Protokoll der Sitzung vom 22.10.2014

Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht noch einmal ausführlich werden. Herr Röwekamp, ich nehme Ihnen gern ab, dass Sie aufgrund Ihrer ethischen Reflexion und ihrer verfassungsrechtlichen Reflexion zu dem Standpunkt kommen, so eine Liberalisierung des Gesetzes nicht für gut zu halten und abzulehnen. Ich respektiere es ausdrücklich, dass Sie für sich zu diesem Ergebnis kommen. Wozu ich Sie aber auffordere, ist, dass Sie allen anderen in diesem Haus, die es anders sehen als Sie, nicht absprechen, auf dem gleich hohen ethischen und verfassungsrechtlichen Niveau wie Sie reflektieren und ihre Entscheidungen treffen zu können! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat

das Wort Herr Senator Dr. Lohse.

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ge setzesentwurf zur Änderung des Friedhofs- und Bestattungswesens, über den Sie heute hier be schließen möchten, sieht vor, dass künftig die Asche Verstorbener auch auf privaten Grundstücken oder gesondert ausgewiesenen öffentlichen Flächen aus gebracht werden darf.

Auslöser für dieses Gesetzgebungsverfahren war

der Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 12. Juni 2013, das Bremer Bestat tungsrecht zu novellieren und individuelle Bestat tungsformen zu ermöglichen. Den konkreten Auftrag zur Erarbeitung des Gesetzentwurfs in seiner jetzigen Form hat die Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung und Energie meinem Ressort am 29. Juli 2014 erteilt.

Viel intensiver als bei den meisten anderen The

men, die uns in diesem Haus beschäftigen, ist die Gesetzesinitiative nicht nur zwischen den politischen Fraktionen, sondern in der gesamten bremischen Gesellschaft diskutiert worden. Dabei wurde of fenkundig, dass die Menschen die Frage nach der Zulässigkeit einer Beisetzung von Totenasche au ßerhalb von Friedhöfen tief bewegt.

Sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer

Lockerung des bisherigen Friedhofszwangs haben ihre Argumente mit großer Ernsthaftigkeit vorgetra gen. Dabei haben alle Seiten immer wieder betont, wie wichtig ihnen die Wahrung eines pietätvollen Rahmens sowie die Würde der Verstorbenen sei.

Letztlich war eine Abwägung zu treffen zwischen

der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes, aus dem von Verfas sungsrechtlern, Herr Röwekamp, ein postmortales Verfügungsrecht abgeleitet wird. Demnach können Freiheitsbetätigungen des Menschen auch eine Wir kung über den eigenen Tod hinaus haben und sind insofern auch zu berücksichtigen, weil sie den Kern menschlicher Freiheit betreffen. Auf der anderen Seite wurden Argumente gegen die Privatisierung von Tod und Trauer vorgetragen, zum Beispiel die Argumente, der Ort der Trauer möge öffentlich zu gänglich sein, die Privatisierung oder Individualisie rung, wie man wahrscheinlich richtiger sagen muss, stelle eine öffentliche Erinnerungskultur infrage und werde der Einzigartigkeit und der Menschenwürde der Verstorbenen nicht gerecht.

Letztlich muss man politisch entscheiden, wie man

ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Weltanschauungen, die hier für sich mit durchaus berechtigten Argumenten begründet werden, ermög

lichen möchte. Dabei zeigt mir auch die heute hier geführte Debatte, dass es der Mehrheitswille dieses Hauses ist, dem Wertewandel unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen und nach intensiver Abwägung aufgrund des postmortalen Verfügungsrechts über den eigenen Körper neue Bestattungsformen, die bisher nicht zulässig waren, zu ermöglichen.

Zugleich werden mit dem Gesetzesentwurf Vor

kehrungen getroffen, die einem von manchen Sei ten befürchteten Missbrauch der neuen Regelung entgegenwirken sollen. Diese Regelungen sind ge nannt worden. Eine Regelung ist die zu Lebzeiten ausgestellte schriftliche Verfügung der verstorbenen Person, die sie meinem Empfinden nach gerade nicht zur Verfügungsmasse macht. Es muss daraus hervorgehen, an welchem Ort das Ausstreuen der Asche gewünscht wird, und es muss die Person zur Totensorge bestimmt sein, die für die wunschgemäße Bestattung sorgen soll.

Die Ausstreuungsorte sind von den Vorrednerinnen

und Vorrednern genannt worden. Mir ist noch wich tig, dass nach erfolgter Ausbringung die Person, die von dem Verstorbenen zur Ausführung ihres letzten Wunsches benannt wurde, durch eidesstattliche Ver sicherung mitteilen muss, dass sie die Ausbringung entsprechend der erteilten Zustimmung ausgeführt hat. Durch die eidesstattliche Versicherung wird auch deutlich, dass ein Missbrauch dieser Bestattungsform strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Ich bin der Überzeugung, dass die nun gefunde

ne Lösung dem intensiven Wunsch von Teilen der Bevölkerung nach einer Lockerung des bisherigen Friedhofszwangs Rechnung trägt, dabei jedoch auch die Balance der traditionellen Wertevorstellungen wahrt. Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetzesentwurf zuzustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen

liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über

das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Freien Hansestadt Bremen, Drucksache 18/1581, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und BIW)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt

das Gesetz in erster Lesung.

Mittelrückfluss und Umwidmung in Verwaltungs

kosten bei Jobcentern stoppen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

vom 7. Oktober 2014

(Drucksache 18/1572)

Wir verbinden hiermit:

Auskömmliche Budgets und Planungssicherheit

für Jobcenter

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/

Die Grünen

vom 21. Oktober 2014

(Drucksache 18/1603)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Pro

fessor Stauch.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete