Protokoll der Sitzung vom 20.11.2014

Stimmenthaltungen?

(CDU und DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung für eine Mittagspause und möchte die Sitzung um 14.45 Uhr wiedereröffnen.

(Unterbrechung der Sitzung 13.14 Uhr)

Vizepräsidentin Schön eröffnet die Sitzung wieder um 14.45 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Situation der Familienhebammen im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 15. Juli 2014 (Drucksache 18/1488)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 9. September 2014

(Drucksache 18/1540)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/1540, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Stahmann, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Ich gehe aber davon aus, dass auf die Antwort des Senats auf die Große Anfrage eine Aussprache erfolgen soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als Erste hat Frau Kollegin Ahrens, CDU-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Familienhebammen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Kindeswohlsicherungssystems hier im Land Bremen. Für jene, die sich mit diesem Thema bisher noch nicht sonderlich beschäftigt haben: Sie unterstützen insbesondere minderjährige Schwangere, junge Mütter aus sozial schwierigen Verhältnissen, Familien, in denen die Eltern psychische Erkrankungen haben, und natürlich auch Familien mit einer Suchtproblematik. Kurz zusammengefasst: Sie betreuen die Familien in sehr schwierigen sozialen Verhältnissen. Ihnen – ich denke, insoweit spreche ich fraktionsübergreifend für alle – gebührt unser aller herzlicher Dank für die geleistete Arbeit. interjection: (Beifall)

Im Lande Bremen werden die Familienhebammen zum einen über die beiden kommunalen Gesundheitsämter und zum anderen über den Bund – in diesem Fall für einen definierten Teilausschnitt von Familien über die Bundesinitiative Frühe Hilfen – beschäftigt und bezahlt. Die Antworten des Senats belegen, dass das Projekt Frühe Hilfen finanziell und personell auskömmlich ausgestattet ist. Deswegen kann man an dieser Stelle in Richtung Berlin nur sagen: Herzlichen Dank! Denn wir sind als Haushaltsnotlageland natürlich auf jeden Euro angewiesen.

Anders sieht es dagegen für die Kindeswohlsicherung aus, die durch das Land Bremen selbst finanziert wird. Im Jahr 2012 wurde im Zusammenhang mit dem Bremer Rahmenkonzept festgestellt, in Bezug auf die Schwerpunktbereiche Frühe Hilfen durch Familienhebammen und das Projekt Pro Kind seien die Kapazitäten nicht bedarfsdeckend. Der Jahresbericht des Bremer Gesundheitsamts aus dem Jahr 2013 führte aus, die Arbeit der Familienhebammen sei von Diskontinuität geprägt, und Stellen blieben häufig unbesetzt. Weiterhin sei eine Änderung der Situation – hier kommen wir zu einem sehr wichtigen Punkt – insbesondere für Kinder drogenabhängiger Eltern wünschenswert. Dieser Satz erhält besondere Bedeutung, wenn man weiß, dass ein überwiegender Teil der Kinder, die bei ihren drogenabhängigen Eltern leben, positiv auf Drogenrückstände in ihren Haaren getestet wurde. Ich erinnere insoweit an unsere Große Anfrage zum Thema „Kinder und Jugendliche im Drogenumfeld“, die wir hier im Februar dieses Jahres diskutiert haben. Sie wissen, dass wir als CDU-Fraktion der Auffassung sind, dass Kinder und Jugendliche ein Recht darauf haben, in einem drogenfreien Umfeld aufzuwachsen. Das gilt für die CDU von Anfang an, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU)

Wie also sieht es mit der damals attestierten Mangelausstattung heute aus? Hat sich die Situation verbessert? Die Antwort des Senats ist an dieser Stelle leider nicht zufriedenstellend; denn sie sagt: nicht wirklich. So ist die Anzahl der insgesamt betreuten Hochrisikofamilien von 228 auf 164 im Jahr 2013 gesunken, und die selbst gesetzte Zielvorgabe von 220 Fällen ist seit dem Jahr 2010 nicht mehr erreicht worden. Das, meine Damen und Herren, muss dringend verbessert werden!

(Beifall bei der CDU)

Die Fallbelastung der Familienhebammen ist ebenso wie die der Casemanager – Sie erinnern sich auch an diese Debatte, die die CDU angestoßen hat – völlig unterschiedlich. Der Senat schreibt in seiner Antwort hierauf nur süffisant, ein Ausgleich der Arbeitsbelastung werde angestrebt. Aber was heißt das konkret für die betroffenen Familien, meine Damen und Herren? Der Senat sagt nämlich in seiner Antwort ebenfalls deutlich, dass die Komplexität der Problemlagen der zu betreuenden Familien stark zugenommen habe. Dann muss doch auch eine Familienhebamme die notwendige Zeit zur Kindeswohlsicherung in diesen Hochrisikofamilien haben. Wenn sie diese Zeit nicht hat, dann hat das Auswirkungen, und zwar negative, meine Damen und Herren!

Wenn ich dann höre, dass von den in den Hochrisikofamilien angebotenen Hausbesuchen nur 75 Prozent tatsächlich stattgefunden haben und der Rest entweder ausgefallen ist oder dass man versucht hat, Ersatztermine zu machen, dann spricht das auch eine mehr als deutliche Sprache. Auch heute noch, schreibt der Senat auf Seite 6 seiner Antwort, gebe es länger dauernde Erkrankungen und Personalfluktuation und unbesetzte Stellen. – Ich habe eben wörtlich zitiert. Nicht, dass Sie uns hier etwas unterstellen! Die durchschnittliche Krankheitszahl bewegt sich auch in einem exorbitant hohen Bereich, meine Damen und Herren: 25,5 bis 28,6 Tage durchschnittliche Erkrankungszeit bei den Familienhebammen in den Gesundheitsämtern. Das ist oberhalb des Durchschnitts, der sich in der Gesamtstadt im öffentlichen Dienst widerspiegelt. Auch das spricht Bände, wenn man weiß, dass die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage im Bereich der Bundesinitiative Frühe Hilfen bei zwei bis drei Tagen und nicht bei 28 Tagen liegt.

Sie können sich vorstellen, dass das für uns als CDUFraktion unbefriedigend ist. Ich lasse auch den Einwand, der vonseiten des Senats als Begründung für diesen Bereich genannt worden ist, nicht gelten. Es wurde gesagt (Glocke)

ich komme gleich zum Schluss –, es gebe nicht genügend vorqualifiziertes Personal. Von privaten Arbeitgebern fordern Sie immer wieder Engagement. Aber dort, wo der Staat selbst Arbeitgeber ist, füh

ren Sie auf einmal die gleiche Klage, die Sie sonst aufs Schärfste verurteilen. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren! Fangen Sie damit an, Hebammen weiter zu qualifizieren. Davon gibt es eine ganze Menge. Dann werden die Personalprobleme auch weniger.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen nur deutlich sagen: Wir haben hier ein Problem, und wir müssen dieses Problem gemeinsam angehen. Die Unterstützung der CDU-Fraktion haben Sie. – Danke sehr!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Aytas, SPD-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Antwort des Senats auf die Große Anfrage eingehe, möchte ich mich zunächst selbstverständlich für die Große Anfrage bedanken, weil es für uns ein wichtiges Thema ist. Die ausführliche Antwort des Senats ließ mich bestimmte Dinge ganz deutlich erkennen.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Ja, das war ein Hilferuf, der da geschrieben worden ist!)

Bevor ich auf die Antwort eingehe, möchte ich aber trotzdem noch einmal auf einen wichtigen Unterschied zwischen der regulären Hebammentätigkeit und der Tätigkeit von Familienhebammen eingehen. Das ist ein zusätzliches Angebot, auf das wir hier eingehen wollen. Wenn ich persönlich auf die Jahre zurückblicke, in denen ich selbst Kinder bekommen habe und in denen ich ganz aufgeregt auf die Geburt meiner Kinder gewartet habe, war es für mich ganz wichtig und sehr wertvoll, dass ich jemanden an meiner Seite hatte, der mich begleitet hat, mir meine Ängste abgenommen hat, mir alle meine Fragen beantwortet hat, als es um die Geburt und auch die möglicherweise entstehenden Schwierigkeiten dabei ging, eine Frühgeburt oder Ähnliches. Das war für mich ganz wichtig, und ich fand diese Unterstützung sehr wertvoll.

