnen und Migranten auf allen Verwaltungsund Besoldungsebenen tätig werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss mich dem anschließen, dass ich diesen Bericht nach der Lektüre auch als sehr umfassend, spannend und aufschlussreich einschätze. Ich finde, das ist an der Stelle erst einmal mitzuteilen.

Es gilt ja als ausgemacht – und das ist immer ganz interessant –, dass Bremen einen sehr großen Migrationsanteil hat, so heißt es auch im Bericht. Wenn man sich das dann aber im Vergleich der Großstädte ansieht, ist der Migrationsanteil in Bremen vergleichsweise niedrig. Das sieht man, wenn man die Städte miteinander vergleicht. In München sind es beispielsweise 33,2 Prozent, in Stuttgart 38,6 Prozent, in Frankfurt sogar – ich meine, das ist jetzt weniger erstaunlich – 42,7 Prozent, und hier in Bremen sind es circa 28 Prozent. Das heißt aber, wir haben gefühlt einen Migrationsanteil in Bremen, von dem immer gesagt wird, damit hängen die Probleme in der Schule, Ausbildung und so weiter zusammen. Als hätten wir in Bremen einen besonders großen Anteil Menschen mit Migrationshintergrund! Das ist nicht die Wahrheit, sondern das ist ein Stück weit unser Stadtmythos, mit dem wir immer gewohnt sind umzugehen.

Innerhalb Deutschlands liegen die Kreise, in denen der Migrationsanteil relativ hoch ist, im Süden, Südwesten und natürlich im Rhein-Ruhr-Gebiet. Das hat auch damit zu tun, dass es dort Arbeit gibt, die die Attraktivität dieser Gebiete steigert. Das ist eine hohe Normalität, dass das der Hintergrund ist. Erfolgreiche Migrantinnen und Migranten lassen natürlich auch Migrantinnen und Migranten nachziehen, das ist ja insofern gar keine erstaunliche Erkenntnis.

In Bezug auf den Wettlauf um die Fachkräfte ist in dem Zusammenhang eigentlich deutlich, dass wir diesen Wettlauf für Bremen zum Teil verlieren. Das ist insofern ja nichts besonders Generöses oder Soziales zu sagen, wir müssen uns hier um Menschen mit Migrationshintergrund kümmern, sondern es ist faktisch so, wenn wir den Fachkräftemangel bekämpfen, werden wir ohne Migrantinnen und Migranten nicht auskommen, das ist der wesentliche Punkt.

Folgendes ist Fakt: Die Gesellschaft ist überaltert, wir haben die demografische Entwicklung, und wir

sind natürlich nicht davon ausgegangen, dass man Migrantinnen und Migranten als soziale Belastung definiert, sondern als Bereicherung und als dringend notwendig für die Entwicklung unserer Stadt Bremen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fachwissenschaftlich ist die Frage inzwischen beantwortet worden, was zu gelungener Integration führt und was eigentlich die erfolgreichen Bedingungen sind. Ich muss sagen, die Integration funktioniert unter drei Voraussetzungen:

Erstens, es muss eine rechtliche Gleichstellung geben, da haben wir in Deutschland bekanntlich nach wie vor ein Problem, auch bezüglich der doppelten Staatsbürgerschaft. Wir brauchen zweitens einen guten Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch das ist nicht selbstverständlich und von vornherein gegeben. Drittens – und darauf möchte ich später in meinem Beitrag noch einmal zurückkommen –, die Migrantinnen und die Migranten müssen die Möglichkeit haben, sich selbst zu helfen, einbezogen zu werden und selbst zu agieren und nicht als zu behandelnde Gruppe oder soziale Gruppe oder Schicht gesehen zu werden.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Es ist nicht die Bevölkerung oder der Staat, die integrieren, sondern letztendlich muss dieser Weg von den anderen erleichtert werden, gehen müssen sie ihn aber selbst. Das führt zu einigen der größeren Defizite in Bremen, die in diesem Bericht auch durchaus benannt worden sind. Es wird viel zu wenig dahin orientiert, dass Migrantinnen und Migranten selbst die Führung in der Arbeitsmarktintegration haben. Es gibt bei den Beschäftigungsprojekten, bei den Stadtteilprojekten viel zu wenig migrantisch geführte Träger. Ich rede hier jetzt nicht von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern ich rede von Anleitungsstellen, von Führungspositionen, von Geschäftsführung und so weiter. Das führt letztendlich dazu, dass man diese Chancen und Möglichkeiten ausführt. Migrantisch geführte Betriebe wurden viel zu spät als wichtige Zielgruppe entdeckt, da haben wir immer noch einen enormen Nachholbedarf. Sie werden viel zu wenig unterstützt und auch bezüglich der Ausbildungsplätze viel zu wenig in den Fokus genommen.

Im Bereich des öffentlichen Dienstes, das ist richtig, haben wir Fortschritte gemacht. Die Migrationsquote bei den Ausbildungsplätzen ist enorm gesteigert worden, das finde ich sehr positiv.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Ich muss aber trotzdem sagen, wenn die Hälfte der Kinder und Jugendliche in Bremen einen Migrations

hintergrund hat, dann ist eine Migrationsquote bei Einstellungen von 24 Prozent natürlich immer noch nicht besonders hoch.

