Protokoll der Sitzung vom 22.10.2014

die Nähe dessen, aber das ist wirklich dann ein Punkt unter vielen, was Sie angesprochen haben. Wir haben in unserer Sitzung im November 2013

beschlossen, dass die Verantwortung für die Ge währung von Asyl in Europa gemeinsam getragen werden muss, Staaten, in deren Hoheitsgebiet etwa die auf See geretteten Personen an Land gehen, fällt nicht automatisch die alleinige Verantwortung zu. Das Abkommen von Dublin muss grundlegend geändert werden, vorrangig durch Einführung einer Klausel für Mechanismen solidarischen Ausgleichs zwischen den Mitgliedstaaten. Das ist der Kernpunkt, aber das ist auch wiederum sehr viel umfassender als der Punkt, den Sie aufgeschrieben haben.

Wir haben am vergangenen Montag vor einer

Woche im Europa Punkt zusammengesessen und diskutiert. Der Innensenator war dabei und hat ge sagt – zugespitzt, aber es ist wohl die Tatsache! –, Dublin III ist tot. Warum? Es ist so, dass einige Staaten, und das sind vor allem Griechenland und Bulgarien, faktisch nichts mehr tun, weil dort auch die ökono mischen und verwaltungsmäßigen Bedingungen nicht vorhanden sind. Die Menschen reisen weiter, wir schicken Sie auch nicht dorthin zurück. Das ist auch gut für die Flüchtlinge, aber dennoch kann es nicht so bleiben, dass einige Länder der Europäi schen Union einfach durch eigenen Beschluss die Verantwortung nicht mehr wahrnehmen. Dagegen muss man etwas machen.

Zweitens, Italien sagt, wir haben große Belastungen

natürlich, sie sind Mittelmeer-anrainer, das kann man verstehen, das ist nicht einfach, wenn man sieht, wie viele Menschen Tag für Tag dort ankommen –, wir brauchen Hilfe! Sie bekommen die Hilfe nicht, deshalb machen sie praktisch etwas, das auch nicht in den Verträgen steht, Sie lassen die Menschen einfach weiterreisen. Sie kommen dann in anderen Ländern an, und die wiederum sagen dann, nein, wir schließen die Grenzen. Mit dieser Entwicklung ist, wenn es so weitergeht, das europäische Asyl system zerstört, und das dürfen wir nicht zulassen, und deswegen brauchen wir neue andere Regeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Diese neuen anderen Regeln, ich will jetzt wegen

der Zeit nicht von den neuen anderen Zuwanderungs regelungsmöglichkeiten reden, zum Beispiel über das humane Visum, sondern nur über die Regeln dieses solidarischen Ausgleichs. Wir brauchen auch eine finanzielle Unterstützung der Anrainerstaaten, vor allem des Mittelmeers, die das nicht allein schultern können. Das finde ich richtig. Wir brauchen auch einen Ausgleich über die endgültige Aufnahme der Flüchtlinge durch Absprachen zur Aufnahme. Es ist ja nicht so, dass man jetzt umverteilen muss, sondern es geht darum, dass wir die aufgrund der Konflikte absehbar weiterhin ankommenden Men schen aufnehmen können. Den Gedanken, dass alle bereit seien müssen, einen Teil aufzunehmen, finde ich richtig, aber das ist nur ein Teil des Gedankens.

Drittens: Wir brauchen unbedingt eine Unterstüt

zung und auch eine Verpflichtung der Staaten, die gegenwärtig untätig sind, damit auch sie sich endlich in die Lage versetzen, Asylpolitik zu machen.

Der Antrag zur gemeinsamen humanen europä

ischen Flüchtlings-, Asyl-, und Migrationspolitik von vor einem Jahr war gut, er hat die Entwicklung auch vorausgesehen, und statt diesen einen kleinen Punkt, den die CDU beantragt hat, zu unterstützen, bitten wir Sie heute um die Unterstützung für das Gesamtkonzept. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das

Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Herr Präsident, meine

Damen und Herren! Herr Dr. Kuhn, Sie haben uns ja wenigstens Kreativität bescheinigt, die haben Sie uns ja gestern in der Debatte um Smart City abge sprochen, also von daher vielen Dank!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü nen]: Ich wollte ja freundlich sein! Ich hätte es auch anders formulieren können!)

Okay, ja, danke!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber ihr habt ja die gleiche Kreativität an den Tag gelegt!)

Wir als CDU-Fraktion wollen, dass Bremen sich

auch für eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in der Europäischen Union einsetzt. Das würde dazu beitragen, dass in Deutschland und auch in Bremen insgesamt prozentual weniger Flüchtlinge ankämen als bisher, das heißt nicht, dass es insgesamt weniger Menschen wären.

(Zurufe: Nein!)

Das haben Sie nicht verstanden? Wenn die Flücht

linge besser auf die EU verteilt werden würden, hät ten wir prozentual gesehen weniger aufzunehmen. Wenn die Flüchtlingszahl steigt, dann hätten wir natürlich vielleicht mehr Menschen als wir heute haben, aber im Verhältnis eventuell weniger, wenn die ganze EU sich da solidarischer zeigen würde. Angekommen? Gut!