Für diese Hilfestellung habe ich auch noch nichts zahlen müssen, weil meine Krankenkasse alles bezahlt hat. Das ist in Deutschland gesetzlich so geregelt, und das ist richtig und wichtig so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine Familienhebamme

(Abg. D r. S c h l e n k e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Familienhebamme! Das ist ein Unterschied!)

ist eine Hebamme mit einer Zusatzausbildung, und mit dieser Zusatzqualifikation erwirbt sie das Wissen und die Fähigkeit, Mütter und Familien zu unterstützen, die ausgiebig oder länger die Hilfe einer Hebamme benötigen, weil sie sich in einer besonderen oder schwierigen Lebenssituation befinden. Die Frage für unsere Debatte lautet: Wer benötigt eine Familienhebamme beziehungsweise wann wird eine Familienhebamme eingesetzt?

Familienhebammen werden von schwangeren Frauen und Familien benötigt, die sich in einer besonderen Situation befinden, so wie ich es vorhin bereits beschrieben habe. Diese Unterstützung findet immer zusätzlich zu der regulären Hebammenbetreuung statt. Auch das habe ich gerade gesagt. Eine Familienhebamme kann als wichtige Unterstützung eingesetzt werden, wenn die Betroffene zum Beispiel mit der neuen Familiensituation nicht so uneingeschränkt glücklich ist, wie sie es sich vielleicht vorgestellt hat, oder wenn das Kind zu früh geboren worden ist, wenn sich die Betroffene in einer Beziehungskrise befindet oder schwer oder chronisch krank ist.

Sie haben auch noch weitere, wichtige Punkte genannt, die finde ich genauso wichtig.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Es sind Hoch- risikofamilien! Genau!)

Ja, wobei ich gleich noch einmal darauf eingehe, ob das in diesem Förderplan enthalten ist. Das ist nämlich die andere Frage. Das sind einige schwerwiegende Beispiele, die die werdenden Mütter und Familien bei der Versorgung ihres Kindes beeinträchtigen können. Deshalb ist es sehr wichtig, qualifizierte Familienhebammen einzusetzen.

Kommen wir nun zu der Großen Anfrage, wie es in Bremen und Bremerhaven mit dem Einsatz von Familienhebammen aussieht. In Bremen sind neun Mitarbeiterinnen im Gesundheitsamt sowie drei Familienhebammen im Rahmen des Programms Pro Kind tätig. Im Gesundheitsamt Bremerhaven sind zurzeit sechs Mitarbeiterinnen tätig, in den beiden Jahren 2011 und 2012 wurden im Programm Pro Kind, welches als Bundesmodell lief, zwei Familienhebammen beschäftigt. Diese beiden Stellen wurden jedoch im Jahr 2013 gekürzt.

Der Stundenumfang jeder Mitarbeiterin in Bremen und in Bremerhaven ist unterschiedlich aufgeteilt. Wenn wir jedoch die Betreuungsdichte der Familienhebammen betrachten, ist die Fallzahl bis Ende November 2013 gesunken. Dies ist bei genauerem Hinschauen auf die Belastung der Mitarbeiterinnen zurückzuführen, denn durch die hohe Belastung der Mitarbeiterinnen steigen auch die Krankheitsausfälle. In

Bremen liegen zum Beispiel die durchschnittlichen Krankheitsausfälle bei 26 Tagen im Jahr pro Mitarbeiterin.

(Glocke)

Das finde ich sehr bedenklich!

(Beifall bei der CDU)

Trotzdem weist die Antwort des Senats darauf hin, dass der Bedarf steigt. Insbesondere der Bedarf bei Frauen mit Migrationshintergrund, und dort besonders bei Frauen aus den neuen EU-Ländern wie Bulgarien oder Rumänien, ist sichtbar groß. Ich werde weitere Themen in meiner zweiten Rede ansprechen. – Danke!