(Beifall bei der LINKEN)

Das bedeutet im Klartext, die Chancen für Jugendliche ohne Migrationshintergrund sind im öffentlichen Dienst immer noch dreimal so hoch wie für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Für eine integrationsfreundliche Kommune ist entscheidend, dass Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere auch in den entscheidenden Bereichen, da meine ich zum Beispiel die Polizei – die glänzt nicht gerade, wir haben hier einen Anteil von 4 Prozent –, oder aber auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, also im gesamten Bildungs- und Schulbereich, tätig sind.

(Glocke)

Da würde ich noch einmal die Frage an den Senat stellen wollen, weil das im Bericht als Zahl nicht auftaucht: Wie hoch ist dieser Bereich?

Zum Schluss möchte ich zumindest zwei Sätze dazu sagen, dass wir diesbezüglich viel zu wenig für die Verzahnung von Stadtteilpolitik und Arbeitsmarkt tun. Ich persönlich bin eine Freundin von dezentral und wohnortnah, dass wir dorthin gehen müssen mit unseren Angeboten und Integrationsvorschlägen, wo die Probleme auch sind, und es nicht bei den Jobcentern und Ähnlichem zentralisieren, sondern die Möglichkeit jeweils in den Stadtteilen geben, in denen die Probleme auch sind. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Senat hat uns einen umfassenden Bericht vorgelegt, für den auch ich ausdrücklich danken möchte! Es wird deutlich, dass eine Menge in Bremen getan wird, um Menschen mit Migrationshintergrund den Weg in eine Beschäftigung, in eine Arbeit zu erleichtern. Wirkung haben alle Maßnahmen aber nur, wenn die betroffenen Menschen selbst offen, interessiert und willig sind. Wir können ihnen, wie auch Frau Bernhard schon gesagt hat, mit unseren Angeboten nur ein Stück entgegenkommen.

Die Zahlen des Berichts zeigen leider recht deutlich, dass das Ziel, Migrantinnen und Migranten in Arbeit zu integrieren, noch nicht erreicht ist. Zu viele sind noch ohne Arbeit oder nur gering qualifiziert. Während fast 72 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund einer Arbeit nachgehen, sind es bei denen mit Migrationshintergrund rund 55 Prozent.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch hier, ich erinnere an die Armutsdebatte von heute Morgen, ist natürlich eine Grundlage dafür gelegt, dass später oder auch jetzt schon Armut entsteht.

Nachdenklich muss uns auch die hohe Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund machen, die die Schulen ohne Abschluss verlassen und dadurch dann auch keine Ausbildung machen. All das gibt noch keinen Anlass, zufrieden zu sein. Ich will es einmal mit Ihren Worten sagen, die ich im Bericht gefunden habe, dort steht: Es ist weiterhin dringend nötig, passgenau ausgerichtete Maßnahmen und differenzierte Handlungsansätze zu entwickeln, damit Menschen aus anderen Kulturkreisen erfolgreich in Arbeit vermittelt werden können. Ausruhen ist also nicht angesagt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Ein wichtiger Aspekt in Ihrem Bericht sind die Folgen von Diskriminierungserfahrungen auf die Integration in Arbeit. Diskriminierung wird von denen, die neu in Deutschland oder Bremen ankommen, oft schon in den ersten Tagen in Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder bei potenziellen Wohnungs- oder Arbeitsgebern erlebt. Doch wer sich ungebührlich behandelt fühlt, wird die entsprechenden Orte und Ansprechpartner später ungern und seltener aufsuchen und schon gar nicht Wohlwollen, Unterstützung und Hilfe erwarten.

Solange wir es nicht schaffen, neu ankommende Menschen in Bremen wenigstens in der Ausländerbehörde, aber auch in den anderen Behörden durchgängig kompetent willkommen zu heißen, legen wir uns laufend selbst Steine in den Weg. Alle weiteren Begegnungen werden, wie schon gesagt, durch die ersten Erfahrungen beeinflusst.

Doch auch diejenigen, die hier aufwachsen, machen eigentlich immer Erfahrungen mit Diskriminierungen. Ein ausländischer Name oder ein anderes Aussehen sind aufgrund einer Studie eben nicht nur bei Bewerbungen hinderlich, wie wir ja in den letzten Tagen und auch heute in der Zeitung lesen konnten, sondern oft schon viel früher. Schon im Kindergarten und in der Schule werden durch solche Erfahrungen Grundlagen gelegt, die das Selbstbild maßgeblich mit beeinflussen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, interkulturelle Kompetenzen haben. Gerade die interkulturelle Kompetenz ist aber in verschiedenen publikumsnahen Bereichen noch verbesserungsfähig, das wird auch im Bericht deutlich. In diesem Zusammenhang frage ich mich auch immer wieder, ob es richtig sein kann, dass fast alle Weiterbildungen in diese Richtung freiwillig sind. Doch auch eine ständige Überbelastung des Personals trägt nicht gerade zu einem kundenfreundlichen Arbeitsklima bei,

da können selbst die nettesten Menschen ab und zu einmal die Nerven verlieren.

Ein weiteres wichtiges Feld ist für mich der Übergang von der Schule in den Beruf. In der Schule, aber auch schon im Kindergarten müssen junge Menschen noch viel intensiver auf den Schritt in das Berufsleben vorbereitet werden.

(Beifall bei der CDU)