Wir wären zumindest dann eher in der Lage, uns

um die, die kommen, angemessen und auch nach unseren Vorstellungen und Standards zu kümmern. Bislang wird jeder zweite Flüchtling in der EU von Schweden und Deutschland aufgenommen. In den Jahren 2013 und 2014 steht Deutschland bei den absoluten Zahlen an der Spitze der europäischen Länder, den zweiten Platz nimmt Frankreich ein und

den dritten Platz Schweden. In Zahlen heißt das: In Deutschland im Jahr 2013 knapp 110 000 Asyler stanträge bearbeitet worden, in Frankreich 65 000 und in Schweden 54 000 Anträge. Gemessen an der Einwohnerzahl haben zwar, worauf manche gern hinweisen, vier Länder, nämlich Schweden, Malta, Zypern und die Niederlande, mehr Flüchtlinge als Deutschland aufgenommen, doch die Einwohnerzahl eines Landes sollte nicht das einzige Kriterium für eine Flüchtlingsaufnahme sein.

Diese Tatsache ändert auch nichts an einer anderen

für mich auch eher traurigen Realität, nämlich dass die vier Länder Portugal, Spanien, Griechenland und Italien gemeinsam genauso viele Asylanträge bearbeitet haben wie in Deutschland allein NordrheinWestfalen und Bayern, nämlich circa 40 500 Anträge.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]. Würden Sie bitte berücksichtigen, dass die Länder eine unterschiedliche Wirtschaftskraft haben?)

Ja, das kommt noch, danke!

Sicher würde sich als Richtschnur für eine gerech

tere Verteilung von Flüchtlingen in der EU ebenfalls der in Deutschland angewandte Königsteiner Schlüs sel empfehlen, wobei ich mich wirklich nicht allein frage, ob eine Verteilung rein nach Steuereinnahmen und Einwohnerzahl auf Dauer wirklich sinnvoll ist. Gerade für Stadtstaaten wie Bremen wären noch andere Kriterien wichtig, nämlich die Fläche oder die Arbeitslosen- und Armutsquote. Deshalb freue ich mich auch über die, die sich bereits für ein ge rechteres Verteilungssystem auch innerhalb der Bundesrepublik einsetzen, denn die Flüchtlinge und Bremen würden davon profitieren.

(Beifall bei der CDU)

Nun aber zurück zur EU! Sollte es dort doch ir

gendwann gelingen, ein gemeinsames besseres Zu teilungssystem zu etablieren, das Deutschland nicht stärker fordern würde als andere EU-Länder auch, dann könnte sicher auch getrost auf viele der bishe rigen, oft strittigen Regelungen verzichtet werden. Selbst wenn Deutschland aufgrund seiner größeren Wirtschaftskraft trotzdem eine höhere Flüchtlingszahl aufnehmen würde als die meisten anderen EU-Länder, so wären die Zahlen höchstwahrscheinlich trotzdem niedriger als heute.

Es gibt aber leider bis heute viele Länder in der

EU, die von Flüchtlingen kaum angesteuert werden und die der Ländergemeinschaft auch bei den zur zeit rasant steigenden Zahlen keine Hilfe anbieten.

Das kann auf Dauer nicht so bleiben, genauso

wenig wie die Tatsache, dass einige EU-Länder menschenverachtend mit Flüchtlingen umgehen und einfach keine funktionierenden Asylsysteme aufbauen.

Es ist somit sehr wichtig, wenn wir eine gerechtere

Aufnahme von Flüchtlingen in allen EU-Ländern fordern, auch immer für annähernd gleiche Stan dards im Umgang mit ihnen einzutreten. Vor Ort zu treffende Entscheidungen müssen sich dabei stets am Wohl aller Beteiligten orientieren, an dem der Flüchtlinge ebenso wie an dem der bereits vor Ort wohnenden Menschen. Wer allerdings zu einer Ländergemeinschaft wie der EU gehört, trägt eine große Verantwortung und sollte eigentlich selbst verständlich und unaufgefordert solidarisch und menschenwürdig handeln.

Deutschland sollte seine Stimme weiter erheben

und von den anderen EU-Mitgliedstaaten mehr Be wegung einfordern. Übrigens müsste Deutschland nach Aussage des Flüchtlingsforschers Olaf Kleist von der Universität Oxford bei einem EU-Verteilsystem mit Anlehnung an den Königsteiner Schlüssel nur noch etwa 17 bis 18 Prozent der Asylanträge der EU bearbeiten statt wie bisher 30 Prozent. Ich verstehe wirklich nicht, dass wir oft genug auch in Bremen immer wieder darüber diskutieren, unsere Grenzen für mehr Flüchtlinge zu öffnen und dabei andere Staaten doch gefühlt ab und zu einmal aus der Ver antwortung zu entlassen.

Deutschland tut viel für Flüchtlinge, auch Bremen

tut viel, aber wir schaffen das nicht allein. Darum bitten wir auch um Zustimmung zum zweiten Punkt in unserem Änderungsantrag, nämlich auch aus Bremen heraus Deutschland dabei zu unterstützen, sich auf EU-Ebene für eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten einzusetzen und gleichzeitig auf die Etablierung eines menschenwürdigen Umgangs mit aufzuneh menden Flüchtlingen nach verbindlichen Richtlinien zu achten. Im Grunde, Herr Dr. Kuhn, widerspricht das nicht so sehr dem, was Sie gesagt haben, bis auf vielleicht auch die Wege dahin, aber ich denke, das grundsätzliche Anliegen kann man durchaus vergleichen, würde ich jetzt sagen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü nen]: Sonst hätten sie ja damals zugestimmt! – Glocke)

Nein! Ihr Änderungsantrag, den Sie jetzt einge

bracht haben, ist ja im Wesentlichen der Antrag vom November 2013, das ist genau derselbe. Den haben wir damals aus verschiedenen Gründen abgelehnt, das machen wir heute auch,