Protokoll der Sitzung vom 19.11.2014

Bezüglich des Übergangsmanagements haben wir im Rahmen des Rechtsausschusses schon einige Dinge gehört und uns darüber in positiver Form in Kenntnis setzen lassen, dass dem ebenfalls deutlich nachgekommen wird.

Nun habe ich die ganze Zeit über die CDU gesprochen, jetzt komme ich zu den Anträgen der LINKEN, die ich der Form nach insgesamt besser fand, weil man sie auch besser nachvollziehen konnte, das möchte ich hier einfach einmal mitteilen. Dennoch waren sie leider auch zu spät. Wir können ja jetzt be

raten, was wir tun wollen. Sie sind eben sehr auf dem „Resozialisierungsgebot“ herumgeritten, Herr Erlanson, was schon fast den Eindruck machte, als würde diesem Gebot in keiner Weise Rechnung getragen von dem vorliegenden Gesetzesentwurf, über den wir heute hoffentlich in zweiter Lesung beschließen werden.

Wie eben schon gesagt, gibt es das Übergangsmanagement, und das führt dazu, dass hoffentlich ein fließender Übergang in ein Leben ohne Straffälligkeit vollzogen werden kann. Dazu passt auch nicht – und das fand ich einen ganz guten Ansatz von Ihnen, Frau Dogan –, dass Sie sagen, die Arbeitspflicht dient ja auch der Resozialisierung. Wenn Sie die eigentlich nicht haben wollen, sondern nur auf Antrag des Insassen, dann wird es ihm im Grunde fast anheimgestellt, ob er gern arbeiten möchte oder nicht. Bei einer Resozialisierung muss aber jedem klar sein, dass er für seinen Lebensunterhalt arbeiten muss, und dass er das nicht erst auf Antrag macht, sondern weil er Geld braucht, sonst hat er eben keines. Das, finde ich, muss dann auch entsprechend im Vollzug durchgeführt werden.

Sie sprachen dann noch über Wohngruppen, Besuche, Freigänge, Hafturlaube, und da meine ich auch, dass es schon richtig ist, hier ein Regelausnahmeprinzip durchzuführen, was die Zehn-Jahres-Frist anbelangt. Wir haben viel darüber gesprochen – auch koalitionsintern – was jetzt richtig ist. Erst haben wir gesagt, fünf Jahre wären per se besser. Ich halte es aber auch für absolut falsch, dies nur nach zehn Jahren durchzuführen, denn das würde den Fall einer langen Strafe nicht mit einschließen. Wenn sich zum Beispiel eine Ehefrau nach jahrelangem Martyrium irgendwann entschließt, ihren Ehemann umzubringen, weil sie nicht mehr anders kann, dann hat sie natürlich jemanden umgebracht und bekommt eine lange Haftstrafe, aber den Umständen muss auch irgendwie Rechnung getragen werden.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ist nicht er- laubt!)

Ich habe damit jetzt auch keine Absolution erteilt.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ach so!)

Nichtsdestotrotz ist das ein Einzelfall, auf den eingegangen werden muss. Ich meine, dass dies innerhalb dieser Regelung aufgenommen werden kann. – Weiteren Zwischenrufen sehe ich gern entgegen, Herr Röwekamp.

Dieses Regel-Ausnahme-Prinzip gibt es noch an anderer Stelle. Dabei geht es um bestimmte Deliktgruppen, für die eine Lockerung ebenfalls nicht per se nicht möglich sein soll. Das wird, finde ich, auch falsch dargestellt. Hierbei wird auch geschaut, um wen es persönlich geht. Diese Einzelfallbetrachtung, wie sie der

Gesetzentwurf jetzt vorsieht, ist eine gute Sache, denke ich.

Damit möchte ich meinen Beitrag von wohl deutlich über fünf Minuten beenden.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Piontkowski das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schwierig, ein Gesetz, das über 100 Paragrafen hat, in einer FünfMinuten-Debatte darzulegen. Deswegen ist mein Redebeitrag notwendigerweise zerstückelt.

Ich möchte noch einmal betonen, dass der Strafvollzug unseres Erachtens nicht ohne die Belange der Opfer und den Blick hierauf gesehen werden kann. Es war die CDU-Fraktion, die im Rechtsausschuss angeregt hat, auch eine Stellungnahme des Weißen Rings einzuholen. Mein Kollege Hinners hat das extra angeführt. Ich finde, diese sollte berücksichtigt werden.

(Zuruf des Abg. H i n n e r s [CDU])

Sie haben es gesagt, aber Frau Peters-Rehwinkel hat es anders dargestellt. Ich wollte das an dieser Stelle klarstellen.

Ich möchte auf den Änderungsantrag der LINKEN bezüglich der Zehnjahresfrist zurückkommen. Stellen Sie sich einmal vor, ein Opfer einer Straftat – nehmen wir das Opfer eines versuchten Mordes – hat überlebt, und es begegnet nach fünf Jahren dem Täter auf der Straße. Was soll man denn diesem Opfer sagen? Oder was soll man den Angehörigen eines Mordopfers sagen, wenn sie dem Täter schon nach fünf Jahren auf der Straße begegnen? Ich finde, Strafe muss immer noch Strafe bleiben!

(Beifall bei der CDU)

Nicht umsonst ist die Strafprozessordnung geändert worden. Paragraf 406 d StPO besagt, dass eine Information über erneute Vollzugslockerungen erfolgt, wenn das Opfer dies wünscht. Deswegen ist es mir so wichtig, den Opferschutzgedanken im Strafvollzugsgesetz zu implementieren.

Gleichwohl sind für uns Therapie und Resozialisierung sehr wichtig. Allerdings sollte, wenn man eine Therapie macht, diese nicht von der Bezahlung abhängen. Hier setzt auch unsere Kritik an dem Entwurf an, den Sie geschrieben haben. Würden die Gefangenen dafür bezahlt, dass sie eine Therapie machen, könnte hierdurch ein falscher Eindruck bei ihnen entstehen. Wenn Sie die Verhältnisse im Vollzug denen außerhalb des Vollzugs weitgehend anpassen wollen, dann bedeutet das für mich auch, dass an einer Therapie nicht gegen Entgelt teilgenommen wird. Au

ßerhalb des Vollzugs muss man sogar noch für sie bezahlen!

Eine weitere Kritik unsererseits betrifft die Kommentierung des Gesetzes. In der Begründung wird davon gesprochen, dass Sozialtherapie nur dann durchgeführt werden soll, wenn ausreichend Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind. Es gibt circa 165 Gefangene, die Ausländer sind. Viele sprechen auch Deutsch, aber es gibt immer auch einige, die durch das Raster fallen. Sollen wir dann Gefangene erster und zweiter Klasse haben? Meines Erachtens nicht. Ich finde, man kann aus der Vorgehensweise der der Forensik durchaus lernen. Dort wird wie folgt vorgegangen: Entweder müssen die Gefangenen entsprechend ertüchtigt werden, oder es müssen Therapien gewählt werden, bei denen es auf die Sprachkenntnisse nicht ankommt.

Was die Arbeitspflicht anbelangt, so halten auch wir es für sinnvoll, dass diese weiterbesteht. Im Übrigen will ich an die Adresse der LINKEN sagen: Auch die Gefangenen finden die Arbeitspflicht gut. Sie sagen nämlich: Dann werden uns auch Angebote geschaffen, sodass es Arbeit gibt. Ich habe selber mit mehreren Gefangenen hierüber gesprochen.

Nun zum Wohngruppenvollzug! Auch hierzu liegt ein Änderungsvorschlag der CDU vor. Wir sagen, dass die Teilnahme am Wohngruppenvollzug nicht, wie es leider in der Begründung steht, davon abhängig gemacht werden darf, dass jemand keine altersgerechten sozialen Kompetenzen hat. Auch diejenigen, die über entsprechende soziale Kompetenzen verfügen, sollten in den Wohngruppenvollzug aufgenommen werden; denn sonst verlieren sie diese bis zum Ende ihrer Haftzeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Sinn des Gesetzes sein sollte.

Abschließend will ich noch sagen, dass ein Strafvollzugsgesetz nur so gut sein kann wie seine praktische Umsetzung. Wenn wir uns hier über den Strafvollzug streiten, dann streiten wir uns meistens über die praktische Umsetzung. Ich möchte an eine Debatte erinnern, die wir zur Bildungssituation in der Justizvollzugsanstalt geführt haben. Ich habe mich extra noch einmal erkundigt, ob sich inzwischen etwas gebessert hat. Das ist leider nicht der Fall. Im nächsten Jahr geht eine weitere Lehrerin in Pension, ohne dass diese ersetzt wird. Höhere Schulabschlüsse können nicht gemacht werden. Im Frauenvollzug gibt es keine interne Beschulung oder berufliche Qualifizierung. Eine Berufsausbildung – ich erwähnte es bereits – ist in der JVA nicht möglich. Die Qualifizierungsbausteine könnten durchaus erweitert werden. Berufsbegleitender Unterricht: Fehlanzeige! Sprachkurse, PC-Unterricht, Deutsch und Mathematik im Beruf, politische Bildung, Bewerbungstraining – in allen diesen Bereichen bestehen erhebliche Mängel.

Alles, was Sie vorgeschlagen haben, ist personalintensiv. Sprechen Sie mit den Mitarbeitern. Die werden Sie fragen, wie das funktionieren soll. Im Mo

ment hat man noch die Leute, die aus Bremerhaven kommen und temporär in Bremen eingesetzt sind. Was ist, wenn die Sozialtherapie erst einmal eingerichtet ist? Dann werden Psychologen gebraucht. Schon jetzt – das haben wir in der Anhörung erfahren – fehlt es an Psychologen. Was ist mit den Sozialarbeitern? Auch diese fehlen bereits. Gruppenangebote werden teilweise von Gefangenen nur als Alibi wahrgenommen. Die Drogentherapie ist auch Mangelware. In Schreiben an die Gefangenenzeitung können Sie lesen, dass Junkies ihre Süchte in der JVA uneingeschränkt ausleben können. Ich finde, auch das ist ein Alarmsignal. (Glocke)

Wir müssen, wenn wir vom Strafvollzugsgesetz sprechen, immer auch die tatsächliche Seite mit im Blick haben. Insoweit fordere ich auch den Justizsenator auf – er ist Gott sei Dank hier und wird zu diesem Thema sprechen – –.

(Unruhe bei der SPD)

Sonst ist immer nur der Staatsrat da; jetzt ist der Justizsenator leibhaftig da und kann uns bestimmt sagen, was er dazu beitragen wird, dass bessere Bedingungen geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat Herr Kollege Erlanson das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst eine Anmerkung zur CDU: Frau Piontkowski hat gerade auf die Personalknappheit hingewiesen. Das, was sie gesagt hat, teilen wir als LINKE voll und ganz.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Logisch!)

Das haben wir von den Beschäftigten auch so bestätigt bekommen. Um noch einmal auf unseren Änderungsantrag zurückzukommen: Gerade deswegen wollen wir in Ziffer 4, beim Wohngruppenbezug, eine kleine Streichung vornehmen. Im Gesetzentwurf heißt es jetzt, dass beim Wohngruppenvollzug der Wohngruppe in der Regel ausreichendes Personal beigeordnet werden muss. Wir wollen die Worte „in der Regel“ streichen, weil die Anstalt rückgemeldet hat, sie habe in der Regel nicht das Personal dazu, obwohl es eigentlich, um tatsächlich einen Therapieerfolg zu erzielen, nötig wäre, dass den Wohngruppen feste Mitarbeiter zugeordnet werden. – Das ist der eine Punkt!

Zweitens. Wir haben positive Anhörungen gehabt, die ich nicht missen möchte, weil ich dabei sehr viel gelernt habe. Ich denke, es war auch gut, dass wir

sie als Parlament durchgeführt haben und dass nicht nur ich mich als Einzelperson kundig gemacht habe. Ich möchte den Verein Bremische Straffälligenbetreuung zitieren. Zur zweiten Anhörung hat dieser geschrieben – ich zitiere –: „Zu dem Referentenentwurf aus dem Hause des Justizsenators haben unter anderen der Verein Bremische Straffälligenbetreuung, der Kriminalpolitische Arbeitskreis Bremen, die Vereinigung Niedersächsischer und Bremer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e. V. sowie die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen schriftliche Stellungnahmen abgegeben. Von den darin enthaltenen Vorschlägen hat aber leider lediglich die Forderung nach Verkürzung der Diagnose Berücksichtigung gefunden.

Des Weiteren stellen wir Verschlechterungen bei der Besuchsregelung in Paragraf 26 fest. So wurde die im Referentenentwurf in Absatz 1 formulierte Besuchsregelung, dass sich bei den Besuchen von Kindern unter 14 Jahren die Gesamtdauer um weitere zwei Stunden erhöht, im Senatsentwurf auf eine Stunde reduziert und so weiter. Das heißt also, die Praktiker aus den Verbänden haben sich nachdrücklich beschwert, dass all das, was sie in der Anhörung vorgebracht haben, keinerlei Berücksichtigung in dem Referenten- beziehungsweise dann in dem Senatsentwurf fand. Aus diesem Grund haben wir viele der Forderungen, die DIE LINKE aufgeführt hat, auch in Diskussionen mit diesen Vereinen ein Stück weit übernommen, weil wir sie für sinnvoll gehalten haben.

Ich will noch einmal auf ein, zwei Punkte zu sprechen kommen, die Thema in der Diskussion waren. DIE LINKE hat deutlich gemacht, wir sind dagegen, dass es eine Arbeitspflicht gibt. Als Begründung dazu möchte ich noch einmal sagen, es mag in der BRD Zeiten der Vollbeschäftigung gegeben haben, in denen es vielleicht sinnvoll gewesen ist, wenn es Strafgefangene gegeben hat, die an Arbeit nicht gewöhnt waren, zu versuchen, diese Menschen durch einen gewissen Arbeitszwang innerhalb des Vollzugs auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Ich finde, heute sieht es ganz anders aus. Worauf wollen Sie die Gefangenen denn vorbereiten? Wollen Sie sie auf Hartz IV, auf den zweiten, auf den dritten oder auf den vierten Arbeitsmarkt vorbereiten?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist doch zynisch!)

Ich glaube, dazu bedarf es keiner Einübung innerhalb der Anstalt, das haben auch viele der Experten gesagt. Das ist der eine Punkt, dass wir sagen, eine Arbeitspflicht sollte es nicht mehr geben. Wir haben gesagt, es sollte eine Arbeitspflicht aus therapeutischer Sicht geben, wenn sie aus dieser Sicht angeordnet wird, und das soll natürlich auch dann passieren – in Richtung Frau Piontkowski –, wenn Strafgefangene sagen, wir möchten das gern tun. Wir sagen aber, es macht keinen Sinn, in der Anstalt für den drit

ten oder vierten Arbeitsmarkt irgendwelche Übungen zu veranstalten, das ist Unsinn.

Der andere Punkt, den ich noch einmal nennen möchte: Es wurden hier noch einmal die Lockerungen des Vollzugs diskutiert, das mit den fünf und zehn Jahren, dazu möchte ich auch gern noch sagen, Frau Peters-Rehwinkel hat die Frauen angeführt, und eigentlich ist es genau andersherum, als Sie es geschildert haben. Herr Joester von der Bremer Rechtsanwaltskammer hat das auch noch einmal ganz deutlich gemacht, dieses Hochhalten dieser zehn Jahre ist gerade frauendiskriminierend, weil Frauen in der Regel – –.

Wenn die Frau – ich spinne das Beispiel weiter – ihren Ehemann loswerden muss, dann gibt es sehr häufig, weil sie ihm in der Regel nicht offen gegenübertreten kann, eine Mordanklage wegen Heimtücke. Das heißt, diese Frauen würden mit Ihrer Forderung bezogen auf die zehn Jahre überhaupt nicht in den Genuss von Lockerungen kommen, weil sie sowieso nach fünf Jahren in der Regel entlassen werden.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU] mel- det sich zu einer Zwischenfrage.)

Wer nicht in den Genuss von Lockerungen kommen kann, obwohl er sich entsprechend der Norm verhalten hat, der wird auch nicht auf das spätere Leben in Freiheit vorbereitet. Genau das ist der Punkt, die meisten Praktiker, die ich eben zitiert habe, waren alle der Meinung, man sollte die Lockerungsfrist auf fünf Jahre herabsetzen, auch wenn Sie das anders dargestellt haben. Der nächste Punkt – –.

(Glocke)

Moment, ich schaue noch einmal, was am Wichtigsten ist.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war nicht die Pausenglocke!)