Protokoll der Sitzung vom 24.09.2014

Abg. Frau Dr. Mohammadzadeh (Bündnis 90/

Die Grünen)*): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe schon lange überlegt, ob ich mich melde oder nicht, aber das Thema reizt mich so, dass ich sehr gern einige Worte dazu sagen möchte! Wir sind uns doch einig darüber, wie zurzeit die Flücht lingsbewegungen – das wurde sowohl von Herrn Hinners als auch von Herrn Dr. Güldner und Herrn Möhle gesagt – und die Krisen in der Welt aussehen. Wir befinden uns in einer Notsituation, und ich fin de, dass wir uns der Notlage und der Krisen in der Welt bewusst sein müssen angesichts der ISIS und der Situation in Syrien und im Irak.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb, finde ich, dürfen wir nicht distanziert mit

der Frage der Flüchtlingsaufnahme umgehen, wir sollten helfen und Flüchtlinge aufnehmen.

Helfen ist, meine Damen und Herren, ein Privileg,

und es steht auch im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet. Schon die Väter und Mütter des Grund gesetzes haben uns diese Verantwortung nicht nur wegen der Nutzung des Vermögens gegeben, sondern weil das Leben in Wohlstand und Sicherheit ebenfalls auch eine Verantwortung gegenüber Völkern und Flüchtlingen mit sich bringt, die sich in Not befinden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb finde ich, wir dürfen – und da schaue ich

in die Richtung der CDU – auf keinen Fall die Tür verschließen. Wir müssen die Tür für die Flücht linge öffnen, die sich auf dem Weg nach Europa, nach Deutschland, nach Bremen machen, egal aus welchem Herkunftsland sie kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde es absolut nicht in Ordnung, dass In

nenminister de Maizière sich in der letzten Zeit sehr kläglich über die Flüchtlingsströme geäußert hat, auch in dem Sinne, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Dass sie ge rechter verteilt werden! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Gerechtere Verteilung hat er gesagt!)

Wir haben hier vor Kurzem auch über Flüchtlinge

aus Lampedusa diskutiert, die sich auf den Weg nach

Europa machen und dabei ertrinken. Allein im Juni waren es 2 200 Flüchtlinge. Insofern finde ich, es liegt in unserer Verantwortung, dass wir die Türen für die Flüchtlingsaufnahme in Europa, in Deutschland grundsätzlich öffnen. Das ist unsere Realität, und deshalb, finde ich, kann man nicht wie vor ein paar Tagen mit einem Asylkompromiss reagieren, indem wir sozusagen eine Gruppe von Menschen mit einer anderen tauschen. Das geht nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Asylrecht ist ein individuelles Recht, das geht nicht!

Ich finde, die Situation ist sehr ernst. Das Kontingent

von 20 000 Flüchtlingsaufnahmen reicht nicht aus, das möchte ich auch in Richtung der CDU sagen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

das Kontingent muss erweitert werden. Das UNHCR hat in der letzten Woche die Situation in diesen Ländern, die Flüchtlingsströme, mit der des Zweiten Weltkriegs verglichen. Der Zweite Weltkrieg ist doch für uns in Deutschland ein Thema, meine Damen und Herren.

Angesichts dieser Situation finde ich, dass es trotz

dieser ganzen Befürchtungen, Konflikte und Schwie rigkeiten, die wir bei der Flüchtlingsaufnahme auch haben, eines engen Schulterschlusses bedarf. Es bedarf der Unterstützung vom Land, von Kommunen, von Beiräten und natürlich auch, wie es von unserem Koalitionspartner und von uns benannt wurde, der des Bundes, wir brauchen also Vorschläge und An gebote, wie wir dieses Problem der Unterbringung meistern können.

Es haben sich viele Menschen aus unterschiedli

chen Stadtteilen beim runden Tisch engagiert und eingesetzt, das ist inzwischen eine wichtige Säule bei der Bewältigung der Aufnahme und Unterbrin gung der Flüchtlinge geworden. Ich bedanke mich dafür bei diesen Bürgerinnen und Bürgern, die das auch weitertragen und sich für die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft einsetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Schluss möchte ich auf unsere ursprüngliche

Idee des Entschließungsantrags zurückkommen! Wir haben das Potenzial, Deutschland und das Bundes land Bremen sind dazu in der Lage, die Flüchtlinge aufzunehmen und durch Angebote zu integrieren. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste Rednerin hat das

Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr ge

ehrte Damen und Herren! Nach dieser vielfältigen Debatte ist es nicht leicht, einen Anfang zu finden, aber ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen und mich bei der Bremischen Bürgerschaft dafür bedanken, dass dieses wichtige Thema für das Bun desland Bremen – und insgesamt auch für die gesamte Bundespolitik – heute an dieser prominenten Stelle auf der Tagesordnung steht. Sie senden damit ein klares Signal für die Aufnahme der Menschen, die aufgrund des Krieges und der Vertreibung auf der Flucht sind. Dafür ein großes Dankeschön, auch im Namen des Bremer Senats!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Jahr 2012 appellierte Herr Staatsrat Frehe

an Wohnungseigentümer in Bremen, dass sie bitte auch an Flüchtlinge zu vermieten, und wenn wir in unseren Erinnerungen zurückgehen, dann war das sozusagen der Startpunkt, an dem wir uns damit auseinandergesetzt haben, dass in Syrien ein fürch terlicher Bürgerkrieg ausbrach, das Land Syrien wird jetzt von Kommentatoren in einem Atemzug mit dem Wort Exodus erwähnt. Wir sehen immer mehr Krisenherde auf der weltpolitischen Landkarte, wenn wir abends die „Tagesschau“, das „heute-journal“ oder andere politische Sendungen anschauen, und seit dieser Zeit ist viel passiert, auch in Bremen und Bremerhaven.

Wir haben massiv mit allen Konsequenzen unsere

Kapazitäten für die Aufnahme von jugendlichen Flüchtlingen, aber auch von Familien und Erwach senen in einer Phase ausgebaut – das habe ich hier schon bei in einer Debatte gesagt! –, in der wir nur noch eine Jugendhilfeeinrichtung für minderjährige Flüchtlinge mit 40 Plätzen in Bremen hatten. Wir hatten auch weniger Übergangswohnheime, deutlich weniger, es war keine Notunterkunft vorhanden, und wir haben darüber gesprochen, wie wir die nicht mehr benötigten Plätze auflösen können. Wir sind mit einer enormen Kraftanstrengung gestartet, nicht nur mein Ressort allein.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal

herzlich bei unserem Team im Referat Zuwanderung in meinem Ressort bedanken. Ich möchte mich aber auch beim Amt für Soziale Dienste bedanken, bei den vielen Kolleginnen und Kollegen, den Menschen die Tag für Tag das Ankommen in Bremen erleichtern und zusammen mit den unterschiedlichsten Senats ressorts ganz eng zusammenarbeiten. Das muss hier auch einmal ganz deutlich gesagt werden!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Frau Grönert hat den Wunsch geäußert, man sol

le noch besser und noch schneller handeln. Frau

Grönert, wir sind in einem enormen Arbeitsprozess eingebunden. Wir haben dieses Thema im Senat von Anfang an für so wichtig gehalten, dass wir nicht nur in unserem Ressort eine übergreifende Struktur installiert haben, sondern auch der Senat hat Strukturen geschaffen, um die Zusammenarbeit zu stärken und Reibungspunkte abzubauen. Ich glaube, das belegen auch die Zahlen darüber- Frau Vogt hat sie ja auch noch einmal vorgelesen –, was wir alles in Bremen geschafft haben, wo wir überall Immobilien gefunden haben, auch von privaten Investoren. Wir haben uns 100 Objekte im Eigen tum von Immobilien Bremen – ich schaue einmal in Richtung von Herrn Staatsrat Strehl und in Richtung Senatsbank – sie bewertet und zum Teil hergerichtet haben: alte Schwesternwohnheime zum Beispiel, und auch aus den Beiräten kamen Vorschläge. Das ist eine enorme Kraftanstrengung. Bremen kann das, Bremen hat das umgesetzt und Bremen wird das auch weiterhin tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es wurde von Herrn Möhle angesprochen, dass

Bremen noch keine Zelte aufgestellt hat, und das ist auch gut so. Wir wollen weiter daran arbeiten, dass wir das nicht tun müssen. Die von uns erfundene – das wäre vielleicht etwas zu hoch gegriffen – Idee der Wohnungsvermittlung, die wir installiert haben, hat uns 10 bis 20 Übergangswohnheime in Bremen erspart. Bis heute konnten wir Wohnraum für 700 Menschen vermitteln, und wir wollen in diesem Jahr 900 Menschen Wohnraum vermitteln. Das ist ein vielversprechender Weg, den wir weitergehen wollen.

Es muss in Bremen auch weiter gebaut werden, das

hat der Senat auf der Tagesordnung, und mit dem Senatsbauprogramm wird man natürlich auch die Unterbringung von Flüchtlingen weiter vorantreiben müssen. Die Menschen sind hier angekommen, und die meisten Menschen werden auch hier in Bremen bleiben. Deswegen ist es wichtig, dass wir nicht nur die Themen Unterbringung und Sprachkurse diskutieren, denn Integration heißt deutlich mehr: Wir müssen das Ankommen in unserer Gesellschaft organisieren, in den Schulen, in der Bildung und in den Kitas. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute über dieses Thema hier sprechen.